Autor Thema: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus  (Gelesen 7353 mal)

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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #100 am: 23.02.2021 | 11:29 »
Ungefähr zur gleichen Zeit streift der Philosoph Lokapriya an einigen Gärten vorbei auf ein Feld zu, auf dem ein weitläufiges einstöckiges Gebäude mit einem zentralen Kuppeldach steht. Lokapriya stößt vorsichtig einen Türflügel auf, betritt eine von der Nachmittagssonne durchflutete Halle und betrachtet die hier versammelten Urnen und Grabbeigaben. Die Stille des Ortes lässt den Minotauren frösteln. Es ist ihm unheimlich. Trotzdem macht er sich auf die Suche und liest die Namenszüge, die in die Urnen eingraviert sind. Schließlich findet er, was er gesucht hat: Die Urne von Synesia Empyreus. Lokapriya legt Goulizas Schatulle vor der Urne ab, muss dann aber mit Entsetzen feststellen, dass ihr Deckel klappert. Schließlich erfüllt eine leise Stimme den Raum, die dem Minotauren zuflüstert: „Öffne die Schatulle!“ Zitternd tut Lokapriya, was von ihm verlangt wird. Da entweicht der Urne eine kleine graue Wolke, die blitzschnell in die Schatulle schießt und dort wie ein Tornado in Miniaturformat um die Amphore herumwirbelt. Überrascht schaut der Philosoph in die Schatulle, aus der nun die Worte zu vernehmen sind: „Ich danke dir für die Rückgabe der Schatulle. Deine Ehrlichkeit soll belohnt werden. Wenn du die Amphore in das Kästchen ausgießt, werde ich dir einmal zu Diensten sein. Danach aber musst du die Schatulle zu meiner Urne zurückbringen.“ Zögernd steckt Lokapriya die Schatulle ein und murmelt dabei: „So sei es, Synesia. Ich danke dir!“
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #101 am: 23.02.2021 | 11:35 »
Etwas später erreicht der Anführer den Gutshof von Sulpicio Niger und stellt fest, dass er etwas zu spät ist. Vor dem Haus steht ein großer Käfigwagen, auf dessen Kutschbock ein Fuhrknecht sitzt. Kaum hat ihn der Anführer entdeckt, da geht auch schon die Tür des Hauses auf und drei weitere Männer führen die jungen Minotauren nach draußen, die hier im Haus als Holzsammler tätig waren. Man hat den Minotauren Halseisen und Fesseln angelegt. Die Fuhrknechte sperren die Holzsammler in den Käfig, setzen sich zu viert auf den Kutschbock und rumpeln davon.

Der Anführer nimmt die Verfolgung auf. Er verbirgt sich hinter Hausecken und hastet in günstigen Momenten dem Käfigwagen hinterher. Allmählich gelangt er zum zentralen Platz von Dégringolade, wo die Kriegersklaven verkauft werden und das Amphitheater nicht mehr weit ist. Normalerweise steht der Platz voller Händler und Stände, aber es geht langsam auf den Abend zu, weshalb nicht mehr allzu viel Betrieb ist. Aus der Entfernung sieht der Anführer, wie zwei der Fuhrleute vom Wagen absteigen und auf das Amphitheater zugehen. Sie klopfen an einer Tür im Hauptportal des finsteren Gebäudes, worauf sich eine Luke öffnet und ein Gespräch beginnt, von dem der Anführer aber nichts mitbekommt. Vorsichtig winkt er den drei Holzsammlern zu. Einer von ihnen springt auf und beißt sich aufgeregt in seine Hand. Einer der auf dem Kutschbock sitzenden Fuhrleute ist genervt: er nimmt seinen großen Knüppel und haut mit ihm einmal hinter sich gegen die Gitterstäbe des Käfigs. Die Gefangenen zucken zusammen und schweigen.

Nun versucht der Anführer mit den beiden verbliebenen Fuhrknechten ein Gespräch zu beginnen. Er erfährt, dass Sulpicio Niger die Minotaurendiener an die Gladiatorenkämpfe verkauft habe, weil sie ihm weggelaufen sind. Niger will acht Samenkörner pro Minotaur, was eigentlich kein Problem sei. Umso erstaunlicher sei es, dass an der Tür des Amphitheaters so lang verhandelt wird. Der Anführer meint, es sei sicherlich einfacher, die Minotauren an die Seide zu verkaufen. Dort suche man neue Diener. Einer der Fuhrknechte meint aber: „Sulpicio Niger will die Sklaven bestrafen. Wir sind ausdrücklich angewiesen, sie an das Amphitheater zu verkaufen.“ Eine Weile kann der Anführer das Gespräch noch fortsetzen und ein dritter Fuhrknecht geht zur Tür am Amphitheater um nachzusehen, warum die Verhandlungen so lange dauern. Der Anführer schaut sich die hölzernen Stäbe des Gitterwagens an, er betrachtet den letzten Fuhrmann, schaut sich um, aber es fällt ihm keine Möglichkeit ein, seine Schützlinge zu retten. Schließlich kommen die drei Fuhrknechte mit einem grobschlächtigen Mann vom Amphitheater zurück. Einer von ihnen sagt zu dem letzten Fahrer auf dem Kutschbock: „Er will sehen, ob sie kräftig genug sind. Dann will er acht Samenkörner für sie zahlen.“ Der Mann vom Amphitheater begutachtet die jungen Holzsammler und nickt schließlich. Samenkörner wechseln ihre Besitzer, dann führen die Fuhrknechte die Gefangenen ins Amphiteater. Als letzten verzweifelten Versuch fragt der Anführer den Mann vom Amphitheater: „Herr, brauchen sie nicht noch eine Arbeitskraft im Amphitheater?“ Der Grobian schaut ihn einen Moment an und sagt dann: „Komm mit!“

Der Anführer folgt ihm ins Amphitheater und gelangt in einen Keller, in dem die Gladiatorensklaven in Käfige gesperrt sind. Er sieht, wie die drei jungen Minotauren in einem Käfig angekettet werden, folgt seinem Führer an dem Käfig vorbei und gelangt in eine Wachstube, in der sich etwa sieben Bewaffnete aufhalten. Der grobschlächtige Mann dreht sich um und sagt zu den Wachen: „Den hier haben wir umsonst bekommen. Fasst ihn!“ Die sieben Wächter packen ihre Speere und rücken gegen den Anführer vor, der sich einen Moment tapfer wehrt, aber schon bald unterliegt. Auch er wird gefesselt und zu den drei Holzsammlern in den Käfig gesteckt. Auch er wird angekettet.

„Flussgesegneter!“, raunen ihm die jungen Gefährten zu. „Du bist gekommen um uns zu retten?“ „Wir werden sehen, ob das gelingt!“, antwortet der Anführer. „Was ist überhaupt geschehen?“ Die drei Holzsammler erzählen ihm ihre Erlebnisse seit sie in den frühen Morgenstunden von den Häschern Sulpicio Nigers ergriffen wurden. „Der Herr war zornig. Er hat gebrüllt, er wolle ein Exempel an uns statuieren. Dann hat er uns für die Gladiatorenkämpfe an das Amphitheater verkauft.“ „Habt ihr ihm denn nicht gesagt, dass ihr mich besucht?“ „Aber Flussgesegneter! Das ist doch verboten!“, lautet ihre Antwort. Der Anführer seufzt tief.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #102 am: 23.02.2021 | 11:39 »
Am frühen Abend stehen der Sänger und der zweite Advokat vor dem Theater des Saemauug Empyreus und warten auf ihre beiden Ensemblemitglieder. Schon bald erscheinen zwei weitere Minotauren und stellen sich zu ihnen. Zunächst sind die Minotauren etwas unschlüssig, dann aber öffnet sich die Tür des Theaters. Soeben endete eine Vorstellung und eine Gruppe von Besuchern verlässt den Ort. Der zweite Advokat sagt: „Das ist eine Gelegenheit! Singt!“ Und so erklingt Ashtavedes neues Lied am Theaterplatz. Viele Theaterbesucher bleiben stehen. Es gefällt nicht jedem, dass Minotauren ungefragt Gesänge von sich geben, die meisten hören aber zu. Dank der glockenklaren Stimme des Sängers ist der Text gut zu verstehen und vielen der Anwesenden wird deutlich, dass das Lied von einer Minotaurenversammlung handelt. Allmählich entsteht Unruhe und einige Menschen beginnen miteinander zu streiten. Dann aber bauen sich fünf jugendliche Heißsporne vor den Minotauren auf und rufen: „Lasst uns den gelungenen Abend mit einem Besuch in der Seide abrunden, einverstanden? Wir haben sogar Sänger, seht her! Hier, Rinder, habt ihr ein paar Samenkörner, jetzt kommt mit und singt für uns und unsere Damen in der Seide!“ Die Minotauren sind einverstanden und folgen den jungen Männern.

