Autor Thema: Was ändert sich, wenn man vom Tisch an den Bildschirm wechselt?  (Gelesen 5538 mal)

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Offline Blechpirat

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Ich habe jetzt einen ganzen Haufen Corona-bedingte Online-Runden gespielt, und bin sehr, sehr glücklich, dass ich so mit Leuten spielen kann, die ich sonst nur ein paar Mal im Jahr spielen kann.

Aber es gibt schon so ein paar Unterschiede, die ich erkenne - und mich interessiert, ob ihr das auch beobachtet.

1. Rollenspiel der Spieler untereinander:
Das war bei uns sehr unausgeprägt, bis wir das auf der Metaebene diskutiert haben, und extra betont haben, dass wir das wieder wollen. M.E. hängt das damit zusammen, dass im Online-Rollenspiel der SL noch stärker die "Sprecherlaubnis" erteilen muss, was dazu führt, dass man den SL doch eher mit NSC/Plot-Themen anspricht, statt Redezeit für Interaktion mit PCs zu wollen.

2. Müde/Unaufmerksame Spieler "einbinden"
Es fällt mir viel schwerer als sonst, müde oder unaufmerksame Spieler eingebunden zu halten. Mir ist nicht klar, was der Hintergrund ist - könnte mit der schwächeren Signalstärke der non-verbalen Kommunikation zu tun haben, oder mit dem anderen Sitzen: Viele holen sich das Spiel auf das Sofa und rutschen da in ihre "Fernseh-lage", statt am Küchentisch auf meinen harten Stühlen zu sitzen.

3. Timing
Es fällt mir als SL schwerer als sonst, dass Pacing "schnell" zu halten. Könnte wieder mit den abgeschwächten non-verbalen Signalen zu tun haben - kann ich nicht sagen. Aber die Spieler aus einer Szene rauszuholen, solange sie noch "heiß" ist, fällt mir schwerer. Die Szene plätschern mehr so aus, wenn ich nicht hart in den Redefluss reingrätsche, was ja sehr unhöflich ist. Dieses non-verbale "Komm mal zu Punkt!" klappt nicht so gut.

Habt ihr ähnliche oder ganz andere Erfahrungen?


Offline JS

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Ich machte eher gegenteilige Erfahrungen:

- Das Rollenspiel untereinander funktioniert bei uns sehr gut, allerdings mit den Spielern, die das auch am Tisch schon pflegen und sich gut kennen. Kein Unterschied zum Tisch also.

- Müde/unaufmerksame Spieler fallen online noch mehr auf als offline, finde ich. Aber auch sie sind eigentlich so, wie man es vom Tisch kennt. Dort fällt es dann leichter, sie mehr einzubinden, jedoch ist das mMn auch immer eher eine Mühsal und weniger ein Spielgewinn. Oftmals stimmen sie am Tisch ja auch nur den anderen zu, wenn sie sich ertappt fühlen; richtige Aktion kommt von ihnen selten. Grundsätzlich stelle ich aber fest, daß Online-Rollenspiel mehr auf aktive und aufmerksame Spieler angewiesen ist als das altbekannte Tischrollenspiel.

- Mit dem Timing kommen wir gut zurecht, allerdings kommt es auch gelegentlich mal zu ungewollten Pausen, weil die Spieler nicht sehen, ob der SL schon fertig ist, oder weil sie nicht merken, daß ihre Aktivität nun gewünscht ist. Das ist aber von Gruppe zu Gruppe unterschiedlich und kann gelernt und gesteuert werden.

Letztlich reduziert sich meine Erfahrung bisher auf:
Aktive, spielfreudige Spieler/innen sind online ein Gewinn; es ist mit ihnen wie am Tisch und rollenspielerisch dabei noch deutlich intensiver.
Schnarcher, Abgelenkte und Stille sind offline dagegen auffälliger; sie sind auch schwieriger einzubinden als am Tisch, wo allerdings das Einbinden auch schon nicht so der Brüller ist.
Wer gern sagt, was er denkt, sollte vorher etwas gedacht haben.

