Autor Thema: Reading Challenge 2021  (Gelesen 19142 mal)

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Samael

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #25 am: 6.01.2021 | 10:03 »
Und Nummer 4: Maigret macht Ferien. Den fand ich richtig richtig gut. Naja, jetzt ist erst Mal Maigret- Pause.

Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #26 am: 6.01.2021 | 13:37 »
#2

Matthias Stührwoldt - Knackwust! - Alltagsgeschichten und Erzählungen

Ein kleines Büchlein in plattdeutscher Sprache, das genau das erfüllt, was ich persönlich von plattdeutschen Erzählungen erwarte. Die niederdeutschen Sprachen haben eine Neigung, das Tragische süß oder anrührig-witzig ausdrücken zu können, und dass schätze ich sehr.

Und da passt dieses kleine 120-seitige Bändchen mit Alltagsgeschichten rein. Es hat einen gewissen Nostalgiefaktor und natürliche viele Szenen mit Wiedererkennungswert für den Norddeutschen, weil man diese Orte und Gegenden kennt, und die Geschichten. Es sind bäuerliche Geschichten, und sehr menschliche.
Es ist allerdings auch bittersüß, denn der Autor hat inzwischen seine Eltern verloren, seine Kinder sind groß, der Beruf wird nicht leichter, die Leichtigkeit des Frühwerkes entschwindet langsam, und dennoch steckt in diesen kleinen Geschichten häufig gleichzeitig trauriges und humorvolles.

Es ist eben sehr norddeutsch.

Mir hat die kurzweilige Geschichtchensammlung gut gefallen.

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #27 am: 6.01.2021 | 22:54 »
#3

Matthias Stührwoldt - Wir Bauern sind anders

Ein zweites, kleines, etwa 156-seitiges Bändchen voller Hof- und Alltagsgeschichten, diesmal allerdings in hochdeutscher Schrift.

Letztlich kann ich mich meiner Bemerkung aus dem vorherigen Band nur anschließen. Es sind weiterhin bäuerliche, aber auch allgemeine Geschichten, mit menschlichen Charakter.
In hochdeutscher Schrift wirkt das Ganze noch etwas melancholischer, ohne seinen Reiz zu verlieren. Die Geschichten eines inzwischen reiferen Mannes, der seine Verluste erlitten hatte, ein paar seiner Liebsten verloren hat, darüber aber nicht verzagt und das Schöne, das Einfache weiterhin schätzt und sucht.

Sehr anrührig, und hier und da auch witzig. Da ich selbst aus der Periphärie landwirtschaftlicher, norddeutscher Betriebe komme, wirkt das auf mich vielleicht noch alles etwas näher und augenscheinlich sehr verwandt.
Mir gefällt es.

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Offline Huhn

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #28 am: 7.01.2021 | 08:53 »
Falls ihr mir Freundschaftsanfragen auf Goodreads schickt, dann schreibt bitte nen kurzen Satz dazu, dass ihr übers Tanelorn kommt - ich lehne die nämlich ab, wenn ich nicht weiß, wer dahintersteckt (falls ich schon irgendwen von hier versehentlich abgelehnt haben sollte - sorry!).

