Autor Thema: Musikjournalismus und seine Leser  (Gelesen 4547 mal)

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Offline Chiarina

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Musikjournalismus und seine Leser
« am: 28.11.2019 | 15:28 »
Ich mache hier einen neuen Strang zu Musikjournalismus auf, in dem alles mögliche aus diesem Bereich bequatscht werden kann. Anlass ist tartex´ Äußerung zur Spex und die folgende Erläuterung, auf die ich ohne massives Offtopic nicht im "Welche Bands habt ihr kürzlich live gesehen"-Strang reagieren kann:

Zitat von: tartex
Ich höre auch heute wieder viel und gerne Metal. (Aber kaum True oder Power Metal.) Allerdings wurde mir öfters von selbstbezeichnenden Metalfans erklärt, dass was ich so hören würde keine Musik sei, sondern nur Müll und Krach, und dass mir das gar nicht gefallen könnte, sondern, dass ich nur so tun würde als ob, weil ich ein Hipster wäre.

Und der Spex-Bezug? Haben dir die Metal-Fans vorgeworfen, du seist wie ein arroganter Spex-Leser?
Was in der Spex abgefeiert wurde, ging zumindest hin und wieder wirklich in die Krach-Richtung. Warum auch nicht? Krach muss ja nicht unbedingt zwingend negativ aufgefasst werden.

Die Spex hat ja eine massive Krise durch. Vor einem knappen Jahr wurde die Printausgabe eingestellt und beinahe wäre die Zeitschrift insgesamt dabei draufgegangen.

Dann haben sich ein paar Autoren entschlossen, das Ding als Online-Produkt weiter zu betreiben.

Tatsache ist aber, dass in diesem Augenblick plötzlich alle sehen konnten, wie mickrig die ständige Leserschaft der Zeitschrift noch war. Insofern geht tartex´ Aussage, dass die Zeitschrift tot sei, schon in die richtige Richtung. Ein Grund, sich über eine arrogante Leserschaft zu ärgern, gibt es allerdings kaum noch - weil es nämlich auch kaum noch eine Leserschaft gibt.

Ich hatte die Spex zu diesem Zeitpunkt auch schon lange nicht mehr gekauft, sondern höchstens nochmal kurz beim Umsteigen in der Bahnhofsbuchhandlung durchgeblättert.

Dann kam die Spex als Online-Ausgabe und ich musste plötzlich entscheiden, ob ich komplett darauf verzichte. Da habe ich sie erstmal für ein halbes Jahr abonniert und damit auch mal wieder etwas gründlicher gelesen. Die Artikel über Musik gehen mir oft am Hintern vorbei. Auch so ein paar allgemeine politische Artikel nerven mich manchmal. Die Buch- und Filmbesprechungen finde ich aber oft gelungen. Ich bin aufgrund einiger Besprechungen sogar mal wieder ins Kino gegangen. Das hatte ich vorher schon lange nicht mehr gemacht.

Insgesamt finde ich´s ganz spannend, was mit dem Magazin passiert. Die Leute haben nichts mehr zu verlieren. Aus so einer Situation heraus können auch ganz interessante Momente entstehen.
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Online tartex

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #1 am: 28.11.2019 | 15:43 »
Nein, ich glaube, die Metalfans kannten die Spex gar nicht. Da wurde eher mein Musikgeschmack im Allgemeinen erstaunt beobachet. Aber Spex ist halt so die Kurzbeschreibung des Symptoms in 4 Buchstaben für Eingeweihte.  ;)

Spex war seit 2003 oder so eh nicht mehr elitär - von der Sprache her.

Oder vielleicht habe ich mir in jungen Jahren einfach mit der Sprache schwerer getan.

Naja, die letzten Jahre habe ich sie mir noch gekauft, wenn ich im deutschen Sprachraum war, aber gelesen eigentlich eh nicht mehr.

Das Webangebot geht auch an mir vorbei.

Und leider muss ich sagen, dass selbst ich - als ehemaliger (Unter-anderem-auch-)Musikjournalist seit dem Aufkommen von Spotify eigentlich so gut wie nichts mehr über Musik lese. In CD-Zeiten habe ich solche Zeitschriften von der ersten bis zur letzen Seite verschlungen (zuerst Metal Hammer, dann Visions, dann Spex, daneben auch die Ox und andere (echte) Fanzines, plus das österreichische Skug), selbst in den Download-Zeiten, musste der Musikfan sich ja noch informieren, was man sich ziehen will.

