Okay,
das hier macht mir grade einen Knoten ins Hirn.
Ich möchte tatsächlich auch realistisch wirkende Welten.
Wenn die Level 1 Charaktere einen Great Old Wyrm angreifen, werden sie eben gefressen. Genauso wenn in Cthulhu Now ein SC alleine ne Bundeswehr Kaserne angreift. Aber das ist in meinen Runden noch nie passiert.
In meinen Runden wissen alle, dass sich realistisch gespielt wird. Entsprechend ist man vorsichtig, weicht übertriebenen Gegnern aus oder überlegt sich kluge Strategien. Im Zweifel arbeiten sie dann eben einfach für den Great Old Wyrm.
Auf der einen Seite habe ich realistische Welten: Also solche, in denen bestimmte Ursachen bestimmte Wirkungen haben, die nach Lage der (Natur)gesetze immer eintreten. Welten in denen unplausible Entwicklungen nicht passieren. In denen die Charaktere nicht tun, wissen oder gestalten können, was sie in vergleichbaren Situationen in unserer Realität auch nicht tun, wissen oder gestalten könnten. Waffen sind tödlich.
Und dann fährt man diesen Ansatz ausgerechnet in einem System mit Stufen.
Stufen sind im Grunde ja ein gamistisches Konzept. Damit stellt man das Prinzip der Zero-to-Hero-Progression dar. Auf eine ganz abstrakte Ebene gebracht: Statt der graduellen realistischeren Progression von Punkten, die man verteilt, nachdem man Zeugs geübt hat, manifestieren sich bei Stufenaufstiegen bessere Werte, Fertigkeiten oder neue Feats und Handlungsoptionen einfach so. Scheint mir nicht sehr realistisch.
Schwerer wiegt aber finde ich nur die Tatsache, dass Stufen den Spielern zahlreiche Meta-Informationen geben, die ihren Charakteren innerweltlich auf realistische Weise gar nicht zur Verfügung stehen können. Auf der Ebene eines simulierenden Realismus gäbe es gar keine Möglichkeit, dass unser Krieger objektiv einschätzen kann, welchen Gegner er nun angreifen kann oder auch nicht. Er müsste sich diese Information innerweltlich besorgen, indem er sieht, wie Leute vom Drachen gefressen werden, indem er alten Geschichten Glauben schenkt, indem er das Kampfverhalten eines Drachen genauestens erforscht oder indem er einfach auf die Angst in seinem Bauch vor so einem Riesenviech hört.
Und wie soll denn ein Charakter auf der Ebene der Spielwelt einschätzen, wann er für den Kampf bereit ist. Ich meine, ich hab doch keine Ahnung, was ich für eine Stufe in meiner Klasse habe, ich armer Fantasy-Krieger. Mein Spieler weiß das. Aber ich selbst habe doch keine Ahnung. Woher soll der Krieger also wissen, wann er bereit für den Drachenkampf ist, wenn nicht durch Indikatoren im Setting.
Und selbst dann könnte er glauben, niemals bereit zu sein. Oder er könnte es zu früh glauben und alle am Tisch regen sich dann auf, dass der seine Fackel in die Pfütze fallen lässt und auf den Drachen zustürmt und dann gefressen wird. Und der Spieler sagt: "Ist doch unrealistisch. Mein Charakter hat gedacht, er schafft den. Er ist ein Ritter. Ritter töten Drachen. Ich hatte keinen Grund, das Gegenteil anzunehmen. Ich habe meinen Ritter nur realistisch ausgespielt."
Wenn der Spieler aber auf seine Stufe guckt und dann sagt "Hmmm, der Drache hat bestimmt Stufe 10, den schaffe ich nicht, ich geh dann mal wieder" ist das so meta, da ist ja jeder Fatepunkt subtiler. Dann bestimmt der Stufenvergleich nämlich dauerhaft und ununterbrochen Spielentscheidungen. Das hat mit Simulation und Realismus dann doch nichts mehr zu tun.
Meine Figur hat das Weltwissen über die Tödlichkeit von Drachen und denkt sich: "Das schaffe ich niemals!" Okay, das ist realistisch. Das kann ich glauben. Dann muss aber auch eine innerweltliche Information oder Motivation dafür sorgen, dass der Charakter seine Meinung irgendwann ändert. Und wenn er sich dem Drachen dann stellt, dann könnte der Spieler zu recht verlangen, dass es bis zum Ende ausgewürfelt wird, ob er den Drachen nun bezwingt oder nicht. Dasselbe beim Bundeswehr-Beispiel: Dass ein Einzelner eine ganze Kaserne umbringt ist äußert unwahrscheinlich. Aber unmöglich ja nicht. Also ist die Frage: Ab wann kann ich guten Gewissens sagen: "Unrealistisch!" und damit eine Spielerentscheidung entwerten.
Mein Spieler guckt aufs Blatt und sagt: "Hmmm, rein mathematisch gesehen kann ich das gar nicht schaffen. Daher lass ich's lieber, will den Charakter noch eine Weile spielen". Das ist Meta. Das hat mit Realismus nicht das Geringste zu tun.
Ich meine, so sehe ich es, schnell im Kopf herumgewendet. Wo mache ich hier einen Denkfehler?