Autor Thema: Hierarchien in Settings  (Gelesen 11913 mal)

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Offline Kriegsklinge

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Hierarchien in Settings
« am: 22.12.2020 | 15:25 »
In der ZockBock-Podcast-Episode zum DSA-Hate gehen die Diskutanten recht ausführlich auf Kiesows scheinbare Liebe zu vormodernen Hierarchien ein bzw auf die Sehnsucht danach, die sie dort auszumachen meinen.

Speziell zu Kiesow/DSA: Ich habe den entsprechenden Text (sinngemäß: irdische Führer natürlich abzulehnen, atmosphärisch soll man aber Leute spielen, die an sie glauben) immer als vorauseilenden Entkräften einer deutschen Kritik am Rollenspiel verstanden. In den USA wurde da viel in Richtung Satanismus gehated, in Westdeutschland hatten es Nerdmedien meiner Erfahrung nach eher mit so einer Schwundstufe von Ideologiekritik zu tun, bei der Eskapismus (statt sozialem Realismus) sehr kritisch gesehen wurde. Ich komme ja aus einem westdeutschen 80er-Bildungsbürgerumfeld, wo auf jeden Fall He-Man, Starwars, Comics etc. ein Riesenproblem waren wegen "Gewalt", Sexismus, "Weltflucht" und (würde ich heute einschätzen) generell Antiamerikanismus.  Darauf habe ich diese Textstelle eher bezogen, halt Anbiedern bei der Holzspielzeugfraktion. Natürlich ist er in sich misslungen, aber glaube ich eher taktisch zu verstehen.

Zwotens: Starke Hierarchien bei so Sachen wie Amber, Vampire (also: "Erzählspiel") sind doch zuvorderst Versuche, statt Aufstieg durch XP und Leveln sozialen Aufstieg einzubauen bzw diesen thematisch mit individuellen Konflikten bis hin zum Personal Horror zu verknüpfen. Wie verhalte ich mich, wenn ich Clan/Haus/Herrscher verbunden, ja sogar ausgeliefert bin, meine individuelle Überzeugung aber ganz anders aussieht? Also, ich sehe da die behauptete Linie zur "doitschen" Romantik nur so begrenzt. Ganz von der Hand zu weisen ist sie nicht, aber ich tät sie nicht so stark gewichten.

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #1 am: 22.12.2020 | 16:53 »
Muss ich mir jetzt schon wieder die PISA reinpfeifen? Na gut!
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Offline Aedin Madasohn

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #2 am: 22.12.2020 | 17:09 »
auf Kiesows scheinbare Liebe zu vormodernen Hierarchien ein bzw auf die Sehnsucht danach,

dem will ich mich so nicht anschließen, sondern differenzieren

ja,
Kiesow ist ganz klar pro-Hierachie.

Spieler-Chars ziehen gegen Staats-NSCs immer den kürzeren. Dabei ist sein Staatsaufbau aber gar nicht fäntelig, sondern schon modern/frühe Neuzeit.

Einzig, dass er diese beamtenlaufbahn-imitierende steil-obrigkeitsstaatlichen Hierachien in mittelalterliche Adelsränge und Ämterbezeichnungen verkleidet.

nein
das ist kein Stück weit vormodern fäntelig oder mittelalterlich. Selbst in der mittelalterlichen kath. Kirche war es nicht so straff obrigkeitsstaatlich aufgezogen wie im DSA Mittelreich oder Lieblichen Feld. Selbst Andernosta sind ordentlich bürokratisch-hierachisch geführte Lachnummernstaaten.

Das sich Kiesow komplett aus der Moderne genommen. Schließlich ging es ja um Erziehung und nicht ums Spielen (kann auch sein, dass der arme Ulrich es auch nur knochentrockenen Schmidtspiele Patriarchen recht machen musste)

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #3 am: 22.12.2020 | 17:37 »
Ich habe den entsprechenden Text (sinngemäß: irdische Führer natürlich abzulehnen, atmosphärisch soll man aber Leute spielen, die an sie glauben) immer als vorauseilenden Entkräften einer deutschen Kritik am Rollenspiel verstanden.
Ich verstand das immer als Schutz seines Settings und seiner NSCs vor den SCs und deren Spielern.

Die Vorteile einer Hierarchie war für partizipierende SC nicht vorgesehen, Gesetze und Regeln waren Kiesows Werkzeug gegen SCs und deren Spieler.

Der Sonnenkönig wäre bei der Macht der inkompetenten Retoiden Ursupatoren erbleicht vor Entsetzen ob deren Tyrannei oder vor Neid daran.

