Autor Thema: [Rant] Schlechte Regelwerke  (Gelesen 14838 mal)

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Offline takti der blonde?

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #125 am: 16.12.2019 | 08:33 »
Rollenspielsysteme müssen zwangsläufig unvollständig sein, weil Rollenspiele alle denkbaren Handlungen zulassen können. Meine Anforderung ist also nur, dass die Regeln mir ein Template bieten alles einigermaßen schnell auch spontan "verregeln" zu können.

Handwerkliche Schlampigkeit ist natürlich trotzdem sehr ärgerlich (Schlechte Formulierungen, unübersichtliches Layout etc.).

Grüße

Hasran

Offline Thaddeus

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #126 am: 16.12.2019 | 08:42 »
@YY: Korrigiere mich gerne, aber in einer KoSim werden doch nicht einzelne Menschen, sondern Gruppen von Menschen abgebildet. Was auf Battalionsebene funktionieren mag, scheitert meiner Meinung nach beim Individuum. Über eine Armee kann ich statistische Aussagen treffen, über ein Individuum nicht. Und hier liegt meiner Meinung nach das Problem.

[...]eine gerechte Chance abzubilden[...]
Ein Schlagwort mit dem ich so meine Probleme habe. Was soll das denn sein? Was ist denn die gerechte Chance eines Herzchirurgen eine Herzklappen-OP korrekt durchzuführen? Ich könnte natürlich jetzt hier gucken und sagen: 98 % in Hamburg, sonst 97,9 %, also schnell mal die W% geworfen. Alle Herzchirurgen würden jetzt aber korrekterweise aufschreien, wenn ich behaupte, die 2 % Sterblichkeit ergäben sich aus handwerklichem Ungeschick. Damit würden nämlich ettliche Faktoren wie: Prädispositionen und Vorerkrankungen oder allgemeiner Gesundheitszustand des Patienten, Sterilität im Krankenhaus, etc. außer Acht gelassen. Also ist die gerechte Chance doch eher 99,7 %? Und für die 1,7 % bei denen die OP auch bei korrekter Ausführung schiefgeht würfelt jetzt er Patient? D.h. der Herzchirurg hat einen Fertigkeitswert von 99,7 %?

Ich könnte jetzt natürlich hingehen und sagen: jaaa, gut, okay... im Krankenhaus-OP in Hamburg ist der Fertigkeitswert 99,7 %, aber da würde ich ja aber auch nicht würfeln lassen! Aber was ist, wenn die OP im Feldlazarett durchgeführt werden soll, bei gleichzeitigem Artilleriebeschuss und senfgasverhangener Luft??? Naja... da könnte ich jetzt natürlich die Kiste mit Modifikatoren aufmachen, aber der Fertigkeitswert bliebe weiterhin bei 99,7 % stehen.

Um auf das Eingangsposting zurückzukommen: In gewisser Hinsicht kann ein Regelwerk objektiv schlecht sein. Das ist jedenfalls dann der Fall, wenn es bspw. in sich widersprüchlich ist oder selbst aufgestellte Prämissen nicht einhält. Die anderen Kritikpunkte lassen sich glaube ich schwer verobjektivieren.

Ich bin deshalb der Meinung und lasse mich gerne belehren, dass das Bezugssystem für die Wahrscheinlichkeit einer Probe die Spielrunde und die gemeinsame Erzählung sein muss und nicht eine vermeintliche Realität, die es abzubilden gibt. Alles andere führt zu merkwürdigen Situationen und am Ende zu Frust.

@Rumpel: Und nein, FATE ist nicht die einzige Möglichkeit gute Rollenspiele zu designen ;)

Zitat von: Weltengeist
Oder dass mir (einer meiner All-Time-Favorites) immer wieder Fähigkeiten als Talente / Feats / Meisterschaften / whatever verkauft werden, die im wirklichen Leben jeder kann
Dieser Satz spricht mir aus der Seele und ist einer der Hauptkritikpunkte an klassischen RPG, die ich immer wieder erhebe. Ich kann mich gut an eine Szene aus einer DnD-Runde erinnern, in der ich einen Gegner umrennen wollte und der SL nur meinte: das kannst Du nicht, Dir fehlt das feat bullrush.


« Letzte Änderung: 16.12.2019 | 08:44 von Thaddeus »
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Offline Weltengeist

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #127 am: 16.12.2019 | 08:47 »
Rollenspielsysteme müssen zwangsläufig unvollständig sein, weil Rollenspiele alle denkbaren Handlungen zulassen können. Meine Anforderung ist also nur, dass die Regeln mir ein Template bieten alles einigermaßen schnell auch spontan "verregeln" zu können.

Siehst du, aber auch das ist ja ein Designziel für ein Rollenspiel: Stelle ein Framework zur Verfügung, innerhalb dessen der Spielleiter seine Rulings machen kann. Wenn das System das so will und dann auch umgesetzt kriegt, wäre das gutes Design im Sinne dessen, was ich hier meine.