An der Tür werden sie vom ersten Advokaten Saibhang begrüßt. Die Männer erklären ihm großspurig, dass sie eigene Musiker mitgebracht hätten, die im Innenhof für musikalische Unterhaltung sorgen würden. Saibhang sagt: „Ein ungewöhnliches Ansinnen, meine Herren, aber wir werden eine Ausnahme machen. Tretet doch ein!“

Im Innenhof schaut Saibhang eine Weile lang den Vorbereitungen der singenden Minotauren zu. Dann kommt ein Bote herbeigelaufen und spricht ihn panikhaft an: „Saibhang! Schnell zu Halifa, es ist etwas Schlimmes geschehen!“
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #103 am: 23.02.2021 | 11:40 »
Sekunden später betritt der erste Advokat, Saibhang, das Zimmer Halifas. Ein Freier liegt auf ihrem Lager, dem Saibhang sofort ansieht, dass es nicht zum Besten mit ihm bestellt ist. Saibhang ruft: „Einen Arzt, schnell!“ Dann lässt er sich von Halifa ein Reinigungsöl geben und säubert den zuckenden Mann. Als er ihm sein Hemd ausziehen will, bemerkt er in der Brusttasche ein Lederbeutelchen. Saibhang nimmt es heraus, sieht hinein und findet ein paar Reste Ziegenkraut: ein starkes Aphrodisiakum. Dann sagt er zu Halifa: „Sieht fast so aus, als seien die Wonnen zu groß gewesen, die ihr mit ihm geteilt habt, meine Dame!“ Kurz darauf macht er bei seinen Beatmungsversuchen einen fatalen Fehler: Krachend drückt er dem Freier seinen Brustkorb ein. Der Mann schaut Saibhang ein letztes Mal mit großen Augen an, dann rührt er sich nicht mehr. „Wo bleibt der Arzt?“, ruft Saibhang erregt, springt auf, rennt nach draußen und läuft dort direkt den herbeieilenden Mediziner über den Haufen. Saibhang selbst geht ebenfalls zu Boden und verletzt sich erneut am Knöchel, der vom Wakwak-Angriff im Dschungel sowieso noch schmerzte. Saibhang verliert das Bewusstsein.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #104 am: 23.02.2021 | 11:43 »
Während dieser Vorkommnisse beginnen die fünf jugendlichen Heißsporne im Innenhof sich mit den anwesenden Damen zu unterhalten. Das Gesangsquartett der Minotauren stellt sich auf und beginnt: Erneut erklingt Ashtavedes neuer Gesang. Auch hier erregen die Sänger Aufmerksamkeit. Nach einer Weile betritt der Musiker Anâzhar Shahin den Innenhof und hört den vier Minotauren aufmerksam zu. Offenbar gefällt ihm, was er zu hören bekommt. Er holt seine Krokodilzither und begleitet die Sänger dezent. Die Anwesenden Menschen reagieren ähnlich wie vor dem Theater des Saemauug Empyreus. Einige genießen die Musik, andere aber achten auf den Text und sind irritiert. Eine Stimme erklingt: „Da gab es doch einmal so einen Vorfall mit den Rindern im Fluss! Was ist das denn für ein Lied, das ihr da singt?“ Ein anderer Anwesender will wissen: „Was wollen die Rinder eigentlich im Fluss?“ Schon ist hin und wieder in warnendem Ton das Wörtchen „Aufstand“ zu hören. Ein Anwesender meint: „Das Lied behauptet jedenfalls, zwischen den Rindern im Fluss befänden sich auch Menschen!“ Ein anderer wiederum entgegnet, bei der letzten Versammlung dieser Art seien jedenfalls keine Menschen anwesend gewesen. Ein aufgebrachter Freier fragt mit schriller Stimme, ob sich wieder so eine Rinderherde versammeln will, um ihre widerlichen Fäkalien im Fluss zu entleeren. Die Meinungen der Anwesenden sind unterschiedlich. Einige wohlwollende Worte fallen aber auch deshalb, weil die Minotauren zusammen mit Anâzhar Shahin ausgesprochen wohlklingend musiziert haben. Irgendwann wird es trotzdem brenzlich und Streit entsteht. Der zweite Advokat schickt sich an eine Ansprache zu halten und beginnt lautstark über gerechte Lebensbedingungen für Minotauren zu sprechen. Anâzhar Shahin aber zieht ihm am Umhang und sagt: „Nicht jetzt! Singt noch einen Durchgang auf „Lalala“. Erneut erklingt die Krokodilzither und die berückenden Gesänge lassen sich diesmal auch ohne brisanten Text genießen. Der zweite Advokat lässt es sich hinterher allerdings nicht nehmen, den etwas ruhiger gewordenen Anwesenden deutlich zu machen, dass ihm an einem friedlichen und gleichberechtigten Miteinander von Mensch und Minotaur gelegen ist. Auch jetzt noch erregen seine Worte die Gemüter. Jemand ruft: „Geht es in dem Lied um eine bevorstehende Versammlung?“ Ein zweiter fragt: „Haben sich für diese Versammlung wirklich Menschen angekündigt?“ und schließlich will jemand wissen: „Wollt ihr hier die anderen Diener und Sklaven dazu überreden ihre Arbeit zu verlassen?“ Immerhin kommt es nicht zu offener Gewalt gegen die Sänger. Ein paar Kissen fliegen, zwei oder drei Ständer für die Irrlichtkescher werden umgeworfen, man gewährt den Minotauren aber einen friedlichen Abzug. Vor der Tür behauptet der zweite Advokat: „Das war doch ein großer Erfolg, nicht wahr?“ Der Sänger und die beiden anderen Minotauren nicken vorsichtig.
« Letzte Änderung: 23.02.2021 | 12:36 von Chiarina »
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #105 am: 23.02.2021 | 11:46 »
Am Ende dieser chaotischen Nacht schaut Haigaram Ooryphas in Halifas Zimmer vorbei und stattet dem ersten Advokaten, Saibhang, einen Besuch ab. Der Minotaur hat sein Bewusstsein wieder erlangt und es geht ihm etwas besser. Der Besitzer der Seide sagt: „Was für ein Haufen Mist! Wir werden sehen, ob der verstorbene Kunde Auswirkungen auf´s Geschäft haben wird. Bis es aber soweit ist: Trinke, Saibhang!“ Er reicht dem Minotauren mit etwas gönnerhafter Geste einen großen Humpen muhawu-Schnaps. Eine Weile trinken Mann und Minotaur schweigend und das berauschende Getränk steigt ihnen zu Kopf. Dann sagt Haigaram Ooryphas: „Bist du in Ordnung? Der Innenhof muss noch etwas aufgeräumt werden. Das meiste ist erledigt, aber die Irrlichtkescher müssen noch in die Ständer gestellt werden.“ Saibhang antwortet, er könne sich darum kümmern. Ooryphas sagt daraufhin: „Lass´ aber vielleicht mit deinem besoffenen Schädel die Irrlichter selbst besser in Ruhe.“

Im Innenhof angekommen betrachtet Saibhang das über ihm befindliche Flechtwerk, das den Ort als eine Art Dach abschirmt. Zwischen den bunten Bastfasern tummeln sich einige kleine, leuchtende Flugwesen. In der Nähe liegen Kescher, mit denen einige der Freier zu ihrem Zeitvertreib wohl Jagd auf die Irrlichter gemacht haben. Saibhang hebt einen der Kescher auf, blickt zu den leuchtenden Wesen, denkt an die Worte seines Arbeitgebers, überlegt sich, wie besoffen er eigentlich wirklich ist, spürt seinen schmerzenden Knöchel und beschließt endlich, dass eine Jagd auf Irrlichter in seinem Zustand keine gute Idee ist. Er stellt die Irrlichtkescher in die dafür vorgesehenen Ständer und geht zu Bett.
« Letzte Änderung: 23.02.2021 | 12:40 von Chiarina »
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #106 am: 23.02.2021 | 11:49 »
Die letzten Kunden verlassen die Seide. Auf einige von ihnen warten vor der Tür ihre Bediensteten in Gestalt einiger Minotauren. Die Nachtschwärmer begeben sich zur Anlegestelle der Fähre und warten auf die erste Überfahrt in der Morgendämmerung. Etwas abseits der ehrenwerten Herren halten sich die Minotauren auf, die sich gegenseitig die neuesten Gerüchte erzählen.

Der Sänftenträger von Lycus Tyranus: Habt ihr gehört wie sie gesungen haben?

Der Spaßmacher von Pyrgopolynices Apelles: Ja, sie waren vorher schon vor dem Theater des Saemauug Empyreus. Die trauen sich etwas!

Der Leibwächter von Urbicus Maniakes: Schade. Ich hätte es gern gehört. Der Herr wollte aber vorher unbedingt zum friedlichen Mungo. Das war nichts los. Was wurde denn gesungen?

Der Kammerdiener von Enomius Gregoras: Das Lied war unbekannt. Es ging um irgendein Opfer.

Der Spaßmacher von Pyrgopolynices Apelles: Es ging um Lalala!

Der Sänftenträger von Lycus Tyranus: Es ging um Minotauren und Menschen.

Der Kammerdiener von Enomius Gregoras: Es soll einen Minotauren gegeben haben, der die Menschen gereizt hat. Sie sind wohl regelrecht aggressiv geworden!

Der Sänftenträger von Lycus Tyranus: Das war der Gehilfe von Mujeeb Gashkari. Hinterher hat der noch irgendetwas von Gewaltverzicht erzählt, die Menschen haben ihm zugehört, er wurde nicht geschlagen oder festgenommen und die Menschen sind hinterher ganz friedlich nach Hause gegangen!

