Autor Thema: Ruleslawyering / Regelreiterei  (Gelesen 1808 mal)

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Offline Tudor the Traveller

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Ruleslawyering / Regelreiterei
« am: 9.10.2020 | 16:35 »
Sie sind verschrien. Genauso wie Rollplayer. Ich lese gefühlt ständig, dass Leute betonen, dass sie doch ROLLENspiel machen wollen, nicht RollenSPIEL. Alternativ Roleplay statt Rollplay. Und dass das Spiel wichtiger sei als die Regeln...

Jetzt ist meine Runde offenbar anders gestrickt. Wir legen Wert auf Regeln. Und Regeln wollen natürlich auch im Spiel benutzt werden. Ich empfinde Regeln als etwas Positives. Sie geben dem Spiel Struktur und den Spielern eine Anleitung. Sie eröffnen Optionen. Und vor allem beugen sie Konflikten vor (zumindest wenn sie eindeutig sind). Ich glaube irgendwie, ich bin einer dieser bösen Regelreiter.

Unsere Negativerfahrung dahingehend war D&D5. Rulings statt Rules hat bei uns nicht funktioniert. Regeldiskussionen waren an der Tagesordnung. Vielleicht auch, weil ich als SL meine Meinung nicht einfach durchdrücke und dadurch Diskussionen unterbinde.

Was ist also an Regeln so schlimm, dass Leute, die die Befolgung der Regeln fordern, scheinbar so ungern gesehen sind? Ich fühle mich jedenfalls immer ein wenig angegriffen, wenn jemand schreibt, dass der Fokus "auf dem Spiel" liegen soll, nicht auf den Regeln. Für mich ergibt diese Differenzierung überhaupt keinen Sinn. Was soll das überhaupt heißen? Ich stelle mir das so vor: Alles wird per Handwedelei geklärt; Spielwerte werden ignoriert; Spieler, die sich verbal gut verkaufen können, sind klar im Vorteil...

Fördert das nicht Konflikte am Tisch? Wenn ein Spieler mit dem Ergebnis der Handwedelei nicht einverstanden ist? Wenn er von einem anderen Spieler verbal an die Wand gespielt wird, weil er z.B. etwas introvertiert ist? Wenn die Regeln sagen, der Char kann X, aber dem SL passt es nicht in die Story?

Mich interessiert die Sichtweise dieser ROLLENspieler... Erzählt mal, wie das bei euch aussieht!
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Offline Selis

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #1 am: 9.10.2020 | 16:47 »
Ich habs ehrlich gesagt noch nie erlebt, das Regeln komplett ignoriert werden.
Meist eher so viel Regeln wie nötig, so wenig wie möglich. Das ist mehr unsere Devise aber die hat auch ein paar Schwächen, wenn man es mit einem Tüftler zu tun hat zum Beispiel und der SL nicht auf eine gewisse Balance achtet.

Handwedel ist für den Moment in Ordnung, wenn es eine sinnvolle Lösung darstellt und man sich generell ans System hält und Hausregeln auf ein absolutes Minimum reduziert, allein auf den Ausdruck reagiere ich schon allergisch.
Problematischer sind da die SL, die das System nicht verstanden haben, vielleicht das Regelwerk noch so lala aber die Intention dahinter nicht.

Generell kommt es bei mir mehr auf die subjektive Spielbarkeit des Systems an, d.h. einfach verständlich, logisch aufgebaut und schnell spielbar.
Ganz ohne Regeln kann ich nicht, ich brauche einen Mittelweg zwischen einem "Tu doch was Du willst!" und "ich lege Dir ein Regelkorsett an, das richtig weh tut und Du dich nicht mehr bewegen kannst!"

Was ich bevorzuge, das ein Regelsystem einen abholt aus der Meta Ebene sich wegzubewegen und mehr in der Spielwelt aus Sicht seines Charakters zu handeln.

Was stille Spieler angeht, wenn da niemand drauf achtet, werden die doch überall an die Wand gespielt, wenn die falschen Mitspieler am Tisch sitzen.

Worauf ich aber weder als SL, noch als Spieler kann, sind Typen die dann loslegen "Auf Seite 345 im Abschnitt 4 steht aber..... und der Sonderbanddenniemandhat erweitert das Ganze nochmals um Blaaaa"
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Offline 1of3

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #2 am: 9.10.2020 | 17:03 »


Sie sind verschrien. Genauso wie Rollplayer. Ich lese gefühlt ständig, dass Leute betonen, dass sie doch ROLLENspiel machen wollen, nicht RollenSPIEL. Alternativ Roleplay statt Rollplay. Und dass das Spiel wichtiger sei als die Regeln...


