Autor Thema: Anatomie des Rückschlags  (Gelesen 9258 mal)

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Offline Lord Verminaard

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #25 am: 14.01.2021 | 20:12 »
Die Verräter-Sache ist halt auch so anfällig, weil es eben leicht auch als ein Fehler/Versagen der Spieler dann erscheint, ihn nicht enttarnt zu haben. Und das gilt eben sogar bei erzählerischem Spiel, wenn man es so aufzieht, dass die Spieler nicht wissen oder ahnen, dass es einen Verräter gibt. Das Problem ist hier auch die so unklare Erwartungshaltung an die Spieler: Sollen sie den Verräter enttarnen oder nicht? Oft scheint die Erwartung zu sein: Sie sollen es nach besten Kräften versuchen, sollen es aber nicht schaffen (können), sollen also, mit anderen Worten, verlieren, und das dann gut finden. Und da wohnt halt schon eine Menge Dysfunktionalität in diesen Annahmen.

Hinzu kommt ja noch, dass gerade im erzählerischen Spiel und gerade bei dramaturgischem Leitstil die Spieler ja zugleich auch irgendwo vom SL dirigiert werden. D.h. gerade im Verräter-Plot ist es dann auch unklar, ob eine Ungereimtheit einfach nur eine Ungereimtheit ist, die man als großzügiger Spieler durchgehen lassen sollte im Interesse des Plots, oder ob eine Ungereimtheit ein Hinweis auf einen Verräter sein soll. Ich wundere mich da eben vor allem über den SL, weil er einerseits so offensichtlich dramaturgisch leitet, und andererseits so übergroßen Wert darauf legt, es so erscheinen zu lassen, als täte er genau das nicht.

@Buddz: Eine In-Game-Lösung gibt es dafür nicht, ich habe auch keine gesucht.
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #26 am: 15.01.2021 | 14:37 »
Weniger Metagaming wäre ein Teil der Lösung. :P Ich würde als Spieler Unstimmigkeiten immer addressieren wollen, dann kann mir der SL ja zur Not immer noch signalisieren, dass hier einfach nur der Plot etwas wackelig ist oder so.

Spielerversagen gehört mit zum Spiel, es sein denn man will alle Szenarien nur im Leicht-Modus spielen. Ist ja auch langweilig. Wichtig beim herausforderungsorientiertem Spiel ist für den SL nur (intern) die Wetteinsätze/Stakes zu setzen und eine klare Vorstellung davon zu haben, welche Kriterien der Ausgang der Herausforderung/Challenge letztlich entscheiden: Was müssen die Spieler grob machen, um den Verräter zu enttarnen bzw. mit welchen Mitteln können sie es überhaupt?

Dabei hängen beide Komponenten zusammen: es ist zB nicht fair, schwierig zu bestehende Herausforderungen mit einem möglicherweise katastrophalen Ausgang zu verbinden.

Das alles betrifft übrigens uU auch einen eher erzählerischen Spielstil, insofern die SPL einen favorisierten Fortgang der Geschichte haben.
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Offline Derius

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #27 am: 17.01.2021 | 14:19 »
Und in der Fiktion: Was für eine Funktion haben Rückschläge dramaturgisch und welche Art von Rückschlag stellt eigentlich einen Gewinn dar? Die meisten gängigen Plot-Modelle werden dir sagen, dass eine Geschichte, in der der Protagonist in jeder Szene bekommt, was er will, eine dumme und langweilige Geschichte ist. Aber genauso werden sie dir sagen, dass eine Geschichte, deren Ausgang durch die Entscheidungen und Handlungen des Protagonisten gar nicht beeinflusst wird, eine dumme und frustrierende Geschichte ist.

Ach, ich kann mir da vielerlei vorstellen. Es muss nur gut/schön gemacht sein. Man stelle sich eine vom Finsteren beherrschte Welt vor, in der schon längst jeder in Angst und Schrecken lebt, den Kopf einziehend um ja nicht noch mehr abzubekommen. Doch ein Mann schöpft Mut und Hoffnung und stellt sich der schier unbesiegbaren Finsternis entgegen. Der Kampf erscheint aussichtlos und dennoch begegnet der mutige, hoffnungsvolle Mann ihm erhobenen Hauptes. Heldenhaft stürzt er sich in den Kampf und wird besiegt. Natürlich unterliegt er, was sollte er alleine denn auch gegen die übermächtige Finsternis ausrichten können? Seine sterbliche Überreste werden verscharrt und die Finsternis beherrscht weiter das Land.
Könnte das nicht eine gute Geschichte sein? Obwohl der Ausgang der Geschichte, jedenfalls der großen Ganzen, nicht wirklich von den Handlungen des Protagonisten beeinflusst wurde? Ich finde schon.