Pyromancer

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Ich zitiere mich mal aus dem Nachbarthread:
Meine Stammrunde spielt jetzt schon eine Weile per Videochat, und ich beobachte ein Phänomen: Die lauten, aktiven Vielredner reden noch mehr als vorher. Und die, die am Tisch schon eher leise sind und seltener etwas sagen, die sagen noch weniger.
Viele nichtverbale Mittel zur Aufmerksamkeitssteuerung oder zum Unterbrechen von Monologen funktionieren per Videochat nicht. Als Notlösung bleibt rücksichtsloses Reinreden und damit Unterbrechen der Kommunikation insgesamt, weil dann keiner mehr irgend etwas versteht. Das ist nicht schön.

Offline Woodman

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Was das Reden ansich angeht, dafür ist etwas Übung und Disziplin aller Beteiligten nötig, die gesamte Kommunikation hat einen kleinen Lag, den es am Tisch so nicht gibt, und man muss sich darauf trainieren den zu berücksichtigen.

Offline Ginster

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Bei mir ist es ganz klar:

+/- ein viel größerer Fokus auf die Battlemap als vorher, einfach weil roll20 dort so viele Möglichkeiten bietet.
++ viel mehr Bild/Handoutunterstützung, auch hier, weil es leicht und schnell zu handhaben ist.
- Überschattung von Technikproblemen, kostet manchmal Zeit

Pyromancers Beschreibung entspricht auch meiner Erfahrung, in meiner Stammrunde ist das jedoch zum Glück weniger ein Problem.


Offline Seraph

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Coronabedingt haben wir atm auch komplett auf Roll20 umgestellt

+ Medien müssen nicht mehr herumgereicht werden. Mit einem Klick hat jeder ein Bild, eine Karte etc. vor Augen und kann das ggf. auch immer wieder abrufen, wenn er möchte
+ Kämpfe sind DEUTLICH organisierter, wenn man eine Map an-, ein Raster drüber- und für jeden Spieler einen Token anlegt
+ Musik ist einfach zu händeln und Spieler können selbst entscheiden, wie laut/leise sie es hören möchte oder ob sie es für sich selbst nicht doch ganz aus stellen
+ Die Attitüde von "Klassenclowns" wird imho deutlich zurück gefahren, da man weniger geneigt ist, sich ins Wort zu fallen und kurze Späße einzuschieben

- das Timing gewisser Dinge ist schwieriger, da es kommunkationsbedingt manchmal Verzögerungen von mehreren Sekunden gibt
- die Aufmerksamkeit fällt manchen (mir auch) schwieriger. Man ist alleine, man ist in seinem Wohlfühlsessel/auf dem Bett und trägt ne Jogginghose, niemand ist wirklich im selben Raum...das macht schneller müde
I had a dream, which was not all a dream.
The bright sun was extinguish'd, and the stars
Did wander darkling in the eternal space,
Rayless, and pathless, and the icy earth
Swung blind and blackening in the moonless air;
Morn came and went--and came, and brought no day,
And men forgot their passions in the dread

- Lord Byron: Darkness -

Offline jom

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ist für mich jetzt nach ein paar runden nur schwer einschätzbar, da die kommunikation zwischen mir und den spielern und auch zwischen diesen untereinander indirekter geworden ist und nicht alle sinne angesprochen werden. (z.b geruch, oder tast)

trotzdem gefällt es meinen spielern sehr gut auf diese weise zu spielen. warum das so ist, kann ich derzeit noch nicht sagen. vielleicht weil sie zuhause faul im bademantel (fragt nicht ::)) rumsitzen können und nicht mehr ne stunde durch die stadt zum spiel gondeln müssen, nach der arbeit.

auf alle fälle werden wir es noch ein wenig weiter ausbauen. schaun wir mal, vielleicht ist es ja die zukunft des rpgs.

Pyromancer

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Tatsächlich wurde es bei uns mit etwas Übung besser!

Online Sashael

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Ich spiele ja über Discord. Mit Roll20 hab ich mich genau einmal kurz beschäftigt, bemerkt dass ich mich reinarbeiten muss und es erst mal ad Acta gelegt.