Hier im Forum? Das wundert mir.

Zitat
Unsere Negativerfahrung dahingehend war D&D5. Rulings statt Rules hat bei uns nicht funktioniert. Regeldiskussionen waren an der Tagesordnung. Vielleicht auch, weil ich als SL meine Meinung nicht einfach durchdrücke und dadurch Diskussionen unterbinde.


Das überrascht mich ehrlich gesagt. Was spielt ihr denn sonst? Ich finde jetzt die Regeln nicht schwammiger als bei 3.5

Offline Saffron

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #3 am: 9.10.2020 | 18:50 »
Vielleicht definiere ich den Begriff einfach anders: Für mich sind nicht alle Leute, denen Regeln wichtig sind, schon Regelanwälte. Regelkonforme Spieler  stören mich nicht, selbst wenn ich selbst ungern sehr komplexe Regelwerke benutze, und wenn ich als SL im Zweifelsfall lieber mal schnell eine Situation aus dem Bauch heraus entscheide statt erst eine halbe Stunde im Regelwerk nachzulesen, wie z.B. die Regeln für Verfolgungsjagden sind.

Mich stören Leute, die während des Spiels ständig dem SL oder Mitspielern erklären, dass sie die Regeln falsch anwenden, und die solche Meinungsverschiedenheiten dann auch stundenlang ausdiskutieren wollen, selbst wenn es mitten in einer spannenden Spielsituation ist und das Streitgespräch allen den Spaß verdirbt.

Nun bin ich selbst ganz schlecht darin, mir Regeln anzueignen und zu merken. Ich komme in einer Spielrunde zurecht und bemühe mich auch, zumindest die Basics parat zu haben, aber für komplexere Regeln oder Regeln für sehr spezielle Situationen reicht es dann meist nicht. Das kann dann problematisch werden, wenn man mit Leuten spielt, denen Regeln sehr wichtig sind, aber da muss man einfach vorher absprechen, wie man damit umgehen will, oder ob man schlimmstenfalls eben nicht zusammenpasst.

Ich hatte einmal für eine Convention eine Spielrunde ausgeschrieben, und da ich das System noch nie gespielt und auch zum ersten Mal geleitet habe, schrieb ich explizit in die Ankündigung, dass ich nicht ganz sattelfest bin und deshalb vielleicht manchmal handwedeln werde. Dass ich deshalb bitte keine Regelfuchser in der Runde haben möchte. Obwohl es nun deutlicher kaum gesagt werden kann, hat ein Spieler genau das getan, was ich vermeiden wollte, nämlich sich mehrmals beschwert, dass ich das doch falsch mache, weil es doch so und so in den Regeln steht. Da hört mein Verständnis dann allerdings auf.
« Letzte Änderung: 9.10.2020 | 18:51 von Saffron »
Ich leide nicht an Realitätsverlust. Ich genieße ihn.

Offline 1of3

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #4 am: 9.10.2020 | 20:17 »
Nun bin ich selbst ganz schlecht darin, mir Regeln anzueignen und zu merken. Ich komme in einer Spielrunde zurecht und bemühe mich auch, zumindest die Basics parat zu haben, aber für komplexere Regeln oder Regeln für sehr spezielle Situationen reicht es dann meist nicht. Das kann dann problematisch werden, wenn man mit Leuten spielt, denen Regeln sehr wichtig sind, aber da muss man einfach vorher absprechen, wie man damit umgehen will, oder ob man schlimmstenfalls eben nicht zusammenpasst.

Ich hab eine ganze Werwolf-Kampagne geleitet ohne die Raserei-Regeln zu verstehen. Warum auch? Die Spieler waren ja regelfest und wussten, wann und wie sie in Raserei fallen.

