Autor Thema: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge  (Gelesen 12696 mal)

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Offline Isegrim

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #25 am: 19.11.2020 | 23:14 »
Und einige Spieler, die Mittelerde spielen wollen, wollen auch, dass es sich so anfühlt wie Tolkien's Welt. (Das beweist ja gerade die Kritik an MERP.)

Du bzw ihr habt sicher recht, was MERS angeht, aber das Problem bei "Wie Tolkiens Welt anfühlen" ist, dass sich zumindest für mich Hobbit, HdR und Silmarillion völlig unterschiedlich anfühlen. Wenn mans auf den HdR einschränkt, dürft aber was dran sein.

Allerdings kann zwischen "die Welt fühlt sich wie XY an" und "die erzählte Geschichte ähnelt der von XY" ein zeimlich weiter Graben liegen.
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline tartex

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #26 am: 19.11.2020 | 23:18 »
gerade lovecraft ist kaum zu emulieren, weil er sich fast seine ganze karriere weiterentwickelt hat. Fast alle Lovecraft-Stories bauen erzähltechnisch aufeinander auf, und zeigen ne klare Entwicklung. D.h. es gibt die prototypische Lovecraft Story so nicht. Als Rollenspieler ist man auch kein literarisches Genie, das lovecraft nacheifern könnte.

Wer sagt denn, dass man die ganze Karriere emulieren soll oder will?

Würde mich sehr freuen, wenn du mich auf Texte hinweisen könntest, wo auf das erzähltechnische Aufeinanderaufbauen eingegangen wird. Ich denke, das gilt doch für alle Autoren, außer vielleicht für Genre-Hacks, oder?

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ErikErikson

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #27 am: 19.11.2020 | 23:30 »
Wer sagt denn, dass man die ganze Karriere emulieren soll oder will?

Würde mich sehr freuen, wenn du mich auf Texte hinweisen könntest, wo auf das erzähltechnische Aufeinanderaufbauen eingegangen wird. Ich denke, das gilt doch für alle Autoren, außer vielleicht für Genre-Hacks, oder?
Hohlbein z.B. könnte man leicht emulieren. Dem seine Stories folgen immer demselben Muster, und sind recht primitiv. Da könnte man eine Abenteuer-Vorlage bauen, und dann genau so spielen ,das was rauskäme, das in der Nacherzählung ne Hohlbein Story IST, obwohl sie nicht von Hohlbein geschrieben wurde, sondern von Spielern erspielt. ähnliches gilt fürs A-Team oder mcgyver. Lovecraft saß grade gegen Ende ewig an seinen Stories, und wollte ja nix wieder so machen wie in der letzten. Man hat also kein Muster, das man emulieren könnte.

Offline tartex

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #28 am: 19.11.2020 | 23:54 »
Hohlbein z.B. könnte man leicht emulieren. Dem seine Stories folgen immer demselben Muster, und sind recht primitiv. Da könnte man eine Abenteuer-Vorlage bauen, und dann genau so spielen ,das was rauskäme, das in der Nacherzählung ne Hohlbein Story IST, obwohl sie nicht von Hohlbein geschrieben wurde, sondern von Spielern erspielt. ähnliches gilt fürs A-Team oder mcgyver. Lovecraft saß grade gegen Ende ewig an seinen Stories, und wollte ja nix wieder so machen wie in der letzten. Man hat also kein Muster, das man emulieren könnte.

Ich sagte ja: "außer vielleicht für Genre-Hacks".  >;D Hohlbein fällt für mich klar in diese Kategorie. (Vgl. Hack-Writer.)

Aber ich denke, dass du Lovecraft schon auch ein wenig überhöhst. So genial, dass es keine Epigonen geben kann, sind doch wirklich die allerwenigsten Schriftstellter. Und dass Lovecraft Epigonen ohne Ende generiert hat, kann man wirklich nicht bestreiten.
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Offline ArneBab

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #29 am: 19.11.2020 | 23:57 »
Habt ihr mal Mechanical Dreams gespielt? Das passt nicht wirklich in ein bestimmtes Genre (es ist weder wirklich Cyberpunk, noch Fantasy, und die Realität wird Nachts instabil), und es etabliert ganz eigene Vorstellungen und auch Interaktionen.
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Offline La Cipolla

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #30 am: 19.11.2020 | 23:58 »
Ich werfe mal noch eine Beobachtung ein: Fast alle Posts gehen davon aus, dass Rollenspiele eine Geschichte erzählen sollen. Ich weiß, dass das eine gebräuchliche KONVENTION ist, aber in meinen Augen ist es absolut nicht selbstverständlich oder die einzige Möglichkeit, zumindest wenn wir „Geschichte“ im Sinne eines Buchs, eines Films o.ä. verstehen -- das noch weiter zu abstrahieren, Führt dann weg von einer pragmatischen Diskussion. Spiele können aber auch vorrangig kompetitiv sein (Mensch ärgere dich nicht), sie können vorrangig unseren Sammlerdrang ansprechen (Pokemon), sie können einfach Spaß an Humor und Randomness erzeugen (Twister). Und natürlich gibt es auch schon eine Menge Rollenspiele, die die Geschichte an zweite Stelle stellen oder ganz außen vor lassen.
Was dann auch wieder zurück zu frühem D&D führt: Ich meine, klar erzählen die Con-Dungeons, die mit Bestenlisten gespielt wurden, irgendeine Geschichte im Sinne von „emergent Storytelling“, aber das ist nicht der Grund, aus dem man die gespielt hat.

