(1) keine Ahnung von Wahrscheinlichkeiten hat,
wer hat das schon? Treffer- und (Ausweich/Schild/Waffen)Parade im echten Blankwaffenkampf? Trefferwahrscheinlichkeiten von Massenware Pfeilen und Naturholzbogen im laufenden Waldlichtungsgefecht?
Das ist mindestens einen Schritt zu weit im Detail.
Die Probleme fangen ja schon vorher an, wenn z.B. ein Poolsystem wilde Behauptungen aufstellt, was irgendein Fertigkeitswert bedeuten soll und man dann schon beim groben Überschlagen merkt, dass etwa ein Unterschied von zwei Fertigkeitspunkten so gut wie nichts ausmacht, einem aber als Unterschied zwischen Anfänger und angehendem Großmeister verkauft wird.
Irgendwie ist das doch auch ein lustiges Henne und Ei - Problem. Was war zuerst da? Die hiesige DSA-Regelkultur oder die hiesige Handwedelei-Kultur?
Ich behaupte zumindest:
Ohne die schon bei DSA3 recht breit etablierte Handwedel- und Regelignorier-Kultur wäre DSA4 krachend gescheitert.
Das ganze Ding hat doch durchgehend davon gelebt, dass man große Teile des Regelwerks einfach ignoriert.
Letztens habe ich mir noch gedacht, Mensch mit 12 haben die Spiele mehr Spaß gemacht. Als ich drüber nachgedacht habe, ist mir aufgefallen warum.
Wir haben uns damals einfach keine Gedanken gemacht, die Systeme nicht nach jedem Kleinscheiss hinterfragt, es hat entweder gefühlt Spaß gemacht, oder eben nicht.
Und genau um das "oder eben nicht" gehts.
Wer Spaß hat, braucht ja auch keinen Problemlösungsapparat anwerfen.
Aber mit einer etwas bewussteren (nicht: wissenschaftlicheren) Herangehensweise habe ich es über die Jahre ein paar mal recht erfolgreich geschafft, ein "oder eben nicht" zu vermeiden.
Und das waren zu einem recht ansehnlichen Anteil Sachen im Stile "Angel Summoner and BMX Bandit", die teils beiden (!) betroffenen Seiten den Spaß an der Sache genommen haben und einzig auf schlecht durchdachte Regeln zurückzuführen waren.
Ist das echt zuviel verlangt, dass die ihren Job nicht nur künstlerisch ("Ich hab ja sooo viele coole Ideen"), sondern auch handwerklich beherrschen?
Das ist doch überall und in allen Kontexten so - der Großteil ist bestenfalls ok und man wurstelt damit irgendwie herum, und der richtig gute Kram bzw. die guten Leute werden dann auch noch oft genug verkannt oder sind aus völlig anderen Gründen nicht bekannt bzw. erfolgreich.
Wie ich so oft feststelle: Die handwerkliche Qualität des Regelwerks ist kein zentraler Erfolgsfaktor für ein Rollenspiel und dementsprechend lässt sich auch umgekehrt vom Erfolg nicht auf die Qualität des Regelwerks schließen.
Jeder, der ein "richtiges" Rollenspiel schreiben könnte, kann in einem anderen Job erheblich mehr als das bisschen verdienen, was mit Rollenspiel zu verdienen wäre. Aber zu "richtig" gehört auchnoch so viel Arbeit, dass es eben auch von diesen imNormalfall nicht in ihrer Freizeit nebenbei zu schaffen wäre.
Joah, so ist das auch etwas verkürzt.
Der Vorteil des modernen, nicht oder "halb" kommerziellen Bereichs ist es ja gerade, dass man sich ab Punkt X an eine breitere Öffentlichkeit* wenden und sich da Input holen kann.
Wenn man eine solide Grundlage schafft, können das durchaus auch andere hobbymäßig fertigstellen, aufpolieren und sonstwie die letzten 15% leisten. Oder sagen wir 10% und 5% verbleiben dann doch beim SL.
Je nach Sektor darf man auch den Aufwand nicht überbewerten - manch ein Indie-Rollenspiel braucht nur die spielmechanische Grundidee und ist in wenigen Stunden grundsätzlich spielfertig, wenn auch noch nicht 100% sauber formuliert und hübsch aufbereitet.