Offline Turning Wheel

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #5 am: 9.10.2020 | 21:00 »
Ich spiele meistens ein sehr regelschweres Simulationssystem (Trauma/Flyinggames.de) und hin und wieder auch RuneQuest oder Warhammer aber in den letzten Jahren hab ich auch eine ganze Menge Aliens-Runden freeform ohne Regeln geleitet. Beide Extreme sind super und auch alles dazwischen, solange es gegen niemandes Wille geht.
Ich esse ja auch manchmal komplex gekochte Menüs und dann auch mal was einfaches schnelles. Beides schmeckt und hat seinen Platz in meinem Leben.
Man kann Spaß haben mit krassen Taktiksituationen bei Kämpfen o.ä. aber es gibt halt auch viele Szenen wo Stimmung, Gesprächsführung, Entscheidungslogik oder Spielerkreativität wichtiger sind als ein regeltechnischer Anspruch durch mathematische Algorithmen. Das mag von Stunde zu Stunde oder von Spielabend zu Spielabend abwechseln. Ich will alles mal ausprobieren.

Offline Tudor the Traveller

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #6 am: 9.10.2020 | 22:01 »
Zitat von: Turning Wheel
aber es gibt halt auch viele Szenen wo Stimmung, Gesprächsführung, Entscheidungslogik oder Spielerkreativität wichtiger sind als ein regeltechnischer Anspruch durch mathematische Algorithmen.

Wieso siehst du hier eine potenzielle Einschränkung durch die Regeln? Oder verstehe ich das falsch?
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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #7 am: 9.10.2020 | 22:24 »
Wieso siehst du hier eine potenzielle Einschränkung durch die Regeln? Oder verstehe ich das falsch?

Im Zweifelsfall würde ich da sagen, daß es eine schlichte Frage der Aufmerksamkeit und Konzentration ist. Der Mensch hat nur soundsoviel mentale Bandbreite zur Verfügung, und irgendwann (mitunter sogar schon recht schnell) kann er eben nicht mehr alles auf einmal jonglieren, sondern muß anfangen, Prioritäten zu setzen und sich mit manche Dingen stärker zu befassen, während gleichzeitig andere zwangsläufig mal mehr und mal weniger bewußt vernachlässigt werden.

Tatsächlich habe ich das zumindest bei mir im Umgang mit hinreichend komplizierten Regelsystemen wie D&D 3.x (am besten noch mit Battlemap) auch gelegentlich direkt bemerkt. Irgendwann hatte ich streckenweise den Kopf so nur noch voller Regeln und Überlegungen, wie ich in einer Situation nach diesen wohl am besten vorgehe, daß einfach kein Platz mehr für Gedanken an andere Sachen wie z.B. Charakterspiel war. Und wenn das dann beispielsweise, wie einmal tatsächlich geschehen, dazu führt, daß der eigentlich weitgehend friedfertige Kleriker mit Herz für die Armen plötzlich einen Armbrustbolzen in den nächsten gerade lästigen, aber nicht wirklich gefährlichen NSC-Bettler schießt, dann ist das im Nachhinein -- vorsichtig ausgedrückt -- irgendwo schon mindestens ein bißchen peinlich...

Offline Tudor the Traveller

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #8 am: 9.10.2020 | 22:52 »
Das überrascht mich ehrlich gesagt. Was spielt ihr denn sonst? Ich finde jetzt die Regeln nicht schwammiger als bei 3.5

Aktuell D&D4, wobei wohl auch nicht mehr lange. Aber die 5e ist m.E. deutlich schwammiger als die 3.5. Beispiel: Vergleich mal "line of effect" der 3.5 mit "a clear path to the target" der 5e. Und dann sage mir jeweils, ob ich einen Effekt mit Point of Origin hinter einer Wall of Force erzeugen kann...

Ich sage dir auch gleich, wo es schwammig wird: die 5e verschwurbelt die alte Line of Effect und die Line of Sight. Der Regelfall ist eine normale Wand (Total Cover), durch die man das Ziel nicht sehen kann. Da sind beide Editionen mehr oder weniger gleich. Aber bei der WoF KANN man das Ziel eben doch sehen. Und darauf hat die 5e keine eindeutige Antwort.

Im Zweifelsfall würde ich da sagen, daß es eine schlichte Frage der Aufmerksamkeit und Konzentration ist. Der Mensch hat nur soundsoviel mentale Bandbreite zur Verfügung, und irgendwann (mitunter sogar schon recht schnell) kann er eben nicht mehr alles auf einmal jonglieren, sondern muß anfangen, Prioritäten zu setzen und sich mit manche Dingen stärker zu befassen, während gleichzeitig andere zwangsläufig mal mehr und mal weniger bewußt vernachlässigt werden.

