#46
Herbert Langer - Kulturgeschichte des Dreißigjährigen KriegesEin recht großer Band, physisch, da er seine Bildgewalt nutzen will durch die vielen Abbildungen, das sei vorweggestellt. Und dass die Lektüre eine persönliche ist, muss ich gestehen. Ich habe 2009 an einem wissenschaftlichen Colloquium zum Dreißigjährigen Krieg teilgenommen und Herr Prof. Langer ist ebenfalls dort gewesen.
Als ganz junger Student hab ich es seinem Einwirken zu verdanken, dass ich an der Seite namenhafter Dozenten meinen Vortrag in Schriftform gießen und veröffentlichen durfte. Prof. Langer war damals bereits emeritiert, und verstarb im Jahr 2013. Als ich das Buch vor etwa vier Wochen in einem Antiquariat sah, habe ich es deswegen kurzentschlossen gekauft.
Als ich damals auf dem Colloquium war, ist sein Werk über die Kulturgeschichte des Dreißigjährigen Krieges als das maßgebende Werk vorbei an den Kriegsereignissen und der reinen Religionssicht herum beschrieben worden.
Und das trifft das Buch ungemein.
In einer sehr eingängigen, direkten Sprache, die dennoch dem kulturellen Schaffen während des Krieges hohen Respekt zollt, beschreibt Herr Langer in großer Breite und mit ausreichend Detail die Kulturgeschichte, von den politischen Grundbedingungen über Münzfälschungen, über Propagandaschriften und Zeitungswesen, über die bildenden Künste bis zur Musik.
Er nutzt neben der sehr zerstörerischen Wirkung des Krieges (die sich im Übrigen am Besten in Peter Englunds Verwüstung nachlesen lässt) seinen Blickwinkel, um auch das Schaffende dieser Periode in den Vordergrund zu rücken. Die Bewährung des Menschen im Schaffen gegen die Verwüstung um sich herum, ohne jedoch den schrecklichen Rahmen aus Krieg, Hunger und Krankheit zu vergessen. Dieser Rahmen wird vergegenwärtigt und daraus das Schaffen erneut bewertet.
Was Herr Langer in seinem Werk nach wie vor schafft, und dort ist es meines Erachtens unerreicht, ist es, ein Gefühl vom Menschen des 17. Jahrhunderts zu geben, eingedenk unterschiedlicher Gegenden und Völker, obwohl er im Rahmen des Werkes dort nicht in die letzte Tiefe gehen konnte.
Die Betrachtung ist vor allem eher süddeutsch angelegt, greift aber in den norddeutschen und in den europäischen Rahmen über.
Garniert ist das Werk mit einer großen Auswahl von Quellen, Liedern, Bildern und Auszügen, die nicht willkürlich gesetzt sind, sondern immer bereichernd und zum Thema passend. Letztlich ist es eine lesenswerte, sehenswerte Kulturgeschichte, die man vorbehaltslos auch nach 40 Jahren noch als sehr bedeutend und lesenswert einschätzen muss.
9 von 10 Punkte.
#47
Richard Llewellyn - So grün war mein Tal1939 erschienen, ist dieser Coming-of-Age bzw. Bildungsroman eher nostalgisch-tragischer Natur. Anhand des jungen Huw erzählt der Autor, wie eine neue Zeit in der walisischen Provinz anbricht, und wie die fortschreitende Industrialisierung mit ihren Lohnkämpfen, ihren Umweltschäden, mit ihrer kapitalistischen Gier und weiterer Drangsal einen Landstrich verändert.
Im Zentrum des Buches ist dabei vor allem die Kindheitsphase von Huw, der mit vielen Geschwistern groß wird und sich nostalgisch an sein grünes Tal erinnert, welches immer dunkler und mehr von Schlacke verdeckt ist.
Doch auch wenn es sehr anheimelnd ist bisweilen, und manchmal zeitgemäß den Begriff der alten Heimat zu hoch aufhängt, sind auch in den nostalgischen Rückblicke viele Details, ja, Risse im Bild zu sehen.
Althergebrachte Erziehungsmethoden, ein gewisses, verklärtes Faustrecht, unausgesprochene Konflikte und Anzeichen psychischer Krankheit im Umkreis der Familie, unerfüllte Liebe, Hass und Missgunst gegenüber Liebe und Freundschaften, Lokalpatriotismus, ein subkutaner Antisemitismus und die Angst vor Arbeitsmigranten wirft durchaus Schatten auf den vom Protagonisten verklärten Blick auf die Heimat, die letztlich dann doch wieder durch seine Persönlichkeit, durch die Lebendigkeit ihrer Persönlichkeiten besticht und so die erhoffte Wirkung erzielt.
Dass der Autor den Weg konsequent zuende geht und die nostalgische Familie am Ende globalisiert wird, und am Druck der Welt in ihrer Heimatgebundenheit zerbricht, ja zerbrechen muss, macht das Buch bittersüß und bestärkt die nostalgische Brille, macht sie dadurch aber umso lesenswerter.
Es ist nicht verwunderlich, dass dieses Werk zu den modernen Klassiker englischer Literatur gehört.
9 von 10 Punkte.