Aber mit Spotify hat man soviele Playlists, dass zumindest für mich - aber wohl den Großteil der früheren Leserschaft - die Notwendigkeit zum Text über Musik wegfällt. Persönlich habe ich ja einige Freunde mit ähnlicher Sozialisation und so streiten wir dann halt im Pub oder beim Warten bis zum Konzertbeginn (und nach dem Konnzert) über Bands, usw.

Während ich zur Kampfdiskussion >;D über Rollenspiele (und Star Wars) ins Tanelorn ausweichen muss, bin ich was Verbalaustausch über Musik betrifft zum Glück im echten Leben sehr gut aufgehoben.
« Letzte Änderung: 28.11.2019 | 15:45 von tartex »
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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #2 am: 28.11.2019 | 16:51 »
Interessantes Thema. Abo.  :)

Offline Megavolt

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #3 am: 28.11.2019 | 16:52 »
Ich muss gestehen, dass ich möglicherweise noch nie absichtsvoll etwas über Musik gelesen habe. Entgeht mir da sehr viel?
afuera!

Offline Orlock

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #4 am: 28.11.2019 | 17:26 »
In der Metalszene läuft schon seit einigen Jahren das gleiche ab, wie im  Rest der Welt: Meine Lieblingsband ist die beste, der Rest ist Schrott. Und wer anderer Meinung ist hat keine Ahnung.
Konkret zum Thema Journalismus hat das zur Spaltung der RockHard Redaktion geführt, von denen ein Teil jetzt das Deaf Forever rausgeben.

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #5 am: 28.11.2019 | 17:40 »
Ich muss gestehen, dass ich möglicherweise noch nie absichtsvoll etwas über Musik gelesen habe. Entgeht mir da sehr viel?

Also ein Musiknerd bricht sicher mehr Herzen als ein Rollenspielnerd.  8] >;D
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Offline WulfBorzagh

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #6 am: 28.11.2019 | 20:10 »
@Orlock: Du hast vergessen: Meine Lieblingsband klingt ein wenig anders nu ist sie Schrott oder die Variation Meine Lieblingsband lief im Radio = totaler Kommerzsch**ß.



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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #7 am: 28.11.2019 | 20:33 »
In der Metalszene läuft schon seit einigen Jahren das gleiche ab, wie im  Rest der Welt: Meine Lieblingsband ist die beste, der Rest ist Schrott. Und wer anderer Meinung ist hat keine Ahnung.
Konkret zum Thema Journalismus hat das zur Spaltung der RockHard Redaktion geführt, von denen ein Teil jetzt das Deaf Forever rausgeben.

Na ja, ob das so ganz den Tatsachen entspricht? Es war wohl eher so, dass zwei Redakteure gefeuert wurden und in der Folge der Chefredakteur sowie diverse Mitarbeiter ihren Hut nahmen und sich mit dem Deaf Forever eine neue Spielwiese schufen. Da mögen sicherlich auch persönliche musikalische Vorlieben und Abneigungen hineingespielt haben, doch diese waren ganz sicher nicht der Hauptgrund für die Spaltung.
« Letzte Änderung: 28.11.2019 | 21:08 von Fulko Aktienindex »

Offline Crimson King

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #8 am: 28.11.2019 | 20:59 »
Ich habe seit Afang der 90er, als ich kurzzeitig regelmäßig Metal Hammer und Rock Hard gelesen habe, keine Musikzeitschrift mehr in der Hand gehabt. Allerdings habe ich seit der Hochverfügbarkeit des Internet jede Menge Rezensionen gelesen, Wikipedia-Artikel sowie Artikel zu Musik, die in allgemeinen Zeitungen und Zeitschriften erschienen sind. Da steckt üblicherweise in einem einzelnen Artikel mehr Substanz als in einer Metal Hammer-Ausgabe.