Ok, aber das ist doch etwas anderes, als es einem Spieler dann krumm zu nehmen, wenn dieser auf die entsprechende Regel hinweist. Ich nenne es mal bewussten vs. unbewussten Regelverstoß.
« Letzte Änderung: 9.10.2020 | 22:55 von Tudor the Traveller »
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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #9 am: 9.10.2020 | 23:22 »
Ok, aber das ist doch etwas anderes, als es einem Spieler dann krumm zu nehmen, wenn dieser auf die entsprechende Regel hinweist. Ich nenne es mal bewussten vs. unbewussten Regelverstoß.

Normalerweise, denke ich, wird es keiner einem Spieler übelnehmen, wenn er einfach nur regelfest ist. Aber auch bei solchen Hinweisen macht im Zweifelsfall der Ton die Musik, und die Regelhengste, die für den schlechten Ruf der Gattung noch am ehesten zuständig sind, sind meines Wissens in erster Linie gerade die, die in solchen Fällen jegliches Feingefühl vermissen lassen und sich dafür um so mehr durch Eigenschaften wie Streitsucht und/oder Sturheit ("Ich habe aber recht und deswegen muß das jetzt so gemacht werden, wie ich es sage!") auszeichnen. Eventuell kommt auch noch ein eher eigenwillig-selektiv hauptsächlich oder sogar nur auf den eigenen Vorteil ausgerichtetes Regelgedächtnis dazu, während demselben Spieler Dinge, die seinem Charakter auch mal zum Nachteil gereichen könnten, komischerweise gerne mal entfallen...man merkt vielleicht, in der reinen Regelkenntnis sind die Probleme für gewöhnlich eher nicht begründet. ;)

Offline Maarzan

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #10 am: 9.10.2020 | 23:44 »
Es gibt sicher solche und solche:
Auf der einen Seite Leute welche sinnbefreit rein am Text entlang Regeln fuchsen oder gar mit selektiver bis stark logisch strapazierender Auslegung von Regeln aufwarten.

Auf der anderen Seite dann Leute, welche für sich in Anspruch nehmen sich eigenständig über die Regeln zu stellen und dann Verweise darauf unwillig bis beleidigt zur Kenntnis nehmen (wobei der Ton des Hinweises ggf zur Stimmungslage negativ beitragen kann, aber an der Sachlage nichts ändert) .


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Offline Turning Wheel

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #11 am: 10.10.2020 | 09:27 »
Wieso siehst du hier eine potenzielle Einschränkung durch die Regeln? Oder verstehe ich das falsch?

Die erwähnten Dinge sind natürlich unter Umständen auch geregelt, aber in diesem Thema geht es ja um Ruleslawering. Der Begriff bezieht sich für mich auf eine bestimmte Art von Regeln, in die man sich reinfuchsen muss wie in einen Gesetzestext und die einen hohen Anteil an Aufmerksamkeit bzw. Spielzeit kosten. Mit intuitivem Spiel hat Ruleslawering nichts mehr zu tun, deshalb sehe ich es in Opposition zum eher Story- oder Gefühlsorientierten Spiel.

Ich möchte da noch hinzufügen, dass ich ne ganze Menge Diskussionen mit Rollenspielautoren geführt habe, was Regeln überhaupt sind und eine streng genommene Definition würde ja heißen, dass wenn man sich dazu entscheidet etwas aus dem Bauch raus zu entscheiden das auch schon eine Regel ist. Das meinte ich oben natürlich nicht mit Regeln, sondern eben mehr so Oldschool-Sachen wie Ruf des Warlock oder D&D oder andere, wo man sich durch Regeln, Unterregeln, Sonderregeln und Spezialregeln durcharbeiten muss, bis man weiß, ob der heimliche Angriff von der Seite getroffen hat oder nicht.

Offline tanolov

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #12 am: 10.10.2020 | 10:48 »
Aus der persönlichen Erfahrung heraus hab ich da zwei Typen kennen gelernt, bei denen es ROLLENspiel heißt:

Typ A wurde mit irgendeinem Regelungeheuer sozialisiert (in der Regel DSA), hat relativ zügig festgestellt das die Regeln nichts machen und alles besser von der Hand geht wenn man vieles rauswirft, hausregelt und handwedelt. Meistens weiß Typ A gar nicht was es sonst noch so an Rollenspielen da draußen gibt. Hilft auch nicht grade, dass das zweite Rollenspiel nach DSA meistens Shadowrun oder oWoD ist. Regeln werden grundsätzlich als sehr Sinnlos erachtet und man hat sie eigentlich nur noch aus Tradition drin.