Der Spaßmacher von Pyrgopolynices Apelles: Wenn das mal stimmt! Ich hatte den Eindruck, die Sänger kamen nur knapp mit dem Leben davon!

Der Kammerdiener von Enomius Gregoras: Es wurde wohl auch von einer Versammlung berichtet, die kein feindseliger Akt gegen die Menschen darstellen soll. Die Sänger haben die Menschen darum gebeten, die Minotauren bei dieser Versammlung gewähren lassen sollten.

Der Spaßmacher von Pyrgopolynices Apelles: Volksansprachen im Bordell! Ob das so sinnvoll war? Die Herren hatten doch sicherlich eher die freizügigen Damen im Sinn!

Eine Weile schweigen die Minotauren. Dann:

Der Leibwächter von Urbicus Maniakes: Seltsam. Im friedlichen Mungo gab es auch Minotauren, die von einem Opfer getuschelt haben. Vielleicht gehörten sie auch zu den Sängern.

Der Spaßmacher von Pyrgopolynices Apelles: Mein Herr wollte hinterher von mir wissen, ob ich irgendwelche Informationen über ein Rinderopfer hätte. Das hat scheinbar auch irgendetwas mit den Sängern zu tun.

Der Leibwächter von Urbicus Maniakes: Ein Rinderopfer? Wann soll das denn stattfinden?

Der Sänftenträger von Lycus Tyranus: In zwei Tagen! Ich weiß es von einer weiteren Sängergruppe, die auf dem Platz vor dem Amphitheater aufgetreten ist. Das waren mutige Gestalten! Kurz vor ihrem Auftritt sind noch vier unserer Brüder in den Schlünden des Gebäudes verschwunden, die dort demnächst wohl als Futter für die wilden Tiere herhalten müssen. Und diese Sänger dort tun so, als würde das Recht auf ihrer Seite sie unverwundbar machen!

Der Leibwächter von Urbicus Maniakes: Vielleicht sollte der Gehilfe von Mujeeb Gashkari mal vor der versammelten Mannschaft im Amphitheater sprechen. Der Bruder scheint ja mit jedem Wort, das er sagt, den Frieden zu bringen!

Der Spaßmacher von Pyrgopolynices Apelles: Den ewigen Frieden, ja…
« Letzte Änderung: 23.02.2021 | 12:43 von Chiarina »
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #107 am: 12.03.2021 | 18:58 »
10

Fernab der Pfade,
wo im Dickicht niemand mehr weiß, ob er dem Bach flussabwärts oder flussaufwärts folgt,
wo die Berührungen der Farne zarte Liebkosungen vortäuschen,
wo unsichtbare Chöre aus allen Richtungen nicht enden wollende Schlaflieder singen
und wo die üppigen Gerüche unbekannter Blumen die Schwerkraft aufzuheben scheinen,
verwandeln sich alle Gewissheiten in Zweifel.
 
Wer den Dingen auf den Grund gehen will,
kann verschüttet werden.
 
Die Vorsicht lockt mit Oberflächen.
Das Wagnis schafft Neugier
auf den Geschmack der Erde.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #108 am: 12.03.2021 | 18:59 »
Ich spiele ein Video ab, in dem eine Frau auf einer Krokodilzither spielt.

Der Klang der gezupften Saiten vermischt sich mit den hellen Tönen kleiner Zimbeln.

Manchmal drehen sich die Töne im Kreis.
Manchmal ziehen sie in die Ferne.

Unsere Vision beginnt.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #109 am: 12.03.2021 | 19:01 »
Noch in derselben Nacht erleben der Anführer und die drei Holzsammler in ihren Käfigen unter dem Amphitheater, wie am Ort ihrer Gefangenschaft spät in der Nacht Ruhe einkehrt. Nach der Speisung der Gladiatoren verlässt das auf der anderen Seite der Halle arbeitende Küchenpersonal nach und nach den Raum. Zwei Wachen beziehen auf gegenüberliegenden Seiten der Käfige ihre Posten. Ein junges Mädchen, das bei der Essenszubereitung geholfen hat, trödelt noch ein wenig herum.

Der Anführer fragt seine Schutzbefohlenen, wie es ihnen geht. Ein Holzsammler klagt über den Eisenring an seinem Knöchel. Ein anderer hat Hunger. Die Gefangenen haben den ganzen Tag den Köchen zugesehen und nichts zu essen bekommen. Der Anführer macht die Wachen darauf aufmerksam: „He, bekommen wir nichts zu essen? Wir haben Hunger!“ Eine der Wachen schaut überrascht auf, überlegt einen Moment und zuckt dann mit den Schultern. Sie geht zu dem Mädchen, schaut nach, ob etwas übriggeblieben ist und kommt dann mit ein paar Feigen zurück, die sie dem Anführer und den drei Holzsammlern in den Käfig wirft. Die Minotauren essen.

Irgendwann zieht das Mädchen aus einer Kiste eine Flasche hervor. Sie hockt sich in eine Ecke, fängt an zu schluchzen und beginnt zu trinken. Der Anführer schaut ihr zu. Irgendwann ist das Mädchen betrunken. Sie erhebt sich unsicher, sucht mit den Händen nach Halt und schwankt in Richtung Ausgang. Dabei lallt sie: „Ayatashatru, du mieses Stück Scheiße!“ Die Wachen schauen sich an und schütteln mit ihren Köpfen. Der Anführer und die Holzsammler legen sich schlafen.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #110 am: 12.03.2021 | 19:04 »
Am nächsten Morgen ruft Porfirio Empyreus seinen Masseur zu sich. Der zweite Soldat eilt herbei. Sein Herr spricht: „Rind, ich habe einen Moment gezögert, die Schmerzen in meiner Brust lassen mir aber keine Wahl. Ich beauftrage dich mit einer Expedition zum Belugha See. Bring mir die Leopardenlibellen, von denen der Arzt gesprochen hat!“ Der zweite Soldat nickt ernst und fragt: „Herr, sicher wollt ihr, dass mein Unternehmen von Erfolg gekrönt sein wird. Erlaubt mir deshalb, dass ich einen Gefährten mitnehme!“ Porfirio fragt: „An wen hast du dabei gedacht?“ „Wisst ihr, Herr, ich bewundere eure Standhaftigkeit beim Verzicht auf den Konsum der Schnecken. Ich denke daher, dass ihr den Schneckengärtner noch eine Weile entbehren könnt!“ Porfirio Empyreus tritt der Schweiß auf die Stirn. Dann sagt er: „Heißt das, dass ich während eurer Abwesenheit gar keine Gesellschaften mehr geben kann? Das geht zu weit, Rind!“ Der zweite Soldat beschwichtigt: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Auswirkungen so gravierend sein werden, Herr! Aber lasst uns doch den Gärtner selbst fragen!“ Porfirio nickt.

Der zweite Soldat geht in den Garten. Er informiert seinen Gefährten, der sich bereit zeigt, ihn auf der Expedition in den Dschungel zu begleiten. Dann folgt er ihm ins Zimmer des Herrn. Porfirio fragt: „Gärtner, wenn du mit dem Masseur im Dschungel verschwindest – gibt es dann hier keine Schnecken mehr?“ Der erste Soldat sagt: „Oh doch, Herr. Ein oder zwei Wochen Abwesenheit wirken sich nicht allzu gravierend aus. Ich werde einen eurer Diener über die allernotwendigsten Maßnahmen während meiner Abwesenheit informieren.“ Porfirio sagt: „Gut denn, dann könnt ihr euch zu zweit auf den Weg machen!“ Der zweite Soldat sagt: „Herr, ich nehme an, dass ich die nötige Ausrüstung mitnehmen darf!“ Porfirio nickt. Dann fragt der zweite Soldat: „Wisst ihr übrigens, Herr, wo der Belugha See liegt?“ Porfirio Empyreus schaut ihn irritiert an und sagt: „Nein. Das werdet ihr wohl selbst herausfinden müssen.“ Der zweite Soldat seufzt, verbeugt sich und verlässt mit dem ersten Soldaten zusammen den Raum.