Genauso auch mit Rückschlägen in P&P-Runden. Erst kürzlich sind meine Spieler bzw. deren SC, die vorher vom Erfolg verwöhnt waren, an einer Herausforderung krachend gescheitert. Ich hatte das so nicht direkt geplant, es aber kommen sehen. Und es war toll. Es führte zu schönem Charakterspiel und einem guten Management der vorhandenen Ressourcen (sie zogen sich zurück, hatten davor schon einen Zwischenerfolg erreicht, den sie nutzten, um sich besser vorzubereiten etc.), sodass sie die Herausforderung beim zweiten Anlauf meisterten und da waren sie dann doppelt stolz und froh.

Das ist nun nicht das gleiche wie die Sache mit dem Verräter, doch ich hoffe stark, dass sie mit so etwas ähnlich gut umgehen. So etwas in der Art habe ich für die fernere Zukunft der Runde nämlich schon angedacht. Mal sehen. Jedenfalls halte ich Rückschläge, auch in P&P-Runden, für eine außerordentliche gute Sache.

Offline Blechpirat

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #28 am: 28.04.2021 | 09:56 »
Mich hat das Thema noch nicht losgelassen, deshalb hole ich es jetzt mal von den Toten zurück.

Ich denke nämlich, dass wir als Rollenspieler ohnehin generell ein Problem mit dem Scheitern haben. Wenn wir jetzt mal Spiele im Stil der OSR weglassen, dann stellen ich fest, dass die Spiele im Laufe der Zeit immer größeren Schutz vor dem (endgültigen, aber auch kurzfristigen) Scheitern der Gruppe eingezogen haben. TPKs sind eben nur für eine Subgruppe der Rollenspieler eine Spaßquelle. Ich meine mich zu entsinnen, zu D&D 3.5-Zeiten einen Paizo Adventurepath durchgespielt zu haben, ohne ernsthafte Niederlagen erleben zu "müssen" - so sehr war das System auf den Spielererfolg ausgelegt. Und das trotz eines SL, der die Gegnerwerte schon verbessert hatte.

Generell wird man deshalb bei der Betrachtung der meisten Regelwerke wenig dazu finden, wie man sich einer Konfliktsituation entzieht, die man nicht gewinnen kann. Weil Kämpfe/Konflikte eben nicht verloren werden sollen. Oft genug ist Rollenspiel - wie z.B. der Spielfilm auch - nur ein Vorspielen der Ungewissheit des Ausganges, denn am Ende sollen die Helden natürlich gewinnen. Is halt doof, wenn Frodo mit dem Ring zum Bösewicht wird.

Und da wir (historisch) meistens kriegerische Konflikte in den Mittelpunkt stellen, ist eine Niederlage eben auch besonders schmerzhaft, weil der Preis der Niederlage der Charaktertod ist. Den gilt es dann zu vermeiden, wenn man komplexere Charakterbeziehungen aufbauen möchte, die viele Spielsitzungen erfordern.

Rückschläge kann man aber mechanisch so abbilden dass sie spannend werden: Meine aktuelle Lieblingsmechanik dazu ist "Hot Lead" aus Nights Black Agents. Das ist ein Punktekonto, das beschreibt, wie viel Zeit man hat bis die überlegene Gegenseite einen findet und angreift. Mit bestimmten Aktionen kann man (sehr mühselig) Punkte auf das Konto erspielen, aber fast alles andere kostet Punkte: Ausruhen, Heilen, Ermitteln, etc. Das erlaubt spannende Entscheidungen - da hinten wissen wir noch von einer interessanten Szene, die uns ggf. Informationen bringen könnte oder den Gegner schadet - aber dann werden wir angegriffen und das können wir uns gerade nicht leisten. Also fliehen wir lieber um so einen Punkt aufs Konto zu bekommen. Das ist eine Form des Scheiterns, die nicht die PCs inkompetent wirken lässt, sondern die Kompetenz der Opposition betont. Und vor allem Konsequenzen hat, die nicht spielbeendend sind. Oder man vermeidet eine Kampfszene, weil die Resourcen dafür gerade nicht da sind, weil man nicht heilen konnte. Außerdem fühlt man sich ständig von der Mechanik gehetzt, was sehr on topic ist.)