Mir fällt es auch schwerer als am Tisch, die Geschwindigkeit zu steuern. Und dass die nonverbale Kommunikationssteuerung fehlt, ist manchmal hinderlich. Besonders, da online tatsächlich nur einer auf einmal reden kann, ohne das massivst Inhalt verloren geht. Da warten dann teilweise drei Leute, ob jemand was sagt, im dann alle gleichzeitig loszureden.

Aber ansonsten bin ich superglücklich, dass ich gerade eine wöchentliche Runde habe. Das hatte ich die letzten 12-13 Jahre nicht mehr.
"Ja natürlich ist das Realitätsflucht. Was soll daran schlecht sein? Haben Sie sich die Realität in letzter Zeit mal angesehen? Sie ist grauenhaft!"


Leitet Itras By mit Battlemap. ;D

Offline JS

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Wir kommen nun mit gezielter Kommunikationssteuerung durch den SL sehr gut weiter und haben auch keine Gesprächspausen mehr. Das geht flüssig wie am Tisch, nur gemischte Gespräche funktionieren selbstredend nicht gut. Aber die passen mir auch am Tisch schon nicht und lenken mehr ab, als daß sie spielfördernd sind.
« Letzte Änderung: 7.10.2020 | 17:44 von JS »
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Offline Selis

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Also das einzige was ich online deutlich mühsamer finde als am Tisch, das sind stille Spieler.
Wir haben einen in der Runde, bei dem man teilweise nicht sicher ist, ob er anwesend ist oder ob man von ihm gar nicht gehört wurde.

Spieler, die über Boxen hören irritieren mich, sobald es sich überschneidet oder man den Musikbot auf einmal zweimal hört.
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Offline Vampirwurst

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Ich bin seit ewigkeiten mal wieder in einer Runde, natürlich aktuell online.

Wir spielen über Discord, wobei der tabletop simulator gestreamt wird (habe es noch nicht, da Pleite).

Was ich gut finde ist, dass ich mir keine Sorgen wegen Zug und Bus machen muss und meinen Essplan so für mich ausrichten kann, wie ich es brauche und mir keine Sorgen machen muss, dass über meinen Kopf einfach alles umgeschmissen wird. Zudem kann ich zum bevorzugten Zeitpunkt essen. Wenn ich um 18:00h mir was reinzwinge, kann ich um 21:00h schon wieder essen und esse dadurch mehr, als ich unter normalen Umständen gegessen hätte.

Ebenso kann ich mir nebenbei Ambientemusik anschmießen und störe damit niemanden.

Wo ich aber im Moment ein Problem habe: Dadurch, dass ich keine Mimik habe, weiß ich nicht, ob ich was ergänzen oder sagen kann oder jemanden ins Wort falle, was ich natürlich nicht möchte. Das ist so ein kleiner Punkt. Zumal ich mir Notizen mache während des
spiels, am Tisch sieht man das- online nicht wirklich.
Zumal ich Trottel immer noch nicke oder auf den Bildschirm zeige. Macht der Gewohntheit.

Aber ich fühle mich wohl.
« Letzte Änderung: 7.10.2020 | 17:29 von Vampirwurst »
„Die Fähigkeit zu sprechen macht dich noch nicht intelligent.“
— Qui-Gon Jinn

Offline Arkam

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Hallo zusammen,

als Spielleitung habe ich bei mir die größten Veränderungen festgestellt. Wobei man wissen muß das ich jetzt seid über 30 Jahren endlich ein Mal eine feste Runde für meinen Lieblingshintergrund, Alpha Komplex im Paranoia RPG, gefunden habe. Entsprechend bin ich jetzt dabei den Hintergrund, der sich über die drei deutschen Editionen geändert hat und in der letzten nur angerissen wird, nach meinen Wünschen zusammen zu fassen. Von da aus mache ich mir derzeit viele Gedanken zum Hintergrund und der Mission der Charaktere meiner Spieler.

