#26
Brian McClellan - Promise of Blood - Powder Mage 1Das war mal eine etwas andere Fantasy, gemischt mit Schwarzpulver und Revolution. Das Buch ist extrem kurzweilig und lässt sich schnell weglesen, allerdings wartet es dafür mit recht wenig Tiefgang auf. Die Hebel, mit denen die Charaktere erpresst und konfrontiert werden, sind recht archetypisch beschrieben. Jeder Charakter wird als übermäßig großartig und pseudoambivalent dargestellt. Die Charaktere sind grundsätzlich grau angelegt, allerdings gibt es auch kaum Schattierungen, sodass das allein noch keine Leistung ist.
Das heißt aber nicht, dass es nicht interessante Ansätze gäbe, wie etwa den Vater-Sohn-Konflikt zwischen Tamas und Taniel. Das Magiekonzept, welches McClellan sich ausgedacht hat, ist geistig aus der Brandon Sanderson-Schule, sprich: denk dir erst die Magie aus, und baue dann die Welt dazu. Dass es Schwarzpulvermagie gibt, und eher konventionelle Magie, und dann dazu noch jede Menge Leute mit magieähnlichen, aber kleinen Fähigkeiten, macht diesen Teil zu dem spannensten Part, da man mit der Welt auch mehr von der Magie und ihren Funktionen entdeckt.
Allerdings ist diese Geschichte mit jeder Menge - und das muss man dann mögen - klassischem Machismo geschrieben. Alle wichtigen Charaktere sind Männer, die mit Kampfgeist sind sowieso Männer und nur hier und da deutete eine der wenigen weiblichen Charaktere sowas wie Charakter an. Das ist schade, weil da ein paar Grundelemente des Buches gewesen wären, denen starke Frauen echt gut getan hätten.
Das Buch ist der Auftakt zu einer Trilogie, und wer weiß, vielleicht halten spätere Bücher genau das. Wer aber auf kurzweilige Fantasygewalt in einem pseudohistorischen Setting der französischen Revolution stehen kann, der wird mit einem kurzweiligen Buch unterhalten.
7 von 10 Punkte
#27
J.R.R. Tolkien - Das SilmarillionAls junger Mensch bin an diesem Buch gescheitert. Ich habe als sehr junger Kerl (8-9 Jahre) Herr der Ringe erstmalig gelesen, dann in der Zeit der Veröffentlichung der Filme (damals zarte 14) nochmals und damals habe ich mich an das Silmarillion gewagt. Es wirkte auf mich spröde.
Dieses Mal darf ich zu einem anderen Schluss kommen, nicht ohne zuzugeben, dass ein wenig Sprödigkeit noch immer mitschwingt. Aber alleine der Versuch, eine erzählte und zusammenhängende, eine damit harmonische Kosmogonie zu erschaffen, verdient das Prädikat von Meisterschaft. Eine Nuance, die ich als 14-jähriger vielleicht nicht verstanden habe, ist, dass die Lieder, die Tolkien an den Anfang stellt, diese nicht nur mit seinen nordischen und seinen sonstigen mythischen Vorbildern verbindet, sondern dass er entgegen den fragmentarisch überlieferten Gesängen und Epen sonstiger Mythologien hier bewusst mit der Harmonie einer überlieferten Ganzheit zu glänzen vermag; ja, letztlich bekannte Bilder gewieft zu einer Harmonie zusammenbindet.
Das Werk ist natürlich viel zu groß, um es in seiner Ganzheit zu bewerten und zu analysieren in diesem Rahmen, und ich könnte dem wohl auch kaum gerecht werden. Aber ein paar Eindrücke wollen geschildert sein.
Zum ersten Part, dem Ainulindalë habe ich meine zwei Cent beigetragen, den zweiten Part (Valaquenta) will ich da einfach mit einbetten.
