Autor Thema: Glaubhafte Charakterentwicklung  (Gelesen 10508 mal)

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #100 am: 2.01.2021 | 12:17 »
Es ist nochmal ein Unterschied ob man die Charakterentwicklung einer Figur in einem Roman liest oder im Film sieht.
Oder ob man die mit einer Rolle selbst emotional durchmachen/nachempfinden muss.

Nebenbei klappt das ja auch im Roman oder Film nicht automatisch -- jedenfalls nicht, sobald es um den Punkt geht, inwieweit eigentlich die Leser bzw. Zuschauer diese Entwicklung überzeugend und/oder für ihren persönlichen Geschmack passend finden. Darauf kann man als Autor und Produzent zwar mit allen möglichen Stilmitteln hinzuarbeiten versuchen, aber Garantien, daß man auch wirklich jeden abholt, gibt's eben letztendlich keine. (Wenn wir ehrlich sind, ist sogar weitaus eher das Gegenteil der Fall: irgendwelche Kritiker gibt's immer. ;)) Und natürlich sind beim Rollenspiel die Spieler (plus SL) selbst das "Publikum"...

Das gilt unabhängig vom "Spielstil". Das fortwährende Davonkommen eines Plotbösewichtes mit Plotarmor nur damit er erst im Finale weggepustet werden kann ist eher nicht so beliebt.

Yep, und das würde ich auch in einem Spiel, das dafür ausdrückliche Regeloptionen vorsieht, nicht überreizen wollen. Es ist eine Sache, wenn der Oberfiesling oder sein spezieller Leutnant ein- oder zweimal davonkommt, das gehört ja in vielen Genres praktisch einfach schon zur Rolle. Aber wenn er nicht gerade der jede Woche wiederkehrende Cartoonoberschurke sein soll, den die Spieler auch tatsächlich genau so mögen...dann sollte spätestens dann erst einmal Schluß sein. NSC und insbesondere NSC-Gegner sind ja letzten Endes fast beliebig ersetzbar (und wenn mal kein Ersatz kommt, kann das auch wieder interessant sein: "Wir haben Dinosauron schon im ersten Akt besiegt, was machen wir denn jetzt?!?"...), da muß ich mich als SL also gar nicht erst krampfhaft an einen bestimmten klammern.
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 12:19 von nobody@home »

Online Maarzan

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #101 am: 2.01.2021 | 12:28 »
Ein SL darf die Spieler auch ab und an mal ärgern. ;)

Aber auch nur innerhalb der Regeln.

Entsprechend zu Taktiker:

Ein voll aufgehender Plan ist sicher ein krönender Moment, aber eben auch nur innerhalb des Herausforderungssystems.
Das heißt der Taktiker will so einen Sieg auch nicht einfach so geschenkt bekommen, sondern nach Überwinden eines entsprechend "würdigen" Gegners innerhalb der Regeln , was nebenbei ausdrücklich auch die Chance beinhaltet innerhalb der Regeln geschlagen zu werden.

Aber sicher nicht, weil irgendwer von außen beschlossen hat das Spiel in die eine oder andere Richtung zu verschieben, auch wenn es für einen Menschen ohne Sportgeist und jeglicher Vorstellung von Fairness viel "spannender" aussieht.

Entsprechendes gäbe es dann auch für die Charakterentwicklung.
Für die einen ist das die Erkundung ihres Charakterinnenlebens angesichts entsprechender Krisen, oft auch gerade immersiv betrieben.
Andere sehen nur die äußeren Merkmale so einer Situation und brechen so etwas auf der äußeren oberflächlichen Motivebene brachial und mangels Einfühlungsvermögens und Verständnis für eben solche Entwicklungen plump und übertrieben und extern erzwungen vom Zaun und glauben damit gar noch eine Verbesserung betrieben zu haben.
Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #102 am: 2.01.2021 | 12:35 »
Nebenbei klappt das ja auch im Roman oder Film nicht automatisch -- jedenfalls nicht, sobald es um den Punkt geht, inwieweit eigentlich die Leser bzw. Zuschauer diese Entwicklung überzeugend und/oder für ihren persönlichen Geschmack passend finden. Darauf kann man als Autor und Produzent zwar mit allen möglichen Stilmitteln hinzuarbeiten versuchen, aber Garantien, daß man auch wirklich jeden abholt, gibt's eben letztendlich keine.
Yep.
Ich kann als SL setzen, was als nächstes passiert.(Was die NSC als nächstes tun, Was die Natur tut, whatever.)
Ich kann von Außen "versuchen" die Gefühle der SC/SPL zu beeinflussen, ich kann "versuchen" sie zu gewissen Entscheidungen zu drängen.- Aber ob das den SPL gefällt, ist und bleibt letztlich ihre Entscheidung.

