Das Thema ist meiner Meinung nach viel weniger begrenzt, als es hier diskutiert wird. Es geht ganz grundsätzlich um Erzählrechte (speziell: shared narrative control) und ich denke, dass diesbezüglich die Meinungen schon stark auseinandergehen und konträr sein werden.
Wenn ich über meine eigene Spielleitung und die anderer diesbezüglich nachdenke, komme ich zu dem Ergebnis, dass zudem viel weniger eine klare Linie pro Setting/System/Genre/Spielstil gefahren wird.
Alles, was bisher diskutiert wurde, sind somit für mich KANN-Regeln, keine MUSS-Regeln. Deshalb bin ich gegen den Versuch einer Definition, wann etwas übergriffig IST, sondern befürworte eine Diskussion darüber, wann das sein KANN.
Ich gehe deshalb etwas anders heran und denke darüber nach, was die Bedingungen dafür sein
können, die Figurenkontrolle als Teil des Erzählrechtes zu teilen (und dies übrigens nicht zwingend nur mit der Spielleitung, sondern auch mit andern Spielenden).
Ich brainstorme das mal:
- Flow: Es passt einfach gerade, völlig intuitiv und subjektiv. Die theoretische Voraussetzung ist, dass am Spieltisch ein angenehmes Gefühl zum gemeinsamen Vorstellungsraum herrscht. Das ist eine akademische Ausdrucksweise für "Ja, geil, mach mal!"
- Bewusste Übergabe: "Was empfindet mein SC?" - "Finden Elfen in dieser Welt Erdbeerkuchen lecker?" - "Boah, mir fällt nichts ein, hat einer einen Vorschlag?/mach du mal!"
- Spielende ohne Idee: Vielleicht weiß jemand (evtl. auch die SL) gerade überhaupt nicht, was innerhalb des Settings passieren kann, also übergibt man den Inhalt einer Zwischensequenz jemand anderem
- Szenenschnitte/Pacing: "Der Dungeon ist ansonsten leer und ihr kehrt an die Oberwelt zurück!" (Ersparung von 8 Stunden Echtzeit bei einer Erkundung), "Ihr kommt im Düsterwald an und seid erschöpft von der Reise!"
- Vertrauen: Die Spielleitung oder andere Spielende werden schon wissen, was sie mit dem Erzählrecht machen. Charaktertod-Diskussion ick hör dir trapsen ^^
- System: Hier wurde bisher meinem Gefühl nach nur über die alten, klassischen Systeme gesprochen. Aber schon bei PbtA wird es anders. Wenn es deinem Gegenüber bei Monsterhearts gelingt, dich heiß zu machen, dann bist du es (bitte jetzt keine Betören-Diskussion daraus machen
).
- Genre: Es ist glaube ich schwer, das allgemeingültig zu beschreiben. Nach meinem Dafürhalten macht es einen Unterschied in der gewollten Macht über die eigene Spielfigur, ob man zum Beispiel personal horror oder pulp action spielt.
- Zeitmangel am Spieltisch: Es ist so banal wie häufig. "Okay, um 22.14 fährt mein Zug, lass uns das eben noch schnell machen: Ihr heilt euch schnell, esst etwas und stürmt dann in den nächsten Raum. Der ist leer und hat nur noch den Ausgang nach draußen!"
- Sceneframing: Je nach dem, wie das in der Spielgruppe verabredet ist (was zumindest bei mir von Abenteuer zu Abenteuer, von Spieltag zu Spieltag und von Genre zu Genre wechseln kann). Grundsätzlich dient das Framing ja mehreren Zielen. Wer auch immer das macht (kann auch ein anderer Spieler sein), werden Handlungen und Gefühle der eigenen Figur möglicherweise mit beschrieben.
- Zeitsprünge nach vorne und zurück: Eigentlich nur eine besondere Form des Sceneframings
Gibt sicher noch mehr oder man kann einzelne Punkte zusammenfassen oder aufdröseln. Ich hoffe, es ist klar geworden, was ich meine.