Der namensgebende Hauptpart des Quenta Silmarillion macht nicht nur den größten Part aus, sondern kommt auch am wenigsten spröde daher. Wie auch die ersten Parts, wird hier Geschichte erzählt. Während Part 1 und 2 notwendige Voraussetzungen sind, um Part 3 überhaupt schreiben und bewegend machen zu können, wirken sie auch hier erst rein und gewinnen an Strahlkraft. Sind sie in Part 1 und 2 noch aneinandergereihte, wenn auch gefällig formulierte Geschichten/Erzählungen, gewinnen sie durch die Geschichte um die Silmaril an Wirkung, die Geschichten und ihre Bezüge werden lebendig und sind somit mit Gewinn und Spannung zu lesen. Gleichwohl, das ist dem Werktypus geschuldet, können diese Geschichten nur den Bogen spannen, weshalb ich es sehr begrüße, dass die entscheidenden Geschichten in größerem Detail herausgelöst sind und nochmal gesondert ge- und beschrieben (vor allem die Kinder Hurins kann ich an der Stelle nur nochmal empfehlen). Dieser Part ist der meisterlichste Part des Ganzen.
Der vierte Part (Akallabêth) ist für mich mit dem Untergang von Atlantis bzw. Numenor der sprödeste Part des Buches, und hier fehlt mir die erzählerische und sprachliche Dichte und Schönheit, die in den Parts davor so bewundert habe. Saurons Rolle ist darin natürlich gewichtig, und der Part mit Sauron als falscher Berater ist gefällig genug, aber irgendwie habe ich hier etwas vermisst.
Der fünfte Part, der kurze Ausflug zu den Ringen der Macht und ins Dritte Zweitalter betrachte ich nicht weiter. Er steht für sich.
Insgesamt war ich jedoch sehr angetan, und gerade die von Tolkien doch immer sehr zielgerichtete und doch präzise, und in ihrer Einfachheit (so nehme ich es wahr) schöne Sprache versüßt mir das Werk in inzwischen gestandenem Alter deutlich. Wer also bereit ist, sich dem Ganzen zu widmen, sollte Zeit und Ausdauer mitbringen, die Lust an Geschichten, Zusammenhängen und dem stillen Weiterdenken dieser Zusammenhänge haben, und dann wird er mit einem großen Buch belohnt. Wenn er das nicht mitbringt, ist das Werk zu komplex, um es einfach nur wegzulesen.
Deswegen 8,5 von 10 Punkte.
#28
Robert N. Charrette - Shadowrun - Never Deal with a DragonIch habe es getan, wieder. Ein Shadowrunbuch. Die Mutter der Shadowrunromane. Und ich war überrascht. Selbstverständlich gehen die Gerüchte über die bewundernswert unterdurchschnittliche Qualität der Shadowrunromane nicht ohne Weiteres an einem vorbei und auch mein erstes Buch, welches ich zu der Thematik gelesen habe, schien das Ganze zu bestätigen.
Dieses Buch jedoch war anders, denn zurecht ist es ein Shadowrunbuch, da es alle typischen Themen zusammenfasst, für die Shadowrun interessant ist. Großkonzerne, Runs, Wetwork, die Grenze zwischen Technologie und Magie, Intrigen, Loyalität und Käuflichlichkeit unter Runnern sowie undurchsichtige, direkt in die Geschicke der Welt eingreifende Drachen. Und es hat auch genügend Momente, in denen man es für einen Groschenroman hält, doch im Großen und Ganzen war ich positiv überrascht.
Denn der Protagonist des Buches hat tatsächlich sowas wie Wachstum am Ende des Romans hinter sich, auch wenn er vielleicht etwas schnell lernt, wie der Hase läuft. Besonders hervorzuheben ist auch, dass damals noch nicht nur die optimiertesten Runner durch die Welt liefen, sodass es keine Art Modenschau für Cyberware ist, sondern dass in dem Charakter sich beide Welten stimmig und sinnig, mit seinen Vor- und Nachteilen treffen.
Die Beschreibungen der magischen Ebenen, des Schamanismus und von den virtuellen Welten der Matrix ist in andern Büchern (sei es Neuromancer von Gibson, sei es Snow Crash von Stephenson, sei es Qube von Hillenbrand) viel besser gelungen. Die Welt wird insofern nicht im Sinne der Augmented Reality erweitert und für den Leser so nicht wahrnehmbar, Magie und Technologie sind sehr oberflächlich und nur Mittel zum Zweck, aber dennoch ist die erzählweise bisweilen holperig, aber auch zielführend und schafft es, alle Elemente entsprechend zu verarbeiten. Der Endkampf kommt leider etwas kurz und ist etwas zu schnell und zu einfach erledigt, es ist kein literarisches Phänomen, aber doch viel besser als erwartet nach meinem ersten Ausflug in die Shadowrunromane.
