Durch das Stichwort "App" habe ich mir eben mal das YT-Video angeschaut und auch einen Blick in das PDF geworfen. Einfache Regelwerke, idealerweise mit App-Support finde ich grundsätzlich interessant.
Ich habe größten Respekt für deine Arbeit und das Vermögen, den Wunschtraum vieler, ein eigenes System zu schreiben, soweit umzusetzen, dass es etwas gibt, das man lesen und kritisieren kann. Das schaffen nur wenige!
Es folgt ein Statement, was mir persönlich gefällt. Vielleicht hilft es dir als Anhaltspunkt. Ansonsten ignoriere es einfach
Ich mag es, wenn Rollenspielbücher (damit meine ich sowohl Regel- und Weltbeschreibungen) minimal sind. Damit meine ich nicht nur den Umfang (Seitenzahl), sondern auch Aufbau und Sprache. Mache sie aktiv. Mache sie präzise. Mache sie leicht verständlich. Wo du drei Absätze zum Charakterbogen schreibst (du lässt mich nicht aus deinem PDF zitieren, daher muss da jeder selbst zum Vergleich nachgucken), fände ich so einen Stil besser:
Dein Charakter hat Attribute, Fertigkeiten und einige variable Werte, die du zusammen mit einer Beschreibung und der Ausrüstung auf dem Charakterbogen notierst.Mehr braucht es nicht. Du wirst ja nicht pro Wort bezahlt und ich auch nicht pro Wort beim Lesen. Auch Sätze wie "Kommen wir zuerst zu den Attribute" sind Füller und können IMHO ersatzlos gestrichen werden. Wenn eine Tabelle oder Aufzählung reicht, ziehe diese dem Fließtext vor. Strukturiere den Text mit möglichst klaren Überschriften. Rollenspielbücher sind IMHO keine Romane, die man von vorne bis hinten liest, sondern Nachschlagewerke, die man quer liest. Statt "Hier eine Auflistung von Schwierigkeitsgraden" reicht auch "Schwierigkeitsgrade" als Zwischenüberschrift.
Überlege dir, wen du ansprichst. Ich behaupte, 95% aller Nischensysteme werden niemals zufällig von einem Anfänger-SL entdeckt. Mein Vorschlag wäre daher, dich an Leser zu richten, die bereits wissen, was Rollenspiel ist. Dann kannst du die ersten beiden Seiten weglassen und musst auch nicht erklären, dass man W20 mit W20 abkürzt.
Da es verschiedene Vorstellungen davon gibt, was eigentlich genau Rollenspiel ist, könntest du stattdessen beschreiben, was es deiner Meinung nach ist. Das ist schwer. Der Versuch lohnt aber.
Zum Beispiel:
Rollenspiel ist das kollaborative Erzählen einer Geschichte in einem zuvor vereinbarten Setting. Spieler setzen reihum jeweils einen szenischen Rahmen, der Protagonisten (im folgenden Charaktere genannt) zum Handeln auffordert. Der aktive Spieler hat die Rolle der Spielleitung, die moderiert und im Zweifel entscheidet. Die übrigen Spieler steuern die Charaktere. Situationen, deren Ausgang nicht offensichtlich ist, werden durch den im folgenden beschriebenen Würfelmechanismus entschieden.Ich erkenne bei den Keys-Regeln, dass Proben mit "1W20+Modifikator >= Schwierigkeiten" entschieden werden und "(Ergebnis - Schwierigkeit) / 3" die Anzahl der Steigerungen beschreibt, die einem Erfolg noch etwas Positives hinzufügen können. Als Vor- oder Nachteil kann man bis zu zwei weitere W20 würfeln und den höchsten bzw. niedrigsten werten. Inklusive der vorgeschlagenen Schwierigkeitsstufen ist das damit fast wie bei D&D 5E, nur dass du auch 3W20 erlaubst, um quasi einen Super-Vorteil oder Super-Nachteil zu haben und die "und außerdem"-Regel andeutest.
Aus den Beispielcharakteren schließe ich, dass der Modifikator sehr ähnlich zur 5E ist. Deine Attributwerte variieren nicht so stark, dafür hast du etwas höhere Fertigkeitswerte. In Summe liegst du beim Kämpfen aber auch etwa bei 6. Trefferpunkte sehen auch ähnlich aus, Waffenschäden sind etwas niedriger als bei der 5E.
Daher muss ich fragen: Was macht dein System regeltechnisch besonders?
Worauf ich persönlich bei neuen Systemen schaue, ist ob es einen innovativen Würfelmechanismus gibt, der mehr als einfach nur "ja/nein" kann. Danach bin ich neugierig, wie's das System mit der Gefährlichkeit von Kämpfen hält. Sollen Kämpfe einfach nur Spaß machen oder bedeutet ein Kampf, dass es eigentlich schief gelaufen ist? Und welchen Stellenwert hat der Kampf im Regelteil? Wenn man ihn z.B. eigentlich meiden sollte, braucht man IMHO keine ausufernden Regeln. Doch was ist dann der Schwerpunkt des Systems? Sprich, der dritte Punkt, auf den ich schaue, ist, was die Regeln als zentrales Element des Spiels hervorheben.
Was bei dir nicht zutrifft wäre dann, sich (Würfel)Tabellen bei der Charaktererschaffung, Ausrüstung oder im Spielleiterteil (falls es so etwas gibt) anzuschauen, denn solche Tabellen können sehr viel über das Setting verraten – oder sollten es zumindest.
Kann man etwa bei der Ausrüstung einen "kleinen aber gemeinen Hund" bekommen, erkennt man zum einen eine
Homage an WHFRP, zum anderen aber auch, dass hier wohl eher Abenteurer um ihr bisschen Leben kämpfen als dass Helden gute Tagen vollbringen.
Bei deinem System spüre ich durch Mäusekrieger, Spösslinge und den Aufbau des Charakterbogens eher einen märchenhaften DSA-Vibe.
Ich finde übrigens gut, wie du in dem Abenteuer versuchst, dem SL Tipps zum Leiten zu geben. Diese als generelle Richtlinien extrahiert wären IMHO der wichtigste Teil an einem Rollenspielsystem. Denn selbst wenn man die Regeln verstanden hat, fehlt da immer noch das "wie" und das sollte man nicht weit hinten in einem Spielleiterteil verstecken, sondern am besten in der Einleitung präsentieren. Und bitte bringe keinem neuen SL bei, dass es einen Plot gibt, den er erzwingen soll. "Die Räuber fliehen … die SCs werden ihnen folgen.". Wieso werden sie das? Und könnte es nicht sein, dass die Räuber gar nicht aus dem Dorf raus kommen? Ansonsten finde ich das Abenteuer aber ganz knuffig