Was wir aber häufig erleben, sind 200 Seiten Regeln, die von niemandem so gespielt werden (können), wie sie da stehen, weil sie widersprüchlich oder unvollständig sind oder für bestimmte Konstellationen (höhere Stufen, größere Gruppe oder Powergamer-Gruppen sind klassische Beispiele) nicht funktionieren. Da gibt es dann nicht Hausregeln, weil man spezielle Vorlieben hat, sondern Hausregeln, weil das System ohne gar nicht wirklich benutzbar ist. Und das ist dann für mich schlechtes Regeldesign.
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Offline takti der blonde?

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #128 am: 16.12.2019 | 08:55 »
Da gibt es dann nicht Hausregeln, weil man spezielle Vorlieben hat, sondern Hausregeln, weil das System ohne gar nicht wirklich benutzbar ist. Und das ist dann für mich schlechtes Regeldesign.

Dem kann ich sehr weit zustimmen. Ich wollte dir auch im Vorfeld nicht widersprechen, halte es nur für einen konzeptionellen Fehler von den Regeln zu fordern, alles erdenkliche problemlos abzubilden. Was auch nicht heißen soll, dass hier jemand konkret in diese Falle getappt ist, aber manche Beiträge streifen zumindest diese Idee.

Grüße

Hasran

Offline First Orko

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #129 am: 16.12.2019 | 09:05 »
Zum Einen kann ich den Frust nachvollziehen. Ich musste direkt an das Thema "Index" denken. Es ist mir ja nach wie vor unerklärlich, wie man sich bei hinreichend komplexen Regelwerken mit dutzenden von Querverweisen heutzutage nach wie vor nicht in der Lage sieht, ein bißchen mehr Arbeit in den Index zu stecken und diese Seiten hinten im Buch für die meisten Regelwerke, bei denen es sinnvoll wäre, bestenfalls "gut gemeint" sind...

Zum Anderen bin ich froh, dass ich mich mittlerweile frei von dem Drang nach Komplexität im Rollenspiel gemacht habe. Nicht, dass ich nicht grundsätzlich auch mal gern etwas mehr taktische Tiefe hätte als Pro-Forma-Zonen und ne handvoll grobe Kategorien an Waffen (alles mit Klinge, alles was schießt...). Aber effektiv von dem Drang abgebracht haben mich eigentlich folgende Dinge:

a) Mitspieler finden, die eine ähnliche Vorstellung vom Spiel mit so einem System haben und NICHT die weitverbreitete Dichotomie teilen, dass taktische System = weniger Rollenspiel bedeuten müssen
b) der Vorbereitungsaufwand für mich als SL

Und gerade bei (b) haben es mir die meisten Systeme schwer. Schön, dass ich mit den dutzenden von Eigenschaften, Talenten, Fertigkeiten, Vorteilen und Nachteilen usw. sehr klar abgegrenzte SC und tausende von Möglichkeiten bekomme.
Aber wenn ich dann bei den ersten Kämpfen mitbekomme, wie aufwändig die NSC-Verwaltung wird - ganz zu schweigen von Erstellung! NATÜRLICH muss ich jeden NSC wie einen SC bauen... weil wegen realistisch?! NATÜRLICH gibt es keine Regel zur Zusammenfassung von Gruppen! NATÜRLICH nutzen die NSC dasselbe Lebenspunktesystem wie SC... usw.
Mir ist bewusst, dass es da Systeme gibt, die ganz gute Wege gehen... aber oftmals scheitern die dann an der Welt, die wiederum zu hart mit dem System verbunden wurde, um das "mal eben" auf eine eigene Welt zuzuschneidern. Oder es bleibt halbgar, wie Weltengeist es so schön beschreibt.
Für mich ist da nach wie vor Savage Worlds die beste Lösung, wenn es etwas detailierter werden soll. Aber mir ist auch bewusst, dass das nicht das Ende der Fahnenstange ist... umso ärgerlicher, dass danach eben weiterhin die Mängel so verbeitet zu sein scheinen...

Die Konsequenz für mich ist letzlich: Für taktisch anspruchsvolles Spiel dann doch Brettspiele. Auf dem Markt nehme ich da in den letzten Jahrzehnten auf jeden Fall eine deutliche Verbesserung was übergreifende Qualitätskriterien angeht wahr (Fokus der Regeln, Didaktik der Regelwerke, Verabeitung, Präsentation, Einhaltung des Designziels)!
It's repetitive.
And redundant.

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Dir ist schon klar, dass es in diesem Forum darum geht mit anderen Leuten, die nix besseres mit ihrem Leben zu tun haben, um einen Tisch zu sitzen und sich vorzustellen, dass wir Elfen wären.

Offline Thaddeus

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #130 am: 16.12.2019 | 09:06 »
Ich glaube keine Sekunde daran, dass solche Bugs wie gerade in WOIN ("Die Sprunghöhe ohne Probe beträgt 2,40 m, bei gleichzeitiger Sprungweite von 3,30 m. Falls Ihre Sprunghöhe aufgrund dieser Regel größer ist als die Sprungweite, dann begrenzen Sie die Sprunghöhe durch die Sprungweite.") irgendeiner Zielgruppe geschuldet sind - sie sind einfach objektiver Mist. Und ich finde so etwas in beinahe jedem Regelbuch.

