Autor Thema: Darf (lies: sollte) man politisch unkorrekte Settings noch spielen?  (Gelesen 42200 mal)

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Offline nobody@home

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Die Figur hat einen Willen?

Wenn sie keinen hätte, was wäre dann an ihr noch interessant? wtf?

Und abgesehen davon: okay, eine gezeichnete Figur mag nicht auf dieselbe Weise "real" sein wie ein sich bewegendes biologisches Gebilde in vier Dimensionen. Sie spricht einfach weniger Sinne gleichzeitig an. Gleichzeitig ist aber die einzige Entität, von der ich mit einiger Sicherheit sagen kann, daß sie überhaupt denkt und (soweit vorhanden, Datenlage unklar) einen eigenen Willen hat, meine Wenigkeit selbst -- alles andere ist mangels direkter telepathischer Wahrnehmungsmöglichkeiten letztendlich schon nur Spekulation. Was wäre angesichts dieser Tatsache also mein Grund, künstlich die eine Kategorie über die andere zu erheben? ~;D

Offline unicum

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Ja der Kettenbikini,... der ist halt bikini.

Nehmen wir mal das andere extrem - den Ritterharnisch mit Vollhelm. Da erkennt niemand wer gerade wirklich drinsteckt, Männlein und Weiblein haben nämlich meistens gar nicht so sehr verschiedene Oberweiten und wenn ist meist genug Luft drin um "weichteile" rinzubekommen.

Und hätten es mehr Frauen im Kriegerhandwerk gegeben (ausser exemplarisch Jeanne d’Arc et al.) welche ihren Harnisch selbst gestaltett hätten (Jeanne hat ja nur einen von "der Stange" bekommen) - wer weis welche modischen Dinge wir darauf gesehen hätten.

Jedenfalls waren einige der Harnische von Männern (zugestanden nur die Reichen bis Stinkreichen) etwas "aufgepeppt" - gerne auch mit einer "Schamkapsel" welche den Gegner auch einschüchtern sollte.
Das obligatorische sixpack sah man ja schon bei den ollen Römern auf den Prunkharnischen. Ist das auch politisch korrekt gewesen?
Verweise:
https://www.welt.de/img/geschichte/mobile117013269/3272502427-ci102l-w1024/Trajan-Panzerstatue-Ostia-Trajan-Statue-in-armour-Ostia.jpg
Die "Schamkapsel" habe ich in einem Youtube von Shadaversity gesehen, keine ahnung mehr in welchem. Ich weis auch nicht wie ich es sonst nennen will Schamkapsel kenne ich sonst aus der Renaisance aber da war so ein "Sporn" an einer Ritterrüstung,...

Offline Alexandro

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Und obwohl das oben alles für mich gilt, regt es mich ehrlich gesagt auf, wenn ich die Art und Weise sehe, wie z.B. in Deadlands der amerikanische Bürgerkrieg von der Sklavereifrage entkoppelt wird. Vielleicht ist das auch eine sogenannte "political correctness", um einige spezialgelagerte Sonderfälle aus den Südstaaten nicht vom Spieltisch zu vergraulen, für die es im Bürgerkrieg "nur um States Rights" ging, aber ich persönlich empfinde es als richtig unangenehm, wenn - wie in diesem Fall - historischer Rassismus relativiert und runtergespielt wird.

Da wird überhaupt nichts relativiert, die Sklavereifrage ist auch bei Deadlands einer der wichtigsten (wenn auch nicht der einzige) Auslöser des Bürgerkriegs. Es geht weniger darum, Südstaatler zu bemuttern, als vielmehr den Spielern afroamerikanischer SC ein paar mehr Möglichkeiten zu geben, als sich nur ständig mit dieser einen (für einige Spieler aus diversen Gründen sicher auch ziemlich unangenehmen) Sache auseinandersetzen zu müssen (und es ist schon vorteilhaft, wenn ein Charakter mehr als einen möglichen Background haben kann).

