#4: Vermischte Beobachtungen
Inzwischen schaue ich auf 3 Monate und rund 45 Stunden Spielzeit mit Savage Worlds zurück und bin - ich staune über mich selbst - immer noch nicht in Versuchung, meine Entscheidung zu revidieren. Im Gegenteil: Es tut mir gefühlt unheimlich gut, dass der Druck, das "perfekte" System finden zu wollen, endlich von mir abgefallen ist. Die Zeit, die ich sonst in das verhasste Regelstudium investiert habe, wandert jetzt endlich dahin, wo ich sie viel lieber sehe: in das Vor- und Nachbereiten des Inhalts meiner Kampagnen.
Was ich dazu im Moment wirklich gut gebrauchen könnte, sind die Ergänzungen, wie sie für die Explorer's Edition in den Companions enthalten waren: Settingregeln, NSC- und Kreaturensammlung, Ausrüstungslisten etc. Aber ich mag jetzt kein Geld mehr in Bücher für die letzte Edition investieren, wenn die Neuauflagen hoffentlich dieses Jahr noch erscheinen (zumindest war das mal so angekündigt, ich fange aber an, daran zu zweifeln). Also heißt es Abwarten und Improvisieren. Trotzdem habe ich natürlich nicht völlig widerstehen können und mir das eine oder andere vermeintlich passende Quellenbuch für die letzte Edition zugelegt, so beispielsweise "Pirates of the Spanish Main" wegen der Seefahrt-/Schiffskampfregeln und "Hellfrost Bestiary" als umfangreiche Fantasy-Kreaturensammlung. Bei letzterer ist mir aufgefallen, dass die Gegner deutlich zäher sind als im GRW, was mir persönlich ganz gut gefällt. Nur von dem Trick, jeden Gegner ab Räuberhauptmann aufwärts zur Wildcard zu erklären, bin ich nicht so ganz überzeugt, denn so habe ich das Konzept der Wildcard nicht verstanden.
Inzwischen hatte ich übrigens auch ein paar Mal die Gelegenheit, die Chase-Regeln auszuprobieren, und zu meiner Überraschung haben sich die Spieler da teilweise echt die Fingernägel runtergekaut vor Aufregung. Das hätte ich nach den eher zähen ersten Versuchen nicht unbedingt erwartet. Als Spielleiter finde ich das aber noch schwer zu leiten, und ich vergesse dabei gefühlt die Hälfte. Ich bin aber ganz optimistisch, dass das ein richtig cooles Spielelement werden kann, wenn mir die Regeln erst einmal in Fleisch und Blut übergegangen sind.
Zu guter Letzt noch ein Wort zum Benniefluss. Ich lese ja immer wieder die Empfehlung, man möge die Spieler möglichst mit Bennies zuschütten, aber für meine persönliche Spielvorliebe bin ich davon gar nicht so überzeugt. Die tollsten Sitzungen der letzten Wochen waren diejenigen, wo den Spielern gegen Ende (idealerweise im Finalkampf) die Bennies auszugehen drohten. Da waren sie dann wirklich aufgeregt, haben mitgefiebert und waren total euphorisch, wenn dann am Ende doch noch alles gut ausgegangen ist. Ich weiß natürlich, dass das eine Gratwanderung ist (ohne Bennies kann es eben auch leicht mal richtig schiefgehen), aber bei üppig gefüllten Benniestapeln kommt eben auch keine wirkliche Spannung auf. Ich mag das Spiel mit weniger Bennies daher lieber.
Um das damit verbundene Problem der SC-Sterblichkeit abzufedern, habe ich jetzt in all meinen Runden die Settingregel Heroes never die eingeführt. Das entspricht ohnehin eher dem von mir bevorzugten, pulpigen Spielstil - früher hätte ich das weit von mir gewiesen, aber inzwischen ist mir klar geworden, dass wir die Spannung, die ich mir wünsche, auch ohne die ultimative Drohung mit dem Charaktertod hinbekommen.
Was ich aber immer noch nicht hinkriege, ist meine Spielleiterbennies regelmäßig einzusetzen. Ich mag ja das nachträgliche Revidieren von Würfelwürfen durch Gummipunkte ohnehin nicht so gerne (auch bei Spielern nicht) und lebe nur zähneknirschend damit. Auf Spielleiterseite finde ich es aber noch schwieriger: Ich habe nämlich im Grunde meines Herzens gar keine Lust, den Spielern die bereits gelebte Freude oder Erleichterung nachträglich nochmal wegzunehmen, indem ich gescheiterte Spielleiterwürfe wiederhole...