Typ B will mehr Kontrolle über den Verlauf der Story. Da Regeln immer einen starken Einfluss darauf haben was in der Fiktion passiert, beißt sich das ganz oft mit der Vision des Spielleiters (oder Spieler) für die Geschichte die am Tisch erzählt wird. Das muss auch gar nicht bösartig railroady sein, sondern fängt schon dabei an, dass man einen Charakter im Kampf nicht sterben lässt. Regeln werden hier oft als ein Gegenspieler wahrgenommen.


Ich persönlich find Regeln geil und ich spiele Spiele genau so wie sie im Buch stehen. Gibt ja genug Bücher da draußen, müssen die Designer eben gute Arbeit abliefern. Bei wem das Rollenspieldesign nach dem Fluff aufhört bekommt von mir eben keinen Euro.

Offline Rorschachhamster

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #13 am: 10.10.2020 | 11:20 »
Wenn man sich auf Regeln geeinigt hat, muß man die auch befolgen - das wichtige ist das Einigen. Wer unhinterfragt Regelmonster bespielt, ist selber Schuld. Im Idealfall geben Regeln das Grundgerüst, auf die sich alle verlassen können, damit man eben sowohl als Spieler wie als Spielleiter von solchem Krebs wie Würfeldrehen verschont bleibt. Wer nicht Hausregelt hat sich meiner Meinung nach nicht genug mit den Regeln und/oder dem, was er erreichen will, beschäftigt. Das heißt auch, das Probleme offen am Tisch diskutiert werden können, solange man erwachsen damit umgeht ist das auch kein Problem. Bitte nicht mitten im Kampf Regeln in Frage stellen, die von allen Gemeinsam etabliert wurden. Also, Regeln befolgen auf jeden Fall, wenn die Regeln dem ROLLENSPIEL  ;) im Weg stehen, warum spielst du dann mit diesen Regeln? Macht in meinen Augen keinen Sinn das zu trennen.   
Rorschachhamster
DMG Pg. 81 " The mechanics of combat or the details of the injury caused by some horrible weapon are not the key to heroic fantasy and adventure games. It is the character, how he or she becomes involved in the combat, how he or she somehow escapes — or fails to escape — the mortal threat which is important to the enjoyment and longevity of the game."

Offline flaschengeist

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #14 am: 10.10.2020 | 11:34 »
Ich finde Regeln sind in jedem Spiel (und auch in jeder Gesellschaft und zwischenmenschlichen Beziehung) wichtig. Es gibt viel dazu zu sagen aber ich beschränke mich zunächst auf zwei Aspekte.

1. Speziell auch in Spielen garantierten Regeln, dass jeder gleich behandelt wird. Das macht Entscheidungen per Handwedelei riskant, denn um Fairness zu garantieren, müsste die Spielleitung sich jede solche Entscheidung merken können und in der nächsten analogen Situation wieder so entscheiden (womit eine ungeschriebene Regel geschaffen wird). Mit Handwedelei meine ich übrigens, sich als Spielleitung über bestehende Regeln hinwegsetzen. Regellücken ad hoc zu füllen, ist für mich keine Handwedelei (sollte aber früher oder später im Gruppenkonsens abgesegnet werden, womit wir schon wieder dabei sind, eine Regel zu schaffen ;D).

2. Regeln sorgen dafür, dass Spieler sich über die Möglichkeiten und Grenzen ihres Charakters im Klaren sind. Ohne dieses Wissen kann ich schwer entscheiden, wie ich handeln soll. Schafft es mein Charakter über die Mauer zu klettern, den NSC zu überreden, den Bär im Kampf zu bezwingen? Wenn ich das nicht weiß, ist Handeln mit starker Unsicherheit besetzt. Regeln stellen also Transparenz her und bieten Sicherheit.