Innerhalb der Spielwelt wird das dann so erklärt, dass die Konföderation einfach zu große Verluste hinnehmen musste, um nicht ihre Reihen mit Soldaten aus dem entsprechenden Background aufzufüllen. Damit diese für ihre Sache kämpfen musste aber auch irgendein Anreiz für diese geschaffen werden, damit sie da mitmachen und nicht bei der ersten Gelegenheit desertieren - daher der Deal "Emanzipation im Austausch für Militärdienst".

Das eröffnet einige interessante neue Möglichkeiten sich, wenn man das denn will, mit dem Rassismus der Zeit auseinanderzusetzen:
- der ehemalige Sklave und jetzt Soldat in der konföderierten Armee, der um persönliche Freiheit zu erlangen ein System unterstützt, welches ihn zuvor ausgebeutet hat
- der Plantagenbesitzer, der seinen Sklaven bewusst nichts von der Möglichkeit "Freiheit gegen Waffendienst" erzählt, weil er seine Arbeitskräfte nicht verlieren will - selbst wenn das bedeutet, dass die Konföderation den Krieg verlieren könnte
- der rassistische Kommandant, der seine afroamerikanischen Truppen kurz vor der Beendigung ihrer Dienstzeit (nach der sie ihre Freiheit erhalten würden) auf ein Selbstmordkommando nach dem anderen schickt, weil er den Gedanken nicht ertragen kann, dass "freie N*****" in "seiner" Konföderation rumlaufen
usw. usf.

Die Änderung schafft einen Haufen neuer Möglichkeiten für Geschichten, ist durchdacht und bietet viel Potential.
« Letzte Änderung: 29.11.2019 | 14:05 von Alexandro »
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Offline D. M_Athair

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Die Deadlands-Nummer kann man - wie den "Tschetschenien-Skandal" bei Vampire V5 - gerade auch aus Betroffenen-Sicht unterschiedlich bewerten. Tatsächlich würde ich mir gerade an solchen Stellen einen Erklärkasten wünschen, in dem die Autor.inn.en ihre Intensionen offenlegen. Dann fällt nämlich dieses "Nein-Doch-Aber-Übrigens"-Rätelraten raus.
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Offline unicum

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Bezüglich Deadlands und Sklaverei empfehle ich mal in das Quellenbuch "Back East The South" zu schauen,... (Seite 6 "A Few Notes")

Ich will hier mein Zitat so kurz wie möglich halten - also Sklaverei ist abgeschafft in beiden Staaten. Rasismus gibt es allerdings immer noch. (Was ja auch in Hell on Earth weitergeführt wurde wo es darum geht das sich ein "neuer" Rassismus gegenüber den Mutanten entwickelt hat):
"Our reason for doing this is not to whitewash some of the horrible things which happened in America under slavery, but because they don’t contribute to a very fun gaming atmosphere."
"Racist characters that do appear in our books ... almost always play the role of villains."
« Letzte Änderung: 29.11.2019 | 15:50 von unicum »

Offline D. M_Athair

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Bezüglich Deadlands und Sklaverei empfehle ich mal in das Quellenbuch "Back East The South" zu schauen,... (Seite 6 "A Few Notes")
Soll heißen: Ne Autoren-Erklärung wurde nachgereicht. Jedoch in nem Quellenband, den viele vielleicht gar nicht haben.
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Offline Alexandro

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Nicht ganz. Die Setzung mit "keine Sklaverei mehr" kam überhaupt erst mit diesem Quellenbuch (vorher wurde einfach davon ausgegangen, dass afroamerikanische SC halt außerhalb der Südstaaten gespielt werden).