(Das vom Abenteuer zwingend vorgegebenes Scheitern bei gleichzeitigem Vorspielen der Illusion, es käme auf das Handeln der Gruppe an, gar nicht geht, muss ich wohl nicht betonen.)

Echtes Scheitern ohne (in meinem Fall mechanische) Einordnung können die meisten Spieler, mich eingeschlossen, nicht gut ab. Auch dann nicht, wenn das Scheitern nicht spielbeendend ist. Gibt man ihnen/mir aber einen Anhaltspunkt, wie sich der Rückschlag in die Gesamtlage einordnet, dann können das viel mehr Spieler ab. Es ist eben was ganz anders, wenn man abends aus dem Spielabend mit dem Eindruck kommt
a) Die Orks haben euch brutal in den Arsch getreten, ihr Nullen oder
b) Ihr konntet die Eisenerzmine der Orks nicht zerstören, deshalb haben die Orks bei den Belagerungswürfen gegen die Stadt weiterhin +1

Letztlich gilt aber vermutlich, dass wir uns nicht abends nach der Arbeit noch zum Scheitern verabreden. Das macht Rückschläge so unattraktiv :) Wenn ich mich nach 8 Stunden Arbeit noch zum Rollenspiel aufraffe, dann wäre eben ein positives Gefühl auf dem Heimweg schon nett.

Supersöldner

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #29 am: 28.04.2021 | 10:48 »
Rückschlag ? so wie wenn man die Hexen Ausgerottet hat und dann marschiert eine Werwolf Armee ein ? Obwohl das ist mehr eine neue Kampagne. Oh ich weiß. Spielen als Schergen eines Mächtigen Villain. man wird oft scheitern wenn man zb von einem Helden verprügelt wird oder im Krankenhaus/Knast landet. Doch wer durchhält sammelt auch Erfolge an. irgendwann bist du vielleicht der Veteran mit den Narben der die neuen Schergen an ihrem Ersten Tag begrüßt und zu dem sie aufschauen.Künstliche Rückschläge müssen nicht sein in einem /Normalen/ Spiel .   Aber wenn die Sc einen Fehler Machen oder die Würfel fallen kann so was Passiren. Künstliches verhindern von  TPK ist Schummeln und Verletzung von NSC Rechten. Die Sc zu töten und zu Fressen (bei einem Monster) oder sie zu Töten und seine Bösen Pläne weiter zu Führen (bei Klügeren Wesen ) ist nun mal die wichtigste Freude im leben eines Villain. Und so wurde der NSC nicht nur zum Schlachten erschaffen es ist ...besser. So wie den Löwen nicht mit Drogen zu Schwächen und kein Sturmgewehr mit auf die Jagd zu Nehmen. 

Offline unicum

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #30 am: 28.04.2021 | 10:51 »
Ich denke nämlich, dass wir als Rollenspieler ohnehin generell ein Problem mit dem Scheitern haben.
...
Letztlich gilt aber vermutlich, dass wir uns nicht abends nach der Arbeit noch zum Scheitern verabreden. Das macht Rückschläge so unattraktiv :) Wenn ich mich nach 8 Stunden Arbeit noch zum Rollenspiel aufraffe, dann wäre eben ein positives Gefühl auf dem Heimweg schon nett.

In der Hinsicht ist es merkwürdig das ich - auch wenn es schon Jahre her ist - immer noch von zwei Spielern angesprochen werde ob ich mal wieder was leiten würde,...
die beiden haben in einer Kampange mitgespielt welche in einem absoluten Debakel endete,...  (TPK - die Bösen übernehmen die Welt)

Ich mag es auch nicht wenn ich das gefühl habe vom SL etwas geschenkt zu bekommen.

Das oben auch postulierte "NSC-Verrätertum" ist für mich kein großes Problem.