[snip]

Was wir aber häufig erleben, sind 200 Seiten Regeln, die von niemandem so gespielt werden (können), wie sie da stehen, weil sie widersprüchlich oder unvollständig sind oder für bestimmte Konstellationen (höhere Stufen, größere Gruppe oder Powergamer-Gruppen sind klassische Beispiele) nicht funktionieren.
Ja, das halte ich auch für Quark und ist meiner Meinung nach der Vorstellung geschuldet, dass irgend etwas simuliert werden müsste. Ich reagiere ähnlich allergisch, wenn es heißt: Du darfst Dich jede Runde genau 6 Felder weit auf der Battlemap bewegen.

Wie gesagt: ich glaube, dass viele Rollenspiele an dem von mir postulierten Strukturfehler leiden und sich deshalb haarsträubende Ergebnisse zeitigen. Mit der Folge, dass alles mögliche verhausregelt oder ignoriert wird. Deskriptive Systeme wie pbta oder FATE sind - behaupte ich - hier im Vorteil, da sie diese Fehlerquelle nicht haben.
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Offline Crimson King

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #131 am: 16.12.2019 | 09:14 »
Ich ertappe mich auch schon langsam dabei, meinen eigenen Thread nur noch oberflächlich zu lesen, auch weil es mir scheinbar nicht gelingt, meinen eigentlichen Punkt klar rüberzubringen.

Meine Vermutung ist eher, dass der eigentliche Punkt von so ziemlich jedem genauso wahrgenommen wird. Also diskutiert man drum herum.

Das WOIN-Beispiel zeigt aber ganz gut, welche Probleme man sich einhandelt, wenn man simulieren will. Insofern ist es ja gut, dass es dir nicht um Simulation geht. Dann sollte ein Regelwerk aber auch nicht sagen, wieviel Meter, Zentimeter weit und hoch man springen kann, sondern lediglich Zielwerte für Schwierigkeitsgrade vorgeben. Welchen Schwierigkeitsgad eine Aktion am Ende hat, ist dann der Erzählung zu entnehmen oder dem Gusto der Spielleitung.

Praktisch alle Systeme, die bei mir Haar-, Zahn- und Nagelausfall verursachen, sind jedenfalls entweder der simulationistischen Ecke zuzuordnen oder historisch gewachsen und schaffen es nicht, sich von ihrem Erbe zu lösen, oder beides.

Mir ist davon abgesehen nicht klar, warum bei deinen Spielvorlieben Ubiquity nicht dein Leib- und Magensystem ist. Stören dich die Gummipunkte so sehr?
« Letzte Änderung: 16.12.2019 | 09:19 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
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Offline Evil Batwolf

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #132 am: 16.12.2019 | 09:15 »
Ja, das halte ich auch für Quark und ist meiner Meinung nach der Vorstellung geschuldet, dass irgend etwas simuliert werden müsste. Ich reagiere ähnlich allergisch, wenn es heißt: Du darfst Dich jede Runde genau 6 Felder weit auf der Battlemap bewegen.

Wie gesagt: ich glaube, dass viele Rollenspiele an dem von mir postulierten Strukturfehler leiden und sich deshalb haarsträubende Ergebnisse zeitigen. Mit der Folge, dass alles mögliche verhausregelt oder ignoriert wird. Deskriptive Systeme wie pbta oder FATE sind - behaupte ich - hier im Vorteil, da sie diese Fehlerquelle nicht haben.


Vielleicht sind es ja nicht die Regelwerke, sondern die Leute, die sie spielen, die diesen Simulationsanspruch haben.

Schach beschäftigt sich mit einer Schlacht zwischen zwei Armeen. Auf völlig absurde Weise. Da dürfen Läufer nur diagonal ziehen, die Kavallerie hüpft in einem merkwürdigen Zickzacksprung über das Schlachtfeld. Völlig Banane  ~;D. Lässt man den simulationistischen Anspruch allerdings weg, ist dasselbe Spiel total genial.

Offline Crimson King

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #133 am: 16.12.2019 | 09:25 »
Es sind unterschiedliche Betrachtungsweisen derselben Mathematik. Insofern macht "nicht richtig" hier keinen Sinn.

Du solltest Politiker werden oder Ökonom. Dort ist die Begabung, mathematisch eindeutige Sachverhalte so lange zu verbiegen, bis sie ein bestimmtes Ergebnis widerspiegeln, quasi Erfolgsvoraussetzung.