Und in späteren Editionen (Deadlands:Reloaded) stand es dann auch im GRW drin.
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Offline Oberkampf

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Könntest du das mit Beispielen unterfüttern? Mein Eindruck von Deadlands ist eher, dass da jemand relativ scharfsinnig eine Welt weitergedacht hat, bei der es eben keinen klaren Gewinner gab zwischen Nord- und Südstaaten. Und dass Sklaverei in irgendeiner Form nicht schlecht sei, habe ich in den mir bekannten Werken nicht gelesen.

Grüße

Hasran

Deadlands Classic kenne ich kaum, darum sag ich dazu nichts. Ich beziehe mich auf Players Guide Deadlands reloaded p. 32, Kasten "A word on slavery". Darin heißt es, 1) Sklaverei sei eine Sache der Vergangenheit, 2) der Grund für den Bürgerkrieg sei komplizierter und 3) Rassismus sei im Weird West ebenfalls eine Angelegenheit der Vergangenheit.

Ich habe zu den Punkten eben eine längere, zumindest anfangs etwas differenzierte Darstellung geschrieben, die ich mir irgendwie selbst gelöscht habe (was vielleicht ganz gut war, denn am Schluss bin ich etwas auf den Kulturkrieg in den USA eingegangen, was nah am Speakers Corner sein könnte), aber ich schreib nicht alles nochmal, darum nur kurz:

Punkt 1) ist allein noch kein Problem. Auch wenn der Bürgerkrieg "unentschieden" (d.h. faktisch mit einem Sieg der Separatisten) endete, könnte man durchaus das Setting so aufbauen, dass es in den Südstaaten hinterher eine Reform gab, durch welche die Sklaverei abgeschafft wurde.

Punkt 3) ist vielleicht gut gemeint, aber er beschreibt eine starke Abweichung von der historischen Realität (Gründung des KKK und ähnliches). Das ist vielleicht insofern entschuldbar, weil es ein phantastisches Setting ist, aber da glaube ich schon, dass die Autoren - ungewollt - über das Ziel, Rassismus im Setting zu minimieren, hinausgeschossen sind.   

Punkt 2) ist aber der, der mich am meisten ärgerte, als ich es gelesen habe, und auch jetzt noch stört. Mag sein, dass einige Nebenaspekte des Bürgerkriegs kompliziert sind, aber soweit ich bisher gelesen habe, ist sich der überwältigende Großteil der historischen Forschung einig, dass die Hauptursache die Weigerung der Südstaaten war, die Sklaverei abzuschaffen. Mit einem "it´s complicated" schlittert man da leicht in eine bestimmte Position im Kulturkampf rein. Das ist der Punkt, wo Geschichtsverschönerung anfängt.

Wenn das Thema in anderen Publikationen von Deadlands etwas ausführlicher und weniger ...kosmetisch... weißwaschend... behandelt wurde, freut mich das, aber so wie es im Payers Guide steht, kommt es mir unangenehm vor. Und zur Klarstellung: Damit will ich nicht behaupten, dass Deadlands rassistisch wäre - das ist kein RaHoWa oder ähnliches. Es ist nur eine saublöde Sache, wenn man ein Genre (Western) nimmt, bei dem ein Motiv (Bürgerkrieg) einen prominenten Platz hat, den es beibehalten soll, und man dann dieses Motiv seines Kerninhalts (Sklaverei) entkleidet.
« Letzte Änderung: 29.11.2019 | 17:10 von Destroy all Monsters »
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Offline Tele

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Ahja, die Sklaverei ist der Grund für den Sezessionskrieg...wie das Attentat von Sarajevo der Grund für WK I...und der Prager Fenstersturz der Grund für den 30. Jährigen Krieg...Chemiewaffen für den letzten Irakkrieg

Oder verwechselt da Jemand Auslöser (ergo die Präsidentschaft Lincolns der die Sklaverei übrigens anfangs nicht abschaffen, sondern nur beschränken wollte) mit Hintergründen (die Frage des Rechtes des Einzelstaates gg. der Union; industrialsierte gg. Agrarstaaten; Schutzzölle etc.). Faktisch waren auch im Norden nur Wenige gegen die Sklaverei. Es ist ein bis heute vorgeschobenes Argument, das einzig Wikipedia-Leser für den Hauptgrund halten. Das volle Verbot der Sklaverei sollte den Kriegsgegner gesellschaftlich destabilisieren.