Ich ordne den Musikjournalismus im Metalbereich auch ehrlich gesagt in etwa so ein wie den Sportjournalismus zum Fußball. Da schreiben im Wesentlichen Fans, aber nicht unbedingt Leute, die ein weitreichendes Verständnis von der Materie haben, über die sie schreiben. Wobei das letzten Endes ein generelles Problem der journalistischen Ausbildung ist. Da lernt man halt, wie man schreibt, aber über Fachthemen hat man oft nicht mehr als Stammtischwissen.
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ChaosZ

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #9 am: 28.11.2019 | 21:18 »
Man sollte bei dem Thema schon gewisse Dinge beachten. Musikzeitschriften müssen sich finanzieren und fungieren in der Regel als Werbeplattformen für Bands/Plattenfirmen/Konzertveranstalter. Da wird meistens eher weniger Kritik geäußert.

Fanzines, die sich selbst finanzieren, bzw. Internetblogs, können da wirtschaftlich freier urteilen. Sobald es aber an Interviews geht, wird es auch hier schwierig, da sich niemand weder Fanzine noch Künstler einen bescheidenen Ruf erarbeiten möchte.


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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #10 am: 28.11.2019 | 21:22 »
Ich ordne den Musikjournalismus im Metalbereich auch ehrlich gesagt in etwa so ein wie den Sportjournalismus zum Fußball. Da schreiben im Wesentlichen Fans, aber nicht unbedingt Leute, die ein weitreichendes Verständnis von der Materie haben, über die sie schreiben. Wobei das letzten Endes ein generelles Problem der journalistischen Ausbildung ist. Da lernt man halt, wie man schreibt, aber über Fachthemen hat man oft nicht mehr als Stammtischwissen.

Ich sehe das größtenteils genau umgekehrt. Gerade die Schreiberlinge bei beispielsweise Rock Hard und Deaf Forever sind zunächst einmal Fans, die vor ihrem Studium bereits Fanzines herausbrachten und sich quasi nachträglich via Studium qualifizierten. Wie das bei anderen Publikationen (Legacy, Metal Hammer...) aussieht, vermag ich nicht zu beurteilen.

Ich selbst bin seit 2006 als Rezensent von Tonträgern im Metal- und Punkbereich quasi ehrenamtlich für verschiedene Webzines tätig und habe auch schon das eine oder andere Interview geführt. Ich bilde mir ein, ein wenig Ahnung von der Materie zu haben. Jedenfalls lese ich sowohl das eine oder andere Printmagazin (RH, DF, MH, Legacy, Plastic Bomb, Trust...) oder Fanzine (besonders empfehlen kann ich das Krachmanifest) als auch die Ergüsse der Web-Konkurrenz und fühle mich recht gut informiert.  :headbang:

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #11 am: 28.11.2019 | 21:28 »
Ich sehe das größtenteils genau umgekehrt. Gerade die Schreiberlinge bei beispielsweise Rock Hard und Deaf Forever sind zunächst einmal Fans, die vor ihrem Studium bereits Fanzines herausbrachten und sich quasi nachträglich via Studium qualifizierten. Wie das bei anderen Publikationen (Legacy, Metal Hammer...) aussieht, vermag ich nicht zu beurteilen.

Das deckt sich mit meinem Eindruck (eigentlich für die ganze schwarze Szene, nicht nur für den Metalbereich).

Um den Bogen zum Anfang zu schlagen: die Spex habe ich wahrgenommen, aber sie war für mich nie relevant. Früher(tm) habe ich auch mal Metal Hammer und Legacy (gelegentlich auch Rock Hard) gelesen, aber das hat sich irgendwann ins Netz verschoben und mittlerweile lese ich auch da nur noch wenig, weil eine Reihe bekannter Labels und Bands schon mehr Output generieren als ich konsumieren kann und der Rest vom Youtube-Empfehlungsalgorithmus erledigt wird.
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Offline Orlock

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #12 am: 28.11.2019 | 21:51 »
Früher(tm) habe ich auch mal Metal Hammer und Legacy (gelegentlich auch Rock Hard) gelesen, aber das hat sich irgendwann ins Netz verschoben und mittlerweile lese ich auch da nur noch wenig, weil eine Reihe bekannter Labels und Bands schon mehr Output generieren als ich konsumieren kann und der Rest vom Youtube-Empfehlungsalgorithmus erledigt wird.