(Nur zur Sicherheit: Mir geht es aber nicht darum, zu diesen „Glory Days“ zurückzukehren, ne? ;D Ich will nur mal infragestellen, ob es abseits dieser scheinbaren Extreme nicht auch andere Richtungen gibt, in die man sich hätte bewegen können — und ob der Fokus auf wahlweise klassisches D&D oder aber „Geschichten erzählen“ uns nicht künstlich einschränkt.)

« Letzte Änderung: 20.11.2020 | 00:08 von La Cipolla »

Offline tartex

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #31 am: 20.11.2020 | 00:07 »
Habt ihr mal Mechanical Dreams gespielt? Das passt nicht wirklich in ein bestimmtes Genre (es ist weder wirklich Cyberpunk, noch Fantasy, und die Realität wird Nachts instabil), und es etabliert ganz eigene Vorstellungen und auch Interaktionen.

Naja, das ist doch immer noch Weird Fiction, oder? Und wenn es ein ausladendes Kampfsystem hat, ist es für mich immer noch der Genre-Fiktion zuzuordnen. Und sonst evtl. esoterischer Weird Fiction - aber ich muss zugeben, ich kenne es bis jetzt auch nur aus Rezensionen.
« Letzte Änderung: 20.11.2020 | 03:40 von tartex »
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ErikErikson

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #32 am: 20.11.2020 | 00:10 »
Ich sagte ja: "außer vielleicht für Genre-Hacks".  >;D Hohlbein fällt für mich klar in diese Kategorie. (Vgl. Hack-Writer.)

Aber ich denke, dass du Lovecraft schon auch ein wenig überhöhst. So genial, dass es keine Epigonen geben kann, sind doch wirklich die allerwenigsten Schriftstellter. Und dass Lovecraft Epigonen ohne Ende generiert hat, kann man wirklich nicht bestreiten.
Mir wäre nu kein Autor bekannt, der in der gleichen Qualität und im vergleichbaren Stil Stories verfasst hat, und ich habe viele gelesen Machen, Ligotti, die qualimäßig gut sind, haben alle nen anderen Stil, und nachahmer wie Derleth oder tierney kommen qualimäßig nicht ran. Wenn du jemanden hast, her damit. Also doch, ich würde schon sagen, er war so genial, das die späteren Stories wie etwa Shadow out of time nicht replizierbar sind, einfach weil diese geschichten einzigartig in ihrer Komposition sind.

Wenn man also als Rollenspieler emulieren will, sollte man sich lieber einen der nachfolger als Vorlage aussuchen. Ligotti z.B. wiederholt sich ständig, ist aber trotzdem gut.
« Letzte Änderung: 20.11.2020 | 00:12 von ErikErikson »

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #33 am: 20.11.2020 | 00:38 »
Ich werfe mal noch eine Beobachtung ein: Fast alle Posts gehen davon aus, dass Rollenspiele eine Geschichte erzählen sollen. Ich weiß, dass das eine gebräuchliche KONVENTION ist, aber in meinen Augen ist es absolut nicht selbstverständlich oder die einzige Möglichkeit, zumindest wenn wir „Geschichte“ im Sinne eines Buchs, eines Films o.ä. verstehen -- das noch weiter zu abstrahieren, Führt dann weg von einer pragmatischen Diskussion. Spiele können aber auch vorrangig kompetitiv sein (Mensch ärgere dich nicht), sie können vorrangig unseren Sammlerdrang ansprechen (Pokemon), sie können einfach Spaß an Humor und Randomness erzeugen (Twister). Und natürlich gibt es auch schon eine Menge Rollenspiele, die die Geschichte an zweite Stelle stellen oder ganz außen vor lassen.
Was dann auch wieder zurück zu frühem D&D führt: Ich meine, klar erzählen die Con-Dungeons, die mit Bestenlisten gespielt wurden, irgendeine Geschichte im Sinne von „emergent Storytelling“, aber das ist nicht der Grund, aus dem man die gespielt hat.

(Nur zur Sicherheit: Mir geht es aber nicht darum, zu diesen „Glory Days“ zurückzukehren, ne? ;D Ich will nur mal infragestellen, ob es abseits dieser scheinbaren Extreme nicht auch andere Richtungen gibt, in die man sich hätte bewegen können — und ob der Fokus auf wahlweise klassisches D&D oder aber „Geschichten erzählen“ uns nicht künstlich einschränkt.)