Heute ein großes, konventionelles System zu erstellen, ist natürlich eine recht große Fleißarbeit. Aber es ist nicht so, dass es das nicht (mehr) gäbe.
Und gerüchteweise machen Leute ja auch mal Sachen hauptsächlich deswegen, weil sie ihnen Spaß machen
*Wobei man das nicht als riesige Massen verstehen braucht oder sollte. Aber es ist einfach unbezahlbar, wenn man die paar richtigen Anstöße bekommt und das geht außerhalb des eigenen Bekanntenkreises nur, wenn man viele Leute erreicht.
Filtern muss man dann natürlich immer noch selbst, aber das geht sowohl im Vorfeld durch klare Kommunikation, was man erreichen will, als auch im Nachgang bei den aufgelaufenen Anregungen.
Ich habe z.B. hier auch schon Basteleien oder recht abstrakte Gedanken reingestellt, die von hunderten Leuten gelesen wurden und wo ich am Ende von einer kleinen Handvoll, teils von einer einzigen Person, den richtigen Impuls bekommen habe.
Wenn es kein System gibt, was die gewünschten handwerklichen Qualitätsstandards aufweist, würde ich mal behaupten, es liegt daran, dass du dir schlicht etwas unmögliches wünschst. Das handwerklich gut gearbeitete perpetuum mobile, sozusagen...
Hm...wenn ich mal auf eins meiner anderen Hobbies schaue, stelle ich schon fest: Das "perfekte" Produkt gibt es da auch nicht, auch wenn einige sehr nahe dran kommen.
Theoretisch wäre es kein Problem, die letzten paar Problemchen zu beseitigen, aber daran besteht kein Interesse, weil z.B. die Problemwahrnehmung des Herstellers und meine deutlich auseinander gehen. Oder es gibt taugliche Lösungen von Drittherstellern (die dann quasi das Gegenstück zu Hausregeln sind).
Und oft genug gibt es hier und da bessere Produkte, die aber gegen die etablierten Hersteller und die über Jahrzehnte gewachsenen Zuliefererstrukturen in Sachen Zubehör kein Land sehen - auch das wieder analog zum Rollenspiel.
Es gibt selbst für eine meiner eher exotischen Nischen im Rollenspiel ein paar Systeme, denen "nur" ein paar Jahre mehr Laufzeit und eine aufgeräumte zweite Edition gefehlt hätten, um ein richtig rundes Ding zu werden. Hat nicht sein sollen, aber unmöglich oder undenkbar ist das beileibe nicht.
Das Spiel, das in Sachen Qualität Maßstäbe setzt, ist D&D5. Wie präzise die Regeln formuliert sind, wie gut präsentiert und strukturiert, wie reflektiert und sprachlich sauber die Texte, wie komplett und elegant das Design...
Das nehme ich deutlich anders wahr, aber da geht es dann auch schnell um Lese- und Denkgewohnheiten usw.
Ärgerlich wird das nur da, wo man sich mit dem Autor voll auf einer Linie wähnt, alles total klar scheint und man Jahre später im direkten Kontakt oder über wenige Ecken erfährt, dass das komplett anders gemeint war.
Ich kann aber nur gebetsmühlenartig wiederholen - auch in Bezug auf deine Hârnmaster-Anmerkung:
Es gibt keinen flächendeckenden Fortschritt bei diesen Dingen.
Da muss man die richtigen Leute ihr Ding machen lassen und am Ende im richtigen Maß nachkorrigieren und aufpolieren.
Das kann heute genau so klappen oder schiefgehen wie vor 30 oder 40 Jahren und hängt nur zu einem verschwindend geringen Teil an irgendwelchen technischen Rahmenbedingungen.
Ich glaube, ich bin jetzt endlich soweit: bevor ich noch mehr Geld und Zeit in die nächste Frustration stecke, schreibe ich es vielleicht wirklich endlich selbst. Mal sehen, was meine Tischgruppe dazu sagt. Aber nerviger, zeit- und geldaufwändiger kann es eigentlich langsam nicht mehr werden.
Willst du komplett selbst erstellen oder nimmst du eine weitgehend genehme Grundlage?
Anpassen ist ja selbst bei größeren Umbauten meist leichter als komplett neu zu machen.