Offline Sindaja

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #29 am: 7.01.2021 | 11:01 »
Hier mein erstes Dreierpack an gelesenen Büchern:
#1. Yoon-Ha-Lee: Dragon Pearl
Science-Fiction mit Fantasy Elementen für Jugendliche. Da es aus der Reihe Rick Riordan presents kommt, ist es für eine ähnliche Zielgruppe wie „Percy Jackson“ gedacht. Der koreanische Touch gefällt mir gut. Man merkt, daß der Autor sich in westlicher und östlicher Kultur bewegt und so ist das Buch dramatugisch sehr „westlich“ und so auch leicht zugänglich für hiesige Jugendliche, vermittelt aber auch etwas östliche Fabelwelt, die der japanischen zu ähneln scheint. Auf jeden Fall rückt das Buch mein Interesse am „Ninefox Gambit“ des Autors weiter nach vorne.
#2. Matt Ruff: Fool on the Hill
Ein Potpourri aus Shakespeare, Hunden, einer Katze, Tolkien, Grimm, das Horror-Genre, griechische Mythologie, Studentenleben,... Ich fand das Buch vor allem in der zweiten Hälfte spannend, als die einzelnen Stränge etabliert waren und zusammengeführt wurden. Über dem ganze liegt noch eine Meta-Ebene, in der das Schreiben bzw. die „Macht der Feder und Imagination“ Einfluss auf den Verlauf des Geschehens nimmt. In der Tendenz ist das Buch schon recht literarisch und die „Bilder“ oft auch parodistisch. Interessant, aber durch die Vielzahl an Anspielungen nicht unbedingt leichte Kost.
#3. Gerald Durrell: Birds, Beasts and Relatives (#1 „Nicht Fantasy/SF“)
Als Kind schenkte mir mein bester Freund „Meine Familie und anderes Getier“, was eines meiner Lieblingsbücher wurde.  Ich las auch ein paar andere Bücher von Durrell, wusste aber nicht, daß die Korfu-Geschichten eine Trilogie sind. Dann fing ich an, mit meiner Tochter die Serie „Die Durrells“ zu schauen und bei meiner Recherche nach Durrells, die mir noch fehlten stieß ich auf dieses Buch. Als Kind faszinierten mich vor allem die Teils über die Tierwelt. Inzwischen machen mir die Menschen, die beschrieben werden, noch viel mehr Spaß. Und es macht Lust auf einen Urlaub auf Korfu.... Auch wenn sich die Welt seit den Erzählungen schon sehr verändert hat und die Fauna bestimmt nicht mehr so reich ist.

Samael

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #30 am: 7.01.2021 | 22:43 »
Und Nummer 4: Maigret macht Ferien. Den fand ich richtig richtig gut. Naja, jetzt ist erst Mal Maigret- Pause.

Naja.

Nummer 5: Maigret und die Affäre Saint-Fiacre. Jetzt ist aber wirklich erst mal gut mit Krimis.

Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #31 am: 8.01.2021 | 10:39 »
#4

Bart von Loo - Burgund - Das verschwundene Reich

Buch 4 im Jahr 2021 führte mich also nach Burgund. Es ist weitestgehend, trotz historischem Studiums mit den Schwerpunkten Mittelalter und früher Neuzeit, an mir vorbeigegangen. Natürlich war mir seine Existenz bewusst, aber nicht so wirklich seine Geschichte und so beschloss ich, diese mitteleuropäische Wissenslücke zu schließen, und ich glaube, ich hätte kein besseres Buch dafür finden können.

Warum?

Bart von Loos Darstellung ist - da wird sich einige Kritik zu finden - vielleicht nicht die ganz klassisch-historische Darstellung, vielmehr wirkt das Buch fast wie ein dokumentarisches Manuskript, welches wir uns leicht verfilmt vorstellen können. Zudem ist die Darstellung Burgrunds nicht besonders sichtbar quellenschwer, weil von Loo es eindeutig für ein breites Publikum geschrieben hat.
Es bedient sich hier und da auch anachronistischer, ja absichtsvoll flapsiger Sprache, woran sich der ein oder andere Purist stören wird oder den Lektor verteufeln (der in der deutschen Übersetzung von Andreas Ecke auch höchstens einen passablen Job gemacht hat, weil da so einige Fehler im Text sind), ja, es versucht nicht einmal besonders neutral zu sein.
Aber tatsächlich ist dies eine Stärke dieses Buches.

Fernab davon ein burgundisches Propagandawerk zu sein, ist es doch zweifelsohne von einem Mann mit einer gewissen Heimatliebe und dem entsprechenden Verve geschrieben worden und so versucht er die Geschichte Burgrunds, die sich vor allem im 14. bis 16. Jahrhundert in diesem Buch abspielt, vor- und nachzuerzählen, zu begleiten, und erlebbar zu machen.
Dies versucht er durch die Charakterisierung der betreffenden Protagonisten der Zeit, Darstellung der groben Bruchpunkte in den Monarchien und den immer wieder mutigen und erstarkenden burgundischen Städten (v.a. Gent, Brügge etc.) und dadurch, dass der Kunstgeschichte eine gleichberechtigte Schilderung widerfährt, die unweigerlich mit dem Lauf der klassischen Historie verbunden ist.
Allerdings - und auch das ist gelungen - betrachtet er Burgund nicht isoliert, sondern auch im Kontext der Politik der Zeit, der geopolitischen Spannungen zwischen Frankreich, England und dem HRR, sowie den Spannungen innerhalb der kath. Kirche.