So landet man ganz schnell in einer Filterblase. Funktioniert gut, wenn man wirklich auf ein spezielles Genre steht. Ich bin auch immer auf der Suche nach etwas Neuem. Deswegen lese ich immer noch Rezensionen in Magazinen. Es ist zwar selten, aber wenn ich doch mal was Neues für mich entdecke, hat es sich gelohnt.

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #13 am: 28.11.2019 | 21:58 »
So landet man ganz schnell in einer Filterblase. Funktioniert gut, wenn man wirklich auf ein spezielles Genre steht. Ich bin auch immer auf der Suche nach etwas Neuem. Deswegen lese ich immer noch Rezensionen in Magazinen. Es ist zwar selten, aber wenn ich doch mal was Neues für mich entdecke, hat es sich gelohnt.

Erstaunlicherweise fällt bei Youtube oft genug Zeug raus, von dem ich noch nie gehört habe. Aber klar, das ist immer noch so eine Art transitive Hülle um meinen aktuellen Musikgeschmack.
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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #14 am: 28.11.2019 | 22:51 »
Ich sehe das größtenteils genau umgekehrt. Gerade die Schreiberlinge bei beispielsweise Rock Hard und Deaf Forever sind zunächst einmal Fans, die vor ihrem Studium bereits Fanzines herausbrachten und sich quasi nachträglich via Studium qualifizierten.

Haben die Musik studiert? Das ist es nämlich, worauf ich eigentlich abziele. Wenn du beispielsweise Chiarinas Ergüsse im Was hört ihr gerade-Thread liest, merkst du beispielsweise, dass da jemand genau weiß, worüber er schreibt. Da sind die Rezensionen, die ich früher mal geschrieben habe, billige Versuche dagegen. Und auf dem Niveau ist mir in den Metal-Zeitschriften damals, wie gesagt Anfang der 90er, nichts aufgefallen.
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Online tartex

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #15 am: 29.11.2019 | 00:23 »
Für mich ist die Sache einfach: in gewisser Weise (und natürlich fies interpretiert) suche ich  vielleicht immer den Kick, den ich hatte, als ich als Jugendlicher das erste Mal Punk und Metal entdeckte: also dieses Auftreten einer Tür zu einem mir noch  unbekannten, riesigen Musikkosmos, den es zu erforschen gilt. Deshalb war es mir auch später nie genug es mir in einem Genre gemütlich zu machen. Und deshalb suche ich immer wieder den Reiz des unbekannten, der mich in grenzwertigere aber manchmal auch früher verachtete Geschmacksrichtungen treibt. 

Mein Bruder im Gegensatz dazu hat mit 14 oder 15 seinen Geschmack entdeckt und wollte die längste Zeit genau dort bleiben. Dabei haben wir eigentlich gleich angefangen.

Natürlich spielen da auch noch viele andere Faktoren rein, aber ich glaube die Unterscheidung ist da doch eine grundlegende.
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Offline Chiarina

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #16 am: 29.11.2019 | 01:36 »
Du hast da auch immer mal wieder diese Do-it-yourself-Ästhetik, die mir auch sehr sympathisch ist.

nicht so geleckt,
stattdessen direkt!


(kleiner Refrain, nur für dich)
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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #17 am: 29.11.2019 | 09:02 »
Haben die Musik studiert? Das ist es nämlich, worauf ich eigentlich abziele. Wenn du beispielsweise Chiarinas Ergüsse im Was hört ihr gerade-Thread liest, merkst du beispielsweise, dass da jemand genau weiß, worüber er schreibt.

Okay, ich verstehe, worauf Du hinaus willst. Nee, ich bin erst frisch in diesem Thread eingestiegen und habe Chiarinas Ergüsse nicht gelesen, sorry!