Offline Settembrini

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #31 am: 28.04.2021 | 11:22 »
Zitat
Ich meine mich zu entsinnen, zu D&D 3.5-Zeiten einen Paizo Adventurepath durchgespielt zu haben, ohne ernsthafte Niederlagen erleben zu "müssen" - so sehr war das System auf den Spielererfolg ausgelegt. Und das trotz eines SL, der die Gegnerwerte schon verbessert hatte.

Weil Du harte Strategie- und Taktikveteranen als Begleiter hattest! Die z. B. mit ihren Horden von Untoten die Kastanien ein ums andere mal aus dem Feuer geholt haben! Das sei nicht verschwiegen!

Oder Dragotha geschickt mit 1000l Weihwasser benetzten! Jaja! Sei nicht unerwähnt! ;D
Oder immer genug Heilung dabeihatten und fein ausbaldowerte Spruchrollenlisten geführt haben oder Ranger, die mehr Schaden mit Ihren Bögen als sturmangreifende Pegasusreiter machten...
DA STECKTE VIEL ARBEIT DRINNE und der HERR ASTERIX ELF sagt das sei "das System" gewesen!  ~;D
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Offline Blechpirat

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #32 am: 28.04.2021 | 11:45 »
DA STECKTE VIEL ARBEIT DRINNE und der HERR ASTERIX ELF sagt das sei "das System" gewesen!  ~;D

Tja, für den Laien sieht es leicht aus, weil er einfach nicht über die vertieften Kenntnisse verfügt um zu erkennen, welche Meisterschaft nötig ist... :)

Online Maarzan

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #33 am: 28.04.2021 | 11:57 »
Ich sehe das Problem zu guten Teilen auch in der "Verstoryung" des Spiels veranlagt:
Wenn wegen "Drama" es immer um alles gehen muss bis hin zum regelmäßigen Weltuntergang und es eben genau dieses eine alles überlagernde Problem gibt (gerne auch wieder den SC aufgezwungen) , dann kann sich eben keiner eine Niederlage oder auch nur Flucht und Abschreiben des Ziels leisten.

Die häufige Vorstellung auf Spielerseite einen Automatikanspruch auf "strahlender Held"-Status zu haben, sowie die Unsitte gerailroadete Vorabniederlagen auf der anderen Seite des Schirms nach SL-Gusto einzufügen - wieder für "Drama" - , tut dann den Rest dazu -> die spielerische Geschäftsgrundlage und das dazu gehörende Vertrauen auf Fairness und Beteiligung ist weitreichend zerstört.

Beispiel:
Wenn es nur um einen niederschwelligen lokalen Konflikt geht und die Beteiligten  (inkl Spieler) halbwegs rational sind, kann man auch aufgeben und dem Gegner hier den Sieg überlassen. Reden wir von einem katastrophalen Ende der zumindest lokalen Welt, wie sie bisher bestand, dann ist dass eben keine Option mehr.
Auch muss ein rechtzeitiger Missionsabbruch möglich sein und darf nicht als "Plotverweigerung" railroaderisch verhindert werden.
« Letzte Änderung: 28.04.2021 | 12:18 von Maarzan »
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline unicum

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #34 am: 28.04.2021 | 12:11 »
Kann ich mit der X-Card auch so einen Rückschlag verhindern?

Offline Jiba

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #35 am: 28.04.2021 | 12:24 »
Und unser tägliches "Diese Story-Drama-Tradition ist an allem Schuld!" gib uns heute...  ::)