Ansonsten solltest du dir natürlich anschauen, wieviele Kampfrunden du durch die Verbesserung der RK zusätzlich überleben kannst. Wenn du mit Rk 18 im Mittel 10 Runden überlebt hast, werden das bei RK 19 gleich 20 Runden sein. Und das mit einem einzigen Punkt! Kein Vergleich zu dem Sprung von 0 auf 10, der dich vielleicht zwei Runden statt einer im Kampf hält. Also merken: wenn du eh schon super gerüstet bist, bringt dir weitere Rüstung einen phantastischen ROI. Wenn du eh schlecht geschützt bist, solltest du dagegen auf eine Verbesserung des Schutzes keinerlei Wert legen. Das lohnt einfach nicht.  :o
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Offline Issi

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #134 am: 16.12.2019 | 10:29 »
Was Regeln mMn. auch tun, neben dem Abbilden der Welt : Sie erzeugen Spielstimmung. (Wie fühlt sich das als Spieler an? (In Rolle) )
Behindern die Regeln meine Fiktion oder nicht?
(Muss ich erst viele Würfel werfen, und viele Ergebnisse addieren, bevor ich überhaupt weiß, ob ich etwas geschafft habe? Oder geht das vielleicht mit weniger Würfeln? )
Oder
Wieviel Metawissen muss ich als Spieler zusätzlich zu meinem Spielerwissen verwalten? (Denn das hat uU. starken Einfluss auf die Immersion)

Es gibt sicher noch mehr Dinge, auf die man als Spieledesiner achten muss.
Mir fällt halt als Spieler auf, dass sich bestimmte Systeme für mich nicht "leicht und easy" sondern "eher schwer, umständlich und ungelenk" anfühlen.
Mich in meiner Immersion behindern, mein Spielgefühl negativ beeinflussen, dann spiele ich lieber was, was das eben nicht tut.

Wenn ich mit 80 % der Regeln zufrieden bin, das Grundgerüst für mich stimmt,  kann ich mir auch mit Hausregeln weiterhelfen.
Kommt mir schon das Grundgerüst komisch vor, dann suche ich mir lieber was anderes.

Offline Alexandro

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #135 am: 16.12.2019 | 12:19 »
Kriegsspiel - davon war doch die Rede.

Selbe Antwort: es gibt nicht DAS Kriegsspiel, sondern ein paar Dutzend unterschiedliche Kriegsspiele. Welches soll ich mir jetzt anschauen?

Ein Großteil der Würfel der frühen Kriegsspiele waren Sechsseiter (allerdings unterschiedlich viele und mit unterschiedlichen Wahrscheinlichkeiten für dieselben Ereignisse, von Spiel zu Spiel).

Zitat
Natürlich sind alle Modelle und Simulationen nur Näherungen und rücken verschiedene Aspekte in den Fokus.
Die gibt es nicht nur in unterschiedlich komplex, sondern auch schlicht in gut und weniger gut gelungen (und man sollte Modelle mMn durchaus daran messen, dass sie mit möglichst wenig Aufwand gute bis sehr gute Näherungen/Abbildungen erreichen).

Ähmm, das was diese Spiele machen ist keine Näherung mehr.

Da sagt im wesentlichen ein Kriegsspiel "Der Himmel ist grün", während ein anderes behauptet, dass der Himmel lila sei. Da sie komplett unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie die Realität jetzt aussieht, kommt eben auch eine inkompatible Simulation bei raus.
« Letzte Änderung: 16.12.2019 | 12:23 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline nobody@home

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #136 am: 16.12.2019 | 12:23 »
Selbe Antwort: es gibt nicht DAS Kriegsspiel, sondern ein paar Dutzend unterschiedliche Kriegsspiele. Welches soll ich mir jetzt anschauen?

Vielleicht meint er ja das preußische Original... :think:

Offline Gunthar

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #137 am: 16.12.2019 | 13:16 »
Vielleicht meint er ja das preußische Original... :think:
Wow. Tabletopgaming schon im 18.-JH.  :o :D :d
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I propose that we rename the game "The One Ring" to become "The Eleven Ring" ;)
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Nine for Mortal Men doomed to die,
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Offline Alexandro

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #138 am: 16.12.2019 | 13:20 »
Schon früher (das von Reißwitz war nicht das Original). Technisch gesehen gab es Kriegsspiele schon im 7. Jhd. in Indien (und evtll. gab es sogar davor noch was, was noch nicht entdeckt wurde) - diese wurden dann über die arabische Welt importiert und die Regeln vereinfacht, so dass am Ende das rauskam, was wir als Schach kennen.
« Letzte Änderung: 16.12.2019 | 13:24 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline YY

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #139 am: 16.12.2019 | 13:49 »
@YY: Korrigiere mich gerne, aber in einer KoSim werden doch nicht einzelne Menschen, sondern Gruppen von Menschen abgebildet. Was auf Battalionsebene funktionieren mag, scheitert meiner Meinung nach beim Individuum. Über eine Armee kann ich statistische Aussagen treffen, über ein Individuum nicht.

Es gibt schon ein paar Kosims, die bis auf die individuelle Ebene runtergehen - und sehr viel mehr, die zumindest bis auf Gruppen- oder Halbgruppen- bzw. Fireteam-Ebene ranzoomen, wo natürlich auch viel eher "fast" individuelle Betrachtungen relevant sind als Faktoren, die im Battailonsrahmen o.Ä. zum Tragen kommen.

Und klar kann man statistische Aussagen über Individuen treffen bzw. etwas allgemeiner deren Leistungsfähigkeit in Zahlen darstellen. Das wird z.B. im Baseball recht exzessiv gemacht und hat dort direkten Einfluss auf spieltaktische Entscheidungen.
Auch anderswo findet sich das bei verschiedensten Tests u.Ä.