Was ich mich frage: Müssen Musikjournalisten Musik studiert haben, um eine Platte besprechen zu können? Meiner Meinung nach nicht bzw. den Anspruch habe ich nicht an Musik. Wenn ich Musiktheorie um die Ohren geklatscht haben möchte, gehe ich in den Proberaum einer meiner Ex-Band und versuche dem Geschnatter der Gitarristen zu folgen.  ;)

Offline aminte

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #18 am: 29.11.2019 | 09:53 »
Musikjournalismus wie die SPEX ihn betrieb, hatte und hat ja aus merheren Gründen irgendwann deutlich Probleme gehabt.
Zum einen der Niedergang von Print, der alle Erzeugnisse betrifft, aber sicher noch viel mehr die Verfügbarkeit von Musik.
Fürhertm war die Musikzeitschrift ja die einzige Möglichkeit, sich bei einer Kaufentscheidung etwas abzusichern, und nicht blind Platten oder CDs zu kaufen, was sich die meisten enthusiastischen Musik-Hörer, also junge Leute, Schüler, Azubis, Studenten eh nicht leisten konnten bei Preisen von DM 30,- für ein Album. Im Radio oder dem Feuilleton der bürgerlichen Presse kamen ja zudem auch keine Rezensionen zu zeitgenössischer Musik vor, allenfalls zu den Donauschinger Tagen für neue Musik, und das auch nur in der FAZ.

Heute gibt es einen Spotify-Familienaccount für 15€ im Monat, der die durchschnittliche Familie mit Musik versorgt. Wenn ich wissen will, wie das neue Album von Modeselektor, Metallica, XY ist, dann kann ich mir das ganz einfach anhören. Bzw. es wird mir sogar aktiv empfohlen, da ich dem Programm meinen Musikgeschmack dargestellt hab. Und damit ist der Bedarf für Kritiker einfach massiv gesunken.

Bei der Spex kommt noch hinzu, dass die Hipster der Generation X mittlerweile Familienväter oder Businessmenschen geworden sind, und schlicht keine Zeit, bzw. andere Prioritäten haben, als sich zehn Seiten Text über den Zusammenhang zwischen Bourdieus Elend der Welt und M.I.A.s Antikolonialismus zu geben. Sehe ich ja an mir selbst. Früher hab ich jeden Text von Felix Klopotek verschlungen, heute reichen mir die Besprechungen der Stadtrevue und Raum und Zeit auf 1live am Sonntag.

Mich wundert da eher, dass das im Metal-Bereich anscheinend doch etwas anders aussieht.

Offline Chiarina

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #19 am: 29.11.2019 | 10:34 »
Zitat von: aminte
Heute gibt es einen Spotify-Familienaccount für 15€ im Monat, der die durchschnittliche Familie mit Musik versorgt. Wenn ich wissen will, wie das neue Album von Modeselektor, Metallica, XY ist, dann kann ich mir das ganz einfach anhören. Bzw. es wird mir sogar aktiv empfohlen, da ich dem Programm meinen Musikgeschmack dargestellt hab.

Damit einher geht natürlich auch das Problem, dass letztlich profitorientierte Algorithmen unsere heutige Musiklandschaft gestalten. Dem ohnehin schon lukrativen Mainstream wird dadurch noch zusätzlich der Rücken gestärkt. Aus dem Grund schaue ich auch immer mal wieder in irgendwelche unabhängigen Kritiken (...und habe keinen Spotify-Account).
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Offline aminte

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #20 am: 29.11.2019 | 11:39 »
Damit einher geht natürlich auch das Problem, dass letztlich profitorientierte Algorithmen unsere heutige Musiklandschaft gestalten. Dem ohnehin schon lukrativen Mainstream wird dadurch noch zusätzlich der Rücken gestärkt.
Klar, die Auswirkungen gibt es: Die verschwindenden "Alben", die ersten 30 Sekunden...
Aber wenn ich mir das Internet anschaue, ist mir um die Vielfalt nicht bange, Algorithmen hin oder her, den Einfluss würde ich nicht so hoch schätzen. Es wird immer junge Leute geben, die Bock haben, Musik zu machen. Und Musik, die von vielen Leuten geschätzt wird, gibt es sicherlich auch in Zukunft, unabhängig vom Verbreitungsweg. AnnenMayKantereit zum Beispiel.

Aus dem Grund schaue ich auch immer mal wieder in irgendwelche unabhängigen Kritiken (...und habe keinen Spotify-Account).
Es gibt ja auch bei Youtube viel Kram, byte.fm ist ein guter Sender mit vielfältigem Programm und selbst im ÖR gibt es ja noch interessante Musiksendungen, Klanghorizonte mit Michael Engelbrecht. Aber Spotify ist echt bequem und das ist sicher auch ein Grund, warum ich wieder mehr Musik als früher höre.
Aber sorry, das geht vom eigentlichen Topic weg.