Das Problem ist die meisten DSA Autoren haben die Funktion eines Feudalstaates nicht verstanden.
Die Rechte von Herrscher - Adel - Bürgern oder gar die Pflichten von Herrschern - Adel - Bürgern
Persönliche Treuebünde u.ä.


Aber auch bei Midard - Perry Rhodan ist das ähnlich.




vgl dazu bitte mal den Lensman Zyklus und das darauf beruhende RPG.
Ein Charakter Template ist Grey Lensman und ein grauer Lensträger ist das Gesetz und zugleich eine Autorität höchsten Grades er hat ein unlimitiertes Budget unbegrenzten Zugriff auf militärische und staatliche Ressourcen.
Gegen einen grauen Lensträger ist ein 40 k Inquisitor Zweite Wahl
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
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Offline KhornedBeef

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #4 am: 22.12.2020 | 17:48 »
"Unn-begrenzte - Maaaaaacht!"
TIL : Graue Lensträger (oh scharf, das Google-Wörterbuch kennt das Wort) sind jeweils Imperator Palpatine.

Frage: ist die Staatsstruktur im zentralen Aventurien nicht eher von Märchen inspiriert?
"For a man with a hammer, all problems start to look like nails. For a man with a sword, there are no problems, only challenges to be met with steel and faith."
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Ich vergeige, also bin ich.

"Und Rollenspiel ist wie Pizza: auch schlecht noch recht beliebt." FirstOrkos Rap

Wer Fehler findet...soll sie verdammt nochmal nicht behalten, sondern mir Bescheid sagen, damit ich lernen und es besser machen kann.

Offline takti der blonde?

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #5 am: 22.12.2020 | 18:00 »
Muss ich mir jetzt schon wieder die PISA reinpfeifen? Na gut!

Das kannst du besser, Sascha.

Edit: Nach kurzer Bedenkzeit...vielleicht ja auch nicht.

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #6 am: 22.12.2020 | 23:37 »
Das kannst du besser, Sascha.

Haha, na gut. Aber du musst aufpassen, dass man am Ende Alex K nicht mit Sashael verwechselt, das wäre dem vermutlich gar nicht recht.  ;D

Zur Sache:
Die entsprechende Kontroverse findet sich in 4 Blog-Artikeln, ab hier: https://hofrat.rsp-blogs.de/2006/03/28/cry-cry-cry-teil-i/
Der Podcast ist hier: https://pesa-nexus.de/2020/10/14/episode-9-hofrats-greatest-hits-dsa-kritik/
Mein Fazit: Ulrich Kiesow hat weitgehend recht, Settembrini entsprechend weitgehend unrecht.
BUMM!

Ich bin jetzt ungefähr zur Hälfte durch, die Blogbeiträge habe ich gelesen, es findet sich da so viel Unsinn, das kann ich alles gar nicht in einem Posting abarbeiten. (Soll ich einen eigenen Thread dafür aufmachen, Kriegsklinge?)

Einer der vielen, vielen Fehltritte, ein Kernfehltritt, ist die Theorie, dass Kiesows Ansatz von der Romantik beeinflusst ist. Nein. Er ist von etwas beeinflusst was viel, VIEL älter ist - was aber auch die deutsche Romantik mitbeeinflusst hat: die europäische Sagenwelt des Mittelalters.

Es beginnt mit Beowulf, Artussage, Dietrich von Bern, Nibelungensaga, Robin Hood, etc pp. Später dann Shakespeare und auch Goethe. Auch die Gebrüder Grimm und Wagner gehören dazu. Und dann natürlich Tolkien und von mir aus auch Gygax bis hin zu George Martin. Es ist eine laaaaange erzählerische Tradition, größtenteils germanischer Prägung, die bis heute rund um den Globus fasziniert, offensichtlich. Prinzessinnen, Drachen, Ritter, Zauberer, Hexen, Flüche, Dämonen, etc pp.

Darauf rekurriert Kiesow ganz eindeutig in seinem Text. Deshalb gehen auch alle Rückgriffe hier auf das historische Mittelalter völlig fehl. Es geht um die Sagenwelt des Mittelalters; die moderne Variante davon nennen wir nämlich Fantasy. Und das was die PESA (abwertend!) mit Stimmungsspiel bezeichnet, ist nichts anderes als... richtig, Immersion. Simulationismus lässt grüßen.