Nach der Zusammenstellung der Ausrüstung sagt der erste Soldat: „Lass uns den Fischer nach dem Belugha See fragen. Er kennt sich mit Gewässern aus. Der zweite Soldat stimmt zu. Die beiden Minotauren machen sich auf den Weg zum Haus des Anführers, finden dort aber nur Mujeeb Gashkari. „Wo ist der Fischer, Orakelmann?“, will der zweite Soldat wissen. Mujeeb sagt: „Die drei jungen Holzsammler sind gefangen worden. Der Fischer hat sich auf den Weg gemacht um sie zu finden und zu befreien.“ Etwas unschlüssig schauen sich die Soldaten an. Dann sagt der zweite Soldat: „Gefangene befreien? Das hört sich gefährlich an. Ich wäre da sehr vorsichtig!“ Und der erste Soldat fügt hinzu: „Kannst du uns wenigstens mit einem hilfreichen Orakelspruch helfen? Wir suchen den Belugha See.“ „Belugha See?“, fragt Mujeeb. „Wo soll das sein?“ „Irgendwo im Dschungel“, antwortet der zweite Soldat. „Im Dschungel?“, ruft Mujeeb. „Habt ihr nicht gesagt, ihr wärt ein vorsichtiger Minotaur?“ Der zweite Soldat seufzt und sagt: „Du hast Recht, Orakelmann. Uns steht eine gefährliche Mission bevor.“ Mujeeb murmelt: „Belugha See… ich habe davon gehört. Er liegt irgendwie nordsüdlich, ach, ich weiß nicht mehr so genau, ich habe es vergessen.“ „Und ein Orakel? Kannst du ein Orkale für uns legen, Mujeeb?“, fragt der erste Soldat. „Also gut“, sagt Mujeeb. „Zwar ist mein Assistent von seinen nächtlichen Gesangsauftritten noch nicht zurück, aber vielleicht bekomme ich das auch allein hin. Setzt euch!“

Mujeeb und der zweite Soldat nehmen sich Essstäbchen, angeln mit ihnen eine Biene aus Mujeebs verschließbarem Becher, ertränken sie in Zuckerwasser und zerkauen sie dann. Schließlich reicht Mujeeb dem zweiten Soldaten den Schlund des Schicksals und der zweite Soldat zieht ein paar Holzplättchen aus der qualmenden Holzschale. Mujeeb beugt sich über die Plättchen und betrachtet sie aufmerksam. Dann sagt er: „Es hat etwas mit dem Wind zu tun. Ihr müsst dem Wind folgen. Wenn ihr dem Wind folgt, bringt er euch zum Belugha See.“ Mujeeb steckt einen Finger in den Mund und hält ihn in die Luft. „Dort entlang“, sagt er und zeigt über den Fluss in Richtung Norden. Etwas zögerlich stehen die Soldaten auf und verabschieden sich. „Danke, Orakelmann“, sagt der zweite Soldat. „Ich hoffe, dass wir uns wiedersehen!“ Dann machen sich die beiden Minotauren auf den Weg.

Einige Stunden später stehen sie im Dschungel und stellen fest, dass sie tatsächlich dem Wind gefolgt sind, denn ein Sturm kommt auf und zerzaust ihr Fell. Die Böen bringen erzeugen Probleme: Von morschen Bäumen brechen zentnerschwere Äste ab, ganze Bäume fallen um. Die Soldaten können kaum erkennen, welche Bäume morsch sind und sind völlig damit beschäftigt den Gefahren auszuweichen. Irgendwann erreichen sie zwar einen Bereich, in dem der Sturm weniger stark wütet, aber sie haben jegliche Orientierung verloren. Ohne zu wissen, wohin sie sich wenden sollen, irren sie weiter im Urwald herum.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #111 am: 12.03.2021 | 19:05 »
Am Vormittag verlässt Saibhang, der erste Advokat, die Seide. Er macht sich auf den Weg zum Anführer und will ihm die unangenehme Botschaft überbringen, dass der Besitzer der Seide, Haigaram Ooryphas, einen anderen Fischer mit der Lieferung von Nachtfischen für die Becken im Innenhof beauftragen lassen will. Als er die Fischerhütte kurz nach den beiden Soldaten erreicht, trifft er auch nur Mujeeb Gashkari an. Er bekommt ebenfalls die Information, dass sich der Anführer auf der Suche nach ein paar gefangen genommenen Minotauren befindet und im Moment nicht zu sprechen ist. Mit leichtem Bedauern verabschiedet sich Saibhang von ihm und macht sich auf den Weg zum nächsten Fischmarkt.

Eine Weile beobachtet Saibhang die ihre Waren anpreisenden Fischer, dann entdeckt er den Fischer Gulal, den Konkurrenten des Anführers, der ein Stück weiter flussabwärts sein Fanggebiet hat und vor einigen Tage noch Flussdelfine an den Koch Chaman-Gul lieferte. Saibhang nickt ihm zu und Gulal grüßt ihn zurück. Schließlich sagt Saibhang: „Höre, Gulal, die Seide braucht einen neuen Lieferanten für Nachtfische. Meinst du nicht, dass du das übernehmen kannst?“ Gulal ist über das Angebot erfreut und erklärt sich bereit, das Etablissement zu beliefern. „Es sind drei Becken zu füllen“, sagt Saibhang. „Das sollte kein Problem sein“, meint Gulal und reicht dem Minotauren die Hand. Saibhang ergreift sie, zögert ein wenig und fragt dann: „Sag mal, Gulal, wie kommt es eigentlich, dass du Flussdelfine liefern konntest? Die sind doch ziemlich selten!“ Gulal grinst und meint: „Du brauchst einen Blick dafür! Wenn ihre silbernen Leiber sich dicht unter der Wasseroberfläche entlang bewegen, erzeugt das einfallende Licht ein ganz spezielles Glitzern. Wenn du es kennst und aufmerksam bist, weißt du, wann die Flussdelfine da sind.“ „Mhm“, sagt Saibhang und fügt hinzu: „Dann also bis morgen! Ich erwarte dich mit einer kompletten Lieferung Nachtfische. „In Ordnung“, sagt Gulal.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #112 am: 12.03.2021 | 19:06 »
Der Anführer betrachtet inzwischen nachdenklich von seiner Zelle aus das Küchenmädchen bei seiner Arbeit. Die jungen Holzsammler haben ihm erzählt, dass es sich bei der Person, der das Küchenmädchen offenbar grollt, um einen Sohn von Porfirio Empyreus handelt. Der kleine Mabasser hat von seinem Bruder erzählt, als der Sänger mit ihm gespielt hat. Nach dieser Gedächtnisstütze fiel dem Anführer ein, dass es sich bei Ayatashatru um den ältesten Sohn des Hauses handelt. Nun sinnt er auf eine Möglichkeit, das Küchenmädchen auf irgendeine Art und Weise zur Hilfe bei einer flucht aus dem Kerker zu gewinnen. Die Umstände sind aber wenig aussichtsreich.

Dann aber fällt dem Anführer eine Bewegung auf dem Boden der Halle auf. Ein Insekt krabbelt an den Vorratstruhen entlang, durchquert die freie Fläche in der Mitte der Halle und läuft dann zwischen den Gittern vorbei durch einige der Zellen. Schließlich ist es auch in der Zelle des Anführers angekommen und dieser erkennt, dass es sich um einen Blatthornkäfer handelt. Der Anführer denkt nach: Als er mit Mujeeb Gashkari, seinem Assistenten und den beiden Soldaten in der Bibliothek unter der Schule von Khostalush nach einer Erklärung für die Verse aus dem Gartenhaus Porfirio Empyreus´ suchte, berichtete der zweite Soldat von einem Blatthornkäfer, der mit ihm gesprochen habe. Der Anführer betrachtet das Tier genauer und spricht leise: „Na Kleiner, suchst du etwas?“ Erstaunt vernimmt er die Antwort des Tieres, die ein wenig nach dem Rascheln von Papyrus klingt: „Etwas Respekt, wenn er zu bekommen ist!“ Der Anführer nimmt den Käfer, setzt ihn auf seine Schulter und beginnt im Flüsterton ein Gespräch mit ihm. Er erfährt, dass der Blatthornkäfer Ramesh heißt und auf der Suche nach Heldentaten ist. „Hier allerdings“, sagt der Käfer und wirft einen Blick in die umliegenden Käfige und die dort gefangenen bemitleidenswerten Gestalten, „…ist wohl kaum mit etwas derartigem zu rechnen.“ Der Anführer spricht: „Du könntest uns helfen und so selbst für Heldentaten sorgen!“ Der Käfer ist interessiert und will wissen, was er tun muss. Der Anführer spricht: „Krabbele zu der Küchenmagd und erzähle ihr, dass ich Ayatashatru kenne! Sie muss neugierig werden. Wenn sie mehr wissen will, muss sie mit mir sprechen.“ „Mal sehen, was ich tun kann“, raschelt der Blatthornkäfer und verlässt den Käfig des Anführers in Richtung der Feuerstellen.

Noch etwas später schlendert die Küchenmagd an den Käfigen entlang. Sie bleibt kurz in der Nähe des Anführers stehen und sagt: „Mein Interesse an Ayatashatru beschränkt sich inzwischen auf Rache!“ Der Anführer verspricht ihr, dabei behilflich zu sein, wenn sie ihm nur zur Flucht verhelfe. Das Küchenmädchen entfernt sich und scheint in einem Kessel rührend nachzudenken. Dann kommt sie zurück, wirft dem Anführer und den drei jungen Holzsammlern ein paar wohlschmeckende Wurzeln und zwei Nägel in den Käfig. Schließlich flüstert sie: „Wenn die Gladiatoren ihr Essen bekommen ist hier nicht viel los. Ich kann euren Käfig öffnen und eine der Wachen ablenken. Um die andere und eure Flucht müsst ihr euch selbst kümmern. Ich bin Tasleem. Vergiss dein Versprechen nicht!“ Der Anführer fragt: „Wie kommen wir von hier aus ins Freie?“ Tasleem antwortet: „Nehmt den Ausgang und haltet euch bei der ersten Kreuzung links. Dann gelangt ihr zum Haupteingang.“ Der Anführer nickt.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #113 am: 12.03.2021 | 19:07 »
Die Soldaten bahnen sich einen Weg durch den Dschungel. Was zunächst wie eine große Lichtung aussah entpuppt sich aus nächster Nähe als Sumpfgebiet. Am Rande der morastigen Wasserflächen stehen in den Boden gerammte Pfähle, auf die Schrumpfköpfe aufgespießt wurden. Die Soldaten schüttelt es. Ein paar hundert Schritte weiter ist plötzlich ein seltsames Summgeräusch zu hören. Der zweite Soldat schaut sich um und zeigt plötzlich schräg nach oben. „Schau!“, ruft er seinem Begleiter zu, „irgendetwas fliegt dort zwischen den Bäumen!“ Beide Soldaten versuchen angestrengt etwas zu erkennen. Endlich erkennen sie zwei gewaltige Insektenleiber. Die Bestien sind drei Schritte lang und mehr als zwei Schritte hoch, besitzen rotbraune Panzer, häutchenartige Flügel und schrecklich aussehende, kräftige, nach hinten gerichtete Zangen. „Urwigcas!“, flüstert der erste Soldat und zieht seinen Gefährten in ein nahes Gebüsch.