Online tartex

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #21 am: 29.11.2019 | 12:11 »
Spex hat jetzt anscheinend einen Podcast. Mal abonniert.

Überhaupt sind Podcasts für mich ein wichtiger Ersatz zu Printmedien geworden. Allerdings höre ich kaum was aus dem Bereich Musik. Es gibt heute halt so viel zu Nischen, die vorher gar nicht abgedeckt wurden. Mein geliebter The Guardian Musikpodcast wurde ja schon vor Jahren abgesetzt. Soundopinions höre ich mir kaum noch an.

Ich schaue eigentlich nur öfters beim Needledrop-Youtube-Typen vorbei, auch wenn ich öftters nicht mit ihm einer Meinung bin.

Und ich höre mir auch viele Bands an, einfach, weil ich weiß, dass die für ein Konzert in die Stadt kommen, besonders wenn ich weiß, dass Freunde zum Konzert gehen.
« Letzte Änderung: 29.11.2019 | 12:16 von tartex »
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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #22 am: 29.11.2019 | 15:34 »
Ich brauche zugegebenermaßen kein Spotify und es gibt auch so eine dreistellige Anahl an Alben, die ich mir ernsthaft zu Gemüte führen möchte, nebst diversem kaum gehörten Kram, der bereits in meiner Sammlung vor sich hin schlummert. Spotify führt meines Erachtens ein Stück weit zu dem Problem, dass man sich kaum noch richtig mit den Sachen beschäftigt, weil direkt der nächste heiße Scheiß um die Ecke kommt.

Was ich mich frage: Müssen Musikjournalisten Musik studiert haben, um eine Platte besprechen zu können? Meiner Meinung nach nicht bzw. den Anspruch habe ich nicht an Musik.

Musik studiert haben muss man sicher nicht. Darüber hinaus ist die Frage, welchen Anspruch man an sich selbst stellen will. Im Enterntainment-Bereich ist es sicher legitim, auf einer weniger akademischen Basis zu schreiben. Mir selbst bringt das allerdings weniger. Mir geben Artikel mehr, die sich auf einer analytischen Ebeme mit der Musik beschäftigen.
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Offline Niniane

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #23 am: 29.11.2019 | 15:55 »
Ich lese ab und an die Visions, wenn sie als Titelstory eine Band featuren, die ich mag (zum Beispiel war die Bad Religion-Ausgabe Pflicht). Außerdem sind da viele Musik- und Bandempfehlungen drin, die ich mir dann mal anhöre und so habe ich die Band "Cold Years" entdeckt.

Ansonsten folge ich Fuze Magazine, Visions und dem Ox Fanzine auf Facebook, das Fuze Magazine bekommt man auch häufig, wenn man bei Impericon bestellt. Das Fuze Magazine hat auch einen eigenen Podcast, den ich mir hin und wieder anhöre, wenn es um Musik geht, die ich mag oder interessant finde.
Im englischsprachigen Bereich gibt es noch Kerrang! und AltPress, wobei ich letztere ein bisschen Bravo-mäßig finde.

Metal- und Goth-Zeitschriften habe ich nie gelesen, der Metalhammer wirkt zumindest von seinem Internetauftritt her eher wie der Focus für Metalhörer.

Ansonsten: Über Spotify habe ich auch schon einiges entdeckt, aber ich würde mich auch nicht als "Mainstream"-Hörerin bezeichnen.
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Offline Chiarina

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Re: Musikjournalismus und seine Leser
« Antwort #24 am: 19.06.2020 | 20:53 »
Die SPEX hat auch den Online-Betrieb eingestellt.
Begründung: Corona.
Keine Werbeträger mehr da.
Um nicht die Existenz des Gesamtverlags zu gefährden (Piranha Medien) wird der Betrieb eingestellt.
Naja... die Musik hat mich zuletzt nicht mehr interessiert.
Ich fand aber die jüngsten Filmkritiken gut, und auch ein paar Buchbesprechungen und Kulturdebatten haben mir gefallen.
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