Und WEIL es um die mittelalterliche Sagenwelt geht, fordert Kiesow mit Bezug auf Hierarchien in einem übertragenen Sinne nicht mehr, als dass der Spieler eines Lieutenants in einem Star-Trek-RPGs den Captain-SC auf der Brücke nicht die ganze Zeit wie seinen Kumpel anredet, sondern verdammt nochmal wie einen ranghöheren Offizier. Mehr ist das nicht. Es geht wieder um Immersion und Kiesow hat hier nahezu völlig recht. In einem Fantasy-RPG haben die Helden doch idR keine wortwörtliche Narrenfreiheit (es sei denn sie spielen den hiesigen Hofnarren). Nein. Conan und Valeria wussten sich auch am Fuße des Throns von König Osric zu benehmen, die haben keine dicke Lippe riskiert. Ist das auch deutsche Romantik?

https://www.youtube.com/watch?v=b-Vjc7GxO9s

Als abschreckendes Gegenbeispiel haben wir dann diese Szene aus Game of Thrones wo quasi-moderne Vorstellungen urplötzlich in der Sagenwelt auftauchen,
ganz furchtbar:
https://www.youtube.com/watch?v=ATvfvZqf4iQ


Von daher erst einmal meine Frage an die PESA: was soll denn überhaupt die Alternative sein? Wie soll das Aussehen? Welches Benehmen der SCs wäre denn voll okay oder sogar gutes Rollenspiel? Alles worauf man gerade Bock hat oder wie? "Ich bin der Held hier und du, Herzog, hast gefälligst die Schnauze zu halten"???
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Offline takti der blonde?

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #7 am: 23.12.2020 | 00:07 »
Haha, na gut. Aber du musst aufpassen, dass man am Ende Alex K nicht mit Sashael verwechselt, das wäre dem vermutlich gar nicht recht.  ;D

Sehr gut, danke!

Nur eine Anmerkung zum Stimmungsspiel:

Stimmungsspiel soll eine Schwundstufe beschreiben, bei der Immersion zu Gunsten der vielen anderen Aspekte des Rollozocks "bespielt" wird. Ich finde das langweilig, aber so ist es eben mit Geschmack. Nicht jedes immersive Spielerlebnis ist damit Stimmungsspiel.

Offline Tele

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #8 am: 23.12.2020 | 00:19 »

Einer der vielen, vielen Fehltritte, ein Kernfehltritt, ist die Theorie, dass Kiesows Ansatz von der Romantik beeinflusst ist. Nein. Er ist von etwas beeinflusst was viel, VIEL älter ist - was aber auch die deutsche Romantik mitbeeinflusst hat: die europäische Sagenwelt des Mittelalters.

Danke!

Offline Rorschachhamster

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #9 am: 23.12.2020 | 08:45 »
Einer der vielen, vielen Fehltritte, ein Kernfehltritt, ist die Theorie, dass Kiesows Ansatz von der Romantik beeinflusst ist. Nein. Er ist von etwas beeinflusst was viel, VIEL älter ist - was aber auch die deutsche Romantik mitbeeinflusst hat: die europäische Sagenwelt des Mittelalters.

Es beginnt mit Beowulf, Artussage, Dietrich von Bern, Nibelungensaga, Robin Hood, etc pp. Später dann Shakespeare und auch Goethe. Auch die Gebrüder Grimm und Wagner gehören dazu. Und dann natürlich Tolkien und von mir aus auch Gygax bis hin zu George Martin. Es ist eine laaaaange erzählerische Tradition, größtenteils germanischer Prägung, die bis heute rund um den Globus fasziniert, offensichtlich. Prinzessinnen, Drachen, Ritter, Zauberer, Hexen, Flüche, Dämonen, etc pp.
Hmmm, ok... Sag mal schnell, wovon wurde die deutsche Romantik noch beeinflußt?

Nur so ein Satz aus der Wikipedia, da ist natürlich noch mehr und dies ist nicht die alleinige Besonderheit der Romantik, aber...
Zitat
Tradition und Mittelalter

In der Romantik entstehen erstmals Sammlungen so genannter Volkspoesie. Bekannteste Beispiele sind Grimms Märchen und die Liedersammlung Des Knaben Wunderhorn. Doch bereits unmittelbar nach Erscheinen wurde die literarische Bearbeitung (Schönung) durch die Autoren kritisiert, die damit ihre Rolle als Chronisten weit hinter sich ließen. Diese Tatsache rückt die gesammelten Texte näher an die Kunstmärchen und Lyrik ihrer Zeitgenossen als eigentlich beabsichtigt.