Während die furchteinflößenden Insekten zwischen den Urwaldbäumen umherfliegen, knackt und kracht es zwischen den Bäumen und ein Trupp Bewaffneter wird sichtbar. Einige der Krieger sind Menschen, andere Minotauren. Sie halten nach den Urwigcas Ausschau, die inzwischen immer engere Kreise um das Gebüsch fliegen, in dem sich die beiden Soldaten versteckt haben. „Sie haben uns entdeckt!“, zischt der zweite Soldat dem ersten zu und tritt mit erhobenen Händen einem Menschen entgegen, der einen Speer wurfbereit in seine Richtung hält. Schließlich spricht er: „Seid gegrüßt! Wir sind zwei Minotauren, die sich verlaufen haben! Kennt ihr den Weg zum Belugha See?“

Der fremde Krieger aber bedroht den zweiten Soldaten weiterhin mit seinem Speer. Die beiden Rieseninsekten schwirren in seiner Nähe zwischen den Lianen des Dschungels hin und her. Etwas unsicher dreht sich der Bewaffnete zu seinen Kameraden um. Schließlich nähert sich ein weiterer Bewaffneter, der die beiden Soldaten anspricht: „Ich sehe, dass ihr euch dem 5. Trupp von General Edison Angelus anschließen wollt! Ich kann euch zu dieser Entscheidung nur beglückwünschen. Sie ermöglicht es euch, euer Leben fortzusetzen. Betrachtet euch von nun an als Gefolge des ruhmreichsten Protagonisten, den der Immerkrieg derzeit aufzuweisen hat.“

Die beiden Soldaten sehen sich an, holen tief Luft, seufzen zweimal und schweigen resigniert. Schließlich fragt der erste Soldat: „Auf was für einer Mission befindet sich unser Trupp, Herr?“ Der Hauptmann sagt: „Wir verfolgen einen Deserteur um ihn seiner gerechten Strafe zu überführen. Für heute reicht es allerdings. Ich habe eine Ahnung, wohin sich der Fahnenflüchtling gewendet haben könnte. Schlagt ein Lager auf! Wir kriegen ihn morgen!“ Die beiden Soldaten bekommen Spaten in ihre Hände gedrückt und machen sich ergeben daran, kleine Gräben auszuheben, in denen das Wasser des Nachmittagsmonsuns ablaufen kann.
« Letzte Änderung: 6.04.2021 | 16:26 von Chiarina »
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #114 am: 12.03.2021 | 19:09 »
Lokapriya, der Philosoph, befindet sich auf dem Weg zur nördlichen Stadtgrenze. Eine Weile lang hat er über das Angebot von Saaroni Empyreus nachgedacht, in ihrem Haus eine Stelle als Erzieher ihrer Kinder anzunehmen, aber die Stimmen des Dschungels sind in seinen Augen dringlicher. Nach der zweifelhaften Begegnung mit der stillen Stimme will Lokapriya in Erfahrung bringen, was die anderen Stimmen über die Situation der Minotauren denken. Daher befindet er sich auf den Weg in den Dschungel.

Im Stadtteil Yannat macht Lokapriya eine beunruhigende Entdeckung. Vor ihm auf der Straße sind ein paar Gestalten unterwegs. An ihrer Spitze läuft ein blasser, hochgeschossener, kahler Mann, dahinter ziehen sechs Minotauren einen großen Karren, auf dem Werkzeuge, Steine und Hölzer gestapelt sind, den Schluss machen zwei Bewaffnete, von denen der eine eine Peitsche trägt, mit der er den wagenziehenden Minotauren hin und wieder Beine macht. An einer Straßenecke hält die Gruppe und der kahlköpfige Mann beginnt zu rufen: „Bürger von Yannat! Habt ihr untätige oder faule Minotauren übrig? Dann schenkt oder verleiht sie unserer Bewegung Stutzen und Sanieren! Wir führen die nutzlosen Rinder einer sinnvollen Tätigkeit zu, lassen sie Häuser restaurieren, Rodungsarbeiten durchführen und ähnliche Tätigkeiten ausführen. Vertrauen Sie uns ihre Diener an, es ist für einen guten Zweck!“ Nach der Ansprache schlägt der Bewaffnete mit Peitsche erneut einmal aufmunternd zu. Ein Minotaur stöhnt schmerzerfüllt. Lokapriya beginnt mit einem der Bewaffneten ein Gespräch und will wissen, was mit den Minotauren geschieht. Er bekommt zur Antwort, dass sie ihrer Vereinigung für eine Weile zur Verfügung gestellt wurden, weil sie von ihren Herren vorübergehend nicht gebraucht werden. Sie ziehen jetzt zum Stadtrand, wo sie gegen den voranrückenden Dschungel kämpfen und sich um zerfallene Gebäude kümmern werden. Lokapriya fragt, ob sie nicht arbeitswilliger seien, wenn sie nicht gepeitscht würden, aber die Antwort des Bewaffneten ist nicht allzu vielversprechend: „Wir brauchen uns um ihre Gesundheit nicht zu kümmern, weil sie sowieso nur ausgeliehen sind. Ein paar Hiebe mit der Peitsche steigern aber die Geschwindigkeit, mit der sie den Wagen ziehen.“

Während Lokapriya um Fassung ringt ruft der kahlköpfige Mann seinen Gefährten zu: „Nichts. Hier hat niemand Rinder übrig, aber Stutzen und Sanieren ist auch noch nicht allzu bekannt. Wir dürfen keine Wunder erwarten. Nur Geduld!“ Noch während der Mann spricht, kommt es Lokapriya so vor, als bilde sich ein Stein in seinem Pansen. Ein nicht zu unterdrückender Zorn steigt in ihm auf und in seinen Ohren dröhnt der Ruf des Dschungels so zwingend, wie nie zuvor. Laut brüllend rennt Lokapriya davon und reicht dadurch an vier der Minotauren, die den Karren ziehen, den Ruf des Dschungels weiter. Die Minotauren zerreißen voller Zorn und Panik ihre Fesseln, fangen ebenfalls an zu brüllen und stürzen in unterschiedlichsten Richtungen davon.

Am Stadttor ist Lokapriyas Drang in den Dschungel zu gelangen nicht geringer geworden, aber er spürt, dass er sein Verhalten etwas besser unter Kontrolle hat. Es gelingt ihm, die sich ihm in den Weg stellenden Torwachen nicht mit seinen Hörnern aufzuspießen, sondern ihnen stattdessen hakenschlagend auszuweichen. Ohne einen Tropfen Blut zu vergießen gelangt er in den Dschungel, rennt weiter und kommt erst ein paar Stunden später erschöpft zur Ruhe.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #115 am: 12.03.2021 | 19:10 »
Die beiden Soldaten haben kein großes Interesse daran, sich im Immerkrieg als Krieger des Generals Edison Angelus verheizen zu lassen. Sie hegen Fluchtgedanken und testen vorsichtig, wie gut die Mitglieder des fünften Trupps auf ihre Kameraden aufpassen. Noch während dem Bau des Nachtlagers kündigt der zweite Soldat an, sich nicht weit entfernt an einer vielversprechenden Stelle nach geeigneten Ästen umschauen zu wollen. Den ersten Soldaten nimmt er mit. Geschäftig rumoren die beiden Minotauren im Unterholz, als ihnen plötzlich aus nächster Nähe eine flüsternde Stimme zuraunt: „Ihr seid doch zwei Minotauren von Porfirio Empyreus, nicht wahr?“ Erstaunt sehen sich die Soldaten um und entdecken in einem Gebüsch in der Nähe den Philosophen Lokapriya. Schnell begreift Lokapriya, in welcher Situation sich die Soldaten befinden. Er schleicht mit ihnen gemeinsam langsam und vorsichtig durchs Unterholz. Zu dritt versuchen die Minotauren sich von den Dschungelkriegern zu entfernen.