Offline Oberkampf

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Nee, Anlass und Ursache verwechsel ich nicht. Tatsächlich ging es um die Rechte der Staaten, und zwar speziell das Recht des Staates, Sklaverei zu erlauben.

Dass Lincoln kein reiner Prohibitionist war, ist Nebensache.
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Offline Tele

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Das ist doch der Punkt. Der Konflikt hat viele Gründe und viele vorherige Konflikte, ist ergo kompliziert...

Offline Alexandro

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Selbst bei der Abschaffung der Sklaverei ging es nicht um die Rechte der Sklaven, sondern darum, dass sklavenhaltende Staaten (durch den Anteil der Sklaven an der Bevölkerung) ein unverhältnismäßig großes Stimmrecht im Kongress hatten und (nach Aufnahme einiger weiterer Staaten) bestimmte Dinge auch ohne Billigung der nicht-Sklavenhalterstaaten durchbringen konnten.

Was Punkt 3 angeht: es wird in DLR recht deutlich gesagt, dass es eine klare Trennung zwischen "gut" (nicht-rassistisch) und "böse" (rassistisch) im Setting gibt, nicht dass Rassismus überhaupt nicht mehr existiert. Das kann man jetzt blöd finden und es anders handhaben, aber ich verstehe schon, warum Pinnacle das so gemacht hat.
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Offline Widukind99

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Ich finde Rollenspiel kann eine gute Möglichkeit sein, sich mit Rassismus, Sexismus und anderen Vorurteilen und Missständen auseinanderzusetzen und diese zu reflektieren.
In einer Rollenspielgruppe finden ja sehr oft Menschen (und Nichtmenschen) aus unterschiedlichen Kulturkreisen zusammen und stehen füreinander mit ihrem Leben ein.

Und ein viktorianisches Setting (wie im Engangspost) halte ich nicht für "politisch inkorrekt", sondern für historisch. Und wenn dann dort die Dame des Hauses, offiziell natürlich immer im Schatten ihres Mannes, in Wahrheit die Strippen zieht, umso schöner....

Offline D. M_Athair

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... hab lange überlegt, ob ich das hier posten will, oder nicht.
Nach Wochen bin ich zu dem Schluss gekommen: Ja, das kann und will ich dem Forum als Angebot zumuten.

Warum?
  • Es kann sich lohnen die Argumentationsstruktur anzuschauen, mit welcher Autor Varg Vikernes Rassismusvorwürfen, die gegen sein Rollenspiel MYFAROG gerichtet sind, begegnet.
  • Auch, um den Zusammenhang von fiktionalen Inhalten und deren Wechselwirkung mit realen Menschen zu reflektieren, bietet sich das Video an.

Is MYFAROG Racist (Youtube)
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Swafnir

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Na ja, Varg ist ein bekennender Rassist und verurteilter Mörder. Das alleine ist halt schon ein Punkt an dem jeder entscheiden muss, ob er seine Kunst (ob jetzt das Rollenspiel oder BURZUM) konsumieren möchte oder nicht.

Da stelt sich vielmehr die Frage: Kann ein Rassist mit einem rassistischen Mindset ein Rollenspiel schreiben, das nicht rassistisch ist? Ich hab darauf keine zufriedenstellende Antwort. Letztlich muss auch das jeder für sich entscheiden.

Ich bin zwiegespalten. Einerseits würde es mich reizen das zu lesen und zu schauen wie sich das niederschlägt. Auf der anderen Seite mag ich auch nicht dass der Kohle von mir bekommt.