Es ist ein farbenfrohes, prächtiges Spektakel, in dem van Loo nicht vergisst, Burgund mit der Weltgeschichte zu verbinden und zu verknüpfen, aber beizeiten auch zu entwirren. Es ist kurzweilig, obwohl es eher chronistisch als interpretierend geschrieben ist, und es wagt dennoch ein burgundisches Lebensgefühl vermitteln zu wollen und die burgundischen Leistungen ins Licht rücken zu wollen; und trotz all der Farbenpracht bleibt es tragisch wie unterhaltsam.

Man kann natürlich über die Charakterisierungen der Protagonisten und ihrer Antagonisten streiten, vielleicht ist die eine oder andere burgundische Leistung in der Weltgeschichte mit einem gewissen Augenzwinkern zu interpretieren, aber van Loo verschafft Burgund seinen gerechten Platz in europäischer Betrachtung, mit jeder Menge Verve und guter Erzählung; und selbst wer danach Burgund noch nichts abgewinnen kann, hat in angenehmer Sprache jede Menge über europäische Geschichte, die Selbstdarstellung von Höfen, sinnloser Gewaltbereitschaft, und dem schnellen Aufstieg und Fall eines Herrschergeschlechts gelernt und sich dabei unterhalten gefühlt.

So sehr im Detail also über das eine oder andere gestritten werden kann und mag, so kann nicht infrage gestellt werden, dass man sich kaum ein schöneres und besseres, fesselnderes Einstiegswerk in eine Thematik vorstellen kann, mit so viel Verve, Freude, Witz und eben auch kritischer Darstellung tragischer Helden und eines kurzzeitig aufblühenden, doch sehr prägenden, multikulturellen Herzogtums.

9 von 10 Punkte.
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Offline Lyris

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #32 am: 9.01.2021 | 13:28 »
So, Ziel für Januar erledigt.
#1, 2, 3 Martha Grimes: Inspektor Jury die ersten 5 Bände
Der Aussage die Autorin wäre die legitime Nachfolgerin von Agatha Christie kann ich bedingt zustimmen. Vom inhaltlichen Aufbau richtig. In einem Fall leider so sehr, das ich dachte "ach, das ist ja wie in..." und der Täter war entlarvt. Aber der Stil ist viel besser und insgesamt wirkt auch alles realistischer.
#4 Edgar Wallace: Die Melodie des Todes
Eine nette Mischung aus Liebesgeschichte, Tragödie und Gaunerkomödie. Hat mich gut unterhalten.
#5 Janet Paisley: Die Rebellin der Rose
Historischer Roman vor dem Hintergrund des Jakobitenaufstandes. Details wurden soweit nicht bekannt (also einiges) ergänzt, so dass sich eine runde, unterhaltsame und lehrreiche Geschichte ergibt.
#6 Pierce Brown: Tag der Entscheidung
3. Band der Red Rising-Reihe. Nach dem etwas anstrengenden 2. Band war dieser wieder gut. Natürlich gibt es auch hier wieder Weltraumschlachten, schließlich ist immer noch eine Rebellion im Gange, aber die Geschichte geht nicht darüber verloren, sondern wird ordentlich zu Ende erzählt. Ob ich die weiterführenden Bände, die erst 10 Jahr später wieder einsetzten noch lese, weiß ich aber noch nicht so recht.

Und gerade kam das Paket mit den nächsten Inspektor-Jury-Bänden.  :verschwoer:
Glückskeks sagt: In jedem Moment mit ganzer Konzentration und aus vollem Herzen, jeden einzelnen Schritt zu tun - Das ist Glück.

Offline Raiden

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #33 am: 9.01.2021 | 14:11 »
#1 Miranda Wohlfahrt von Johannes Anders

Ein Science Fiction Roman, der die Geschichte von Miranda Wohlfahrt erzählt wie Sie für den Diplomatischen Dienst immer wieder aufgaben erfüllen muss "von denen noch nie jemand lebend zurückgekehrt ist".
Sehr kurzweilig aber trotzdem hat mich das Buch jetzt nicht so vom Hocker gehauen. Ich fand alle Geschichten darin (13 Stück) immer sehr zusammen gestaucht und wie im Schnelldurchlauf erzählt. Meiner Meinung nach hat das Buch viel Potenzial verschenkt.
For he today that sheds his blood with me shall be my brother, be he ne´er so vile, this day shall gentle his condtion.

