Ich finde erst einmal die allgemeine Aussage “Das ist Rotz, das braucht kein Schwein!” generell abwertend, da du damit allen Personen, die daran ihre Freude haben oder einen Nutzen sehen, ziemlich absprichst. “Ich kann damit nichts anfangen, SL-Punkte sind einfach nichts für mich” ist eine viel treffendere und freundlichere Aussage. Und dem würde ich auch gar nicht widersprechen, das steht dir zu. Noch weniger will ich dich überzeugen.
Wenn man Regeln als schlecht empfindet, dann sollte man das auch genau so sagen dürfen. Darüber hinaus werte ich niemanden ab, der die Regeln dennoch nutzt- denn es steht ja jedem frei, das trotz meiner Ansicht zu tun.
Sind sie zwingend für jedes Spiel notwendig? Nein. Brauch ich sie als Rechtfertigung, um grundlegend Dinge zu machen? Nein. (Übrigens weder bei Dune noch bei Coriolis.)
Im ersten Punkt gebe ich Dir Recht, im Zweiten widerspreche ich: Du brauchst sie, um (als SL) gewisse Dinge damit "bezahlen" zu können. Wenn du also irgendeine Situation "triggern" oder eine Konsequenz ableiten oder verschärfen willst, dann brauchst du dafür diese besagten Punkte. Hast du sie nicht bzw. zu wenig davon, fehlt dir somit die entsprechende Rechtfertigungsgrundlage.
Sie sind Eskalationspunkte. Ich kann die Szene so spannend gestalten, wie ich will; mit ihnen habe ein ein messbares Werkzeug, sie noch spannender zu machen. Das ist alles. Dafür benutze ich sie. Und in beiden Beispielen haben sie eine weitere Funktion: Die mechanische Abbildung von Konsequenzen.
Und genau darin liegt imho das Problem. Stichworte: Messbares Werkzeug und mechanische Abbildung von Konsequenzen.
Gleichzeitig sorgt die Sichtbarkeit der Punkte für eine gewisse dramatische Immersion: Spieler:innen sehen, dass es schlimmer wird, bevor es besser wird.
Das mag für Dread (mit seinem Jenga-Turm) sicherlich zutreffend sein -und da weiß ich auch, dass es da sehr gut funktioniert. Bei anderen Systemen hege ich da gewisse Zweifel.
Kann ich das auch mit anderen Mitteln erreichen? Klar. Sind diese besser oder schlechter als SL-Punkte? Nein, nicht generell. Nur für dich sind sie anders. Und wie gesagt: Ich will dich nicht überzeugen. Wenn du mit etwas anderem glücklicher bist und es für dich und deine Mitspielenden besser funktioniert, ist das toll. Ich für meinen Teil habe sie in gewissen Kontexten zu schätzen gelernt; ebenso brauche und vermisse ich sie in anderen Kontexten gar nicht.
Natürlich kann man das auch mit anderen Mitteln erreichen. Und ob diese dann besser oder schlechter als besagte SL-Punkte sind, muss jeder selbst entscheiden. Zumal sich die Frage bei Systemen ohne SL-Punkte eh ohnehin nicht stellt.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Grundsätzlich begrüße ich es, wenn es in einem System "Gummipunkte" gibt. Ganz egal, ob das nun Momentum bei 2D20, Glückspunkte bei WarHammer oder die Bennies bei Savage Worlds sind. Und ich lehne auch diese Punkte auf SL-Seite nicht kategorisch ab. Ich als SL brauche sie zwar nicht zwingend für meine NSCs, bin also nicht "neidisch" , wenn in einem System nur die Spieler solche Punkte (für ihre Charaktere) zu Verfügung haben (wie z.B. in Warhammer Fantasy). Ich habe aber auch kein Problem damit, wenn es diese Punkte auf beiden Seiten des Tisches gibt. Wenn die Einsatzmöglichkeiten und Verwendungszwecke für diese Punkte
adäquat sind, sprich: sich gut ins System und ins Setting einfügen. Wie es z.B. bei Deadlands:Classic der Fall ist. Super! Was ich aber halt in der Hinsicht überhaupt nicht mag, ist, wenn z.B. Coriolis mir vorschreibt, dass ich (etwas überspitzt formuliert) 3 Finsternispunkte ausgeben muss, um spontan einen Gegner auftauchen zu lassen.
Das ist für mich dann nicht mehr spielspaßfördernd sondern -ganz im Gegenteil- : massiv einschränkend, was meine Handlungs-und Gestaltungsfreiheit als SL anbelangt.