Das Mittelalter gilt als Ideal und wird verherrlicht. Kunst und Architektur dieser Epoche werden geschätzt, gepflegt und gesammelt. Im Zuge einer Burgenrenaissance werden Burgen und Burgruinen wiederentdeckt und ausgebaut, neogotisch und neoromanisch überformt oder ohne einen historischen Vorgänger neu errichtet. Auch der Kirchenbau und Wohnungsbau sowie der Bau öffentlicher Gebäude und Infrastrukturen erfährt entsprechende historistische Impulse. Übel und Missstände dieser Zeit bleiben unbeachtet. Es wurden sogar Ritterbünde nach alten Vorbildern gegründet, z. B. die Wildensteiner Ritterschaft auf blauer Erde.
Quelle: Wikipedia

Also, falsch liegst du nicht, aber es gibt Aspekte in Kiesowscher Interpretation, die eher Romantik als echte Geschichte/Erzähltradition sind - zu der Romantik natürlich auch zugehört.
 ;)
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DMG Pg. 81 " The mechanics of combat or the details of the injury caused by some horrible weapon are not the key to heroic fantasy and adventure games. It is the character, how he or she becomes involved in the combat, how he or she somehow escapes — or fails to escape — the mortal threat which is important to the enjoyment and longevity of the game."

Offline Jiba

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #10 am: 23.12.2020 | 08:52 »
@Alexander K.: Totale Zustimmung zu deinem Beitrag. Sehr gut durchexerziert.

Einziger Kritikpunkt führt am Thema vorbei.
Als abschreckendes Gegenbeispiel haben wir dann diese Szene aus Game of Thrones wo quasi-moderne Vorstellungen urplötzlich in der Sagenwelt auftauchen,
ganz furchtbar:
https://www.youtube.com/watch?v=ATvfvZqf4iQ

(Klicke zum Anzeigen/Verstecken)

Zitat
Hmmm, ok... Sag mal schnell, wovon wurde die deutsche Romantik noch beeinflußt?
Alles wurde von allem beeinflusst.

Die Romantik ist ein derart weites Feld, das von der Idealisierung vormoderner Lebensentwürfe einerseits bis zum Ausleben der eigenen Freiheitlichkeit jenseits der als autoritär wahrgenommenen Mehrheitsgesellschaft reichen kann. Dazu kommt dann natürlich noch die Rezeptionsgeschichte der Romantik in der Nachfolge, die mehr als zwei Jahrhunderte unterschiedlicher Deutungen umfasst, bevor ein Kiesow die Bühne betrat. Ich würde soweit gehen und sagen, dass unser heutiges Verständnis von Mittelalter im Großen und Ganzen von der Romantik beeinflusst ist. Da können sich auch Gygax und Arneson nicht von freimachen. Und Conan entstand im Pulp-Kontext, der wiederum an den Gothic Novel anknüpft, der wiederum was ist? Genau, eine Spielart der Romantik. Im Deutschen kennen wir den Begriff "Schauerromantik" dafür. 
« Letzte Änderung: 23.12.2020 | 08:59 von Jiba »
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Azaghal

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #11 am: 23.12.2020 | 09:25 »
Ich hoffe, das führt jetzt nicht zu weit weg von Kiesow und DSA, wo der relative Machtlevel der SC überschaubar bleibt, aber in anderen Settings hat mich die Frage schon manches Mal umgetrieben, was passiert, wenn der Lvl 36 Magier mit Timestop und Insta-Kill-Zaubern vor den örtlichen Herrscher tritt. Küsst er ihm dann die Füsse oder wischt er mit ihm den Boden auf?
Ein gutes Beispiel ist vielleicht Gandalf, der sich die Beschränkung auferlegt (oder wurde sie ihm auferlegt?), seine Macht nur direkt einzusetzen, wenn gleichwertige Gegner (Balrog, Nazgul) auftauchen, es ansonsten aber bei Rat und Ermutigung belässt.
Funktioniert natürlich nur bei lawful good SC. Manshoon würde sich wahrscheinlich schlapplachen.
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Offline Rorschachhamster

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #12 am: 23.12.2020 | 09:26 »
Die Romantik ist ein derart weites Feld, das von der Idealisierung vormoderner Lebensentwürfe einerseits bis zum Ausleben der eigenen Freiheitlichkeit jenseits der als autoritär wahrgenommenen Mehrheitsgesellschaft reichen kann. Dazu kommt dann natürlich noch die Rezeptionsgeschichte der Romantik in der Nachfolge, die mehr als zwei Jahrhunderte unterschiedlicher Deutungen umfasst, bevor ein Kiesow die Bühne betrat. Ich würde soweit gehen und sagen, dass unser heutiges Verständnis von Mittelalter im Großen und Ganzen von der Romantik beeinflusst ist. Da können sich auch Gygax und Arneson nicht von freimachen. Und Conan entstand im Pulp-Kontext, der wiederum an den Gothic Novel anknüpft, der wiederum was ist? Genau, eine Spielart der Romantik. Im Deutschen kennen wir den Begriff "Schauerromantik" dafür.
Das widerspricht aber der Aussage von Alexander K., das ("Nein!") Kiesow nicht von der Romatik beeinflußt wurde - natürlich wurde er das, jede Deutsche Mittelalterrezeption nach der Romantik ist auf irgendeiner Ebene von der Romantik beeinflußt, Grimms Märchen z.B.  :) Darauf wollte ich nur Hinweisen. 
Rorschachhamster
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Offline Jiba