Denn wenn es ihnen nicht gefällt, spielen sie entweder gefrustet die Rolle weiter, ohne noch gerne mit ihr zu fühlen oder sie steigen aus.




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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #103 am: 2.01.2021 | 13:53 »
Nebenbei klappt das ja auch im Roman oder Film nicht automatisch -- jedenfalls nicht, sobald es um den Punkt geht, inwieweit eigentlich die Leser bzw. Zuschauer diese Entwicklung überzeugend und/oder für ihren persönlichen Geschmack passend finden. Darauf kann man als Autor und Produzent zwar mit allen möglichen Stilmitteln hinzuarbeiten versuchen, aber Garantien, daß man auch wirklich jeden abholt, gibt's eben letztendlich keine. (Wenn wir ehrlich sind, ist sogar weitaus eher das Gegenteil der Fall: irgendwelche Kritiker gibt's immer. ;)) Und natürlich sind beim Rollenspiel die Spieler (plus SL) selbst das "Publikum"...
Ich sehe und lese dazu häufig "um einen glaubhaften Erfolg zu haben, muss sich der Protagonist den Erfolg verdienen."
Fast so als würde es sogar in "storygetriebenen" Medien auch Herausforderungssysteme geben. ;)
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 13:58 von 6 »
Ich bin viel lieber suess als ich kein Esel sein will...
~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~
Nicht Sieg sollte der Zweck der Diskussion sein, sondern
Gewinn.

Joseph Joubert (1754 - 1824), französischer Moralist

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #104 am: 2.01.2021 | 13:58 »
Klar.
Solange ihnen das Freude macht.
Es gibt mMn. einen Unterschied zwischen:
"So ein Mist! Das nächste Mal läuft das anders!" und " Ich verliere die Lust am Spiel."

"Ich verliere die Lust am Spiel" kommt aber nicht von ab und an ein bisschen ärgern. Wenn es so weit kommt, dann liegt etwas anderes im Argen.

Das mit den entkommenden Schurken ist natürlich auch so eine Sache... wenn ich zB Marvel spiele, dann kann sich kein Spieler ernsthaft darüber beschweren; das gehört einfach zum Genre. Fantasy ist ein bisserl schwieriger, weil Fantasy häufig eine Melange aus filmisch und realistisch ist und sich die Spieler dabei jeweils die Rosinen rauspicken. (Eine Herangehensweise, die mich übrigens, sowohl als SL als auch als SPL, ziemlich stört.)
Dementsprechend wär's da hilfreich mit den Spielern bereits bei Kampagnenbeginn eine Vereinbarung zu haben, wie realistisch/filmisch es denn werden soll.
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 14:00 von Alexander Kalinowski »
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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #105 am: 2.01.2021 | 14:16 »
Erstmal ein abo.
Später dann mehr
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Spielt zur Zeit: DSA Briefspiel, sowie 3-6 DSA Larps pro Jahr. Am Tisch: derzeit nix ;D

Würde gern spielen: Altered Carbon, Shadowrun, Cyberpunk, irgendetwas aus diesem Genre... außerdem The Witcher, Nesciamus, Vampire, ... irgendwas

Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #106 am: 2.01.2021 | 14:57 »
"Ich verliere die Lust am Spiel" kommt aber nicht von ab und an ein bisschen ärgern. Wenn es so weit kommt, dann liegt etwas anderes im Argen.
Das kommt darauf an, welche Art von Ärgern das ist.

Ich gebe dir insofern Recht, dass bei einem "Ich mag nicht mehr" irgendwas auf der menschlich sozialen Ebene idR. schief gelaufen ist.

« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 15:20 von Issi »

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #107 am: 2.01.2021 | 15:23 »
Das kommt darauf an, welche Art von Ärgern das ist.

Ich gebe dir insofern Recht, dass bei einem "Ich mag nicht mehr" irgendwas auf der menschlich sozialen Ebene idR. schief gelaufen ist.

Kann auch inhaltlich begründet sein: wenn der Rest des Spiels nicht besonders unterhält, dann kompensiert er eben nicht die negativen Erfahrungen.
Ärgern ist daher immer ein bisschen riskant. :P
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Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #108 am: 2.01.2021 | 15:31 »
Kann auch inhaltlich begründet sein: wenn der Rest des Spiels nicht besonders unterhält, dann kompensiert er eben nicht die negativen Erfahrungen.
Ärgern ist daher immer ein bisschen riskant. :P
Ja.

Das Ärgern gehört ja zur Aufgabe des SL.
Zu Zwecken der Unterhaltung (Spannung/Herausforderung und Co).
Und auch Charakterentwicklung.

Das A und O ist mEn. ein guter Kontakt, und echte gegenseitige Wertschätzung.

Man kann zwar vieles vorher absprechen aber letztlich muss man als SL auch empathisch situativ handeln können.
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 15:33 von Issi »

Offline ArneBab

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #109 am: 2.01.2021 | 17:17 »
Dass es (theoretisch) geht, wollte ich nicht in Frage stellen. Nur würde ich dringend! davon abraten!!
Letzteres wollte ich nicht in Frage stellen. Charakterentwicklungen zu skripten geht auch in der Praxis, bietet aber die Gefahr, dass dein Skript kaputtgeht — wenn du damit nicht rechnest, machst du bei der Abenteuer-Umsetzung allerdings sowieso was falsch.
Zitat
In gescripteten Abenteuern sind diese Entwicklungen geforced. Und damit nur noch durch sowas wie X Cards abzubrechen.
Oder durch Aufmerksamkeit und ein Abweichen vom Skript, falls es sich als eine schlechte Idee herausstellt. X Cards sind nur die Eskalation von Spielerseite, wenn die SL (oder ander) nicht merken, dass gerade was schief geht.
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Offline ArneBab

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #110 am: 2.01.2021 | 17:25 »
Das Ärgern gehört ja zur Aufgabe des SL.
Ich würde das in dem Rahmen nicht als Ärgern bezeichnen (ich befürchte, dass der Begriff hier missverständlich ist).

Es ist Aufgabe der SL, im erwarteten Rahmen der Gruppe Steine in den Weg zu legen — auf den Ebenen, auf denen die Leute Herausforderungen mögen.
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Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #111 am: 2.01.2021 | 18:24 »
Letzteres wollte ich nicht in Frage stellen. Charakterentwicklungen zu skripten geht auch in der Praxis, bietet aber die Gefahr, dass dein Skript kaputtgeht — wenn du damit nicht rechnest, machst du bei der Abenteuer-Umsetzung allerdings sowieso was falsch.
Gib mir Mal bitte ein konkretes Beispiel was du unter "Skripten" verstehst.

Und woran du genau festmachst, wann es Zeit wird, das Skript über Bord zu werfen ?





Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #112 am: 2.01.2021 | 18:30 »
Ich würde das in dem Rahmen nicht als Ärgern bezeichnen (ich befürchte, dass der Begriff hier missverständlich ist).
Stell Dir den Begriff in Anführungszeichen vor.
 :)

Zur X Card:
Deshalb finde ich die X Card bei deiner Art von Vorgehensweise ja auch so wichtig. Schließlich wissen die SPL besser als Du, wie sie sich selbst gerade fühlen.
Und mit zur Verfügung stellen eines SPL Veto Rechts (X Card) ist dann zumindest klar, dass sie selbst von sich aus einen Ausstiegshebel haben, den sie nach ihrem Empfinden (nicht deinem) jederzeit betätigen können.

Ohne X Card sitzt nur du an der Bremse.
Und fährst außerdem noch ihr Auto.

Edit.
Bei einer ergebnisoffenen Charakterentwicklung, die ich bevorzugen würde, haben die SPL ihr Steuer selbst in der Hand.

« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 19:01 von Issi »

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #113 am: 2.01.2021 | 19:03 »
Ohne X Card sitzt nur du an der Bremse.
Und fährst außerdem noch ihr Auto.

Naja, ich hab den Bausatz von meinem Geld gekauft und das Auto mühsam zusammen gedengelt. Natürlich sitze ich am Steuer.
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Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #114 am: 2.01.2021 | 19:08 »
Naja, ich hab den Bausatz von meinem Geld gekauft und das Auto mühsam zusammen gedengelt. Natürlich sitze ich am Steuer.
Und die Straßen zum Ziel habe ich auch gebaut. Und der Navi, den ich auch schon Mal eingestellt habe, sagt wo es lang geht.... ~;D.. :gasmaskerly:

Edit. "Aber ich kuck ab und zu Mal zu Dir rüber, falls du während der Fahrt irgendwie blass aussiehst, halte ich natürlich an..."

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ArneBab

Sorry für den Spaß.
Vielleicht reden wir auch nur aneinander vorbei.
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 19:14 von Issi »

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #115 am: 2.01.2021 | 19:13 »
Na klar, wir unterhalten uns vor und während der Fahrt. :)
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Offline Lord Verminaard

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #116 am: 2.01.2021 | 20:16 »
Dieses Thema liegt mir auch sehr am Herzen, leider redet man dabei oft aneinander vorbei, weil die Erfahrungshorizonte einfach so unterschiedlich sind. Ich finde den Ausgangsbeitrag eigentlich schon sehr gut auf den Punkt und möchte mir den für mich entscheidenden Punkt hier herausgreifen:

Zitat
Falls man also nicht in der Gruppe die Entwicklungslinien und denkbare Schlüsselszenen planen und absprechen (und dann nur noch nachspielen?) will, sondern "frei" spielt (play to find out?), sind glaubhafte Entwicklungen irgendwie recht schwierig.

Diese Vorstellung des "dann nur noch nachspielens", die hält sich so hartnäckig und die steht so im diametralen Gegensatz zu den Runden, die ich am Allerliebsten spiele. Dabei werden Charaktere so angelegt, dass sie bestimmte offene Fragen, Konflikte oder Themen mitbringen, die im Spiel verhandelt und dramaturgisch durchgespielt werden sollen. Das wissen auch alle, also nicht nur der SL. Auch die Backstory-Geheimnisse sind der ganzen Gruppe vorher bekannt, sodass auch die anderen Mitspieler diese entsprechend anspielen können, selbst wenn ihre Charaktere noch nichts davon ahnen.

Letztendlich zeichnet sich dieser Spielstil durch mehr Vorbereitung und weniger Improvisation aus, als "play to find out" im Sinne der pbtA-Systeme. Im Vorwege wird bereits an den Charakteren und der Gruppenkonstellation gefeilt, es wird bereits gedanklich durchgespielt, wohin es laufen könnte, um auszuschließen, dass das Set-up eine Sackgasse darstellt. Es können auch schon grobe Linien skizziert werden, in welche Richtung es dann gehen soll oder welche Wendungen/Entwicklungen im Spiel dann auf jeden Fall kommen sollen. Und der SL richtet seine Vorbereitung natürlich auch daran aus und plant in Akt-Strukturen und Szenen. Trotzdem ist das, was hinterher passiert, viel mehr als nur einfaches "nachspielen", denn allein durch die Tatsache, dass man das kooperativ mir vier, fünf, sechs Leuten zusammen macht, ergibt sich immer genug an überraschenden Wendungen, vielleicht nicht in den ganz groben Eckpunkten aber auf jeden Fall im Detail. Und außerdem ganz wesentlich ist dabei der darstellerische, erzählerische, ich bin versucht zu sagen: künstlerische Aspekt. Es reicht halt nicht, dass mein Charakter einen klar angelegten "Saulus zum Paulus" Arc hat, von dem jeder ahnt, dass er kommen wird. Sondern ich muss es eben dann auch umsetzen, das Timing, den Dialog, die Darstellung, es muss unterhaltsam sein und meine Mitspieler müssen es mir abkaufen, ich kann es auch nicht alleine, ich brauche das Zuspiel im richtigen Moment, das ist eben genau das, worum es bei uns geht (für Forge-Affine: die "Fruitful Void").