Ich denke, da verschwimmt dann schnell die Trennlinie zwischen Rollen- und anderen Spielen. Natürlich kann man außer "Geschichten erzählen" beim Spielen im allgemeinen Sinne allemal auch andere Ziele verfolgen und diese sogar höher bewerten -- nur, ist man dann bei der speziellen Unterkategorie Rollenspiel nicht ein wenig im falschen Film? Wenn ich z.B. Monopoly spielen wollte, würde ich halt auch gleich Monopoly spielen und nicht krampfhaft auf "Immobilienverwaltung mit D&D" bestehen... :think:

Offline ArneBab

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #34 am: 20.11.2020 | 01:28 »
Naja, das ist doch immer noch Weird Fiction, oder? Und wenn es ein ausladendes Kampfsystem hat, ist es für mich immer noch der Genre-Fiktion zuzuordnen. Und sonst evtl. esoterischer Weird Fiction - aber ich muss zugeben, ich kenne bis jetzt aus nur aus Rezensionen.
Ich finde es  schwer wirklich Parallelen zu finden. Das Kampfsystem ist brutal, die Welt ist weitläufig aber sehr eigen, Psychologie ist Teil des Spiels, die Spezies sind aus Psychologischen Grundmotivationen entwickelt, es verknüpft Wirtschaft mit Sozialem, Industrialisierung mit der Realität einer tieferen Wirklichkeit. Wenn du verschiedenste Comics zusammenführst, kommst du zu ähnlichen Darstellungen, aber die Geschichten gehen von Agentengeschichten bis hin zu seltsamen Spielen zwischen Traum und Wirklichkeit.

Nur wirklich verbreitet hat es sich nicht, und es gab keinen Hype, wie ihn einige der heute bekannteren Indies hingelegt haben.
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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #35 am: 20.11.2020 | 02:49 »
Das ist interessant ja. Mechanical Dream habe ich nur mal durchgeblättert. Es schien mir so als wären da verschiedene Vorlagen durcheinander gerührt. Vielleicht zeigt das schon einen Drang sich unbedingt irgendwo festhalten zu wollen.

Natürlich gibt's auch Fälle, wo Rollenspiele abseits von DnD die weitere Popkultur beeinflusst haben. So Underworld ist ja quasi Vampire der Film. Und bei Bright jüngst kamen doch Assoziationen mit Shadowrun auf.
« Letzte Änderung: 20.11.2020 | 02:53 von 1of3 »

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #36 am: 20.11.2020 | 06:35 »
"Geschichte erzaehlen" ist ja eigentlich nichts Anderes als ein vorbereitetes Skript, dass vorher darauf angepasst wurde, eine bestimmte fiktive Realität erlebbar zu machen. Da ist aber natürlich nur ein mögliches Werkzeug. Auch Filme und Bücher haben da mehr in petto. Landschafts- und Gesellschaftsbeschreibungen sind da wichtige, aber gern übersehende Werkzeuge als Beispiel.
Durch das interaktive Medium kommen dann natürlich weitere Werkzeuge dazu. Dieses Skript der zu erzählenden Geschichte ist dann nur noch eine von ganz vielen Möglichkeiten für die Regeln und Konventionen der besseren und kontrollierbaren fiktiven Realität. Wichtig dabei nur, dass die Zuschauer oder Spieler in diese schöne neue Realität eintauchen können. Ich denke D&D hat gewisse archetypische Konventionen und Symbole geschaffen, dass sehr viele Leute sofort relativ genau wissen, in welcher fiktiven Welt sie da mitspielen. Deswegen dürfte es das Goto-Rollenspiel für viele Leute sein.
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Offline Jiba

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #37 am: 20.11.2020 | 07:54 »
Ich werfe mal noch eine Beobachtung ein: Fast alle Posts gehen davon aus, dass Rollenspiele eine Geschichte erzählen sollen. Ich weiß, dass das eine gebräuchliche KONVENTION ist, aber in meinen Augen ist es absolut nicht selbstverständlich oder die einzige Möglichkeit, zumindest wenn wir „Geschichte“ im Sinne eines Buchs, eines Films o.ä. verstehen -- das noch weiter zu abstrahieren, Führt dann weg von einer pragmatischen Diskussion. Spiele können aber auch vorrangig kompetitiv sein (Mensch ärgere dich nicht), sie können vorrangig unseren Sammlerdrang ansprechen (Pokemon), sie können einfach Spaß an Humor und Randomness erzeugen (Twister). Und natürlich gibt es auch schon eine Menge Rollenspiele, die die Geschichte an zweite Stelle stellen oder ganz außen vor lassen.
Was dann auch wieder zurück zu frühem D&D führt: Ich meine, klar erzählen die Con-Dungeons, die mit Bestenlisten gespielt wurden, irgendeine Geschichte im Sinne von „emergent Storytelling“, aber das ist nicht der Grund, aus dem man die gespielt hat.