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #13 am: 23.12.2020 | 09:32 »
Funktioniert natürlich nur bei lawful good SC. Manshoon würde sich wahrscheinlich schlapplachen.

Schon Saruman hat sich schlappgelacht.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline tartex

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #14 am: 23.12.2020 | 09:57 »
Ich abo mal, weil ich im Moment keine Zeit zum Mitmachen habe.
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Offline Crimson King

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #15 am: 23.12.2020 | 11:10 »
Ich finde die Idee, dass sich "Wurde durch die mittelalterliche Sagen- und Märchenwelt beeinflusst" von "Wurde durch die deutsche Romantik beeinflusst" irgendwie trennen ließe, ehrlich gesagt seltsam. Aber wenn die falschen Leute zusammenkommen, gibt es selbst darüber Zoff.
Nichts Bessers weiß ich mir an Sonn- und Feiertagen
Als ein Gespräch von Krieg und Kriegsgeschrei,
Wenn hinten, weit, in der Türkei,
Die Völker aufeinander schlagen.
Man steht am Fenster, trinkt sein Gläschen aus
Und sieht den Fluß hinab die bunten Schiffe gleiten;
Dann kehrt man abends froh nach Haus,
Und segnet Fried und Friedenszeiten.

J.W. von Goethe

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #16 am: 23.12.2020 | 11:16 »
Also, falsch liegst du nicht, aber es gibt Aspekte in Kiesowscher Interpretation, die eher Romantik als echte Geschichte/Erzähltradition sind - zu der Romantik natürlich auch zugehört.
 ;)

Natürlich. Die Romantik und die Sagenwelt des Mittelalters haben Überschneidungen. Man kann sagen, dass die Romantik einen Abschnitt dieser Erzähltradition geprägt hat und damit auch den Nachfolger, die moderne Fantasy, mitgeprägt hat. Nicht umsonst hab ich Wagner (mit zB Parsiifal und dem Schwanenritter Lohengrin) in meine obige Aufzählung aufgenommen. Das war schon bewusst so gewählt.

Übrigens: dass das alles aber nicht unbedingt etwas nur typisch Deutsches ist, das sieht man an George Martins Hinterfragen von Tolkiens Ansatz.

Einziger Kritikpunkt führt am Thema vorbei.

Also Fantasy ist natürlich nicht nur die Sagenwelt des europäischen Mittelalters, dafür muss man sich nur Howard anschauen. Aber ich behaupte mal, es ist der Kern der Fantasy und auch der Kern von Game of Thrones. Und damit assoziiert man halt Demokratie nicht, Demokratiebewegungen sind eher mit der Moderne verbunden: es wirkt einfach aus der Zeit gefallen, sperrig wie ein Flugzeug über Minas Tirith. Viele mögen ja auch Fantasy eben weil es eine andere Gesellschaftsordnung hat.
Also das passt meiner Meinung nach nicht. Die Helden der Sagen sind keine Vorstreiter für Demokratie, dieser Topos gehört nicht wirklich zu der Erzähltradition; es geht stattdessen um persönlichen Ruhm, häufig im Kampf erworben.

Daher mein Augenrollen bei der GoT-Szene.

Das widerspricht aber der Aussage von Alexander K., das ("Nein!") Kiesow nicht von der Romatik beeinflußt wurde - natürlich wurde er das, jede Deutsche Mittelalterrezeption nach der Romantik ist auf irgendeiner Ebene von der Romantik beeinflußt, Grimms Märchen z.B.  :) Darauf wollte ich nur Hinweisen.

Naja, er ist auch von der Romantik beeinflusst insofern es da Überschneidungen gibt - und die gibt's natürlich sehr deutlich. Aber ist ja nicht so, dass vor der Romantik quasi innerhalb der Sagenwelt das politische System in Frage gestellt wurde und erst durch die Romantik autoritäres Gedankengut Einzug hielt welches Kiesow sich dann zu eigen gemacht hat. Man stürzt stattdessen einen bösen autoritären Herrscher um ihn durch einen wohlmeinenden und weisen autoritären Herrscher zu ersetzen. Aragorn statt Sauron.