6 von 10 Punkte
#29
J.R.R. Tolkien - The Hobbit, or There and Back AgainDer Klassiker der Kinderliteratur ist inzwischen 84 Jahre alt und noch immer eine Lesereise wert. Der Aufbruch von Bilbo als unerwarteter Dieb, der im Abenteuer nicht nur den sagenumwobenen einen Ring findet, sondern auch Freundschaft, seinen eigenen Mut, sich selbst, Abenteuer und sich sogar beweisen kann, dass er ein Anführer ist, ist immer wieder eine Reise wird. Und dieses Mal habe ich einen doppelten Ansatz gewählt, denn ich habe zum einen die englische Ausgabe gelesen und dann habe ich mir daneben, Kapitel für Kapitel die wundervoll vertonte Variante mit Andy Serkis als Sprecher angetan. Und was soll ich sagen?
Ich kann die Variante mit Andy Serkis nur wärmstens empfehlen. Wer fürchtet, etwas über 10 Stunden den Hobbit mit der Stimme Smeagols hören zu müssen, wird bitter enttäuscht werden, denn Serkis ist ein Stimmenkünstler und seine Interpretationen von Gandalf, Thorin, Balin, Bilbo, Gollum, Elrond und vielen weiteren sind einfach außergewöhnlich gut und werden dem Werk mehr als gerecht, vor allem die Vertonung der Lieder und Gedichte im Werk ist außerordentlich gelungen.
Viel mehr will ich zu dem Werk gar nicht erwähnen. Muss auch gar nicht erwähnt werden.
8,5 von 10 Punkte für das Buch.
9,5 von 10 Punkte für die Vertonung mit Andy Serkis.
#30
Karl Marlantes - MatterhornIch habe Marlantes in einer Vietnamdoku als Veteran auftreten sehen und seine aufgeräumte und analytische Art war mir in Erinnerung geblieben. Als ich also im Buchladen vor seinem Werk stand, habe ich es gekauft und - wie das Leben immer so spielt - erst Jahre später gelesen. Aber der Kauf hat sich gelohnt.
Matterhorn dreht sich, wie könnte es bei Marlantes eigener Lebensgeschichte anders sein, um den Vietnamkrieg und zwar um ein fiktives Szenario, in welchem ein Dschungelhügel - Matterhorn genannt - erstürmt werden soll. Und wir lernen so einiges in der Geschichte, denn wir lernen die Langeweile und das Warten des Krieges kennen, die Fährnisse und Schrecknisse langer Märsche, wir lernen unerträglichen Hunger, Naturgefahren und Exkremente näher kennen als wir wollen. Das Kriegsszenario nimmt mit, lässt einen mit den Soldaten leiden und hier und da mag es in die Länge gezogen wirken, aber gerade hier lernen wir die Empathie für die Soldaten, die sich entbehren und töten und vergeblich nach Sinn suchen.
Diese Sinnsuche, sie bildet eine von zwei großen Erzählsträngen, als Mellas - ein junger, idealistischer Mann - sich zum Offizier berufen fühlt. Wir begleiten ihn und seinen Trupp (Der Erzähler wechselt, was sehr gelungen ist in diesem Werk), und merken, wie der Dschungel, die Märsche und dann irgendwann das Töten und Verwundet werden ihn zermürben. Wir werden mit ihm zermürbt. Wir erleben, wie Matterhorn erkämpft wird, und entgegen der Richtlinie, dass Land nicht gehalten wird in diesem Krieg, wird Matterhorn stark befestigt und dann doch geräumt, dann jedoch dreht der Feind ab und nimmt das stark befestigte, verlassene Matterhorn, und nun sind es die Soldaten, die diesen Hügel befestigt haben, die ihn wieder stürmen müssen, weil jener Stabsoffizier, der den Hügel befestigen ließ, um seine Karriere bangt und er zieht sie alle mit herein in den Untergang. Und die ganze Zeit sucht Mellas nach dem Sinn, doch er findet Ziellosigkeit, Karrieristen, denen das Wohl der Soldaten egal ist, und verschenkte Leben. Er findet auch das Credo der Marines, und Freunde, und doch stirbt beides und nimmt ihn gefangen; und lässt ihn am Ende abstumpfen.