Was man nicht kann: Daraus das eine "wahre" Ergebnis ableiten nach dem Motto "Wenn man nur genug Daten zusammenträgt, kann man eindeutig berechnen, ob Jackie Chan gegen Bruce Lee gewinnen würde".
Aber man will ja auch nicht das Ergebnis, sondern ein Ergebnis, das halbwegs stimmig ist. Und das leisten gute Modelle allemal.

Ich könnte jetzt natürlich hingehen und sagen: jaaa, gut, okay... im Krankenhaus-OP in Hamburg ist der Fertigkeitswert 99,7 %, aber da würde ich ja aber auch nicht würfeln lassen! Aber was ist, wenn die OP im Feldlazarett durchgeführt werden soll, bei gleichzeitigem Artilleriebeschuss und senfgasverhangener Luft??? Naja... da könnte ich jetzt natürlich die Kiste mit Modifikatoren aufmachen, aber der Fertigkeitswert bliebe weiterhin bei 99,7 % stehen.

Kommt eben drauf an, ob man nur flott ein Ergebnis will oder eine haarkleine OP-Simulation - in erstem Fall bestimme ich nur eine Gesamtwahrscheinlichkeit, ansonsten muss ich noch Folgeschritte einführen, die mir dann z.B. auch genauer auswerfen, warum die OP ggf. gescheitert ist.

Selbe Antwort: es gibt nicht DAS Kriegsspiel, sondern ein paar Dutzend unterschiedliche Kriegsspiele. Welches soll ich mir jetzt anschauen?

Rein begrifflich sind KoSims Kriegsspiele.
Da du eine historische Herkunft angesprochen und dann erst mal in Einzahl vom Kriegsspiel gesprochen hast, bin ich in der Tat vom Reiswitzschen Kriegsspiel mit diesen Würfeln ausgegangen und die später eindeutige allgemeinere Formulierung ist mir durchgerutscht.

Ändert nichts an meiner Aussage: Nicht alle Kriegsspiele simulieren, einige aber ganz entschieden, u.A. das Reiswitzsche, das zwar nicht das allererste Kriegsspiel ist, aber als Vorläufer und Mitbegründer der modernen KoSim-Tradition gilt.
Und das war damals gerade im Militär deswegen so erfolgreich, weil es als gute Näherung betrachtet wurde.


Da sagt im wesentlichen ein Kriegsspiel "Der Himmel ist grün", während ein anderes behauptet, dass der Himmel lila sei. Da sie komplett unterschiedliche Vorstellungen davon haben, wie die Realität jetzt aussieht, kommt eben auch eine inkompatible Simulation bei raus.

Kein modernes Kriegsspiel stellt sich hin und behauptet, es wäre die alleinig richtige Darstellung der Realität.
Die wissen ganz genau, dass sie nur eine bestimmte Perspektive abbilden können (abhängig u.A. von Abstraktionsgrad, "Zoomstufe" und Spielfokus).
Von daher sehe ich diese Widersprüchlichkeit nicht. Aber da kommen wir wohl nicht zusammen.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
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Offline Thaddeus

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #140 am: 16.12.2019 | 14:59 »
Es gibt schon ein paar Kosims, die bis auf die individuelle Ebene runtergehen -
Du kennst Dich mit KoSims augenscheinlich viel besser aus als ich, aber trotzdem: eine KoSim bietet mir stets nur eine begrenzte Zahl an Handlungsmöglichkeiten, die sich im durch die KoSim definierten Rahmen bewegen. Mein Regiment Musketiere kann eben genau nur: marschieren, schanzen, schießen, nahkampf, aber nicht etwas völlig anderes, was der Erfinder des Spiels nicht vorhergesehen hat. Und hier liegt für mich der tragende Unterschied zwischen KoSims und RPGs. Ich kann in einer Kosim nicht auf einmal durch einen kühnen Einfall etwas völlig neues hinzuerfinden.




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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #141 am: 16.12.2019 | 17:27 »
Erstaunlich wie viel hier eine Realitäts/Denk-allergie haben und damit ein Problem, dass ihnen solche Sachen wie Realitätscheck in ihre Wunschtraumgeschichten reinspielen könnten.
Der abstruse Verweis auf die ja tatsächlich nicht umsetzbare Perfektion einer Simulation deutet doch schon schwer auf Panik hin. Können Storygames jetzt wegen ausbleibendem Literaturnobelpreis auch abgelehnt werden?

Dabei wird doch niemand gezwungen Spiele zu benutzen, welche sich in dieser Richtung bemühen.
 
Aber spätestens wenn sie nicht nur Solo oder mit sehr gut eingespielten Leuten derselben Wellenlänge spielen (oder aber halt im beiläufigen, groben Funmodus) werden sie dann doch noch wieder mit den abweichenden Vorstellungen ihrer Mitspieler konfrontiert werden und dann eben mit deren nun ungeschriebenen Regelvorstellungen.