Für mich und einige Gleichgesinnte, mit denen ich viele denkwürdige Runden gespielt habe, ist dafür gute Vorbereitung sehr wesentlich, und das geht dann einfach mit einem gewissen Maß an Planung auch einher. Dadurch wird unser Spielerlebnis nuancierter, komplexer und ultimativ befriedigender. Es ist meiner Erfahrung nach überhaupt gar nicht so, dass es dann ein reines "nur noch nachspielen" ist, viel eher hatte ich in sehr frei improvisierten Runden oft das Gefühl, dass immer nur die offensichtlichste Wendung, das platteste Klischee gespielt wurde und am Ende trotzdem die Handlung wenig glaubwürdig war, weil doch irgendwo ein Plot Hole klaffte und die Motivation der Charaktere insgesamt kaum nachvollziehbar blieb.

Im Übrigen halte ich es für eine falsche Dichotomie, zu sagen, in improvisierten Runden sind Charakter Arcs ergebnisoffen und in vorbereiteten Runden sind sie es nicht. Ich habe schon gut vorbereitete Drama-Runden erlebt, in denen ein Charakter mit einem total offenen Konflikt versehen war, wo die Spielerin bis kurz vor Schluss selber noch nicht wusste, in welche Richtung sie den auflöst, und das wirklich komplett aus dem Spielverlauf heraus entschieden hat. Und ebenso habe ich in improvisierten Runden total absehbare Character Arcs erlebt, wo nach der zweiten Szene jeder sagen konnte, worauf das hinausläuft.

An letzterem ist auch aus meiner Sicht überhaupt nichts falsch, es macht die einzelne Szene nicht weniger interessant oder anspruchsvoll, manchmal im Gegenteil. Man darf halt nicht zu schematisch sein, das gilt übrigens ja auch für andere Erzählformen. Man muss flexibel bleiben und die Dinge im Fluss lassen, man muss ja auch auf die anderen achten, man darf nicht blocken und muss alles zusammen weben. Dabei dann trotzdem aufs gewünschte Ergebnis zu kommen und zwar so, dass es wirklich passt und glaubwürdig und unterhaltsam ist... das ist aus meiner Sicht viel schwerer, als "play to find out", um noch mal etwas provokanten Elitismus zum Ende einfließen zu lassen. ;) Einige der allerbesten Momente meiner Rollenspiellaufbahn waren solche, wo einer Drama-Runde die entscheidende, öffnende Wendung fehlte, alle spielten die Szenen weiter, so wie sie sich eben entwickelten, alle wussten, dass da etwas passieren musste, das den Spin in die von allen gewünschte Richtung bringt, aber erst durch den rettenden Geistesblitz eines Mitspielers konnte der Plot auf genau die perfekte, plausible, den Motivationen der Charaktere entsprechende und noch dazu überraschende Weise gedreht werden. In solchen Momenten hätte ich den betreffenden Mitspieler küssen können.
« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 20:18 von Lord Verminaard »
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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #117 am: 2.01.2021 | 21:21 »
Dass es beim " Play tot find Out" kaum Vorbereitung, und weniger Timing bedarf, ist allerdings auch ein Gerücht.  :D

Das gleiche gilt für die Darstellung.
Das was rüber kommt muss nicht nur echt wirken. Es muss es auch ein Stück weit echt sein, damit das Ganze funktioniert, bzw. die "Magie" stimmt.

Glaubhafte Charakterentwicklung braucht mEn. das alles, egal bei welcher Variante.
 
Den Vorteil, den ich bei Ergebnisoffenheit sehe, ist der, dass die SPL die nicht auf ein bestimmtes Ergebnis zuspielen müssen.
Das eigene"Erleben" steht im Vordergrund.
Was ja eigentlich typisch für die SPL Position ist.
Man kann einfach wie immer in seine Figur eintauchen, und  seinem eigenen Empfinden jederzeit treu bleiben.
Die Hälfte unserer Gruppe hat Schauspielerfahrung. (Bühne, Film)
Aber beim Rollenspiel erfolgt das Darstellen wesentlich natürlicher, da es kein festgelegtes Ziel gibt, sondern der Weg dahin schon spannend ist.
- Und das ist für mich das Entscheidende - einen anderen Weg nehmen kann, wenn der spontan für alle stimmiger bzw. glaubhafter ist.


« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 21:26 von Issi »

Offline Lord Verminaard

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #118 am: 2.01.2021 | 21:32 »
Der Unterschied ist halt zumindest bei pbtA-Systemen, dass es so einen richtigen "Arc" eigentlich gar nicht gibt, weil die Wendungen, die die Würfel ergeben, eben, naja, ausgewürfelt sind. ;)
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Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #119 am: 2.01.2021 | 21:53 »
Der Unterschied ist halt zumindest bei pbtA-Systemen, dass es so einen richtigen "Arc" eigentlich gar nicht gibt, weil die Wendungen, die die Würfel ergeben, eben, naja, ausgewürfelt sind. ;)
Das stimmt.

Wir spielen jetzt ja auch kein klassisches pbtA System sondern D&D 5/ M5.
Also ganz klassische Abenteuer mit dem Zusatz Charakterentwicklung.
Das Spiel ist also nicht allein darauf beschränkt.
Da werden die Wendung zu 80 Prozent erspielt.
 Sowas wie ein "Lügen Check" (Gewürfelt) kann da natürlich trotzdem Mal mit einen Ausschlag geben.


Edit.
Wenn die SPL auch im Vorfeld "mit - Scripten", und planen  dürfen was passiert, ist das noch Mal eine andere Nummer, als wenn das allein die SL macht.
Hier sind sie zwar in einer anderen Rolle, als gewöhnlich, sitzen mehr auf dem Regie Stuhl. Aber sie haben dafür auch Einfluss und Entscheidungsfreiheit.

In ArneBabs Variante war das aber vermutlich so, dass da eher die SL die Zügel  in der Hand hat. Und so vermute ich, damit auch klassische Abenteuer bespielt werden.

Wenn die SPL im Vorfeld mitentscheiden dürfen, wohin sich das ganze entwickelt, also man vorher gemeinsam entscheidet, und auf das Ziel der SPL lediglich hinspielt, dann mag das auch nochmal eine andere Nummer sein.



« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 22:33 von Issi »

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #120 am: 2.01.2021 | 22:43 »
In ArneBabs Variante war das aber vermutlich so, dass da eher die SL die Zügel  in der Hand hat. Und so vermute ich, damit auch klassische Abenteuer bespielt werden.

Wenn die SPL im Vorfeld mitentscheiden dürfen, wohin sich das ganze entwickelt, also man vorher gemeinsam entscheidet, und auf das Ziel der SPL lediglich hinspielt, dann mag das auch nochmal eine andere Nummer sein.

So wie wir es spielen, ist halt der SL halt auch für die Geheimnisse zuständig, dadurch ergibt sich auch auf Spieler-Ebene dann zusätzlich Spannung, dass man zwar die Backstory der anderen Charaktere kennt, aber noch nicht die (ganze) SL-Backstory.
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Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #121 am: 2.01.2021 | 22:56 »
So wie wir es spielen, ist halt der SL halt auch für die Geheimnisse zuständig, dadurch ergibt sich auch auf Spieler-Ebene dann zusätzlich Spannung, dass man zwar die Backstory der anderen Charaktere kennt, aber noch nicht die (ganze) SL-Backstory.
Ah Ok.
Bei uns wird die Charakterentwicklung nicht nur von den SC innerhalb der Gruppe angestoßen- (das gibt es auch) sondern das findet viel durch NSC statt.
(Die dann die SC entsprechend anspielen)
Insofern reicht es wenn die SC sich mit der Zeit kennenlernen.
(Man kann dadurch auch hier das ein oder andere SC Geheimnis bunkern)
Und die SL die SC dafür genauer kennt.