Ich habe meinen Spielern auf meinem Discord Server Kanäle eingerichtet und liefere ihnen dort immer wieder Informationen zum Hintergrund und Nachrichten die ihre Charaktere bekommen.
Ich arbeite mehr mit Bildern und vorbereiteten Texten die ich dann in Discord einfüge, per Link oder über markieren und kopieren.
Ich habe mehr Probleme damit Nick - Charakternamen und Stimme zuzuordnen. Ich habe mir dafür inzwischen einen Hilfstext heschrieben.
Ich nutze, in einer 2 Monitor Konfiguration neben Discord auch noch den Browser, die Textverarbeitung und den PDF Viewer. Ob ich so schneller oder langsamer bin als mit Notizen oder Büchern weiß ich nicht. Da werde ich wohl demnächst auch meine Hilfsseite nutzen.

Als Spieler
Ich habe, bei einer zwei Monitor Konfiguration gerne mehrere Dinge im Blick. Dazu gehören normalerweise Discord, datüber spielen wir, Role 20 das wir für Karten nutzen, Charakterdatenblatt in der Textverarbeitung geöffnet und den PDF Viewer für andere Texte, etwa Hintergrund oder Regelwerke.
Ich suche schon Mal im Browser nach Bildern oder Informationen wenn sie gerade eine Rolle spielen manchmal auch wenn ein Thema gerade Mal aufkommt.
Ich muß gestehen ich beschäftige mich auch mit anderen Dingen und höre nur mit einem halben Ohr hin wenn das Spielgeschehen gerade Nichts für meinen Charakter bietet. Gerade bei längeren Kämpfen, Pathfinder & Shadowrun, passiert das gerne.

Gruß Jochen
« Letzte Änderung: 26.04.2022 | 07:45 von Arkam »
Paranoia Discord Runde sucht neue Mitspieler:

https://discord.gg/RuDqVSFYtC

Offline Selis

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Ich muß gestehen ich beschäftige mich auch mit anderen Dingen und höre nur mit einem halben Ohr hin wenn das Spielgeschehen gerade Nichts für meinen Charakter bietet. Gerade bei längeren Kämpfen, Pathfinder & Shadowrun, passiert das gerne.

das habe ich am Tisch auch schon getan.
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Offline Saimud

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Ich bin erstaunt, dass einer unserer Hauptvorteile von VTT-Pen&Paper hier noch gar nicht erwähnt wurde: Mehr Spielzeit und besseres Zeitmanagement

+ Die Zeit, die Teilnehmer in bis zu 1-stündigen Anfahrten und Abfahrten zur Spielsession und später in die Heimkehr investierten, können nun als Spielzeit genutzt werden.
+ Die Sessions an sich sind konzentrierter im Rollenspiel (es wird weniger nebenbei gelabert, weniger Pinkel- und Essenspausen, und die Spieler sind dank der fehlenden Anfahrt überwiegend pünktlicher)
+ Die Sessions sind kürzer, dafür aber häufiger. In echten Treffen musste extra ein Tag, mindestens ein Wochenend-Nachmittag oder -Abend für das Spiel reserviert werden. VTT-Sessions sind kürzer und können so in die späte Abendstunden unter der Woche gesetzt werden, wo sie kaum den Alltag beeinträchtigen. Man sitzt jetzt halt nicht spätabends vor der Glotze oder zockt Games, sondern macht P&P.
+ Die "Speicherfunktion" des VTTs erlaubt es flexiber eine Session abzubrechen und später an der gleichen Stelle wieder einzusteigen. Ideal bei großen Kämpfen.

Die hier oft bemängelte fehlende (nonverbale) Kommunikation kann ich nur in geringem Maße nachvollziehen. Ich verstehe nicht, wieso heutzutage beim VTT-Pen&Paper auf Uralt-Lösungen wie die Trennung von Audio/Video vom Tabletop zurückgegriffen wird. Wir spielen schon seit Jahren ausschließlich mit Webcam (Bild und Ton) integriert im VTT. Das bieten moderne Systeme wie Roll20 oder Foundry von Haus aus. Jeder sieht sich gegenseitig, Gesten und Hand-Arm-Bewegungen sind genauso wie am Tisch möglich. Nur-Ton-Onlinespiel ist wie mit einer Augenbinde am Pen&Paper-Tisch zu sitzen. Kann man machen, aber warum sollte man?