Wenig später allerdings ertönt überraschend die strenge Stimme des Hauptmanns: „Wir haben sie! Fasst sie!“ Die Deserteure und Lokapriya zucken zusammen und schon tritt ein Großteil des fünften Trupps mit Speeren bewaffnet auf sie zu. Der Hauptmann fährt fort: „Aha, Sie haben einen Fluchthelfer! Auch dieses Rind hat die Regeln übertreten. Fesselt sie! Ich bin überzeugt davon, dass General Edison Angelus ein Exempel an ihnen statuieren wird. Ein grausamer Tod ist ihnen gewiss!“ Die Minotauren werden gefesselt und in einem der bereits aufgestellten Zelte verstaut.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #116 am: 12.03.2021 | 19:11 »
In der Halle unter dem Amphitheater erscheinen zwei Männer, ein aufrechter, stolzer Krieger und ein beleibter Mann in vornehmer Kleidung. Die beiden Männer begeben sich zu dem Käfig, in dem der Anführer und die drei jungen Holzsammler gefangen sind. Der Krieger baut sich vor den Gefangenen auf, schaut den Anführer aufmerksam an und macht dann ein paar überraschende, schnelle Bewegungen in seine Richtung. Schließlich sagt er: „Ich bin Durokshan und du mein nächster Gegner. Dein körperlicher Zustand ist schlecht, deine Reflexe sind lächerlich, ich werde dich in der Arena zermalmen. Nach einem letzten Blick auf die Volksmenge, die begeistert deinen Untergang bejubelt, wird dich mein Speer durchbohren, dein Blick wird brechen, dein Leib wird in den Sand fallen und deine bedeutungslose Existenz wird enden. Du bist es nicht wert, den Kampf unnötig lang heraus zu zögern. Ich werde kurzen Prozess machen. Wir sehen uns heute Abend, Rind!“ Der Anführer sagt: „Ich nehme an, ich werde unbewaffnet gegen euch antreten. Das Spektakel wird für die Zuschauer wenig attraktiv sein!“ Der Begleiter des Gladiators sagt daraufhin: „Die Natur hat dir Hörner verliehen. Sieh zu, was du damit ausrichten kannst!“ Durokshan aber sagt: „Genug! Jedes weitere Wort hier ist umsonst. Ich habe Hunger.“ Die beiden Männer verschwinden und lassen vier unglückliche Minotauren in ihren Käfigen zurück.

Wenig später leert sich die Halle. Das Küchenpersonal bringt die zubereiteten Speisen in die Räume der Gladiatoren. Neben den Gefangenen befinden sich nur noch die üblichen zwei Wachen hier… und das Küchenmädchen Tasleem. Es beginnt mit einer der Wache ein unverfängliches Gespräch, lässt hin und wieder ein helles Lachen erklingen und schaut ihrem Gesprächspartner ein paar Mal tief in die Augen. Dann macht es sich los. Tasleem behauptet, sie wolle eine Flasche Wein besorgen. Während sie sich entfernt, wird die Wache von ihrem Kollegen gewarnt: „Du solltest nicht trinken, wenn du Dienst hast, mein Freund!“ Dann aber beginnt sich der Kollege zu jucken. Irgendetwas zwickt ihn so, dass er immer wieder aufspringt und seltsame Bewegungen vollführt. Tasleem ist inzwischen beim Käfig des Anführers angelangt und lehnt sich kurz an die Gitterstäbe. Der Anführer hört ein leises Schließgeräusch. Auch er schaut die sich juckende Wache an und murmelt: „Dank dir, Ramesh!“

Dann überstürzen sich die Ereignisse. Tasleem setzt sich der einen Wache auf den Schoß und haucht ihr einen Kuss auf die Wange. Der Anführer winkt den jungen Holzsammlern und stößt die Käfigtür auf. Alle vier Minotauren stürzen nach draußen. Die zweite Wache ergreift ihren Speer und stellt sich im Ausgang der Halle den Ausbrechern entgegen. Der Anführer versucht die Wache zur Seite zu stoßen, aber einer der Holzsammler senkt seinen Kopf und reißt der Wache mit seinen Hörnern den gesamten Bauch von unten bis zum Hals auf. Blut fließt in Strömen, Eingeweide entleeren sich über dem Minotauren, Schreie ertönen, die zweite Wache macht sich von der Küchenmagd los und rennt hinter den fliehenden Minotauren her, der Anführer hat den Eindruck, in seinem Netzmagen habe sich ein großer Stein gebildet, dann hört er den Ruf des Dschungels.

Laut brüllend rennt er mit seinen Schutzbefohlenen den Gang entlang und nimmt die erste Abzweigung links. Die Minotauren hetzen ein paar Stufen aufwärts und sehen den Haupteingang, an dem sich allerdings auch ein Pförtner befindet. Dieser Mann betrachtet fassungslos die vier auf ihn zu rennenden Flüchtlinge. Einer der Ausbrecher ist von Kopf bis Fuß blutbesudelt und bietet einen furchterregenden Anblick. Alle vier scheinen wutentbrannt und in eine schreckliche Raserei verfallen zu sein. Der Mann am Tor verlässt seinen Posten und flieht.

Der Anführer und die jungen Holzsammler stürzen ins Freie. Schon bald aber ist ein Trompetenstoß aus dem Amphitheater zu hören. Jemand bläst einen Alarmruf. In Khostalush bewaffnen sich brave Männer, die den rasenden Minotauren Einhalt gebieten wollen. Auf ihrem Weg zum Stadttor müssen sich die vier Minotauren daher noch einige Male zur Wehr setzen und lassen eine Spur von Blut und Verwüstung hinter sich. Als sie einige Stunden später im Dschungel wieder zu sich kommen, fällt der der blutüberströmte junge Minotaur schließlich kraftlos zu Boden, rollt sich zusammen und stimmt weithin hörbare Klagelaute an. Es dauert lang, bis der Anführer und seine Kollegen ihn ein wenig beruhigt haben.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #117 am: 12.03.2021 | 19:12 »
Am frühen Abend steht Saibhang, der erste Advokat, neben Haigaram Ooryphas, dem Besitzer der Seide und betrachtet das Treiben der Hausdamen und der Freier im Innenhof des Etablissements. Der Musiker Anâzhar Shahin gibt soeben eine Kostprobe seines Könnens und die Anwesenden hören ihm gebannt zu. Haigaram Ooryphas sagt griesgrämig: „Kennst du diese Gäste, Saibhang? Es sind ein paar Leute hier, die ich noch nie gesehen habe. Und schau dir an, was sie tun: Sie hören zu! Es sieht fast so aus, als seien sie wegen der Musik und nicht wegen der Mädchen hier. Und dann Gulnar und Tamayourt! Sehen so Animierdamen aus? Der verträumte Blick ist ja ganz attraktiv, aber auch sie hören zu und sonst nichts! Was sollen wir tun? Soll ich dem Musiker Auftrittsverbot erteilen?“ Saibhang wiegelt ab. Er verspricht, die Damen zur Arbeit anzuhalten. Den Gästen, die nur der Musik zuhören, ließen sich vielleicht ein paar Getränke mehr verkaufen? Überhaupt ließe sich darüber nachdenken, ob der Musiker nicht vielleicht an besonderen Tagen auftrete, an denen man dann Eintritt nehme. Haigaram Ooryphas schaut den Minotauren erstaunt an und sagt: „Keine schlechten Ideen, Saibhang! Du kümmerst dich darum, in Ordnung?“ Saibhang nickt. Er spricht zunächst mit den Damen, die ihre Aufmerksamkeit daraufhin pflichtbewusst wieder den Gästen zuwenden. Wenig später sieht zufrieden zu, wie Gulnar mit einem Freier scherzt. Tamayourt allerdings steht mit etwas unglücklichem Gesichtsausdruck am Rand des Innenhofes und scheint nicht zu wissen, was sie machen soll. Saibhang geht zu ihr und spricht sie an: „Was ist los? Sind die Gäste an anderen Damen interessiert?“ Tamayourt antwortet: „Sie sind an gar keinen Damen interessiert. Sie hören einfach nur zu!“ Saibhang erwidert: „Hört zu, Verehrteste, wenn so etwas geschieht werdet ihr dafür sorgen, dass diese Musikliebhaber stets ein Getränk in der Hand haben, in Ordnung?“ Tamayourt sagt: „Von mir aus – aber bin ich dann nur noch Serviermädchen?“ „Nein, nein“, sagt Saibhang. „Das müssen wir noch genauer organisieren. Vielleicht erlebst du hier aber gerade den Anfang einer neuen Geschäftsidee.“ Tamayourt wirft ihm einen zweifelnden Blick zu und begibt sich in die Küche.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #118 am: 12.03.2021 | 19:12 »
Etwa zur gleichen Zeit ist der Anführer mit den vier jungen Holzsammlern durch den Dschungel unterwegs. Der zusammengebrochene Holzsammler hat nach langem Zureden ein wenig Lebenswillen zurückgewonnen und sucht jetzt mit seinen Gefährten nach Nahrung und einem guten Lagerplatz für die Nacht. Ein anderer der jungen Holzsammler ruft plötzlich: „Schaut!“, und deutet auf einen seltsam hellen Lichtstrahl, der vom Himmel herab nicht weit entfernt auf das Dach des Dschungels trifft. Die Wanderer sind sich einig, dass sie dem Licht nachgehen wollen.