Offline General Kong

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Selbst bei der Abschaffung der Sklaverei ging es nicht um die Rechte der Sklaven, sondern darum, dass sklavenhaltende Staaten (durch den Anteil der Sklaven an der Bevölkerung) ein unverhältnismäßig großes Stimmrecht im Kongress hatten und (nach Aufnahme einiger weiterer Staaten) bestimmte Dinge auch ohne Billigung der nicht-Sklavenhalterstaaten durchbringen konnten.

Was Punkt 3 angeht: es wird in DLR recht deutlich gesagt, dass es eine klare Trennung zwischen "gut" (nicht-rassistisch) und "böse" (rassistisch) im Setting gibt, nicht dass Rassismus überhaupt nicht mehr existiert. Das kann man jetzt blöd finden und es anders handhaben, aber ich verstehe schon, warum Pinnacle das so gemacht hat.

Was ich an dem Ansatz von Deadlands:Reloaded eher "problematisch" (hohes Wort) finde, ist, dass sie das tatsächliche Problem der Sklaverei und Rassismus eher dadurch kleinhalten, indem sie die Südstaaten zu der Seite machen, die die Sklaverei zuerst abschaffen.

Das ist zwar einerseits historisch gesehen ein nachvollziehbarer Schachzug, da die Konföderation um internationale Anerkennung und wirtschaftliche und militärische Unterstützung buhlte und gerade das UK diese mit Sklaverei nicht gewähren konnte.

Aber machen wir uns nichts vor - die Sezession wäre ohne die Sklaverei (bzw. die Furcht des Südens vor der Emanzipation der Sklaven) undenkbar gewesen, weil völlig sinnfrei!

Also wieso sollten ein  Staatenbund, den es nur wegen der Aufrechterhaltung der Sklaverei gibt, eben diese zuerst und noch während des Krieges, der eben zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Sklaverei geführt wird, abschaffen?

Und dann noch zu sagen: "Nun, nur wenge Jahre danach, gilt im Weird West die Hautfarbe gar nichts mehr und nur noch reaktionäre Fieslingen und Bösewichte achten da überhaupt drauf!" ist eine Geschichtsklitterung Sondershausen.

Sie hätten wenigstens dem Norden den Vortritt geben können (ja, er kämpfte um die Einheit der Union, aber es war dennoch ein fortschrittlicher Aspekt des Krieges).

Dass sie eindeutig sagen, dass Rassismus nichts für die Helden im Weird West ist - Super!
Kein Problem damit!
So soll es sein.

Aber die Anstrengungen der Sklaven und ihrer Nachkommen (und Alliierten) durch ein Eia-Popeia-alle-sind-nun-tolerant zu ersetzen, kann ich nur mit spezifischen amerikanischen Befindlichkeiten erklären.

Nachvollziehbar, aber ich finde es historisch wie politisch falsch und insgesamt auch beschönigend.

Und die Konföderation hätte diesen politischen Schachzug auch nicht überlebt - weder politisch, noch wirtschaftlich durch den Wegfall der Sklavenarbeit.
« Letzte Änderung: 18.12.2019 | 20:40 von General Kong »
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Offline D. M_Athair

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... Danke für die Ergänzungen, Swafnir. (Wobei er selbst die Fremdbezeichnung Rassist ja ablehnt.) Und wegen dieser Voraussetzungen finde ich die inhaltliche Betrachtung seiner Argumente und seine Argumentationsstrukturen beobachtenswert.

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Offline General Kong

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... hab lange überlegt, ob ich das hier posten will, oder nicht.
Nach Wochen bin ich zu dem Schluss gekommen: Ja, das kann und will ich dem Forum als Angebot zumuten.