(Nur zur Sicherheit: Mir geht es aber nicht darum, zu diesen „Glory Days“ zurückzukehren, ne? ;D Ich will nur mal infragestellen, ob es abseits dieser scheinbaren Extreme nicht auch andere Richtungen gibt, in die man sich hätte bewegen können — und ob der Fokus auf wahlweise klassisches D&D oder aber „Geschichten erzählen“ uns nicht künstlich einschränkt.)

Und exakt deshalb verstehe ich nicht, warum du wie natürlich davon ausgehst, dass moderne Indies sich bewusst in Opposition zu D&D begeben. Natürlich ist D&D noch das große Ding (das sich aber, seien wir so fair, auch über die Editionen immer wieder ganz neu erfunden hat – zu D&D4-Zeiten waren die Absetzbewegungen auf Indie-Seite ja vor allem von der OSR geprägt, die zu einem altschuligen Spielerlebnis hin wollten.) Man muss aber auch bedenken, dass Rollenspiel inzwischen fast 50 Jahre alt ist. Und während dieser Zeit gab es einige Spiele, die die Szene maßgeblich beeinflusst haben. Traveller. Shadowrun. Amber Diceless. Die oWoD. Die erste Generation Forge-Indies. Die OSR. Um nur einige zu nennen.

Und dann eben pauschal zu sagen: "Moderne Indies sind immer noch selbstbewusst sehr anders als D&D" – das ist für mich als würde man sagen "Moderner HipHop grenzt sich selbstbewusst vom Blues ab." Oder "Moderner Actionfilm grenzt sich selbstbewusst vom 50er-Jahre Film Noir ab." Das ist alles nicht falsch. Aber so richtig richtig ist es auch nicht. Die Triebfedern für die Abgrenzung liegen nicht in D&D begründet, sondern in anderen Rollenspielen. Fate ist keine Antwort auch D&D. Ich würde sagen es ist eine Antwort auf GURPS. Und Monsterhearts und Liminal? Die antworten auf Vampire. Sogar Vampire 5 antwortet auf Vampire.

D&D (oder besser vielleicht sogar Chainmail) waren natürlich ursächlich für die Entwicklung des Hobbies. Aber inzwischen gibt es andere Einflüsse, zu denen man sich in Abgrenzung begeben kann. Auch Fremdeinflüsse, wie etwa das Improtheater, das für viele Indies im narrativen Bereich ein wichtiger Bezugspunkt wurde.

Ich würde dahingehend auch annehmen, dass es wirklich Indie-Rollenspiele gibt, die sich weitgehend vom Prinzip Spiel entfernen: "Itras By" fiele mir da ein, was nicht nur auf Würfel verzichtet, sondern überhaupt auf quantifizierbare Werte. Oder auch Fiasco, wo die Würfel mehr Steuerungsmechanismus sind als alles andere. Und dann gäbe es noch die Indies, die ihren narrativen Ansatz so ausdeuten, dass sie eben keine Geschichte im klassischen linearen Sinn erzählen wollen, sondern eben den emergenten Aspekt des Mediums in den Fokus rücken, ohne dabei gleich gamistisch oder simulationistisch zu sein – im Grunde wäre das der Gegenentwurf zu "Thematischen Rollenspielen" (Super Begriff, vielleicht wäre auch "Motivische Rollenspiele" passend), die ja bewusst auf einen "Geschichtskomplex" abzielen.

Beispiele für die Variante "Geschichtsloser Storygames" (for lack of a better term) wäre sowas wie "I'm sorry, did you say street magic", wo man eine Stadt erschafft, als eine Ansammlung kleiner Momente, Beschreibungen und Einzelerfahrungen, mit der man weder wirklich eine Story erzählt, noch modelliert oder simuliert – hier geht es wenn überhaupt um "Geschichten", die sich emergent aus den Beschreibungen ergeben. Im Grunde "Visual Storytelling" ohne Bilder. Und das grenzt sich zu D&D gar nicht so ausdrücklich ab.

Und dann hätten wir im Bereich der thematischen Rollenspiele noch die, ich nenne sie mal, "Thematischen LARPs", bei denen die Grenze zwischen Pen&Paper und Live-Rollenspiel verschwimmt, weil der Live-Teil ziemlich abstrakt und der Rahmen sehr klein ist. "Shelter in Place" wäre da vielleicht ein Beispiel. Die haben sich sicherlich auch vom Norwegian LARP inspirieren lassen.

Und dann sollten wir vielleicht noch die umgekehrte Richtung mit in den Blick nehmen – damit meine ich nicht, dass D&Dige Spiele sich von Indies inspirieren lassen. Viel grundsätzlicher über Spielformen hinweg: Es gibt inzwischen nicht wenige Brettspiele (die ja als Spielform D&D zumindest mit beeinflusst haben), die sich jetzt von Storygames oder Impro-Games beeinflussen lassen. Sei es sowas wie "King's Dilemma" oder Deduktionsspiele allgemein. Seien es Legacy-Games, wo die "Story" mit jedem Mal Spielen unabänderlich und emergent voranschreitet.
« Letzte Änderung: 20.11.2020 | 08:15 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline felixs

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #38 am: 20.11.2020 | 08:04 »
So wie 6 schreibt denke ich es auch.

