#26
Michail Gorbatschow - Alles zu seiner Zeit: Mein LebenEin interessantes Buch, welches etwas zweigesichtig ist, mit unterschiedlichen Stärken.
Wenn Gorbatschow wirklich von seinem Leben erzählt, hat das Buch eine gewisse Würde; in diesen Moment gelingt ihm auch eine Analyse glaubhafter und nachvollziehbarer.
Wenn Gorbatschow jedoch auf Niederlagen und Rückschläge zu sprechen kommt, verschwimmt seine Analyse; vor allem in Hinblick auf eigene Fehlentscheidungen.
Dadurch verzerrt sich das Bild; während im Frühgeschehen seines Lebens und seiner politischen Entwicklung seine Familie eine große Rolle spielt und immer wieder beschrieben wird, rückt sie gleichsam mit der Erhöhung seiner Ämter in den Hintergrund. Je höher seine Ämter werden, desto mehr wird seine Analyse durch einfache Feststellungen verdrängt.
Dieses implizite Spiel, dass er kaum noch von seiner Familie in diesen schweren Zeiten spricht, macht das Buch einerseits interessant, andererseits ist es dann doch nur eine weitere, politische Autobiographie, die sich in denselben Ergüssen von Rechtfertigung und Selbstdarstellung findet.
Sprachlich besonders schön akzentuiert dadurch, dass er zwar die ganze Zeit in der Ego-Perspektive schreibt, Angriffe gegen ihn aber immer Angriffe gegen "Gorbatschow" sind.
Natürlich ist die Notwendigkeit der Rechtfertigung nachvollziehbar, gerade im Leben Gorbatschows, gerade in Hinblick darauf, dass er an einem entscheidenden Stück Weltgeschichte mitgewirkt hat, aber die in diesen Buch zusammengefasste Variante ist nicht so wirkmächtig, wie sie sein sollte oder könnte.
Dennoch letztlich ein interessanter, etwas zu apologetischer Ritt durch die Geschichte.
5,5 von 10 Punkte
#27
Johannes Willms - Bismarck - Dämon der Deutschen - Anmerkungen zu einer LegendeDas Buch ist ein gesprochenes Versprechen, leider, denn der Ansatz ist interessant. Eine ernsthaft kritische Auseinandersetzung mit Bismarck ist immer erwünscht, allerdings entfaltet das Buch von Johannes Willms maximal grob essayistischen Charakter, und bedient sich einer einfachen Verkehrung eines angenommenen, wohlgleich diffusen Bismarckbildes.
Die Konzeption des Werkes erschöpft sich darin, die mehr oder weniger verhandelten oder dargestellten Höhepunkte von Bismarcks Schaffen als Leitlinie einer Negativdarstellung zu nutzen. Dabei neigt Herr Willms zu Extrapolationen der Positionen und verkehrt die gängige Darstellungsart, ohne wirklich selbst argumentativ tätig zu werden. Das ist sehr schade, da hier Quellenarbeit sinnvoll gewesen wäre.
Leider enthielt das Buch mir auch zu viele logische Widersprüche, die vielleicht schriftstellerischer Natur sind, aber so ist nicht wirklich nachzuvollziehen, was Bismarcks Analyse vermag oder nicht vermag, weil Willms in seiner Darstellung beides häufig gleichzeitig behauptet und damit seine eigene Position schwächt.
Was das Buch rettet, ist allerdings, dass diese Art und Weise immer durch seine Polemik dadurch taugt, sich tatsächlich mehr oder kritischer mit dem Reichskanzler zu beschäftigen. Warum ist es als Polemik zu bezeichnen? Nicht nur die Extrapolationen sorgen dafür, sondern auch der etwas lockere Umgang des Autors mit vorschnellen Negativurteilen, wobei er gerne Worte wie lächerlich oder billig nutzt. Der Autor nutzt genau die Art, die er Bismarck vorwirft und darin findet sich die für mich der spannende Analyseschlüssel dieses Werkes.
Seine Vergleiche Bismarcks mit unsern modernen Kanzler sind zu wenig erklärt und wirken deswegen etwas deplaziert.
Dem Buch hätte gut getan, wenn Johannes Willms vorerst erarbeitet hätte, was denn Bismarcks Ruf genau ist und wie er entstand und dann anhand dieser Punkte seine Lesart entgegengestellt hätte, und das eben mit Fakten dann gefüttert hätte.
So ist es nur eine Verkehrung eines nicht näher bestimmte, sehr positiven Bismarckbildes, welches ja schon Jahrzehnte nicht mehr Stand historischer Forschung ist, und nicht mal im Alltag kann man davon sprechen, dass dieses nur angedeutete, positive Bild des Überbismarck noch irgendwelchen Bestand hätte.
Das Werk verspricht letztlich eine Entlarvung eines Mythos, und genau darin scheitert es. Deswegen nur 2 von 5 Sternen. Dennoch ist in seinem essayistischen Stil eine interessante, wenn auch gescheiterte Lektüre.
Eine detailgetreure, faktenlastigere und gemäßigtere, kritische Auseinandersetzung wäre wünschenswerter gewesen, aber selbst in seiner Polemik ist das Werk nicht stringent genug. Insofern leider eine vertane Chance. Schade.
3 von 10 Punkte
#28
John Scalzi - Das SyndromSehr kurzweilige, stringente Geschichte über Mindhacking in Folge einer grippeähnlichen Erkrankung, die die Gehirnstruktur verändert bei einem Teilen der Betroffenen für ein Locked-In-Syndrom sorgt, also dass sie ihren Körper nicht mehr nutzen können, aber geistig noch da sind.
In naher Zukunft hat das dazu geführt, dass die Robotik deutlich vorangegangen ist und die Betroffenen eben dadurch am Leben teilnehmen können.
Der Rest ist mehr oder minder ein Shadowrun-Plot außerhalb des Settings, denn die Politik will die Zuschüsse streichen und in den entsprechenden Verteilungskämpfen mischt seine Corp ein, die versucht die neue Situation für sich zu nutzen.
Es ist aber gut geschrieben, bleibt immer am Ball und es gibt keine Verschwendung in den Szenen, die alle auf die Resolution des Buches drängen. Der Protagonist ist selbst ein Betroffener, allerdings der Sohn eines superreichen Philantropen. Scalzi macht selbst genügend Batmanreferenzen. Pluspunkte gibt es auch dafür, dass der böse Corp-Anführer ausgerechnet Hubbard heißt und über Gedankenmanipulation bzw. Gedankenhacking seine Ziele zu erreichen sucht.
Letztlich fehlt zum großen Wurf, dass die Helden zu selbstsicher und zu überlegen sind; und das alle Zufälle zu zielsicher zusammenfallen.
Dennoch klug komponiert und eben spannend geschrieben. 8 von 10 Punkte.