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Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #17 am: 23.12.2020 | 11:36 »

Mein Fazit: Ulrich Kiesow hat weitgehend recht, Settembrini entsprechend weitgehend unrecht.
BUMM!

Ich bin jetzt ungefähr zur Hälfte durch, die Blogbeiträge habe ich gelesen, es findet sich da so viel Unsinn, das kann ich alles gar nicht in einem Posting abarbeiten.
kurz gesagt, zu 100% falsch

Kiesow war wenn von den deutschen Märchen beeinflusst nicht von den Sagen, da findet sich mehr als genug von Zank und Keilerei mit und gegen Fürsten, Könige und Kaiser durch die Protagonisten.

Nebenbei als was würdest du die Sagen Asiens betrachten?
Imarro den Conan Afrikas...?

Die Bezeichnung stimmungsvolles Rollenspiel kommt mWn von DSA und IMNHO versagte es da episch, DSA R+SAAW war eines der immersionsversagensten Spiele die ich kenne und bis DSA4 war es ein Schlechtes Klischeespiel kein Rollenspiel

Bei Conan, Vaeria und Osric ging es um pure Macht und dennoch haben sie Osric ohne mit der Wimper zu zucken angelogen und hätte Osrics Garde sie nicht völlig besoffen erwischt hätten sie wohl versucht sich freizukämpfen in klassischer SnS Manier.

Du glaubst auf den Reichstagen der Ottonen hätten alle die Wünsche der Kaiser abgenickt, wie kam Heinrich der Vogler nochmal zur Krone.

Zitat
"Ich bin der Held hier und du, Herzog, hast gefälligst die Schnauze zu halten"???
da die 7G eines der wenigen mir bekannten DSA Werke für Helden ist und btw. das einzige wo man Herzögen begegnet, genau.
Herzog, Reichsregent ... ihr habt eure Befehle führt sie aus.

Wenn Helden und Champions des Reiches und der Götter einem Herzog begegnen erwarte ich das sie von diesem und seinem Hofstaat mit Respekt behandelt werden und nicht wie der letzte Scharlatan.

@Jiba
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« Letzte Änderung: 23.12.2020 | 11:37 von Lichtschwerttänzer »
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
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ErikErikson

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #18 am: 23.12.2020 | 11:40 »
ich würde bei einer betrachtung Keisows auf sein letztes und größtes Werk, "das zerbrochene Rad" Bezug nehmen. ich glaube, dort hat er sein Weltbild am deutlichsten und am ausgereiftesten dargestellt.

Die dort positiv dargestellten Protagonisten sind alle Underdogs. Autoritäten werden sehr amibvalent dargestellt, Hierarchien zeigen sich als korruptionsanfällig. ich denke, Kiesow war mit Sicherheit kein verfechter von Hierarchien.

bei der PESA, die ich sehr schätze, muss man immer mitdenken, das die sie erstmal eine Idee hat, diese dann für richtig und allumfassend erklärt, und dann beginnt, belege dafür zu suchen. Diese dann auch findet, aber teils nur deshalb, weil man halt immer was findet, wenn man lange genug sucht. In diesem fall liegt sie aber falsch.

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #19 am: 23.12.2020 | 11:46 »
Man stürzt stattdessen einen illegitimen bösen autoritären Herrscher um ihn durch einen wohlmeinenden und weisen autoritären legitimen Herrscher zu ersetzen. Aragorn statt Sauron.
FIFYder nach gerechtem Gesetz und Recht regiert, getreu dem angelsächsischen Treueid  und nach dem mittelalterlichen Rechtsprinzip das ungerechten, rechtsbrechenden Herrschern kein Gehorsam sondern bewaffneter Widerstand zu leisten ist.

Die Retoiden waren aber sippenmordende Ursupatoren, die wider Recht, Gesetz und Alverans Gebot herrschten
“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #20 am: 23.12.2020 | 11:53 »
Ich hoffe, das führt jetzt nicht zu weit weg von Kiesow und DSA, wo der relative Machtlevel der SC überschaubar bleibt, aber in anderen Settings hat mich die Frage schon manches Mal umgetrieben, was passiert, wenn der Lvl 36 Magier mit Timestop und Insta-Kill-Zaubern vor den örtlichen Herrscher tritt. Küsst er ihm dann die Füsse oder wischt er mit ihm den Boden auf?
Ein gutes Beispiel ist vielleicht Gandalf, der sich die Beschränkung auferlegt (oder wurde sie ihm auferlegt?), seine Macht nur direkt einzusetzen, wenn gleichwertige Gegner (Balrog, Nazgul) auftauchen, es ansonsten aber bei Rat und Ermutigung belässt.
Funktioniert natürlich nur bei lawful good SC. Manshoon würde sich wahrscheinlich schlapplachen.