Für Deutschland ist vermutlich DSA als archetypensetzende Weltbeschreibung noch wichtiger, bzw. einflussreicher, als D&D.

Nicht umsonst nimmt ein großer Teil deutsche retro/OSR-Sachen ja Bezug auf DSA.
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Offline Issi

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #39 am: 20.11.2020 | 08:24 »
Fragen zur Diskussion

– Inwiefern geht da mehr? Sind "D&D in besser" und "Bekanntes Medium + Interaktivität" wirklich schon der Höhepunkt des Rollenspiels? Oder steht in der Interaktivität mehr Potenzial?
– Lohnt sich vielleicht ein Blick zu dem, was andere interaktive Medien tun, bspw. Videospiele? (Wobei man da definitiv denselben Effekt beobachten kann.)
– Welche Rollenspiele passend explizit NICHT in diese beiden Kategorien, fühlen sich also nicht wahlweise wie D&D oder wie Filme/Serien/andere Medien an, sondern wie etwas betont EIGENES?
– Ist die Prämisse dieses Threads vielleicht einfach nur Bullshit? Rant away!
Nur mein 0,5 Cent:
(Habs vor ein paar Jahren glaube ich schon mal geschrieben)

Rollenspiel darf sich schon wie ein Film anfühlen. Aber am Besten wie einer, der bei Spielbeginn noch nicht abgedreht ist.
Was D&D mMn. dabei gut kann?- Es gibt wenig vor, "wie" man eine Geschichte zu spielen hat.
A. Das ist für Spieler, die selbst eine Geschichte aufziehen können, und selbst kreativ werden wollen,- mMn. durchaus ein Vorteil.
Die Geschichte wird freier- Es gibt viel mehr Möglichkeiten, das auf die Figuren zu zuschneiden.
(Dass viele das auch nicht machen, weil sie vielleicht nicht wissen wie- oder schlicht und einfach lieber durch Dungeons laufen und Monster klopfen, ist die andere Sache- Aber möglich wäre es sogar mit-DSA 1- eine Art  "Kinoerlebnis" zu bekommen. )
B. Für Spieler, die sich da lieber von einem Spiel selbst inspirieren lassen wollen (Von den dort angebotenen Story-Werkzeugen), ist das eher ein Nachteil. - Die wählen dann vielleicht ein Spiel, das schon gezielt in eine ganz bestimmte Richtung geht. In dem Fall: Story- Und alles nötige dafür mitbringt.
Nachteil, den ich dennoch sehe: Man hat dafür nicht die selbe Freiheit Geschichten zu erschaffen, wie in Spielen ohne jedes Storywerkzeug.

Des einen Bug ist des anderen Feature.

Will damit sagen: Bei D&D kommt es darauf an, was Du daraus machst. (Du kannst mit dem Regelsystem auch Highdrama spielen oder ein Kammerspiel)- es zwingt dich niemand damit nur Monster abzuschlachten. Die Priorität setzen die Spieler selber.
Mit Spielen, die diese Priorität bereits gesetzt haben, hast du diese Entscheidung nicht.

Edit.
MMn. Zwei der wichtigsten Grundsätze von Rollenspiel:
1. Man spielt Rollenspiel nicht Gegeneinander sondern Miteinander.
2. Wenn ich ein Spiel erfolgreich spielen kann, ohne eine Rolle zu spielen, dann ist es keines.
« Letzte Änderung: 20.11.2020 | 10:29 von Issi »

Offline La Cipolla

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #40 am: 20.11.2020 | 08:24 »
Die Frage, "was denn noch ein Rollenspiel" ist, spielt da definitiv eine interessante Rolle! Ich denke, dass wir als Medium diese Grenzen nicht nur selbst gesteckt haben, sondern sie auch regelmäßig selbst brechen (Jiba nennt ja einige Beispiele), sofern sie nicht sowieso völlig schwammig sind. Um nur mal beispielshaft genauer auf den Bereich Social Deduction einzugehen ...
Würden System Matters ein klassisches Set an Krimi-Dinner-Material im Rahmen der kleinen Reihe veröffentlichen, würde sich niemand beschweren, dass das kein Rollenspiel ist. Wären die Werwölfe von Düsterwald zuerst aus der Forge gekommen, würden wir die heute zu 100% als Rollenspiel betrachten.
Wie gesagt, die Definitionsfrage ist interessant, aber ich vermute, dass wir uns zu sehr von ihr einschränken lassen. (Dann wiederum ... kA ob das Krimidinner nicht schon von verkappten Rollenspieler*innen erfunden und einfach nur anders gelabelt wurde. :D Vielleicht bin ich hier wieder der, der sich von der Definition einschränken lässt.)