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  • Es kann sich lohnen die Argumentationsstruktur anzuschauen, mit welcher Autor Varg Vikernes Rassismusvorwürfen, die gegen sein Rollenspiel MYFAROG gerichtet sind, begegnet.
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Is MYFAROG Racist (Youtube)

Hmmm ... ich habe mir den Beitrag mal angesehen.
Ohne MYFAROGzu kennen, würde ich sagen:
1. Nein, das Regelwerk an und für sich ist wahrscheinlich nicht "rassistischer" als andere Fantasy-Rollenspiele, in denen Zwerge Goblins, Elfen Orks und Humpadinger grüne Wampfe hassen, weil die eben die hassen, weil die eben so sind wie sie sind.
2. Seine Argumentation und die Darstellung seiner eigenen Motivation für das Spiel und das Setting sind vor dem seinem Hintergrund, dass er ein Rassist und Mörder ist und respektive war, recht durchsichtig.
3. Und wenn MYFAROG die Rollenspieloffenbarung des Jahrtausends wäre - bevor ich dieser Person auch nur einen Cent gebe, spiel ich lieber bis zum Ende meiner Tage Mensch-ärger-die-nicht gegen mich selbst.
Ohne Spielbrett und Würfel!

Klar, es ist gut, dass er nun nicht mehr mordet und seinen Rassismus wohl in gesellschaftlich vertretbaren Bahnen hält (hat seine Meinung, ruft nicht zu Pogromen o.ä. auf) und friedlich ist und Rollenspiele schreibt.
Soweit.
Es hat auch jeder eine "zweite Chance" verdient.
Auch gut.
Aber ich kaufe seinen Kram trotzdem nicht, solange ich den Eindruck habe, dass er immer noch ein in der Wolle gefärbter Rassist ist.
« Letzte Änderung: 18.12.2019 | 20:57 von General Kong »
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Offline Irian

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Mal völlig ungedachtet der Person, die Argumentation die er bringt, ist auch unglaublich schwach...

* "Das kann kein Rassismus sein, niemals nicht, sondern nur ein paar Leute wollen, dass alle anderen das glauben."
* "Das ist Fantasy, deshalb hat es absolut gar keinen Bezug zur Realität."
* "Meine Bösewichter haben alle Fangzähne! Hallo? Fangzähne!!! Die hat ja kein echter Mensch, also ist alles toll!"

Sorry, aber das ist eine so selten schwache Argumentation, selbst wenn man nicht wüßte, von wem es kommt, muß man dem Autoren zumindest absolut fehlende Reflektionsfähigkeit unterstellen.
Hinweis: Nein, ich will dir nicht verbieten, X, Y oder Z in deinem Rollenspiel zu tun. Nein, ich habe dich keinen Rassisten genannt. Ja, du darfst X, Y oder Z auch weiterhin tun (außer es ist illegal, dann ist es aber auch nicht mein Problem). Wenn du denkst, es gibt eine einflussreiche oder auch nur mäßig große Gruppe hier im Forum oder in der dt. Szene, die dir dein Rollenspiel verbieten will, liegst du sehr wahrscheinlich falsch, insb. weil es idR keinen interessiert, was du so tust.

Offline Toht

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Alles soweit erstmal richtig. Es ist jetzt keine Offenbarung in der Argumentation aber erstmal durchaus legitim. Ich kenne das Setting aber nicht.
Aber wenn man die Gegenseite mal betrachtet, kann man sicher zu ähnlichen Schlüssen kommen. Wie lautet denn der konkrete Vorwurf? Was (und warum) soll in MYFAROG rassistisch sein?

Offline Crimson King

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Mal völlig ungedachtet der Person, die Argumentation die er bringt, ist auch unglaublich schwach...

* "Das kann kein Rassismus sein, niemals nicht, sondern nur ein paar Leute wollen, dass alle anderen das glauben."
* "Das ist Fantasy, deshalb hat es absolut gar keinen Bezug zur Realität."
* "Meine Bösewichter haben alle Fangzähne! Hallo? Fangzähne!!! Die hat ja kein echter Mensch, also ist alles toll!"