Ein gutes Spiel benennt also entweder konkret den angestrebten Abstraktionsgrad - und damit welche Details und folgend Diskussionen es nicht vorsieht zu bedienen - oder aber es verregelt ihn wenigstens so, dass alle Beteiligten nach Möglichkeit einen gemeinsamen Referenzrahmen haben.
Klar kann man sich so auch verhauen und hat dies dann sogar noch für jeden nachlesbar und kritisierbar festgehalten. Aber damit sind selbst solche Ausfälle immer noch besser als keine Verregelung, denn der so transparente Zustand ist wenn nicht als Simulation, so doch als allgemeine verlässliche Spielbasis immer noch geeignet im Gegensatz zum Nebelzustand der Lückenspiele.
Und er ist so natürlich allgemein diskutier- und verbesserbar.

...
Rollenspieldesign ist (mMn) mehr Kunst als Handwerk.
Zwischen Budget und "guten" Regeln sehe ich weder Kausalzusammenhang, noch kann ich da eine Korrelation ausmachen.

...

Diese Idee dürfte ein Hauptproblem für die Flut schlechter regelwerke sein - weil eben das Handwerk nicht genug geachtet wird und sich zu viele lieber als darüber stehende Künstler sehen deren "tolle Idee" das Ganze tragen soll und die sonst noch notwendige Arbeit nachrangig erscheinen lässt.

Budget letztlich = Arbeit .
« Letzte Änderung: 16.12.2019 | 18:33 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline YY

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #142 am: 16.12.2019 | 20:30 »
eine KoSim bietet mir stets nur eine begrenzte Zahl an Handlungsmöglichkeiten, die sich im durch die KoSim definierten Rahmen bewegen. Mein Regiment Musketiere kann eben genau nur: marschieren, schanzen, schießen, nahkampf, aber nicht etwas völlig anderes, was der Erfinder des Spiels nicht vorhergesehen hat. Und hier liegt für mich der tragende Unterschied zwischen KoSims und RPGs. Ich kann in einer Kosim nicht auf einmal durch einen kühnen Einfall etwas völlig neues hinzuerfinden.

Es ging ja speziell um den Kampfkontext und da verschiebt sich die Unterscheidung schnell von KoSim vs. RPG zu klassischen/konventionellen Rollenspielen vs. abstraktere, narrativere Ansätze.

Ja, das KoSim liefert mir einen klar abgeschlossenen Rahmen. Das tun Kampfregeln aber auch, ggf. mit kleinen "Trichtern", in die ich alle möglichen Sachen reinschmeißen kann, die nicht in die Struktur passen (z.B. die Tricks von Savage Worlds).
Es gibt im Kampf nun mal überschaubar viele sinnvolle Handlungsoptionen. Das KoSim stellt die sinnlosen erst gar nicht zur Diskussion, genau wie entsprechend dicht und abgeschlossen verregelte RPG-Kampfsysteme. Anderswo bleibt es am SL hängen.

Ähnlich kann man das für alle anderen Bereiche durchdeklinieren, die ein RPG-Regelwerk so beackert. Jeden Bereich für sich kann man strukturieren und simulieren, aber wenn man das für alles und jedes macht, wird das Ganze unüberschaubar umfangreich.
Daher beschränkt man sich auf den Spielfokus, dann klappt das.

Wo ich ein unfokussierte(re)s Spiel habe, rennt mir entweder der Umfang davon oder ich habe nicht mehr "für alles eine Regel" (bzw. einen Regelkomplex, die wohlgemerkt trotzdem einer einheitlichen Grundkonstruktion folgen können, an die nur unterschiedliche Dinge angehängt werden), sondern "eine Regel für alles". Das geht dann natürlich wieder, aber in dem Moment muss ich mich vom Simulationsgedanken verabschieden. Dann folgt alles haargenau der gleichen Spielmechanik und wird nur noch auf der Beschreibungsebene ausdifferenziert und mit Leben gefüllt.
Hat beides seine Berechtigung und seine recht offensichtlichen Vor- und Nachteile.
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Offline Alexandro

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #143 am: 16.12.2019 | 20:52 »
Und klar kann man statistische Aussagen über Individuen treffen bzw. etwas allgemeiner deren Leistungsfähigkeit in Zahlen darstellen. Das wird z.B. im Baseball recht exzessiv gemacht und hat dort direkten Einfluss auf spieltaktische Entscheidungen.

Die Spielerstatistiken im Baseball werden idR hauptsächlich von "informierten Laien" verwendet und nicht von Trainern oder anderen Leuten, die damit tatsächlich ihren Lebensunterhalt verdienen.

Zitat
Ändert nichts an meiner Aussage: Nicht alle Kriegsspiele simulieren, einige aber ganz entschieden, u.A. das Reiswitzsche, das zwar nicht das allererste Kriegsspiel ist, aber als Vorläufer und Mitbegründer der modernen KoSim-Tradition gilt.
Und das war damals gerade im Militär deswegen so erfolgreich, weil es als gute Näherung betrachtet wurde.

Soweit ist es noch richtig, allerdings ist der Umkehrschluss (das preußische Militär war erfolgreich, weil die Offiziere viel Kriegsspiele gespielt haben) inzwischen recht ausführlich widerlegt wurden.