Samael

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #34 am: 9.01.2021 | 16:42 »
#4

Bart von Loo - Burgund - Das verschwundene Reich


Das hab ich kurz vor Weihnachten gelesen. Hat mir auch sehr gut gefallen. Einziger Kritikpunkt: Ich fands manchmal zu flapsig. Auch angesichts der Dramen, die da berichtet werden...

Ich hab dann direkt noch Huizinga geordert, steht auf der Liste.....

Offline Huhn

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #35 am: 9.01.2021 | 23:53 »
#1
Catherine Meurisse: Die Leichtigkeit

Catherine Meurisse war Karikaturistin bei Charlie Hebdo und entkommt dem Anschlag im Januar 2015 dort nur, weil sie an diesem Morgen verpennt hat und zu spät zur Redaktionssitzung kommt. Die Graphic Novel erzählt in zwei Abschnitten, wie sie ihr Trauma erlebt und schließlich beginnt zu verarbeiten.

Ein Comic, der mit einer gewissen Leichtigkeit, aber auch einer gehörigen Portion Galgenhumor und Gesellschaftskritik versucht, die Schönheit und Lebendigkeit in der Welt (wieder) zu finden und mir dabei sehr an die Nieren ging. Besonders berührt hat mich eine Szene, in der Catherine mit ihrer Mutter über den Tag spricht.
Zitat
"Ich wusste noch nichts von dem Gemetzel, ahnte aber das Unsägliche. Ruhig und gefasst habe ich gesagt: '1. Bei Charlie geht was vor. 2. Ich bin in Sicherheit. 3. Macht nicht den Fernseher an." - "Keineswegs. Du hast gesagt: 'Bei Sicherheit geht vor. Ich sehe Charlie fern. Ich mache nichts an.' Ich habe nichts verstanden, ich dachte, du wärst verrückt geworden. [...] Dein Vater wird dir das nicht sagen, aber nach deinem Anruf hat er lange dagesessen, ohne einen einzigen Ton rauszukriegen."

Klare Leseempfehlung von mir!

Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #36 am: 14.01.2021 | 09:25 »
#5

Ian Urbina - The Outlaw Ocean - Crime and Survival in the Last Untamed Frontier

Dieses Buch ist wohl das, was man "a sobering read" nennt. Ein Journalist unternimmt verschiedene Reisen auf und in die gesetzlosen Ozeane dieser Welt und setzt sich mit Kriminalität, staatlicher Nichtkontrolle, Unmenschlichkeit, aber auch mit den zarten Versuchen von Kontrolle, Gegenwehr und Idealismus auseinander.
Er schaut mit sehr klarem Blick hinter die Sehnsuchtsgedanken, wenn jemand an das weitere Meer denkt.

Er begleitet Sea Shepard bei der Jagd auf Raubfischer und Waljäger, schaut sich die sklavenähnlichen Verhältnisse auf den südostasiastischen, vor allem thailändischen Hochseeflotten an, setzt sich mit Chinas Landraub durch die Hochseeflotten auseinander, beschäftigt sich mit dem Problemen der lokalen Fischer in Somalia und gerät in zwischen korrupte Fronten, setzt sich mit Versicherungsbetrug auf hoher See, und Diebstahl sowie den falschen Flaggendesaster auseinander oder erläutert, wie Whistleblower offengelegt haben, wie unverantwortlich Kreuzfahrtschiffe mit dem eigenen Abfall umgehen, wie Teile der Meere überfischt werden, wie Grenzkonflikte auf hoher See aussehen, aber auch wie Aussteiger (Sealand) sich ihre Nische schaffen. Und selbst das sind nur Ausschnitten der Reichweite dieses guten Buches.

Besonders gelungen ist, dass Ian Urbina eine beobachtende Rolle einnimmt und die Ambivalenz darstellt, denn so einfühlsam und grausam die Einzelschicksale beschrieben sind, er vergisst nicht, sie in Kontext zu setzen und schnell wird dadurch klar, dass wegen der mangelnden Regelungen und Schutzmöglichkeit in internationalen Gewässern, die Situation viel komplexer ist, als dass sie in einfache Kategorien wie gut und böse gepackt werden können. Immer wieder reflektiert er da sein Beisein auch selbst und kämpft damit, diese beobachtende Rolle zu halten. Manchmal kämpft er auch mit der eigenen Machtlosigkeit in Angesicht dessen, was er zu sehen bekommt.