Also, in dem einen Setting, in dem ich von Magiern der 36. Stufe weiß (Mystara unter Basic-D&D-Regeln) gibt's auch gleich mindestens eine imperiale Magokratie, die selber schon von genau solchen Typen regiert wird -- spätestens da wird's also wohl eher auf "Füße küssen" hinauslaufen, wenn man sich im fairen Zauberduell gegen die mindestens ähnlich erfahrene Kaiserin nicht wirklich gute Chancen ausrechnet. 8] Daß Alphatia seinerseits nicht schon den gesamten Planeten beherrscht, wird zum Teil an mangelndem Interesse und diversen internen Konflikten liegen...aber auch daran, daß die anderen Reiche ihrerseits auch gerne mal ähnlich hochstufige Anführer haben (die nicht unbedingt ihrerseits Magier sein müssen, um zumindest ihre Rettungswürfe mit schöner Regelmäßigkeit einfach zu schaffen) und auch anderweitig nicht ganz hilflos sind. Und -- im Gegensatz zu vielen anderen D&D-Settings spielen die "Götter" (okay, okay..."Unsterblichen") durchaus auch mal selber Politik; genau um einen solchen Fall ging's ja in der "Wrath of the Immortals"-Box und dem darin abgehandelten Fantasy-Weltkrieg.

Besonders Fäntelalter ist Mystara andererseits natürlich ohnehin nicht. :)

Offline Lichtschwerttänzer

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #21 am: 23.12.2020 | 12:04 »
In Stygien läuft es wohl eher auf der König küsst die Füße hinaus, genauso bei Tsoth Ianthi, Tughra Khotan oder gar Xaltotun und bei Galadriel, Elrond, Glorfindel etc  reden wir von Stufe 36+Zauberern, Herrschern und Kriegern
Zum anderen wissen wir wie das zwischen Numedides und Conan endete und was Conan auf das Gesetz "zivilisierter Reiche" gab wenn es seine Werte tangierte, er zerhackt den Richterstuhl samt Richter und/oder mäht die Stadtwache nieder

“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”

Offline Jiba

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #22 am: 23.12.2020 | 12:28 »
Also Fantasy ist natürlich nicht nur die Sagenwelt des europäischen Mittelalters, dafür muss man sich nur Howard anschauen. Aber ich behaupte mal, es ist der Kern der Fantasy und auch der Kern von Game of Thrones. Und damit assoziiert man halt Demokratie nicht, Demokratiebewegungen sind eher mit der Moderne verbunden: es wirkt einfach aus der Zeit gefallen, sperrig wie ein Flugzeug über Minas Tirith. Viele mögen ja auch Fantasy eben weil es eine andere Gesellschaftsordnung hat.
Also das passt meiner Meinung nach nicht. Die Helden der Sagen sind keine Vorstreiter für Demokratie, dieser Topos gehört nicht wirklich zu der Erzähltradition; es geht stattdessen um persönlichen Ruhm, häufig im Kampf erworben.

Daher mein Augenrollen bei der GoT-Szene.

Exakt, das ist die Assoziation! Und Martin braucht diese Assoziation auch, damit er sie dekonstruieren kann. Er schrieb das Buch, wie er es schrieb, sicher auch um zu zeigen: "Leute, das ist doch Scheiße, das mit den Königen." Die Message von GoT ist, für mich relativ erkennbar, dass es so etwas wie gute, gerechte Könige nicht gibt. Flugzeuge sind technische Errungenschaften, es geht hier aber um gesellschaftliche und politische Aspekte. Und da stehen die Dinge wesentlich komplexer, denn da hast du immer Allgemeinheit vs. individuelle Auslegung und Geschichte vs. Progressivität.

Und Samwell ist kein Kämpfer. Samwell ist ein Gelehrter im mittelalterlich-mönchischen Sinne, also nicht nur Wissenschaftler, sondern auch Philosoph und Gesellschaftstheoretiker. Und als jemand, der mit einer Bürgerlichen ein Kind hat und selbst als Nachtwächter an der Mauer aus dem eigenen Stand ausgeschieden ist, ist er am ehesten als ein Repräsentant des einfachen Volkes anzusehen, im Rat. Andere Mitglieder, wie Arya oder Bran hätten den Aufruf von Samwell unterstützen können, weil auch sie um den Wert der Bürgerlichen wissen.