Der zweite Erzählstrang, der unter dem ersten liegt und mit ihm immer wieder verwoben ist, ist die Rassengeschichte Amerikas, der Mord an Dr. Martin Luther King und der Alltagsrassismus in der Gesellschaft und der Armee, und auch hier ist es Mellas, der Sinnfindung betreibt, mit den weißen und schwarzen Soldaten die Verbrüderung sucht, sie im Kampf findet und außerhalb des Kampfes sehen muss, wie es wieder zerbricht, wie Rassismus sich Bahn schlägt und sich eine große Katastrophe langsam, aber sicher im Feld ankündigt und er sie einfach nicht aufhalten kann.
Und als diese eintritt und Mellas bester Kumpel unversehens und aus Versehen dabei stirbt, sehen wir in diesem Schrecknis, wie weit es mit dem jungen Leutnant gekommen ist. Er weint, er schmerzt und doch prallt es an ihm ab. Es gibt nur ein Weiter. Wir sehen einen Mann vom Idealisten zu einem Mann werden, der zwischendrin selbst über das Morden eigener Vorgesetzter nachdenkt und dann am Ende nur noch kämpft. Er kann nicht mehr beantworten wofür. Er sucht den Sinn nicht mehr. Wir sehen, wie ein junger Leutnant PTBS entwickelt.
Eindrücklicher sah ich diesen Prozess nie beschrieben. Das Buch ist an manchen Stellen lang, um seinen Punkt spürbar zu machen. Das muss man ertragen lernen und dann liest man dieses Buch mit Schrecken, Erkenntnis und Gewinn.
8,5 von 10 Punkte
#31
Steven Erikson - Der Krieg der Schwestern - Spiel der Götter 6Ich habe mich inzwischen bis Band 6 gearbeitet und noch immer ist die Geschichte sehr gefällig. Allerdings ist dies für mich der bisher schwächste Band. Fast 35% des Buches geht Erikson einen neuen Weg, in dem er den Toblakai aus den vorherigen Bänden sehr ausführlich mit Hintergrund und Vorgeschichte ausstattet, was einerseits nett ist, dass er für einen Charakter mal wirklich in die Tiefe geht und das durchgängig, nur ist der Toblakai Karsa für mich kein besonders spannender Charakter und die Tiefenbeschreibung gelingt Erikson bei weitem nicht so gut, wie das Spinnen seiner weltübergreifenden Zusammenhängen und seiner aus den Geschichtchen entstehenden Bogengeschichte.
Im Laufe des Buches schwenkt Erikson wieder um und das Buch gewinnt deutlich dadurch. Noch immer versucht Erikson viel im Vagen zu lassen, an anderen Stellen nimmt er es aber auf, die Zusammenhänge jetzt für den Leser zusammenzufassen und zu erinnern. Manchmal passiert das durch Charaktere, bei denen man sich fragt, woher sie auf einmal all das Wissen haben, aber im Regelfall ist das ordentlich dargestellt.
Ein zweiter Wandel ist in der Betrachtung der Charaktere selbst zu finden. Während in den ersten Bänden vor allem galt, dass die Charaktere immer die besten, größten und gefährlichsten waren, denken die Charaktere dies häufig noch, sind aber auffallend schnell enttarnt bzw. entlarvt. Der Erkenntnisgewinn ist also bei allen stark gestiegen, selbst bei den kleinsten Soldaten.
Leider ist er auch hier wieder etwas abgewichen von der Darstellung durch unterschiedliche Geschichtserzählkonzepte. Das war in den ersten Büchern eine große Stärke und ich hoffe, dass er das nochmal aufnimmt. Die Dialoge könnten etwas abwechselungsreicher sein.
Dadurch, dass er aber einige Zusammenhänge auch zusammenzieht und die Geschichte weiter verbindet, macht es nach wie vor sehr viel Spaß, der Storyline zu folgen. Und ich werde dies weiter tun.
7 von 10 Punkte