In dem Sinne auch noch mal zu Jibas Überlegung: Der genaue Stammbaum ist sicher richtig, für mich aber auch kein waaahnsinnig spannender Teil der Gesamtfrage hier. Meine Idee ist ja nur, dass der "klassische D&D-Duktus" praktisch der einzige Teil des Mainstreams ist, in dem es nicht VORRANGIG um das Simulieren anderer Medien geht. Traveller, Shadowrun und Vampire sind für mich im Kern immer noch eine Mischung aus diesem D&D-Duktus und dazu eben dem Bedürfnis, andere Medien zu simulieren ("eine Geschichte zu erzählen" – aber halt ganz stark im Stil anderer Medien).
DASS es genügend Gegenbeispiele gibt, hab ich ja erwähnt, aber das ist üblicherweise nicht das, was im Indie-Bereich megaerfolgreich wird. Das sind eher Fiasco, Fate, PbtA etc. – in meinen Augen ganz starke Versuche, andere Medien nachzuempfinden.

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #41 am: 20.11.2020 | 08:38 »
Nicht die Medien selber, sondern die Welten dieser Medien. Du bekommst halt Werkzeuge und Regeln an die Hand, die es Dir ermöglichen diese Welten (und nicht das Medium selber) so zu erleben, wie sie Dir in anderen Medien vorgestellt werden.
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #42 am: 20.11.2020 | 09:03 »
Und dann eben pauschal zu sagen: "Moderne Indies sind immer noch selbstbewusst sehr anders als D&D" – das ist für mich als würde man sagen "Moderner HipHop grenzt sich selbstbewusst vom Blues ab." Oder "Moderner Actionfilm grenzt sich selbstbewusst vom 50er-Jahre Film Noir ab." Das ist alles nicht falsch. Aber so richtig richtig ist es auch nicht. Die Triebfedern für die Abgrenzung liegen nicht in D&D begründet, sondern in anderen Rollenspielen. Fate ist keine Antwort auch D&D. Ich würde sagen es ist eine Antwort auf GURPS. Und Monsterhearts und Liminal? Die antworten auf Vampire. Sogar Vampire 5 antwortet auf Vampire.

Richtig, aber jedes neue Fantasy-Rollenspiel (zumindest wenn es irgendwie anders ist) ist schon eine implizite Zurückweisung von D&D bzw. DSA.



Spiele können aber auch vorrangig kompetitiv sein (Mensch ärgere dich nicht), sie können vorrangig unseren Sammlerdrang ansprechen (Pokemon), sie können einfach Spaß an Humor und Randomness erzeugen (Twister).

Sammlerdrang ist auch kompetetiv. Paranoia erzeugt Spaß und Randomness. Aber das ist mehr ein Setting-/Weltengenre.

[...]klar erzählen die Con-Dungeons, die mit Bestenlisten gespielt wurden, irgendeine Geschichte im Sinne von „emergent Storytelling“, aber das ist nicht der Grund, aus dem man die gespielt hat.
[...]
Ich will nur mal infragestellen, ob es abseits dieser scheinbaren Extreme nicht auch andere Richtungen gibt, in die man sich hätte bewegen können — und ob der Fokus auf wahlweise klassisches D&D oder aber „Geschichten erzählen“ uns nicht künstlich einschränkt.)

Ich sage ja, dass es einen Dreiklang, keine Dichotomie, gibt. Ob im Sinne von Threefold oder GNS ist egal. Hârnmaster ist eine Zurückweisung von D&D - quasi aus Historischer-Pseudorealismus-Gründen. Apocalypse World ist, meinetwegen, eine Zurückweisung von Cyberpunk 2020 - weil es ganz konkret Geschichten erzählen will, die sich daraus ergeben, wenn ein Machtgleichgewicht in einer post-apokalyptischen Welt plötzlich gestört wird. Traditionelle Rollenspiele liefern da nur wenig Unterstützung, denn die Geschichten ergeben sich in diesen Welten nur emergent aus der Weltensimulation (die zudem nicht sehr genretreu sein muss).

Sehen wir es doch mal so: ein Autor einer Fantasy-Geschichte muss sich ja auch entscheiden wie realistisch-plausibel er/sie die Geschichte schreibt oder wieviel er/sie es aufhübscht und durch nicht vollständig plausible Dramatisierung sexy macht. Im Rollenspiel kommen dazu eben noch interaktive Spiel-Elemente hinzu - Fragen, zB nach dem Herausforderungsgrad einer Szene oder der Wahlfreiheit für die Spieler.

Und innerhalb dieses Dreiklangs (Spiel, Simulation, Story) gibt's eben unterschiedliche Präferenzen.
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KotBL spielt auf Ilethra, einer Welt in der es keine guten Götter gibt.