Zum Glück gibt es im Rollenspielmarkt zahlreiche Systeme jeder Regeldichte, von Risus (1 Seite) bis zum Regelmonster (500+ Seiten). Somit kann jede Runde ein für ihren Geschmack halbwegs passendes System wählen. Ungünstig finde ich hingegen, wenige Regeln zu wollen aber ein Regelmonster zu verwenden und umgekehrt.
Perfektion ist nicht dann erreicht, wenn es nichts mehr hinzuzufügen gibt, sondern dann, wenn man nichts mehr weglassen kann (frei nach Antoine de Saint-Exupéry). Ein Satz, der auch für Rollenspielentwickler hilfreich ist :).
Hier findet ihr mein mittelgewichtiges Rollenspiel-Baby, das nach dieser Philosophie entstanden ist, zum kostenfreien Download: https://duodecem.de/

Offline Tudor the Traveller

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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #15 am: 10.10.2020 | 12:28 »
Aus der persönlichen Erfahrung heraus hab ich da zwei Typen kennen gelernt, bei denen es ROLLENspiel heißt:

Typ A wurde mit irgendeinem Regelungeheuer sozialisiert (in der Regel DSA), hat relativ zügig festgestellt das die Regeln nichts machen und alles besser von der Hand geht wenn man vieles rauswirft, hausregelt und handwedelt. Meistens weiß Typ A gar nicht was es sonst noch so an Rollenspielen da draußen gibt. Hilft auch nicht grade, dass das zweite Rollenspiel nach DSA meistens Shadowrun oder oWoD ist. Regeln werden grundsätzlich als sehr Sinnlos erachtet und man hat sie eigentlich nur noch aus Tradition drin.

Typ B will mehr Kontrolle über den Verlauf der Story. Da Regeln immer einen starken Einfluss darauf haben was in der Fiktion passiert, beißt sich das ganz oft mit der Vision des Spielleiters (oder Spieler) für die Geschichte die am Tisch erzählt wird. Das muss auch gar nicht bösartig railroady sein, sondern fängt schon dabei an, dass man einen Charakter im Kampf nicht sterben lässt. Regeln werden hier oft als ein Gegenspieler wahrgenommen.


Ich persönlich find Regeln geil und ich spiele Spiele genau so wie sie im Buch stehen. Gibt ja genug Bücher da draußen, müssen die Designer eben gute Arbeit abliefern. Bei wem das Rollenspieldesign nach dem Fluff aufhört bekommt von mir eben keinen Euro.

Das klingt für mich plausibel.
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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #16 am: 10.10.2020 | 12:34 »
Also, Regeln befolgen auf jeden Fall, wenn die Regeln dem ROLLENSPIEL  ;) im Weg stehen, warum spielst du dann mit diesen Regeln? Macht in meinen Augen keinen Sinn das zu trennen.

Ja, genau. Regeln müssen Charakterspiel und Story unterstützen Bzw. Zumindest den erwünschten Raum lassen. Aber ich muss für die Wahl des passenden Systems wissen, was ich will und das System entsprechend wählen. Dann kommen die Regeln auch nicht in die Quere :d
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Re: Ruleslawyering / Regelreiterei
« Antwort #17 am: 10.10.2020 | 12:43 »
Ach ja, noch hierzu:

Im Zweifelsfall würde ich da sagen, daß es eine schlichte Frage der Aufmerksamkeit und Konzentration ist. Der Mensch hat nur soundsoviel mentale Bandbreite zur Verfügung, und irgendwann (mitunter sogar schon recht schnell) kann er eben nicht mehr alles auf einmal jonglieren, sondern muß anfangen, Prioritäten zu setzen und sich mit manche Dingen stärker zu befassen, während gleichzeitig andere zwangsläufig mal mehr und mal weniger bewußt vernachlässigt werden.

Tatsächlich habe ich das zumindest bei mir im Umgang mit hinreichend komplizierten Regelsystemen wie D&D 3.x (am besten noch mit Battlemap) auch gelegentlich direkt bemerkt. Irgendwann hatte ich streckenweise den Kopf so nur noch voller Regeln und Überlegungen, wie ich in einer Situation nach diesen wohl am besten vorgehe, daß einfach kein Platz mehr für Gedanken an andere Sachen wie z.B. Charakterspiel war. Und wenn das dann beispielsweise, wie einmal tatsächlich geschehen, dazu führt, daß der eigentlich weitgehend friedfertige Kleriker mit Herz für die Armen plötzlich einen Armbrustbolzen in den nächsten gerade lästigen, aber nicht wirklich gefährlichen NSC-Bettler schießt, dann ist das im Nachhinein -- vorsichtig ausgedrückt -- irgendwo schon mindestens ein bißchen peinlich...

Das finde ich echt interessant. Auf die Idee, dass die Regeln auf Grund ihrer Komplexität soviel Aufmerksamkeit in Anspruch nehmen, dass der kreative Teil sozusagen abgewürgt wird, bin ich noch nicht gekommen. Da kann aber echt etwas dran sein!
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