Die einzigen beiden Nachteile die ich erkennen kann:
- Die Haptik fehlt (Würfel werfen, Minis schieben, etc.)
- Die Kommunikation ist stärker auf den Spielleiter fixiert als bei den Spielern untereinander. Könnte man aber auch als Vorteil auslegen  ;)

Offline Zanji123

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Ich bin erstaunt, dass einer unserer Hauptvorteile von VTT-Pen&Paper hier noch gar nicht erwähnt wurde: Mehr Spielzeit und besseres Zeitmanagement

+ Die Zeit, die Teilnehmer in bis zu 1-stündigen Anfahrten und Abfahrten zur Spielsession und später in die Heimkehr investierten, können nun als Spielzeit genutzt werden.
+ Die Sessions an sich sind konzentrierter im Rollenspiel (es wird weniger nebenbei gelabert, weniger Pinkel- und Essenspausen, und die Spieler sind dank der fehlenden Anfahrt überwiegend pünktlicher)
+ Die Sessions sind kürzer, dafür aber häufiger. In echten Treffen musste extra ein Tag, mindestens ein Wochenend-Nachmittag oder -Abend für das Spiel reserviert werden. VTT-Sessions sind kürzer und können so in die späte Abendstunden unter der Woche gesetzt werden, wo sie kaum den Alltag beeinträchtigen. Man sitzt jetzt halt nicht spätabends vor der Glotze oder zockt Games, sondern macht P&P.
+ Die "Speicherfunktion" des VTTs erlaubt es flexiber eine Session abzubrechen und später an der gleichen Stelle wieder einzusteigen. Ideal bei großen Kämpfen.

Die hier oft bemängelte fehlende (nonverbale) Kommunikation kann ich nur in geringem Maße nachvollziehen. Ich verstehe nicht, wieso heutzutage beim VTT-Pen&Paper auf Uralt-Lösungen wie die Trennung von Audio/Video vom Tabletop zurückgegriffen wird. Wir spielen schon seit Jahren ausschließlich mit Webcam (Bild und Ton) integriert im VTT. Das bieten moderne Systeme wie Roll20 oder Foundry von Haus aus. Jeder sieht sich gegenseitig, Gesten und Hand-Arm-Bewegungen sind genauso wie am Tisch möglich. Nur-Ton-Onlinespiel ist wie mit einer Augenbinde am Pen&Paper-Tisch zu sitzen. Kann man machen, aber warum sollte man?


- Die Sessions sind nicht umbedingt "konzentrierter" da man am PC hockt und da kann man schnell mal nebenbei "rumsurfen" den es fällt weniger auf. Passiert mir leider immer wieder. Etwas das mir am Tisch nie passiert
- ich weis nicht in welcher Gruppe du spielst aber ich fahre nicht 1 stunde zu nem RPG Abend O_o
- "ne "Speicherfunktion" hast du ebenfalls am Tisch... wo is da das Problem? Selbst im VTT breche ich keine Kämpfe mittendrin ab und sage "nächste woche geht's weiter" da dies ein absolut schlechter Cut ist
9 von 10 Stimmen in meinem Kopf sagen ich bin nicht verrückt.... die zehnte sitzt in der Ecke und summt die Pokécenter Melodie

Offline melkvie

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...
- ich weis nicht in welcher Gruppe du spielst aber ich fahre nicht 1 stunde zu nem RPG Abend O_o
...

Ich und viele Bekannte machen das oder haben das regelmäßig gemacht. Halte ich nicht für ungewöhnlich.