Sorry, aber das ist eine so selten schwache Argumentation, selbst wenn man nicht wüßte, von wem es kommt, muß man dem Autoren zumindest absolut fehlende Reflektionsfähigkeit unterstellen.

Ergänzend: Elben, Drow und Zwerge in D&D sind rassistisch, aber das Spiel gilt nicht als rassistisch. Also kann myfarog auch nicht rassistisch sein.

Ergänzend ein Review des Spiels in der ersten Edition. Das ist ganz offensichtlich ein hartes Pflaster. Ein weiterer Review geht die Sache noch elaborierter an.
« Letzte Änderung: 18.12.2019 | 22:14 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Online Isegrim

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Aber die Anstrengungen der Sklaven und ihrer Nachkommen (und Alliierten) durch ein Eia-Popeia-alle-sind-nun-tolerant zu ersetzen, kann ich nur mit spezifischen amerikanischen Befindlichkeiten erklären.

ME wollten die in erster linie schwarze SCs spielbar machen, ohne dass die ständig als "der N..." behandelt werden.
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline Harry Du Bois

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Mein bescheidener Beitrag zu der Sache:

Es schadet nicht sich selbst in diesen Dingen zu hinterfragen. Warum will ich das so und nicht anders handhaben? Generiere ich damit einen Mehrwert für meine Mitspieler?

Ich denke kaum einer hier, tritt an mit dem Vorsatz an, andere verletzen zu wollen oder zu diskriminieren (also ausschließen kann ich es nicht, aber ich glaube an euch). Und sich nach diesen Maßen zu bemühen, in der direkten Interatkion am Tisch oder der Vorbereitung, ist doch schon alles was man dazu fordern sollte/kann/muss. Da steckt schon alle nötige Politicial Correctness drin (oh du viel geschundener Kampfbegriff). So lang wir uns darüber bewusst sind was wir wie und warum tun und uns darüber verständigen, sind wir auf dem richtigen Weg.
« Letzte Änderung: 18.12.2019 | 22:23 von Harry Du Bois »
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Ergänzend: Elben, Drow und Zwerge in D&D sind rassistisch, aber das Spiel gilt nicht als rassistisch. Also kann myfarog auch nicht rassistisch sein.

Ja, sicher. :P D&D hat seine eigenen Problemchen (gerade aus modernerer Sicht unbeleckt von eventuellen "Gnade der frühen Geburt"-Argumenten), aber ich denke, wenn man seiner Autorenriege über die Jahrzehnte eins zugutehalten kann, dann das, daß sie ärgerliche Vorurteile und Stereotypen lediglich zu unreflektiert übernommen haben und sie nicht obendrein noch bewußt als Teil einer gezielten Agenda propagieren wollten. Myfarog scheint selbst dieses Feigenblatt zu fehlen.

Offline Alexandro

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Wot?  :o In der Welt von Deadlands wird Sklaverei in der Konföderation im Jahre 1877(!) abgeschafft - d.h. 20 Jahre, nachdem Afroamerikanern innerhalb der USA Rechte zugesprochen wurden, welche die Sklaverei verhindern sollten und 17 Jahre nach der Sezession. Während Afroamerikaner in den Nordstaaten schon länger frei sind, ist das im Süden eine Neuerung.

Zitat
Aber machen wir uns nichts vor - die Sezession wäre ohne die Sklaverei (bzw. die Furcht des Südens vor der Emanzipation der Sklaven) undenkbar gewesen, weil völlig sinnfrei!

Wie gesagt: die Abschaffung der Sklaverei erfolgte 17 Jahre nach der Sezession des ersten Bundesstaates. Auch wenn damit einer der wesentlichen Kriegsgründe vom Tisch war, war die Situation zu diesem Zeitpunkt schon zu verfahren (und die politische Realität der zwei Amerikas zu gefestigt), um einfach zu sagen "Nee, wir kommen jetzt wieder zusammen".
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