#3
William Faulkner - SoldatenlohnEine nicht gänzlich uninteressantes Buch, welches sich mit der Wiederkehr eines schwerverwundeten Soldaten aus dem 1. Weltkrieg beschäftigt, der langsam, aber sicher erblindet und stirbt. Die Wiederkehr wird gespiegelt an den gesellschaftlichen Normen der Zeit, und eingespannt in eine komplexe Liebesgeschichte, in der Heiraten stattfinden, die befreit von Liebe sind, und damit die eigentlichen Liebschaften konterkarieren.
Insofern ist hier viel dramatisches Potenzial. Soldatenlohn ist das Erstlingswerk Faulkners gewesen und ich finde es persönlich - obwohl ich es in deutscher Übersetzung gelesen habe - etwas sperrig geschrieben.
Wirklich positiv sticht heraus, dass Faulkner schon in seiner Frühphase die Fähigkeit hat, anhand der Natur und der Beschreibungen von Naturdetails Stimmung zu erzeugen. Darin liegt die Stärke des Buches.
Mir nicht gefallen hat - und da liegt das Problem in meiner Erwartungshaltung - dass man die sozialen Auswirkungen der Heimkehr nicht wirklich spürt, weil es in der Liebesgeschichte untergeht, die mir etwas wild konstruiert ist. Es ist wird schon deutlich, dass alle vom großen Krieg betroffenen, in eine Welt zurückgespült werden, die nicht mehr die ihre ist, aber es ist nicht überzeugend genug, weil das vor allem auf der Achse der Liebesbeziehung beschrieben ist.
Die Charakterzeichnungen sind noch sehr einseitig, aber doch gefällig.
Lediglich die Liebe Joe Gilligans ist mir hängengeblieben und stellt den stärksten und beständigsten Part des Buches dar.
Insgesamt aber ein etwas steif zu lesende, hölzern konstruierte, aber doch interessante Liebesgeschichte.
6,5 von 10 Punkte
#4
Eduard von Keyserling - WellenWelch ein schön geschriebens Werk. Wer die sanfte Sprache baltisch-deutscher Schriftsteller zu schätzen weiß, die mit wenigen Worten komplexe Bilder in den Kopf malen können (wie beispielsweise Siegfried Lenz) wird hier voll auf seine Kosten gekommen.
Das Buch geht letztlich um das tragische Aufeinandertreffen von Gesellschaftsschichten an der Ostsee. Anhand der Ostsee und ihren Regungen als tiefes, unbegreifliches Gewässer werden die Charaktere und die Erzählung permanent gespiegelt, und das auf wirklich beeindruckende Art und Weise.
Wie auch Soldatenlohn ist es eine eher komplexe, wenn auch nicht überkomplexe Liebesgeschichte, die sich im Zentrum um Doralice, einer der Liebe wegen ausgestoßenen Adligen dreht, welche auf eine andere Adelsfamilie trifft, aber auf zärtliche Art und Weise gegen und für ihre eigentliche Liebe, einem bürgerlichen Maler namens Hans Grill, kämpft, mit allen nötigen Verwicklungen.
Zentral an dem Werk ist die Reaktion auf das Meer und die Beobachtung der Charaktere, die von Keyserling sehr sanft, aber eindrücklich vornimmt. Es sind also eher Minicharakterstudien statt einfache Beschreibungen, sodass das das 173-seitige Buch viel mehr bietet, als die relativ geringe Seitenzahl vermuten lässt.
Besonders eindrücklich wird das Buch, wenn man die Geschichte Eduard von Keyserlings kennt und versteht, wie stark die autobiographischen Bezüge dieses Buches sind. Das Gefühl eigener Ausgestoßenheit aus dem alten Adel, die dennoch vorhandene Verantwortung für die übertragenen Güter, die selbst erlebte und kaum verwundene Einsamkeit im Alter, seine Bezüge zu München (dort hat von Keyserling sein Leben ausklingen lassen) und Italien (dort hat er immer auf gesundheitliche Besserung gehofft), rückverbunden an die Ostsee (daher kommt er).
Dieser persönliche Bezug macht das Buch noch wirkungsstärker.
Insgesamt hat mich das Buch sehr erfreut, obwohl ich normalerweise wenig Liebesgeschichten lese. Aber diese ist keine Schmonzette, sie ist tragisch. Sie ist keine schnulzige Romanze, hat aber doch pur und echte, romantische Züge. Leseempfehlung!
8,5 von 10 Punkte