Offline Issi

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #43 am: 20.11.2020 | 09:16 »
Traditionelle Rollenspiele liefern da nur wenig Unterstützung, denn die Geschichten ergeben sich in diesen Welten nur emergent aus der Weltensimulation (die zudem nicht sehr genretreu sein muss).
Es stimmt, dass da bei traditionellen Rollenspielen kein spezieller Fokus bzgl. Story gesetzt wird.
Dass sich die Geschichten ausschließlich aus der Weltsimulation ergeben, sehe ich jedoch nicht so.
Es gibt ja
A.- Die Möglichkeit nur das Regelsystem zu verwenden, und das dann auf jede beliebige Fantasy/ TV- Welt oder auf was eigenes anzupassen.
B. - Einfach das Setting ensprechend der eigenen Wünsche anzupassen.- Gut manche Welten haben wesentlich mehr weiße Flecken als andere.
---Aber prinzipiell kenne ich kaum eine Rollenspiel Gruppe, die ein und dasselbe Setting auf die gleiche Art und Weise bespielt.
Es wird wahrscheinlich unzählige Versionen "Aventuriens" und unzählige Versionen der "Forgotten Realms" geben.
Die persönlichen Wünsche der SPL nach bestimmten Geschichten, lassen sich dort durchaus auch verwirklichen.

Edit.
Wenn ich jetzt mal zum Beispiel das DSA 1 Regelsystem bzw. Charakterblatt nehme, könnte ich damit theoretisch auch Abenteuer in Hogwarts erleben.
Die Zaubersprüche wären dann natürlich andere: "Lumos" statt "Flimm Flamm Flunkel."
« Letzte Änderung: 20.11.2020 | 10:04 von Issi »

Online Colgrevance

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #44 am: 20.11.2020 | 10:03 »
Ich mache mal eine Tangente zum Eingangsbeitrag auf, den ich ziemlich spannend finde, zu der Frage: Wie kommen wir überhaupt darauf, dass Rollenspiele bestimmte andere erzählende Formen (Film, Fernsehserie, Comic, Roman, Kurzgeschichte) "simulieren" sollen?
[...]

Lieber spät als nie, daher: Super Beitrag!  :d

Offline Lord Verminaard

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #45 am: 20.11.2020 | 10:31 »
Ich werfe mal noch eine Beobachtung ein: Fast alle Posts gehen davon aus, dass Rollenspiele eine Geschichte erzählen sollen.

Obacht, wenn du anfängst, in diese Richtung zu diskutieren, hast du bald einen Kitchen-Sink-Thread in dem über wirklich ALLES gleichzeitig diskutiert wird. ;) Letztendlich schmeißt du ja sowohl bei den "alten" als auch bei den "neuen" Systemen ganz viel zusammen, was sich kaum zusammenschmeißen lässt, alleine schon D&D und CoC.

Ich finde das Thema trotzdem ganz witzig und möchte ein paar ungeordnete Gedanken einfach mal hinein werfen.

1) Schnell und fetzig und irgendwie cinematisch zu sein, trifft auch auf D&D 4E und D&D 5E zu. Savage Worlds und D&D5 haben tatsächlich eine Menge gemeinsam, der Hauptunterschied ist, dass SW stufen- und klassenlos ist. Stufen- und klassenlose Systeme sind aber wahrlich keine neue Erfindung. Worauf ich hinaus will: D&D beschreitet selber bereits diesen Weg, nach dem du gefragt hast, und wenn du mich fragst, ist D&D 5E da bereits eine ziemlich anständige Synthese. Und ja auch sehr erfolgreich.

2) Der Versuch, ein spezifisches Medium zu simulieren, das war doch eher so diese Cinematik-Schiene Anfang der 2000er, wo man dann wirklich am Spieltisch so Sachen gesagt hat wie "die Kamera schwenkt über..." oder "wie sehen in Superzeitlupe, wie..." Einige machen das vielleicht heute noch, ist aus meiner Sicht eher ein Gimmick als wirklich ein Spielstil. Bei dem Phänomen, das du versuchst zu beschreiben, geht es weniger um ein spezifisches Medium als vielmehr um einen spezifischen Plot.

3) Genau wie wir bei Netflix und Disney uns die Köpfe einschlagen können über das, was die für einen gelungenen Plot halten, können wir es natürlich auch beim Rollenspiel. Je einfacher das Modell, sei es nun Regelwerk oder Spielleitertipp, mit dem versucht wird zu beschreiben, wie ein Plot auszusehen hat, desto unterkomplexer ist natürlich auch das, was rauskommt. Es werden dann archetypische Bilder oder Sequenzen generiert, die einen hohen Wiedererkennungswert besitzen, aber denen es möglicherweise an Sinn, Tiefgang und Bedeutung mangelt. Dabei hat die Methode Rollenspiel alles, was es braucht, um Plots mit Sinn, Tiefgang und Bedeutung zu erspielen. Formularhafte Story-Game-Regeln sind dabei aber nicht hilfreich, generell sind Spielregeln dabei nur bedingt hilfreich, klassisch simulierende Regelwerke können jedoch manchmal tatsächlich einen Beitrag leisten, indem sie für Plausibilität und Konsistenz sorgen.