Ein Gegen-Katechismus:
- "Drama" und "Story" sind zwei voneinander zu unterscheidende Aspekte im Rollenspiel: Stories kommen überall raus und eine Konzentration auf eine (vorgefertigte) Story kann sogar wahnsinnig drama-arm sein. Viele Pathfinder-Abenteuerpfade sind zum Beispiel sehr storygetrieben, sehr linear, aber um zwischenmenschliches Drama geht es überhaupt nicht. Stories können "Drama" enthalten, müssen das aber nicht.
- Ob ein Spiel fair, offen und beteiligend abläuft, liegt an der Gruppe und ihrer Kommunikation, nicht an der Prävalenz von Story oder Non-Story.
- Tatsächlich benötigen Drama-Rollenspiele einen höheren Absprachelevel, um gut zu funktionieren – deshalb sind so viele davon auch SL-reduziert, -alternierend oder -los.
- Bei den meisten "Drama"-Rollenspielen geht es eher um "Persönliche Konflikte" – worauf du mit deinem Weltuntergang anspielst, ist "Epicness", da geht es dann um alles. Das ist aber gute alte Fantasytradition, die du wirklich nicht den narrativen Spielern vorhalten kannst.   
- Kann natürlich sein, dass du hier "(Action)-film-dramaturgisch" meinst und dazu dann "Drama" sagst, aber das ist eine ganz andere Rollenspieltradition als "storygetrieben"; storygetrieben waren evtl. DSA, sicherlich die oWoD; film-dramaturgisch getrieben waren hingegen 7th Sea oder Feng Shui oder Wushu... und die haben deutlich weniger mit Railroading oder sowas gearbeitet.
- Viele Rollenspieler, die mit Fokus auf "Drama" spielen, zelebrieren das Scheitern ihres Charakters regelrecht; in moderneren Ausprägungen arbeiten Rollenspiele, die im weitesten Sinne "Drama" sind, auch oft mit Rückschlägen als Teil der Spielmechaniken. Fate hat beispielsweise tatsächlich viele Regeln dafür, Ziele absichtlich nicht zu erreichen, um mechanisch mit Niederlagen zu arbeiten – aufgeben in niedrigschwelligen Konflikten ist sogar der Standard-Modus-Operandi, denn Konsequenzen heilen und Fate-Punkte regenerieren einfach nicht so schnell. Und bei den PbtA-Spielen gibt es oft keine lupenreinen Siege, sondern ständig Kompromisse. Und "you can't always get what you want" finden Dramaspieler in der Regel geil. Dafür spielen sie das überhaupt.
- "Strahlende Helden" sind auch wieder so ein Fantasymotiv und da doch am weitesten verbreitet: Die üblichen Verdächtigen sind hier DSA und SpliMo. Hochprozentige Dramarollenspiele schießen sich eher auf Antihelden, grau-moralische Charaktere oder Opfernarrative ein. Ein echter Dramaheld hat eigentlich immer "Issues".

Wie wär's, schreib mir doch mal, dann trommel ich ein paar coole Dramaleute zusammen und wir zocken eine Runde genuines Dramarollenspiel zusammen, ohne die ganzen Vorurteile und Begriffsverquirkungen. Ist sicher erkenntnisreich.  :)
« Letzte Änderung: 28.04.2021 | 12:26 von Dread Pirate Rooooobert »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #36 am: 28.04.2021 | 12:27 »
Eine gute Story hat ganz sicher Rückschläge. Ich würde allerdings darin zustimmen, dass die anders geartet sind, als bei verstärkt herausforderungsorientierten Runden. Da steckt dann die Idee dahinter, dass die Spielercharaktere als Protagonisten der Story keinesfalls frühzeitig und zufällig ableben sollen, sondern der Tod irgendwie dramatisch sein und die Story vorantreiben muss. Rückschläge finden auf anderer Ebene natürlich statt. Gerade für Dramaspieler sind persönlicher Verlust, Schuld, Trennung oder vergleichbare Themen das Salz in der Suppe.
« Letzte Änderung: 28.04.2021 | 12:30 von Crimson King »
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #37 am: 28.04.2021 | 12:27 »
Ich sehe das Problem zu guten Teilen auch in der "Verstoryung" des Spiels veranlagt: [...]

Ja, aber das ist bekanntlich deine Antwort auf alles. :) Aus meiner Sicht sind dagegen "Spiel als Story" einer- und "Totale Railroading-Tour nach fest vorgegebenem Skript" andererseits noch lange nicht ein und dasselbe, also kann ich letzteres problemlos ablehnen, ohne gleich auch mit gegen ersteres wettern zu müssen.