Teile des Buches liest man mit flauem Gefühl im Magen, und dann scheint doch irgendwie immer durch, so sehr Urbina hinter die Sehnsucht und das Chaos und die Kriminalität und den Müll, und in das sterbende Meer schaut: die Faszination, und ja, auch die Sehnsucht; sie bleiben.

9 von 10 Punkten
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Offline Antariuk

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #37 am: 14.01.2021 | 13:28 »
#1: Jay Kristoff - Nevernight (The Nevernight Chronicle 1)
Für urbane Fantasy habe ich ja einiges übrig, seit ich die Vlad Taltos-Reihe von Steven Brust gelesen habe. Nevernight habe ich mir auf Verdacht geholt, weil es in den Empfehlungen auftauchte. Im Großen und Ganzen eine klischeehafte Assassinengeschichte mit Mia, einer jungen Fraum als Protagonistin, die sich von der Straße in die Hallen eines Mörder-Kults hocharbeitet. Das Setting bleibt etwas vage, hat aber interessante Highlights - so etwa drei Sonnen, die für lange Tage und nur wenige echte Nächte sorgen, sowie die Hauptstadt Godsgrave, die auf (und in) dem Gerippe eines gefallenen Titanen gebaut ist und kulturell sehr venezianisch ist (ich denke hier war Teil 1 der Gentlemen-Bastards ein Vorbild). Mia hat ein paar nützliche Kräfte was Schatten und Dunkelheit angeht, was in Nevernight aber nicht wirklich erklärt wird und dabei so sehr zwischen als Mysterium aufgebautem Aspekt der Geschichte und achselzuckend hingenommener Tatsache pendelt, dass ich am Ende etwas genervt war. Zum entspannten Weglesen ohne großen Anspruch war der Band ok, aber große Ansprüche sollte man nicht mitbringen - an Überaschungen wie "Six of Crows" von Leigh Bardugo kommt Nevernight lange nicht heran. Ich blättere grade in den Nachfolgeband hinein, der thematisch einen anderen Schwerpunkt setzt, glaube aktuell aber nicht, dass ich die Reihe weiterlesen werde.

5 von 10 vergifteten Dolchen.

#2: Naomi Novik - Uprooted
Eine Fantasygeschichte mit starken Märchen-Motiven: Der Zauberer "The Dragon" (ja, wirklich) beschützt ein Tal vor dem anliegenden Wald, der nicht nur gefährlich ist, sondern ein echtes Eigenleben führt. Der Preis dafür ist ein junges Mädchen alle zehn Jahre, die er mitnimmt. Die Protagonistin Agnieszka ist dann natürlich die nächste, die auserwählt wird, und das Leben im Turm des Zauberers ist dann doch ganz anders, als sie (und ich) erwartet hatte. Sprachlich fand ich Uprooted sehr schön zu lesen, der Stil ist eigenwillig und nicht die normale 0815-Prosa, die man aus vielen anderen Fantasygeschichten kennt. Die schwierige Entwicklung der Dynamik zwischen "Dragon" und Agnieszka war unterhaltsam, der spätere Twist in der Geschichte ebenfalls. Es geht nicht um das Schicksal der ganzen Welt (oder eines Reiches, einer Nation), und das weiß zu gefallen. Wer mit Märchen und Phantastik mehr anfangen kann als mit epischer Fantasy, wird Uprooted wahrscheinlich mögen :)

8 von 10 Dornenranken.


Eigentlich wollte ich ja Sandersons Skyward lesen, habe spontan aber alles umgeworfen.
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Samael

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #38 am: 16.01.2021 | 08:41 »
Darf und soll man hier eigentlich kommentieren? Oder dient der Thread nur zur Aufzählung?

