Für die meisten Rollenspieler vielleicht unvorstellbar, aber Filme (und andere Medien) müssen nicht immer die Realität wiederspiegeln. Aber sie müssen eben im Kontext ihres Mediums Sinn ergeben.
Genau. Also warum trägst du dann an deiner subjektiven Realität ausgerichtete Vorstellungen davon, was Frauen oder Männer können in diese Medien hinein?
"Atomic Blonde" ist doch das beste Beispiel. Das ist ein Actionfilm, da ist es ganz normal, dass der/die Protagonist:in Dinge überlebt, die man in unserer Realität einfach nicht überleben kann. Das ist quasi genretypisch und da jetzt Trainingsmontagen zu zählen, damit man eine Rechtfertigung dafür hat, warum ein Actionstar niemals Pause machen muss und sämtlichen Schmerz aushält, bringt doch niemanden weiter.
Es muss eben im Kontext des Mediums Sinn ergeben. Und das ergibt bei "Atomic Blonde" zum Beispiel total Sinn. Ich habe den Film nur einmal gesehen – und ich finde auch, der ist kein Meisterwerk. Aber der Trailer hat schon gereicht, um mein Gedächtnis aufzufrischen:
- Die Protagonistin kriegt zum Teil übel auf die Fresse und trägt Blessuren davon (es gibt eine Szene vor dem Spiegel mit ihrem Gesicht übersät mit blauen Flecken)
- Die Exposition macht klar, in Form eines Gesprächs mit ihrem Vorgesetzten, dass sie das Töten und Kämpfen und Agent-sein gelernt hat (mehr Rechtfertigung kriegen wir bei James Bond oder Crank! oder schlag-mich-tot auch nicht...)
Dass unserer atomaren Blonden Dinge scheinbar mühelos gelingen und sie in einer Position der Kompetenz und Stärke startet, passiert sie, weil sie eine Frau ist, sondern weil sie sich in einem Actionfilm bewegt. Präziser: In einem bestimmten Typus des Actionfilms, bei dem das nunmal so läuft. Auch für männliche Protagonisten. Der "ich blute wie ein Schwein und muss mich erst hochkämpfen"-Actionfilm ist ein eigener Typus. Dazu gehören die "Stirb langsam"-Filme und sicher auch viele der Jackie-Chan-Filme (kein Blut hier, aber Jackie startet eigentlich fast jede Kampfszene im Nachteil).
Bei Sportfilmen wie "Rocky" ist die Tatsache, dass wer trainiert und am Ende dann der Beste ist, der ganze Punkt an der Übung. Und wenn du dann weibliche Protagonisten und männliche in Sportfilmen vergleichst, dann wirst du feststellen, dass du da so gut wie keine "kann alles, weiß alles"-Frauen finden wirst. Nimm einfach nur mal "Million Dollar Baby" als Beispiel. (Und dann fällt mir sogar auf, dass es auch viele Sportfilme mit Frauen gibt, wo die Frau am Ende am Sport komplett kaputt geht: "Black Swan" und "I, Tonya" lassen sich beispielsweise so verstehen).
Also, ja, du hast Recht, Filme müssen nicht realistisch sein und nach ihrer eigenen, inneren Logik funktionieren. Und in einigen Filmen fangen die Protagonisten eben krass an. Eben weil das nicht unseren Spielregeln entsprechen muss (for heaven's sake, die Bride liegt zu Beginn von "Kill Bill" im Koma, da fragst du ja auch nicht, warum die plötzlich auf wundersame Weise in acht Stunden wieder laufen kann, wo andere Monate und Jahre Physio brauchen. Die startet bereits krass.
Also, nicht den Fehler machen, und Biologismen, die sowieso strittig sind, an Filme herantragen.