Der Strahl lässt sich auf der Wanderung durch den Dschungel von den vier Minotauren gut erkennen und führt sie schließlich auf eine Lichtung. Hier steht eine Person in der Mitte, die von den gleißenden Sonnenstrahlen beschienen wird. Das Licht ist so hell, dass sich die dunkle Gestalt im Kontrast dazu nicht genauer erkennen lässt. Kaum sind die Minotauren auf der Lichtung erschienen, werden sie aber von der Person angesprochen: „Seid gegrüßt, meine Söhne! Folgt mir, und all euer Leiden hat ein Ende!“ Dann verlässt die Person die Lichtung und begibt sich in den Dschungel. Wohin auch immer sich die Person wendet, sie wird von dem gleißenden Lichtstrahl begleitet. Würdevoll schreitet sie durch den Urwald und die vier Minotauren folgen ihr. Obwohl kein weiteres Wort mehr gesprochen wird, scheinen sich allein in den Schritten der Person alle Weisheit des Dschungels zu konzentrieren. Gebannt folgen der Anführer und die drei jungen Holzsammler der Lichtgestalt.
« Letzte Änderung: 6.04.2021 | 16:27 von Chiarina »
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #119 am: 12.03.2021 | 19:14 »
Etwas später erreicht die Person mit dem Anführer und den drei Holzsammlern im Schlepptau das Lager des fünften Trupps von General Edison Angelus. Die Krieger starren die Person im Lichtstrahl ängstlich an. Sie haben schon fürchterliche Schlachten geschlagen, das hier ist aber neu für sie. Der Hauptmann ruft verhalten: „Männer und Rinder! Ergreift diese Person!“, aber es bedarf nur einer einzigen schnellen Armbewegung der Gestalt im Licht und ein paar der Menschen fliehen in den Urwald. Der Hauptmann ruft: „Zurück! Zurück zum Fluss, folgt mir!“ Darauf beginnen auch die Minotaurenkrieger davonzulaufen.

Noch etwas später betrachten der Anführer und die drei jungen Holzsammler das verlassene Lager. Sie laufen zwischen den Zelten hindurch, worauf einer der Holzsammler meint: „In diesem Zelt ist noch jemand! Ich höre etwas.“ Es wird nachgeschaut und so entdecken die Neuankömmlinge die Gefangenen, die beiden Soldaten und Lokapriya, den Philosophen. Schnell sind sie befreit, kriechen aus dem Zelt und sehen nun ihrerseits verwundert die Gestalt im Licht an.

Es kommt zu einem Gespräch. Lokaypriya fragt die Gestalt, wer sie sei. Die Gestalt bezeichnet sich als die „helle Stimme“ und verrät den Anwesenden im weiteren Gespräch, dass die einer von drei Geschwistern sei. Bei den beiden anderen handele es sich um die „stille Stimme“ und die „rote Stimme“. Ihnen allen sei das Schicksal der Minotauren in besonderer Weise an Herz gewachsen. „Leider“, so behauptet die helle Stimme, „bleibt alle Arbeit mir überlassen, da meine Brüder bei ihrer Wahl der Mittel schwerwiegenden Irrtümern aufsitzen.“ Nun fragt der zweite Soldat, was die helle Stimme denn zu unternehmen gedenke. Sie antwortet: „Von zentraler Bedeutung ist es, all die Ungerechtigkeiten, die die Menschen von Dégringolade begehen, eine nach der anderen auszumerzen. Ein besonderer Dorn im Auge ist mir das Amphitheater, in dem Massen von Gefangenen abgeschlachtet werden. Viele von ihnen sind Minotauren, denen keine Chance gegeben wird. Ihr täglich vergossenes Blut schreit zum Himmel! Auf der Ehrentribüne des Amphitheaters versammeln sich regelmäßig die schändlichsten Mitglieder der Stadt. Mein Plan ist es, wie ein reinigendes Feuer über diese Ehrentribüne hinwegzufegen und alle dort Versammelten mit Stumpf und Stiel auszulöschen. Ich werde derart verheerend wüten, dass niemand mehr einen Fuß in dieses Amphitheater setzt! Dann wird unter meiner Herrschaft ein goldenes Zeitalter für die Minotauren anbrechen. Machen wir aber einen Schritt nach dem anderen: Um möglichst viele der schändlichen Menschen zu erwischen, muss ich unbemerkt ins Amphitheater gelangen und bin dabei auf eure Mithilfe angewiesen. Ich fordere euch dazu auf, mich dabei zu unterstützen.“ Lokaypriya schüttelt es. Er sagt, dass er sich durch die Mithilfe an dem geschilderten Blutbad auf keinen Fall die Finger schmutzig machen wird. Auch die anderen Anwesenden zeigen sich wenig begeistert. Die helle Stimme wirkt in ihren Augen größenwahnsinnig. Der Anführer fragt die helle Stimme, wie denn ihr Vorhaben eigentlich mit der Stille in Einklang zu bringen sei. Die helle Stimme spricht: „Euer Verhaltenskodex der Stille ermöglicht euch eine leidvolle Sklavenexistenz, mehr aber auch nicht! Nun aber ist es Zeit beherzt zu handeln. Ihr habt lang genug in den Häusern eurer Herren auf deren Fußmatten geschlafen!“ Die Worte der hellen Stimme aber, bewirken wenig und die zögerliche, teilweise sogar ablehnende Haltung der Minotauren erschwert das weitere Gespräch. Es ist deutlich zu merken, dass die helle Stimme mit der Möglichkeit von Bedenken auf Seiten der Minotauren gar nicht gerechnet hat. Während die Minotauren versuchen noch ein paar Informationen von ihr in Erfahrung zu bringen, gerät die helle Stimme allmählich in Rage. Zuletzt lässt sie ihre Worte dröhnend über das ganze Lager hinweg erklingen: „Ihr seid nichts als Atlanten: erstarrte Figuren, die  im Dienst der Menschen deren Lasten tragen und ihnen ihre nichtsnutzige Existenz erst ermöglichen!“ Dann hebt die helle Stimme ihre Arme und beschwört im Lichtstrahl eine Feuerlanze herauf, mit der sie den zweiten Soldaten schwer verletzt. Sofort steht die gesamte Lichtung in Flammen. Die Minotauren ergreifen die Flucht. Der erste Soldat ruft: „Folgt mir, nicht weit entfernt befindet sich ein Sumpfgebiet, in dem wir vor dem brennenden Wald sicher sein dürfte. So schnell es mit dem verwundeten zweiten Soldaten möglich ist, eilen die Minotauren an den auf Pfählen steckenden Schrumpfköpfen vorbei in den ersten Morast und stehen schließlich bis zu den Hüften im Wasser.

Nach einiger Zeit wird deutlich, dass der Waldbrand nicht ganz so zerstörerisch wütet, wie befürchtet. Der erste Soldat bringt den zweiten Soldaten an ein trockenes Ufer und versorgt so gut es geht seine Verletzungen. In einiger Entfernung sehen ihm die drei jungen Holzsammler dabei zu. Lokapriya und der Anführer aber stehen noch immer im Wasser, weil sie eine Entdeckung gemacht haben. Zwischen ihnen schwimmen zwei würfelförmige hölzerne Schatullen von eineinhalb Handbreit Kantenlänge. Lokapriya fragt: „Woher kommen diese Kistchen?“ Der Anführer zuckt mit den Schultern. Zögerlich greifen beide Minotauren nach einer der Schatullen.

Der Anführer öffnet den Deckel seiner Schachtel und zieht ein fein gearbeitetes Gestell heraus. In zwei kleine, zusammenhängende Metallrahmen sind Gläser befestigt. Eine ausklappbare Befestigung sieht danach aus, als könnte das Gestell so am Kopf befestigt werden, dass sich mit den Augen durch die Gläser schauen lässt. Von der einen Seite sind die Gläser unauffällig, von der anderen Seite scheinen sie wie ein Spiegel mit einer reflektierenden Oberfläche ausgestattet zu sein. Der Anführer setzt sich das Gestell auf, schaut hindurch und weiß nichts damit anzufangen. Vorläufig steckt er es sich in eine Tasche.

Lokapriya, der Philosoph, öffnet den Deckel seiner Schachtel und zieht eine verzierte, grüne Steinkugel aus einem jadeähnlichen Material heraus. Sie besitzt Löcher, die einen Blick in eine in ihrem Inneren befindlichen weiteren Kugel freigibt. Lokapriya versucht, mit dem Finger die innere Kugel ein wenig hin und her zu schieben und erkennt schon bald eine dritte Kugel im Inneren der zweiten. Eine ganze Weile lang untersucht Lokapriya den Gegenstand und gelangt doch nicht an die innerste Kugel. Es lässt sich nicht feststellen, wie viele Kugeln hier ineinander stecken. „Was für ein Meister war das, der so eine Kugel anfertigen konnte?“, fragt sich Lokapriya halblaut. „Es kommt mir vor, als hätte ich ein Symbol für die Unendlichkeit in den Händen.“ Ein Ruf des ersten Soldaten reißt ihn aus seinen Gedanken: „Lasst uns überlegen, wie es jetzt weitergeht!“
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #120 am: 12.03.2021 | 19:18 »
An einem Stadttor von Dégringolade sprechen die Wachen über die aktuellen Geschehnisse.

Der Hellebardier mit dem düsteren Gesichtsausdruck: Eine ruhige Arbeit soll das sein? Zweimal verrückte Rinder an einem Tag!