Offline Antariuk

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #39 am: 16.01.2021 | 09:54 »
In vorherigen Jahren wurde ja auch kommentiert und diskutiert, denke mal das hat sich nicht geändert?
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Offline Huhn

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #40 am: 16.01.2021 | 09:59 »
Darf und soll man hier eigentlich kommentieren? Oder dient der Thread nur zur Aufzählung?
Gespräche über alles, was themenrelevant ist, sind ausdrücklich erwünscht. Wenn du also über Bücher, Übersetzungen, E-Book-Reader, Lesezeichen, bequeme Lesesessel oder den optimalen Leseort oder sowas plaudern möchtest, dann immer raus damit.  ^-^

Samael

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #41 am: 16.01.2021 | 10:40 »
Ich wollte nur sagen, dass ich Uprooted vor wenigen Jahren gelesen habe und es mir auch überwiegend gut gefallen hat. Ich mag diesen märchenhaften Einschlag und die slavischen Elemente sehr - erinnert ein bisschen an den Witcher von Szapkowski (wenn es auch weniger düster ist).

Der Output der Autorin soll aber durchwachsen sein, meine Schwester hat mir berichtet, dass sie auch irgendetwas mit Drachenreitern geschrieben hat, was an Uprooted bei Weitem nicht herankommt.
« Letzte Änderung: 16.01.2021 | 10:41 von Samael »

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #42 am: 16.01.2021 | 11:45 »
Ich habe letztes Jahr die ersten beiden Bänder der Temeraire-Reihe gelesen. Ich fand die ganz schick, aber man muss mit dem absichtlich an die Zeit angepasste schreibweise auch mögen. Wer also nix mit Horatio Hornblower anfangen kann ist da eher schlecht bedient
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Offline Huhn

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« Antwort #43 am: 17.01.2021 | 15:17 »
Ich habe heute einen toiletären Meilenstein zu feiern! Hab doch 2019 angefangen, nen Berg an Reclam-Heftchen auf dem Klo zu lesen und war damit recht erfolgreich. Dann habe ich, im August 2019, den Fehler gemacht, mir die fast 800-seitige "Kleine Geschichte Lateinamerikas" zur Pottlektüre zu küren und seitdem lese ich mit einigen Unterbrechungen, tapfer Tag für Tag eine Seite oder so über Südamerika. Heute bin ich feierlich auf Seite 500 angekommen! Vielleicht lese ich das Ding ja dieses Jahr endlich mal zuende!
 :cheer: :cheer: :cheer:

Offline Sindaja

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #44 am: 17.01.2021 | 16:01 »
Glückwunsch zum Erreichen von Seite 500!

Zu Novik - Uprooted und Spinning Silver halte ich für stärkere Bücher als die Temeraire-Serie. Wobei mir letztere auch Spaß gemacht hat. Aber sie hat einerseits einige Längen und die Charaktere (und oft auch der Plot) fühlen sich für mich deutlich eindimensionaler an.

Ich bin inzwischen auch wieder 3 Bücher weiter.
#4: Peri Griffin: The Switching Well
Definitiv ein Kinderbuch – ich hätte vom Schreibstil her auf 80ger Jahre getippt, ist aber aus den Mitt-90gern. Ein Mädchen aus der Vergangenheit wünscht sich 100 Jahre in die Zukunft, ein anderes 100 Jahre in die Vergangenheit. Beide landen in Waisenhäusern und stellen fest, daß nicht alle an der Zeit, die sie sich „wünschen“ so toll ist, wie sie sich naiverweise vorgestellt haben. Das ist vielleicht auch das Problem des Buchs – die selektive Naivität und Gewitztheit und auch der „Kulturschock“ - vor allem bei dem Mädchen, das in die Zukunft reist, müsste meines Erachtens deutlich traumatischer als ein bißchen „Verwunderung“ und kleine Anpassungsprobleme ausfallen. Andererseits liest meine Tochter die „magischen Baumhaus“ Bücher und dagegen ist es dann schon fast wieder realistisches Verhalten. Deshalb auch die Einordnung als Kinderbuch und nicht Jugendbuch. Trotz allem ist es eine schöne Geschichte. Vor allem von Toleranz, Freundschaft und Mut.
#5 Jim Butcher: Brief Cases
Kurzgeschichten aus dem Dresden-Universum. Zumindest literarisch ist es im Augenblick mein Lieblings-Urban-Fantasy Setting. Mehrer Geschichten sind nicht aus der Harry-Perspektive, was auch mal ganz schön ist. Vor allem die 3 Perpektiven der gleichen Geschehnisse in Zoo Day gefielen mir besonders gut und von den Bigfoot-Interaktionen hätte ich gerne mehr. Für Liebhaber der Harry Dresden  Romane eine klare Empfehlung.
#6 Rose Bailey: The Sugar House
Eine recht überschaubare Sammlung von 4 Kurzgeschichten rund um Sasha Witchblood – eine Enkelin der Baba Yaga. Die Geschichten spielen auf unterschiedliche Märchen – auch aus der grimmschen Feder - an, sind aber wiederum ganz anders und das Setting ist eher osteuropäisch und mittelöstlich als mitteleuropäisch. Gutes Büchlein für ein kurzes, düster-märchenhaftes Intermezzo.
« Letzte Änderung: 2.02.2021 | 21:39 von Sindaja »

Offline Huhn

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #45 am: 17.01.2021 | 17:48 »
Danke!