« Letzte Änderung: 2.01.2021 | 23:04 von Issi »

Offline ArneBab

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #122 am: 2.01.2021 | 23:26 »
Gib mir Mal bitte ein konkretes Beispiel was du unter "Skripten" verstehst.
Charakterentwicklung Skripten: Einem Magier werden von seiner Akademie höhere Weihen angeboten, ein Krieger erhält den Ritterschlag, ein Raumhändler erhält ein eigenes Schiff, ein Underdog erhält Psi-Kräfte.

All das sind Entwicklungen, die Wünsche des SC oder des Spielers/der Spielerin verwirklichen, so dass die Wahrscheinlichkeit sehr klein ist, dass sie sie ablehnen. Gleichzeitig verändern sie SCs und ihre Rolle in der Welt.

Skripten heißt für mich: Entwicklungen anstoßen, bei denen ich recht sicher bin, die Reaktion vorhersehen zu können. Dann können sie einen Plot tragen.
Zitat
Und woran du genau festmachst, wann es Zeit wird, das Skript über Bord zu werfen ?
Wenn ich das Gefühl habe, dass sich jemand unwohl fühlt (erster Hinweis). Ansonsten durch Rückfragen — wenn ich was zentraler im Plot anspiele frage ich meist im Nachhinein, ob das in Ordnung ist. Vor zwei Wochen kamen Rassismus und Abhängigkeit auf: Die SCs sind in einer Stadt gelandet, in der nicht-Menschen als Eigentum gelten. Die menschlichen SCs haben dort die nicht-Menschlichen geschützt. Ich hatte allerdings das Gefühl, dass das zwar interessant war (das habe ich auch als Rückmeldung nach der Runde bekommen), sie das Thema allerdings nicht vertiefen wollten (das gab es nicht als direkte Rückmeldung, aber halt auch kein „lass uns in die Richtung weitergehen“).
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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #123 am: 2.01.2021 | 23:38 »
In ArneBabs Variante war das aber vermutlich so, dass da eher die SL die Zügel  in der Hand hat.
Wenn du damit meinst, dass die nächste Runde meist erst nach der vorherigen geplant wird und im Hinterkopf ein paar größere Entwicklungen rumspuken, die kommen können oder auch nicht, je nachdem, wie die Runde sich entwickelt, dann ja. Klassische Abenteuer sind es allerdings nicht (ich spiele eigene Welten mit eigenem System).
1w6 – Ein-Würfel-System — konkret und direkt, einfach saubere Regeln.
Zettel-RPG — Ein Kurzregelwerk auf Post-Its — für Runden mit Kindern.
Flyerbücher — Steampunk trifft Fantasy — auf einem Handzettel.
Technophob — »Wenn 3D-Drucker alles her­stel­len können, aber nicht dürfen, dann ist Techschmuggel Widerstand und Hacken Rebellion.«

Offline Issi

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Re: Glaubhafte Charakterentwicklung
« Antwort #124 am: 2.01.2021 | 23:45 »
@
ArneBab

OK
Unter einem Skript habe ich mir etwas vorgestellt, das mehrere Szenen aneinander reiht, also eher Drehbuch artige Handlungsstränge, deren Verlauf vorhersehbar sein soll.

Was du beschreibst,  würde ich "Setzungen" nennen.
Die mache ich auch.
Wobei deine Beispiele jetzt eher harmlos sind, und keine drastischen inneren Entwicklung provozieren müssen.

Man kann auch Setzung vornehmen, die SPL wenig bis keine Entscheidungsfreiheit lassen. Und da muss man eben vorsichtig sein.
Zudem funktioniert Charakterentwicklung manchmal auch über Dinge die der Figur ans Eingemachte gehen können.


Edit.
Bezüglich Wunscherfüllung. Auch hier könnte man etwas anstoßen.

Wie war das?: "Erfülle den SC ihre Wünsche, und du machst sie unglücklich."
(Es hat ja der schönste Traum auch seine Schattenseiten)

Große Macht bedeutet große Verantwortung. Und die muss man auch erstmal tragen. (Mehr Neider, Fans die Nerven, Leute die nur aus Prestige Gründen mit Dir befreundet sein wollen etc.)
Auch Besitz kann belastend sein. (Dinge können kaputt gehen, Personal will bezahlt werden, usw.)
« Letzte Änderung: 3.01.2021 | 00:08 von Issi »