Generell ist es die Frage ob man Regeln (und da würde ich Meta-Plot Vorgaben in der Spielwelt durchaus mit einbeziehen) als einen Käfig betrachtet, oder als eine Stütze.
Ganz klar:
Beides!Darum kann man eigentlich nicht sagen ob viele oder wenige Vorgaben Kreativität fördern. Die detaillierte Information über ein Handelshaus in einer Kleinstadt kann genauso Kreativität fördern wie dies allgemeine Regeln zum Erstellen eigener solcher Handelshäuser können.
Bei dieser Frage geht es also eigentlich nicht darum ob es viele oder wenige Vorgaben/Regeln gibt. Sondern wie gut diese sind. Ob die Werkzeuge welche man hat wirklich ihren Zweck erfüllen und ob man für ein möglichst großes Spektrum an Problemen gerüstet ist.
Der zweite Teil beinhaltet einen Widerspruch zum ersten. Richtigerweise müsste die Schlussfolgerung sein:
Die Qualität der Werkzeuge ist entscheidend UND dass man mit den ausgewählten umgehen kann. Entscheidend ist nicht, ob man ein universelles (Beispiel: Fahrtenmesser // Teppichmesser) oder viele hochspezialisierte Werkzzeuge (Brotmesser, Käsemesser, Schnitzmesser, ... // Skalpell, Bastelmesser, ...) nutzt. Klar schaut das Ergebnis oft genug anders aus. Aber auch das ist oft genug gewollt. Mit Savage Worlds erreiche ich nicht die Detailschärfe von D&D 3.5/D20 modern. Dafür brauchen die letzteren für Kämpfe mit vielen Beteiligten eine Ewigkeit.
Fazit:
Entscheidend sind Gruppenregeln. Da wird nämlich die Auswahl der Werkzeuge vorgenommen.
Was bei den Spielen der 90er regelmäßig ein Problem ist: Die (Shadowrun, oWoD, DSA) liefern hochspezialisiertes Werkzeug und Benutzungshinweise für multifunktionales Werkzeug. Das passt nicht zusammen.
Und das, würde ich sagen, tötet tatsächlich die Kreativität, weil verschiedene Spieler.innen wie selbstverständlich bestimmte, verschiedene Herangehensweise erwarten, die jeweils für sich auch stimmig sind (weil sie aus dem Murks in den Büchern ein funktionierendes System gemacht haben), die aber überhaupt nicht zusammen passen.
Anders gesagt: 90er-Spiele (oder tendenziell Mainstream-Sachen) produzieren überdurchschnittlich häufig dysfunktionale Runden. Und da geht dann schnell die Lust am Spiel und am kreativ werden verloren. Funktionierende Runden sind hier - deutlich mehr als bei anderen Spielen - das Ergebnis von Rundenkommunikation und (unbewusstes) aufeinander abstimmen. (Andererseits ist der Ansatz der "eierlegenden Wollmichsau" gut geeignet, um viele Leute anzusprechen und einen großen Pool an Interessenten zu generieren.)
Was noch eine Schwierigkeit ist: Hohe Regeldichte und hohe Beschreibungsdichte im Hintergrund suggeriert, dass Dinge klar wären.
Und: Statt als kreative Begrenzungen zu wirken können viele Details auch zu Überwältigung führen (was für das weiße Blatt Papier genauso gilt). Das Problem mit der Überwältigung kann man z.B. bei V:tM, L5R oder auch WFRP haben. Bei allen dreien ist es nicht nur eine Fülle an Material die Schwierigkeiten machen kann, sondern durch etliche Retcons und das Fehlen eines anerkannten Kanons fehlen Orientierungsmarken.)