Ansonsten hat sich an meiner schon früher im Faden beschriebenen Position nichts geändert: daß die Entscheidungen der Spieler und Aktionen ihrer Charaktere möglichst auch tatsächlich konkrete Auswirkungen auf den Rest des Spiels haben sollten, gehört für mich schlicht dazu, und das schließt die Möglichkeit des Scheiterns notwendigerweise ebenso ein wie die eines Überraschungserfolgs im Angesicht einer "eigentlich geplanten" Niederlage. Daß dabei am Schluß aus der "Erzählerperspektive" idealerweise obendrein auch noch etwas herauskommen soll, was sich zumindest auf Groschenheftniveau als so 'ne Art Geschichte verwursten lassen könnte, das aber eben nach Kräften improvisiert und ohne den Versuch, den Ablauf irgendeines "Drehbuchs" erzwingen zu wollen...nun, das ist halt Teil der Herausforderung und klappt mal mehr und mal weniger gut.

Offline unicum

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #38 am: 28.04.2021 | 12:36 »
Ich würde mich nicht so auf das Railroading einschiessen,... ich brauch kein railroading um die Gruppe einen Rückschlag fühlen zu lassen.

Ich muss die NSC nur intelligent spielen - dabei aber natürlich trozdem fair gegenüber den Spielern sein.
In den seltesten Fällen führen auch die ach so geliebten Würfel welche die Geschichte kennen zu einem Rückschlag,... /btw ich hasse diesen Spruch "die Würfel kennen die Geschichte" nachdem "die Würfel" mal die Geschichte in den Lokus getreten haben.


Offline Alexandro

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #39 am: 28.04.2021 | 14:17 »
Wenn die Spieler im Szenario nicht den richtigen "Hebel" finden, um zum Erfolg zu kommen, dann gibt es eben einen Rückschlag. Passiert und ist (imo) nicht das Ende der Welt.

Das finden des Hebels macht mir persönlich Spaß, gibt aber anscheinend einige, die das anders sehen. Es gibt wohl nicht wenige Spieler, die meinen alles mit Ressourceneinsatz und Pseudo-Taktik (die letztendlich nur darin besteht, wann man seine Problemlösungscoupons einsetzt) "brute-forcen" zu können und verstimmt reagieren, wenn der SL das ablehnt.

So auch in meiner ersten Vampire-Runde: der SL hatte den Plot an "Sieben" angelehnt (mit genug Änderungen, dass man auch mit Kenntnis des Films noch von Dingen überrascht werden konnte) - entsprechend war die Motivation des Killers am Ende gefasst zu werden und (idealerweise) von einem der SC getötet zu werden. Was einer der Spieler (keine Kenntnis des Films) auch gerne tat - und dann nicht verstand, warum dies innerhalb des Szenarios nicht als "Sieg" gewertet wurde und die Gruppe dadurch in größere Schwierigkeiten kam.
« Letzte Änderung: 28.04.2021 | 15:20 von Alexandro »
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Settembrini

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #40 am: 28.04.2021 | 14:39 »
Tja, für den Laien sieht es leicht aus, weil er einfach nicht über die vertieften Kenntnisse verfügt um zu erkennen, welche Meisterschaft nötig ist... :)

Ich gebe Dir aber Recht insofern, als daß je tiefer Paizo in die Paths vordrang, desto mehr wandelte sich die Kultur zum "schaffbaren Encounter" bei Empörung seitens der Onlinespielerschaft, sollte dem mal nicht so sein...Encounterisierung was a thing!

Wer gar keine Frustrationstoleranz hatte, der konnte dann 4e spielen, das war so der Gipfel dieser Entwicklung.
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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #41 am: 28.04.2021 | 14:48 »
Ich denke nämlich, dass wir als Rollenspieler ohnehin generell ein Problem mit dem Scheitern haben. Wenn wir jetzt mal Spiele im Stil der OSR normale Rollenspiele weglassen, dann stellen ich fest,

Fixed it for you.  ~;D
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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #42 am: 28.04.2021 | 15:01 »
Wer gar keine Frustrationstoleranz hatte, der konnte dann 4e spielen, das war so der Gipfel dieser Entwicklung.

