Joa, die vernichtenden Kritiken von 2020 und 2019 sprechen für sich:
https://apps.apple.com/de/app/roll20-for-ipad/id944989026#see-all/reviewsIch bin jetzt Roll20-Abonnent, weil ich für Star Wars FFG einen API-Zugang benötige, um die exzellenten Würfelskripte und Charakterbögen benutzen zu können. SW FFG ist mMn mit individuellem Tischwürfeln oder mit der Würfelapp von FFG nicht flüssig genug online spielbar, denn dann wäre jeder Wurf ein Kommunikationskrampf.
Die Skripte, Bögen und Benutzeransichten für Abonnenten (und ihre Gruppen) sind dagegen so umwerfend durchdacht, schnell und funktionabel, daß ich SW FFG auch nach Corona nur noch online anbieten möchte. Wenn man sich erst einmal etwas hineingefuchst hat, dann brummt der Spielleiterladen.
Ansonsten sind in meiner Bande nun 6 Runden auf Roll20 und Onlinespiel umgestiegen bzw. ausgewichen. An meinem bisherigen Eindruck hat sich nicht viel geändert: Unerwartet viele Spieler/innen finden es richtig gut, aber es gibt auch jene, für die Onlinespiel nur vorübergehend eine Alternative zum Tischspiel ist. Ich sehe in beiden Spielformen ihre Vorteile und Nachteile, muß aber zugeben, daß ich in puncto Rollenspiel mehr vom Onlinespiel profitiere als vom Tischspiel, das (mir) doch deutlich mehr Unruhe, Ablenkung und in der Tat auch inneren Streß bereitet. Klar, man sieht seine Kumpels und hängt mit ihnen schön einen Abend lang ab, aber rollenspielerisch muß das nicht nur Vorzüge haben.
Das Onlinespiel ist bei uns atmosphärischer, konzentrierter, erzählerisch dichter, aber stellenweise auch weniger leicht und locker. Interessant ist, daß wir nun nachweislich in vier Stunden so viel Geschichte schaffen wie sonst in sechs bis sieben. Und ich bin als SL normalerweise nach einer Sitzung am Tisch total kaputt, aber online kann ich fünf Stunden leiten und viel mehr reden müssen und danach trotzdem entspannt ausschalten. Das fällt mir schon sehr deutlich auf. Ich führe es darauf zurück, daß ich am Tisch mehr Eindrücken und Kommunikationen jeder Art unterliege, mehr Ablenkungen steuern muß, mehr durcheinander gequasselt wird, mehr um das Spiel herum passiert und ich es trotzdem jedem irgendwie recht machen will. Online ist das anders, und wenn ich offen sein soll: Ich mag das Leiten online deshalb deutlich mehr, aber das umfangreichere Vorbereiten trotz einer Hilfe wie Roll20 etwas weniger. Das ist aber mein Kompromiß, denn ich habe beobachtet und bin davon überzeugt, daß Roll20 enorm viel zu unserem Spiel beträgt und auch bei
allen Spielern sehr beliebt ist.
Wichtig ist für mich auch die Feststellung, daß ich der Grundsatzkritik am Onlinespiel, es fehle an kommunikativen Elementen und sei deshalb weniger flüssig und mehr statisch, nur bedingt zustimmen kann. Einige meiner Runden mit aktiven Spieler/innen laufen absolut flüssig; die Leute befeuern sich gegenseitig online so, wie sie es auch am Tisch machen. Ich bemerke an der Lebhaftigkeit im Spiel nahezu keinen Unterschied zwischen Onlinespiel und Tischspiel. Andere Runden mit einem Anteil eher stiller Spieler/innen oder Spieler/innen, die sehr fokussiert auf SL-Angaben warten, um dann dem Plot zu folgen, bieten mir da schon ein anderes Bild und bestätigen die Kritik. Es gibt in ihnen öfter Erzählpausen, Stillemomente und Situationen, in denen man die Leute schon direkt ansprechen muß, damit mal was kommt. Es läuft insgesamt zäher, aber dabei fällt mir dann auf, daß es am Tisch auch nur deshalb weniger zäh läuft, weil die aktiven Spieler/innen das besser ausgleichen können als online, wo ihnen ihre Dominanz wohl eher auffällt und dann unangenehm wird. Summa summarum: Online sind die Spieler/innen eher angehalten, mal den Mund aufzumachen und ihren Charakter einzubringen. Und die aktiven Spieler/innen sollten die weniger aktiven mehr von sich aus einbinden und das nicht immer dem SL überlassen.
Hmja, mein Fazit ist bisher, daß ich Onlinespiel mit Roll20 und den "richtigen" Leuten rollenspielerisch intensiver und schöner finde, als Spielleiter deutlich entspannter und als Spieler genauso erfüllend wie am Tisch. Eigentlich ist es fast schon schade, daß die meisten meiner Runden in absehbarer Zeit wieder am Tisch stattfinden werden bzw. müssen.