4) Die Idee, dass man auch Plot und Spiel zusammen schmeißen könnte und dass das gar kein Widerspruch sein muss, ist letztlich nichts anderes als die Überwindung des Kohärenz-Gedankens der Forge. Herzlichen Glückwunsch! Du hast Rollenspiel verstanden. ;D
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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #46 am: 20.11.2020 | 14:03 »
Nicht die Medien selber, sondern die Welten dieser Medien. Du bekommst halt Werkzeuge und Regeln an die Hand, die es Dir ermöglichen diese Welten (und nicht das Medium selber) so zu erleben, wie sie Dir in anderen Medien vorgestellt werden.

Yep. Wenn ich Lovecraft-Horror spielen möchte (wobei man sich über die genaue Definition und die Punkte, die man daran persönlich am interessantesten findet, auch noch streiten kann, wenn man will), dann impliziert das eben nicht automatisch auch gleich eine Emulation der Medien "Buch" bzw. "Pulp-Magazin", aus denen wir die Originalwerke typischerweise so kennen.

Und wenn das Regelwerk dann unbedingt meinen sollte, ein paar Zeilen auf das Ansprechen von HPLs spezieller Prosa verwenden zu müssen, dann würde das wahrscheinlich auch eher ein augenzwinkernder Gag für Eingeweihte denn ein todernst gemeinter "Emulationsanreiz" sein. ;)

Nachtrag, weil's mir gerade spontan durch den Kopf geschossen ist: es mag sogar sein, daß "Medienemulation" schon von der Idee her mindestens teilweise ein Holzweg ist. Die wenigsten Medien zielen ja normalerweise überhaupt darauf ab, Aufmerksamkeit auf sich selbst und ihre genaue Form zu lenken, sondern versuchen ihr Publikum "nur" mit den ihnen zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln möglichst gut in ihre Erzählung zu ziehen -- da wären spontane Erinnerungshinweise der Art "Hey, ich bin ein Buch!" oder "Guten Tag. Sie sehen gerade den Film XYZ..." in der deutlichen Mehrzahl der Fälle also ohnehin nur fehl am Platz. Wenn mir also jemand erzählt, eine gute Rollenspielsitzung wäre "fast wie im richtigen Film!" gewesen, dann meint er vermutlich von vornherein weniger die gekonnten Kamerafahrten und Spezialeffekte und mehr die schlichte Handlung und das, was daraufhin in seinem persönlichen Kopfkino abgelaufen ist.
« Letzte Änderung: 20.11.2020 | 14:25 von nobody@home »

Offline tartex

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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #47 am: 20.11.2020 | 17:20 »
Yep. Wenn ich Lovecraft-Horror spielen möchte (wobei man sich über die genaue Definition und die Punkte, die man daran persönlich am interessantesten findet, auch noch streiten kann, wenn man will), dann impliziert das eben nicht automatisch auch gleich eine Emulation der Medien "Buch" bzw. "Pulp-Magazin", aus denen wir die Originalwerke typischerweise so kennen.

Ich zitiere mich mal selbst zu aus dem Vorjahr zu Lovecraft-Emulation:

Mein Lovecraft-Lektüre fördert eigentlich viel Action zu Tage - halt aus der Distanz. Dasselbe könnte man allerdings auch über Dialoge zwischen Charakteren bei Lovecraft sagen. Es gibt viele Gespräche in den Lovecraft-Geschichten, aber auch nicht in der direkten Rede - sondern aus der Distanz.

Das könnte man dann konsequent in Rollenspiel-Runden auch als Stilmitteln fordern: wenn es SC-NSC-Dialoge (oder SC-SC-Dialoge) in direkter Rede gibt, ist es nicht wirklich Lovecraft.

(Die Distanz ist es übrigens, die Lovecrafts Stil für mich ausmacht. Deshalb fand ich den als Teenager auch nur schnarchig und habe ihn erst später zu schätzen gelernt, als ich nicht mit der Erwartung ranging mich zu gruseln, sondern einfach was altmodisches, traumartiges lesen wollte.)

Kann man sicher machen, gibt es allerdings wohl noch nicht als Spiel.
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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #48 am: 20.11.2020 | 17:28 »
Kann man sicher machen, gibt es allerdings wohl noch nicht als Spiel.
Doch. Natürlich. Es gibt doch De Profundis.
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Re: Der "Indie-Mainstream" als Reaktion und was da noch so ginge
« Antwort #49 am: 20.11.2020 | 17:31 »
Doch. Natürlich. Es gibt doch De Profundis.

Ich habe es irgendwie rumliegen, kann mich aber nicht erinnern, dass es Regeln im klassischen Sinn hatte.
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