Schon mal einem Needledrake Swarm in 4e begegnet? Oder drei davon?  >;D

Einer meiner schönsten RPG-Horror-Momente als unser Kleriker in Sekunden zerrissen wurde.  ;D
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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #43 am: 28.04.2021 | 15:06 »
Fixed it for you.  ~;D

Und damit offenbart sich die PESA, bei all dem rebellischen Verve, doch als eine konservative Bewegung. Kein Vorausdrang, keine Progressivität. Nur schnöde, jägerumzäunte Normalität. Rollenspiel, aber normal. Schade, nein danke.  >;D
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #44 am: 28.04.2021 | 15:16 »
Und damit offenbart sich die PESA, bei all dem rebellischen Verve, doch als eine konservative Bewegung. Kein Vorausdrang, keine Progressivität. Nur schnöde, jägerumzäunte Normalität. Rollenspiel, aber normal. Schade, nein danke.  >;D
Ich bin bekannt dafür, nie etwas neues auszuprobieren. Und ich bin stolz darauf, seit 30 Jahren immer nur den gleichen Dungeon zu leiten, mal spiegelverkehrt, mal um 180° gedreht, ohne dass es meine Spieler merken. Alle Monster darin haben die gleichen Stats. Deswegen habe ich hier in dem Forum auch nie etwas beizutragen.
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Offline Jiba

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #45 am: 28.04.2021 | 15:19 »
Ich bin bekannt dafür, nie etwas neues auszuprobieren. Und ich bin stolz darauf, seit 30 Jahren immer nur den gleichen Dungeon zu leiten, mal spiegelverkehrt, mal um 180° gedreht, ohne dass es meine Spieler merken. Alle Monster darin haben die gleichen Stats. Deswegen habe ich hier in dem Forum auch nie etwas beizutragen.
Ach so, das hätte mir auffallen müssen. Mensch, danke für die Klarstellung!  :D
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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #46 am: 28.04.2021 | 15:25 »
Mensch Ghul
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Neulich bin ich dann aber über meinen Schatten gesprungen und wollte Whack Hack ausprobieren. Durfte ich dann aber nicht.  :'(
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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #47 am: 28.04.2021 | 15:33 »
Und unser tägliches "Diese Story-Drama-Tradition ist an allem Schuld!" gib uns heute...  ::)

Ein Gegen-Katechismus:
...

Der Oberbegriff "Story" ist offenbar nicht erschöpfend präszise:

Hier:
https://www.tanelorn.net/index.php/topic,118919.0.html
der Versuch der/ Bitte um Präzisierung. 

Wie wär's, schreib mir doch mal, dann trommel ich ein paar coole Dramaleute zusammen und wir zocken eine Runde genuines Dramarollenspiel zusammen, ohne die ganzen Vorurteile und Begriffsverquirkungen. Ist sicher erkenntnisreich.  :)

Nächste Spielemesse nach Corona?!
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #48 am: 28.04.2021 | 16:28 »
Wer gar keine Frustrationstoleranz hatte, der konnte dann 4e spielen, das war so der Gipfel dieser Entwicklung.

Wir hatten eigentlich immer solide Bodycounts unter den SC mit der 4e. Ein Voll-TPK war nur deshalb nicht drunter, weil die letzte Überlebende es in einen Gang geschafft hat, in den der Drache ihr nicht folgen konnte. Die Bag of Holding mit dem Hort hatte sie auch dabei. Mein Char war da frisch dabei. Die Nummer mit dem Drachen war sein erster Kampf in der Spielrunde und sein letzter.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

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Re: Anatomie des Rückschlags
« Antwort #49 am: 28.04.2021 | 16:35 »
Mal so ein Einwurf von mir:
Mit der richtigen Gruppe kann es übrigens auch klappen das man den Spielern (nicht den Charakteren) in einer "Zwischensequenz" enthüllt das ihr lieblings-NSC ein Verräter ist. Sind es gute Rollenspieler so steigt die Spannung weil die Spieler eben wissen das der Typ sie irgendwann hintergeht, sie aber dennoch weiterhin die Charaktere ahnungslos spielen müssen.

Zum Thema Rückschläge:
Als SL tendiere ich dazu die Abenteuer eher zu leicht als zu schwer zu machen und auch auf Ideen der Spieler einzugehen. Das führt oftmals dazu das ihnen vieles gelingt. Wenn dann hin- und wieder mal ein Kampf sehr hart ist oder ein Plan nicht funktioniert dann habe ich inzwischen mehrmals erlebt das die Spieler das richtig toll finden weil sie jetzt mal gefordert werden. Wie bei so vielen Dingen ist es wichtig ein gesundes Mittelmaß zu finden. Zuviele Rückschläge können frustrieren, während zuviele Erfolge langweilig werden können.
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   Gareth (aus der Serie "Galavant")