Offline chad vader

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- "ne "Speicherfunktion" hast du ebenfalls am Tisch... wo is da das Problem?
Aufräumen und aufbauen in No Time? Das will ich sehen ;-)

Ich meine klar, der ein oder andere hat vielleicht einen Hobbyraum, wo man den Kram stehen lassen kann. Aber wenn die Familie den Küchentisch wieder braucht, müssen Stifte, Würfel, Pläne, Karten, Bücher und Minis ordentlich weggeräumt und nächstes mal wieder aufgebaut werden. Je nach Staumöglichkeit stehen die Regale dafür dann oft auch nicht im gleichen Raum, müssen evtl. sogar in Rucksack & Auto zwischenverladen und durch die Landschaft kutschiert werden.

Zitat
Selbst im VTT breche ich keine Kämpfe mittendrin ab und sage "nächste woche geht's weiter" da dies ein absolut schlechter Cut ist
Ich bin bei dir, dass das meistens kein optimaler Cut ist. Aber bevor die ersten Spieler vom Stuhl fallen, mach ich auch lieber nen Brake. Wir hatten aber auch schon sehr gute Erfahrungen mit Cliffhangern mitten im Kampfgetümmel.
« Letzte Änderung: 1.04.2022 | 08:33 von chad vader »

Offline unicum

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Positiv:
An und Abfahrt entfällt
Schön finde ich das Handouts so jeder sehen kann und sich anschauen.
Die taktischen Möglichkeiten finde ich - zum Teil - deutlich besser.

Neutral:
Ich tendire als SL dazu mehr Handouts zu machen, das ist mehr arbeit, ich nutze aber die Ruhe wenn ich Handouts rausgebe gerne um mich selbst wieder zu sortieren weil ich weis das alle Spieler ein paar Minuten mit lesen beschäftigt sind.

Ich würde bei Onlienspielen noch mehr zu "weniger ist mehr" bezüglich der Spielerzahl tendieren, beziehungsweise nur dann größere Spielerzahl zulassen wenn ich die Spieler wirklich als Diszipliniert kenne.

Negativ:
Meine Aufmerksamkeitsschwelle sinkt am Bildschirm. Ich finde es anstrengender dort auch zu leiten. Ich vermute das liegt daran das beim Lautsprecher oder Kopfhörer ich viel damit beschäftigt bin alles richtig zu verstehen, mit Kopfhörern bin ich eh nie ein Freund gewesen. Das geht auch soweit das ich, wenn ich wirklich die Hörer auf den Ohren haben muss, nach einigen Stunden (~2/3) anfange Kopfschmerzen zu bekommen bzw nach meiner ersten wirklich langen Spielsitzung mit 8+ Stunden einen Ausfall des Gleichgewichtssinnes hatte.

Es ist irgendwie etwas mehr arbeit es vorzubereiten. Lageplan zeichnen hab ich am Tisch auch, aber die Skalierung ist einfacher.


Edith sagt:
Zusammengefasst finde ich trozdem das Setting zuhause spielen zu können, mit Leuten welche auch schon mal wäherend des Spieles in China weilten, gut.
« Letzte Änderung: 31.03.2022 | 16:51 von unicum »

Offline chad vader

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Ich hab HIER vor knapp einem Jahr mal meine Bilanz des Wechsels von Tisch- zu Online-Rollenspiels beschrieben. Da hat sich seitdem für mich wenig geändert und die Aspekte, die ich da beschreibe, stehen hier prinzipiell alle auch schon.

Spielerisch war der Wechsel auf Online ein echter Gewinn. Am ehesten vermisse ich gelegentliche Con-Atmosphäre.

Gesundheitlich bin ich mir auch nicht so sicher, ob erweiterte Bildschirmzeit und noch weniger Bewegung so gut sind.
« Letzte Änderung: 1.04.2022 | 09:03 von chad vader »

Offline KhornedBeef

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- Die Sessions sind nicht umbedingt "konzentrierter" da man am PC hockt und da kann man schnell mal nebenbei "rumsurfen" den es fällt weniger auf. Passiert mir leider immer wieder. Etwas das mir am Tisch nie passiert
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- "ne "Speicherfunktion" hast du ebenfalls am Tisch... wo is da das Problem? Selbst im VTT breche ich keine Kämpfe mittendrin ab und sage "nächste woche geht's weiter" da dies ein absolut schlechter Cut ist
So eine lange Anfahrt hatten wir auch schon mal. Würde ich aber mittlerweile auch einfach nicht mehr machen, sondern online spielen, außer zu einem längeren Tag mit engen Freunden, aber die habe ich (noch) nicht erfolgreich missioniert.
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
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Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Offline Grubentroll

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Ich hab noch nie online gespielt, und hab auch keine große Lust drauf, muss ich zugeben.