Und damit wären wir beim Kernsatz:
Zitat
Aber man will ja auch nicht das Ergebnis, sondern ein Ergebnis, das halbwegs stimmig ist. Und das leisten gute Modelle allemal.

Das ist richtig, allerdings findet sich das in entsprechenden Diskussionen idR nicht wieder.

Da wird oft die Simulation eines Regelsystems in Zweifel, deren Abstraktionssansatz der Diskutant noch nicht einmal ansatzweise verstanden hat. Stattdessen wird dann auf anekdotenhafte Evidenz zurückgegriffen (Mike Pondsmith ist ganz schlimm in dieser Hinsicht - keine Ahnung von Schusswaffen, aber große Behauptungen über diese aufstellen), welche idR eine geringe Validität besitzt, aber sich "richtig anfühlt".

Zeigt man dann die offensichtlichen Mängel der Modelle von Cyberpunk oder GURPS auf, dann heißt es plötzlich "ja, das muss man doch nicht so genau nehmen" und "es muss sich nur halbwegs stimmig anfühlen". So kommen wir nicht weiter.

Zitat
Wo ich ein unfokussierte(re)s Spiel habe, rennt mir entweder der Umfang davon oder ich habe nicht mehr "für alles eine Regel" (bzw. einen Regelkomplex, die wohlgemerkt trotzdem einer einheitlichen Grundkonstruktion folgen können, an die nur unterschiedliche Dinge angehängt werden), sondern "eine Regel für alles". Das geht dann natürlich wieder, aber in dem Moment muss ich mich vom Simulationsgedanken verabschieden. Dann folgt alles haargenau der gleichen Spielmechanik und wird nur noch auf der Beschreibungsebene ausdifferenziert und mit Leben gefüllt.

"Eine Regel für alles" ist etwas, was vorgeblich "simulierende" Spielsysteme idR für fast alles anwenden, was kein Kampf ist. Egal ob Geiselverhandlung oder Blinddarm-OP: die meisten "klassischen" Systeme verwenden die gleichen Regeln dafür. Und seltsamerweise stört sich niemand daran.

Aber wehe, jemand mischt die Kampfregeln in diesen "one-size-fits-all" Regelwust - dann heißt es plötzlich: "Nein, das geht nicht! Das ist keine Simulation mehr!".
« Letzte Änderung: 16.12.2019 | 20:59 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Weltengeist

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #144 am: 16.12.2019 | 20:56 »
Mir ist davon abgesehen nicht klar, warum bei deinen Spielvorlieben Ubiquity nicht dein Leib- und Magensystem ist. Stören dich die Gummipunkte so sehr?

Du wirst lachen - Ubiquity IST mein Lieblingssystem.

Leider hat es den Nachteil, dass es sehr viele Genres nicht bedient, die ich gerne bespiele. Und dass die merkwürdige Publikationsstrategie erfolgreich verhindert hat, dass es so erfolgreich wurde, wie es hätte sein können.
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Offline Feuersänger

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #145 am: 16.12.2019 | 21:21 »
Es ist also nicht...  8) ubiquitous.

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Zitat von: ErikErikson
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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #146 am: 16.12.2019 | 21:48 »
Du wirst lachen - Ubiquity IST mein Lieblingssystem.

Leider hat es den Nachteil, dass es sehr viele Genres nicht bedient, die ich gerne bespiele.

Kann man Space 1889 nicht für Space Opera Settings und Desolation für andere Fantasy Settings verwenden? Mir fehlt da bei beiden die Kenntnis der Regeln.

Oder, wenn du schon darüber nachdenkst, etwas in Eigenbau zu machen, wieso baust du dann nicht auf Ubiquity auf und modifizierst das nach deinem Bedarf?
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Offline tartex

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #147 am: 16.12.2019 | 21:50 »
Siehst du, aber auch das ist ja ein Designziel für ein Rollenspiel: Stelle ein Framework zur Verfügung, innerhalb dessen der Spielleiter seine Rulings machen kann. Wenn das System das so will und dann auch umgesetzt kriegt, wäre das gutes Design im Sinne dessen, was ich hier meine.

Was wir aber häufig erleben, sind 200 Seiten Regeln, die von niemandem so gespielt werden (können), wie sie da stehen, weil sie widersprüchlich oder unvollständig sind oder für bestimmte Konstellationen (höhere Stufen, größere Gruppe oder Powergamer-Gruppen sind klassische Beispiele) nicht funktionieren. Da gibt es dann nicht Hausregeln, weil man spezielle Vorlieben hat, sondern Hausregeln, weil das System ohne gar nicht wirklich benutzbar ist. Und das ist dann für mich schlechtes Regeldesign.

Die Frage für mich wäre: wo verläuft die (objektive) Grenze zwischen Rulings und Hausregeln?

Weitergefragt: Wo verläuft die Grenze zwischen Framework und "200 Seiten Regeln"? Können 80 Seiten Regeln noch Framework sein? Oder sind 40 Regeln Framework oder doch 120?

Ich denke du wirst wahrscheinliich antworten, dass nicht die Quantität, sondern die Qualität hier den Unterschied macht.