Zitat
Viele mögen ja auch Fantasy eben weil es eine andere Gesellschaftsordnung hat.
Das weiß ich eben nicht. Ich glaube Fantasy ist beliebt, weil Schwertkampf cool aussieht. Weil Drachen cool aussehen. Und weil das Eintopfessen am Feuer in einem Fachwerkhaus was heimeliges hat (da sind wir wieder bei der Romantik). Die Königswürde passt in dieses Verständnis als märchenhaft verklärte Belohnung für die Taten besonders gerechter oder selbstloser Menschen. Der Gute kriegt das Königreich.

Martin geht jetzt hin und sagt: Nö, der Böse kriegt das Königreich. Und dann der nächste Böse und dann der nächste Böse. Ad infinitum, bis man sich eine bessere Gesellschaft erkämpft hat. Je nachdem, wie er die Geschichte letztlich ausgehen lässt (ich glaube nicht, dass das Ende der Serie sein finaler Schluss ist), werden wir wissen, ob er die Hoffnung für eine gerechtere Welt nach Westeros trägt oder ob der Zynismus gewinnt und die Message ist: "Ja, der ganze Krieg war umsonst. Es hat sich nichts verbessert. Turning of the wheel."
Die Demokratie als Alternative in "GoT" überhaupt nicht auf den Tisch zu bringen, wäre dieser Zynismus.

Warum nehmen wir an, die Monarchie sei irgendwie die "natürliche" Herrschaftsform einer Fantasygeschichte, bei der es im Kern darum geht, dass die Souveränität des aktuellen Herrschaftssystems auseinanderfällt? Der Wunsch nach Selbstbestimmung ist ein zutiefst menschlicher. Und dass ihn jemand bei GoT formuliert, ist daher nicht "aus der Zeit gefallen". Weil so ein Bedürfnis und gesellschaftstheoretische Überlegungen dazu eben zeitlos sind. Die gab es immer. Und die wird es immer geben. Dass sie eventuell nicht umgesetzt werden, liegt an der Zentralisierung von Macht in der Hand der Mächtigen. Und Samwell ist als jemand, der machtlos war, auch im gesellschaftlichen Sinne, in eine Position der Macht aufgestiegen. Da ist es vollkommnen in-character und auch innerweltlich zu erklären, dass er diesen Vorschlag anbringt. 

@Lichtschwerttänzer: Ja, das sind Beispiele dafür, wie demokratische Entscheidungsfindungsprozesse im Mittelalter abgelaufen sein können. Aber nicht die einzigen. In den Zünften oder in der Stadtschöffenordnung gab es auch demokratische Ansätze. In jedem Fall bin ich dankbar für die Beispiele zur Illustration meines Arguments. Sie entkräften es ja aber nicht. Samwell spricht ja letztlich nur von der Königswahl in der "everyone" eine Stimme haben soll. Das ist immer noch kein modernes Demokratieverständnis, weil nicht im gleichen Atemzug Menschenrechte oder Gleichheit vor dem Gesetz gefordert werden.

Das mit den Hunnen stimmt aber natürlich allerdings. Also das P.S. ist valide. Die hätte ich nicht übersehen dürfen.
Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

Offline Rorschachhamster

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #23 am: 23.12.2020 | 12:42 »
Zum anderen wissen wir wie das zwischen Numedides und Conan endete und was Conan auf das Gesetz "zivilisierter Reiche" gab wenn es seine Werte tangierte, er zerhackt den Richterstuhl samt Richter und/oder mäht die Stadtwache nieder
:think: Fängt nicht gefühlt jede Conangeschichte damit an das er auf der Flucht vor irgendjemanden deswegen ist?  ;D
Rorschachhamster
DMG Pg. 81 " The mechanics of combat or the details of the injury caused by some horrible weapon are not the key to heroic fantasy and adventure games. It is the character, how he or she becomes involved in the combat, how he or she somehow escapes — or fails to escape — the mortal threat which is important to the enjoyment and longevity of the game."

ErikErikson

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Re: Hierarchien in Settings
« Antwort #24 am: 23.12.2020 | 12:43 »
Es gab ja die griechischen Demokratien, vor dem Feudalzeitalter, die aber relativ schnell gescheitert sind. Politische Strukturen sind ja immer mit anderen Elementen verknüpft, und im Europa des Mittelalters war das Feudalsystem so offensichtlich das Optimum, das es jeder irgendwann adaptiert hat. Das Ende des feudalsystems kam mit dem Aufkommen größerer Städte, und ich glaube, demokratische Systeme sind eng mit verstädterung verbunden.