Ich mag dieses ganze Drumrum eben auch, wie die Chipstüten, mit Bier und Schnaps anstoßen, der viel zu volle Tisch, alle schieben Figuren durch die Gegend, die Pizza ist fertig oder wird geliefert, etc.

Das gehört für mich schon auch alles dazu für nen schönen Rollenspielabend.

Offline Zanji123

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Aufräumen und aufbauen in No Time? Das will ich sehen ;-)

Ich meine klar, der ein oder andere hat vielleicht einen Hobbyraum, wo man den Kram stehen lassen kann. Aber wenn die Familie den Küchentisch wieder braucht, müssen Stifte, Würfel, Pläne, Karten, Bücher und Minis ordentlich weggeräumt und nächstes mal wieder aufgebaut werden. Je nach Staumöglichkeit stehen die Regale dafür dann oft auch nicht im gleichen Raum, müssen evtl. sogar in Rucksack & Auto zwischenverladen und durch die Landschaft kutschiert werden.
Ich bin bei dir, dass das meistens kein optimaler Cut ist. Aber bevor die ersten Spieler vom Stuhl fallen, mach ich auch lieber nen Brake. Wir hatten aber auch schon sehr gute Erfahrungen mit Cliffhangern mitten im Kampfgetümmel.


da wir nicht mit Minis spielen sondern mit flachen Tokens (auf welche dann Bilder geklebt sind) und auch keine aufwendige 3D Gelände (eben aus genau DIESEM Grund) ... werden dir nur zurück in den Karton geschoben, die Battle map kurz abgewicht und fertig. Bücher liegen eigentlich nie am Tisch sondern sind im Regal  (oder in der Tasche da wir die nur rausholen wenn wir die brauchen)
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Offline chad vader

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Ist ja cool, wenn das für dich kein Problem ist. Ich hatte dich so verstanden, dass du wissen wolltest, worin das Problem für uns besteht.

Für mich ist das, genau wie für Saimud, eine massive Zeitersparnis. Ab- und Aufräumen dauert erheblich länger als Abspeichern.

Ich verwende übrigens auch kein 3D-Gelände.
« Letzte Änderung: 1.04.2022 | 12:29 von chad vader »

Offline chad vader

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Ich hab noch nie online gespielt, und hab auch keine große Lust drauf, muss ich zugeben.

Ich mag dieses ganze Drumrum eben auch, wie die Chipstüten, mit Bier und Schnaps anstoßen, der viel zu volle Tisch, alle schieben Figuren durch die Gegend, die Pizza ist fertig oder wird geliefert, etc.

Das gehört für mich schon auch alles dazu für nen schönen Rollenspielabend.
Ging mir lange genau so.

Die Alternative hieß bei mir halt immer öfter "...oder gar nicht spielen." entweder weil nach Feierabend, Kinder ins Bett bringen, Anfahrt, Abfahrt, Aufbauen, Abräumen schlicht zu wenig Zeit zum Spielen bleiben würde oder weil die Gruppe durch Kinderbetreuung, Entfernung und fehlende Motorisierung/ÖPNV gar nicht ausreichend mobil ist.

Und dann fängt man an auszuprobieren, wie gut der Rollenspielabend mit bissel weniger Drumherum werden kann. Das Ergebnis für mich: Erstaunlich gut, v.a. dadurch, dass ich in der Gruppenzusammensetzung gar nicht mehr regional eingeschränkt bin. Ich kann mein komplettes Netzwerk nutzen und mit den coolsten Spielern spielen, die ich in den letzten 20 Jahren kennen lernte, völlig egal wo die gerade stecken.
« Letzte Änderung: 2.04.2022 | 07:57 von chad vader »