Wenn das Framework halt sehr kompakt ist, gibt der Spieldesigner aber halt irgendwie die potentiellen Fehlerquellen an die individuellen Spielleiter ab. Ob das dann besseres Design ist, weil das am Papier makellos scheint, aber manche Spielleiter wahrscheinlich dann Käse-Rulings fabrizieren? (Das mag dann für die Spieler weniger befriedigend sein als einen Schwarz-auf-Weiß-Konsens zu haben, der mitunter auch hakt.)
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Offline Thaddeus

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #148 am: 16.12.2019 | 21:58 »
Ja, das KoSim liefert mir einen klar abgeschlossenen Rahmen. Das tun Kampfregeln aber auch
...und damit kann man sehr viel Spaß haben! Voraussetzung: man lässt sich darauf ein und akzeptiert diesen geschlossenen Rahmen, was ja vollkommen okay ist. Bei Brettspielen akzeptieren wir diesen ja auch.

Aber in dem Thread ging es ja darum, warum so viele Regelsysteme so murksig sind.

Zitat
, ggf. mit kleinen "Trichtern", in die ich alle möglichen Sachen reinschmeißen kann, die nicht in die Struktur passen (z.B. die Tricks von Savage Worlds).
...und spätestens hier musst Du die Simulation verlassen oder große Freiheiten inkaufnehmen. Und wir waren ja bei dem Thema: schlechte Regelwerke, und genau bei diesen "Trichtern" fängt es meist an zu knirschen.

Zitat
Es gibt im Kampf nun mal überschaubar viele sinnvolle Handlungsoptionen. Das KoSim stellt die sinnlosen erst gar nicht zur Diskussion, genau wie entsprechend dicht und abgeschlossen verregelte RPG-Kampfsysteme.
Oooh, diese Aussage halte ich jetzt doch für etwas gewagt. Würdest Du das für jede im Rollenspiel denkbare Kampfsituation behaupten wollen? Anders: ich finde es gerade ganz besonders spannend, wenn mich meine Spieler mit verrückten, bekloppten oder wagemutigen Ideen überraschen. Und nichts finde ich frustrierender, als dann sagen zu müssen nee, sorry, das kannst Du nicht, Du hast das passende feat nicht...

Zitat
Ähnlich kann man das für alle anderen Bereiche durchdeklinieren, die ein RPG-Regelwerk so beackert. Jeden Bereich für sich kann man strukturieren und simulieren, aber wenn man das für alles und jedes macht, wird das Ganze unüberschaubar umfangreich. Daher beschränkt man sich auf den Spielfokus, dann klappt das.
Am schlimmsten finde ich Systeme, die vollkommen andere Regelsysteme - und damit auch oft völlig unterschiedliches Pacing - für unterschiedliche Situationen haben. Wie geht mir das auf die Nerven, wenn ich grade im Begriff bin, etwas zu tun und plötzlich ruft der Spielleiter Ini!
Meistens läuft dann auch das Balancing für kampflastige und soziale Charaktere aus dem Ruder.
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Offline YY

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Re: [Rant] Schlechte Regelwerke
« Antwort #149 am: 16.12.2019 | 22:12 »
Aber in dem Thread ging es ja darum, warum so viele Regelsysteme so murksig sind.

Sie sind mMn nicht murksig, weil sie einen geschlossenen Rahmen bieten, sondern weil sie diesen Rahmen nicht zielführend füllen.

Würdest Du das für jede im Rollenspiel denkbare Kampfsituation behaupten wollen? Anders: ich finde es gerade ganz besonders spannend, wenn mich meine Spieler mit verrückten, bekloppten oder wagemutigen Ideen überraschen. Und nichts finde ich frustrierender, als dann sagen zu müssen nee, sorry, das kannst Du nicht, Du hast das passende feat nicht...

Ich wüsste zumindest kein Beispiel, wofür ich meine Behauptung nicht aufrechterhalten würde.
Also erstmal ja.

Mit Feats, DSA4'scher Sonderfertigkeitenschwemme u.Ä. kann ich auch nichts anfangen.
Aber grundsätzlich halte ich gerade im Kampfkontext "gute Ideen" (was oft genug bedeutungsgleich mit möglichst exotisch/abseitig ist) für deutlich überschätzt. Da sind auch die Tricks von Savage Worlds mechanisch schon ziemlich wacklig, aber das steht und fällt inhaltlich mit der Beschreibung.
Verrückt, bekloppt oder wagemutig heißt eben auch (definitionsgemäß), dass das Ganze mit sehr großer Wahrscheinlichkeit spektakulär daneben geht...von daher sind mMn nicht möglichst exotische Ideen wichtig oder gar zentral, sondern gute Entscheidungen - und die gibt es zumindest auf spielmechanischer Ebene nur, wenn die Regeln diese Unterscheidung überhaupt hergeben. Ansonsten hängt das komplett daran, ob man mit dem SL auf einer Wellenlänge ist.
"Kannst du dann bitte mal kurz beschreiben, wie man deiner Meinung bzw. der offiziellen Auslegung nach laut GE korrekt verdurstet?"
- Pyromancer