Der Minotauren-Hellebardier mit den bernsteinfarbenen Augen: Ungewöhnlich, ja, aber das erste Mal hatte er es immerhin nicht auf einen Kampf abgesehen!

Der glatzköpfige Hellebardier: Ich habe noch nie erlebt, dass ein durchgedrehtes Rindvieh sich noch soweit unter Kontrolle hat, dass es uns so geschickt ausweicht.

Die Bogenschützin mit der verbrannten Wange: Warte, bis du bezahlt wirst! Dann hast du erst Recht Grund, dich zu beschweren!

Der hasserfüllte Hauptmann: Denkt immer daran, dass diese Bestien sind brutale Killer sind! Gerade heute noch hat einer von ihnen eine Wache im Amphiteater mit seinen Hörnern von unten bis oben aufgeschlitzt!

Der Hellebardier mit dem düsteren Gesichtsausdruck: Das muss das blutüberströmte Rind gewesen sein!

Der hasserfüllte Hauptmann: Die anderen waren auch nicht besser. Sie haben auf ihrem Weg in den Dschungel eine Spur der Verwüstung und etliche Verletzte hinter sich gelassen.

Der Minotauren-Hellebardier mit den bernsteinfarbenen Augen: Ja, sie haben sogar der Dame mit dem Zitronenduft den Arm gebrochen. Ich fürchte, das ist ein schwarzer Tag!

Der hasserfüllte Hauptmann: Schon wieder die Dame mit dem Zitronenduft! Mir scheint fast, du hast eine Geliebte!

Eine kurze Pause entsteht.

Der Hellebardier mit dem düsteren Gesichtsausdruck: Schaut mal in den Dschungel! Da stößt so ein merkwürdiger, heller Sonnenstrahl durch die Wolken.

Die Wachen schauen eine Weile zu.

Der glatzköpfige Hellebardier: Jetzt steigt Rauch auf… als ob der Lichtstrahl etwas in Brand gesteckt hätte!

Der hasserfüllte Hauptmann: Ihr sollt die Stadt beschützen und nicht nach irgendwelchen Spektakeln im Dschungel Ausschau halten! Dort draußen wütet der Immerkrieg! Da wird ständig Irgendetwas oder Irgendjemand angezündet.

Der Hellebardier mit dem düsteren Gesichtsausdruck: Vielleicht sind die durchgedrehten Rinder in irgendetwas hineingeraten!

Der glatzköpfige Hellebardier: Gut, dass wir sie schnell durch das Tor abschieben konnten.

Aus einer nahen Hütte sind die Klänge einer Laute zu hören. Eine Weile hören die Wachen zu.

Der Minotauren-Hellebardier mit den bernsteinfarbenen Augen: Ich habe gehört, dass die Menschen jetzt schon wegen der Musik in die Seide gehen!

Die Bogenschützin mit der verbrannten Wange: Der Besitzer behauptet, dass sei ein ganz neues Erfolgsmodell! Der neue Bordellier soll dafür verantwortlich sein.

Der glatzköpfige Hellebardier: Da wird offenbar einiges ausprobiert. Haben nicht erst vor kurzem ein paar Rindviecher dort gesungen?

Der Hellebardier mit dem düsteren Gesichtsausdruck: Ja, und daran ist ausnahmsweise niemand krepiert. Ein echter Erfolg!

Der glatzköpfige Hellebardier: Dafür ist dort wohl wieder einmal ein Freier gestorben.

Der Minotauren-Hellebardier mit den bernsteinfarbenen Augen: Ja, ihr Menschen nehmt euch oft so viel vor! Ihr solltet etwas rücksichtsvoller mit euch selbst sein!

Der Hellebardier mit dem düsteren Gesichtsausdruck: Es gibt unangenehmere Tode als der in den Armen einer Frau aus der Seide. Anderen Männern schlägt man dort die Hände ab!

Der Minotauren-Hellebardier mit den bernsteinfarbenen Augen: Und uns scheucht man durch die Straßen. „Stutzen und Sanieren“ wird das genannt, aber bevor ich mich bei denen schinden lasse, stelle ich mich lieber noch ein paar durchgedrehten Mitbrüdern in den Weg und versuche das Schlimmste zu verhindern.

Der glatzköpfige Hellebardier: Ich habe gehört, „Stutzen und Sanieren“ liege das Gemeinwohl am Herzen.

Die Bogenschützin mit der verbrannten Wange: Ja, ein bisschen gemein geht es da auch zu.

Der hasserfüllte Hauptmann: Und wenn ihr jetzt nicht sofort wieder eure Posten bezieht und aufpasst, dann wird auch eure Existenz einen ganz gemeinen Verlauf nehmen, das verspreche ich euch!
« Letzte Änderung: 12.03.2021 | 19:26 von Chiarina »
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #121 am: 21.04.2021 | 01:58 »
11

Wenn der ewige Strom
übermütig zu tanzen beginnt,
schließen wir uns an
und freuen uns
an seinem fröhlichen Spiel.
Weint er aber,
trauern auch wir.

Seine Zurückhaltung und belebende Zielstrebigkeit
eröffnen uns Möglichkeiten:
einmal locken uns seine Ursprünge in Gegenrichtung,
ein andermal begleiten wir ihn zu lang und er entzieht sich.

So zeigt er uns,
welche Wege wir allein gehen müssen!
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #122 am: 21.04.2021 | 01:59 »
Ich präsentiere ein Foto von einer vietnamesischen Porzellanschale.

Ihre blaue Zier besteht aus blühenden Zweigen, im Zentrum befinden sich zwei ineinander verschachtelte Rechtecke, die noch weiter unterteilt sind.

Ein Assoziationsspiel entsteht und führt zu unterschiedlichen Deutungsversuchen:
Blühen – Flügel – TARDIS – Rinderzecken – ein Kirschblütenbaum, der zwei Häuser verbindet - Vogelhäuschen

Unsere Vision beginnt.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #123 am: 21.04.2021 | 02:02 »
Der zweite Advokat und Mujeeb Gashkari streifen auf der Suche nach Kunden durch die Randbezirke der Gemeinde Rhomoon. Ihre Blicke fallen auf einen nahen Baum in voller Blüte, in dem die Vögel singen. Mit einem Schlag aber erheben sie sich in die Luft und fliegen eilig davon.

Der zweite Advokat sieht genauer hin und entdeckt hinter dem Gebüsch unter dem Baum ein paar Gestalten. Er ruft: „Seid gegrüßt! Was macht ihr da hinter der Hecke?“ Dann hört er eine Stimme flüstern: „Der Orakelmann ist dabei, es ist also das Rind, das sich in der Seide so großspurig aufgespielt hat!“ Ein Sirren erklingt und in der Nähe des zweiten Advokaten und Mujeebs fallen ein paar Schleudergeschosse zu Boden. Mujeeb sagt erstaunt: „Schau mal, sie bewegen sich!“ Der zweite Advokat blickt zu Boden und spricht: „Stierzecken! Sie schießen mit Stierzecken auf uns!“ Wütend senkt er seine Hörner und rennt in Richtung der Hecke. Drei oder vier Angreifer laufen davon, einem aber konnte der zweite Advokat den Fluchtweg abschneiden. Der Mann presst sich angstvoll an den Stamm des Baumes und blickt seinen Angreifer angstvoll an. Ein kurzes Gespräch entsteht.

„Warum greift ihr uns an!“

„Die anderen haben gehört, dass du in der Seide aufrührerische Lieder gesungen und hinterher großspurige Reden geschwungen hast. Sie wollten dich dafür bestrafen!“

„Ist das alles? Warum bist du dabei?“

Zitternd erzählt der Fremde: „Gaureeshankar Azam hat es mir befohlen. Er erzählt immer mal wieder etwas über frech gewordene Rinder. Außerdem verteilt er diese kleinen Viecher.“ Mit diesen Worten deutet er auf einen Beutel, in dem er wahrscheinlich noch weitere Stierzecken aufbewahrt.

Der zweite Advokat fühlt sich müde. Er sagt: „Verschwinde und lass dich hier nicht wieder blicken.“ Der Fremde läuft davon. Schließlich zieht Mujeeb Gashkari mit dem zweiten Advokaten weiter. „Kennst du Gaureeshankar Azam?“, fragt der Minotaur den Orakelmann. Mujeeb schüttelt den Kopf.
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Re: [The Clay That Woke] Landschaft mit dem Sturz des Ikarus
« Antwort #124 am: 21.04.2021 | 02:03 »
Saibhang, der erste Advokat, trifft am Vormittag in der Gaststätte „Zum friedlichen Mungo“ ein und setzt sich an den Tisch zu Ashtavede. Sie warten noch eine Weile vergeblich auf ihre Freunde. Schließlich sagt Saibhang: „Mir scheint, wir bleiben unter uns. Gibt es irgendwelche neuen Informationen über das Rinderopfer?“ Ashtavede antwortet: „Es wird morgen Abend bei den drei Inseln im ewigen Fluss stattfinden. Es wird auch Kekse geben, wie besprochen habe ich aber veranlasst, dass keiner der Kekse einen Kern der gefleckten Zitrone enthält.“ „Gut“, sagt Saibhang. Da von den Verbündeten der beiden Minotauren niemand mehr auftaucht, verabschieden sie sich freundlich und ziehen auf getrennten Wegen davon.
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