#2
John Bellairs: Das Haus der geheimnisvollen Uhren

Nach dem Tod seiner Eltern zieht Lewis zu seinem Onkel Jonathan nach New Zebeedee. Jonathan ist ein ziemlich komischer, dabei aber äußerst liebenswürdiger Kauz. Als echter Zauberer lebt er - wie könnte es anders sein - in einem Haus, das voller Geheimnisse zu stecken scheint. Das größte Geheimnis ist das Ticken einer Uhr, das in allen Wänden zu hören ist. Während Lewis sich in seinem neuen Zuhause einlebt, kommt er nicht umhin, sich näher mit der Zauberei und der verborgenen Uhr zu befassen.

Also laut Daniel von System Matters ist das sau der Klassiker und ich hab voll was verpasst, wenn ich ihn nicht kenne und deswegen habe ich das Buch gelesen. :D War tatsächlich ein guter Tipp. Auch wenn sich das Buch eindeutig an Kinder in Lewis' Alter (also so ungefähr 11 Jahre) richtet, war es dennoch auch für mich eine unterhaltsame, spannende und teilweise sogar ein ganz klein bisschen wohl-schaurige Lektüre. Lewis ist ein Herzkäferchen von Junge, Onkel Jonathan und seine beste Freundin sind superlieb, es geht um Wunder, Spuk, düstere Geheimnisse, Freundschaft, Verrat und jede Menge heißen Kakao. Voll schöne Lektüre für kuschelige Winterabende.

Werde mir demnächst auch die Verfilmung anschauen - Jack Black scheint mit eine ganz gute Wahl für Jonathan zu sein.
« Letzte Änderung: 17.01.2021 | 18:37 von Huhn »

Offline Timberwere

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #46 am: 17.01.2021 | 18:31 »
Ich wollte nur sagen, dass ich Uprooted vor wenigen Jahren gelesen habe und es mir auch überwiegend gut gefallen hat. Ich mag diesen märchenhaften Einschlag und die slavischen Elemente sehr - erinnert ein bisschen an den Witcher von Szapkowski (wenn es auch weniger düster ist).

Der Output der Autorin soll aber durchwachsen sein, meine Schwester hat mir berichtet, dass sie auch irgendetwas mit Drachenreitern geschrieben hat, was an Uprooted bei Weitem nicht herankommt.

Das ist korrekt: Die Temeraire-Reihe mit den Drachen finde ich auch nicht so gut wie Uprooted - Temeraire war ihr Frühwerk, und das merkt man. Aber Uprooted finde ich wiederum nochmal durchaus schwächer als Spinning Silver. Wer also Uprooted mag, dem kann ich Spinning Silver nur ans Herz legen. Das ist inzwischen eines meiner echten Lieblingsbücher.

Aber apropos Naomi Novik: Von ihr habe ich gerade "A Deadly Education" fertig gelesen, das an die slawische Märchenfantasy in meinen Augen nicht rankommt, was ich aber trotzdem ziemlich cool fand, vor allem wegen des Worldbuildings. Eigentlich war ich anfangs misstrauisch, weil ich befürchtete, die ich-erzählende 'Auserwählte' könnte sich als Mary Sue herausstellen, aber da habe ich Frau Novik unrecht getan... sie subvertiert das Konzept geschickt, und wie ich glaube, mit Absicht, und auch die magische Schule, die als Setting dient, ist in ihrer absoluten Tödlichkeit echt gelungen.
Das Konzept: Kinder mit magischem Potential sind für "Maleficaria", sprich magische Monster aller Art, ein wahrer Leckerbissen, weil sie sich noch nicht richtig wehren können. Damit die Kinder nicht gefressen werden, werden sie mit 13 oder 14 in eine 'High School' teleportiert, wo sie 4 Jahre lang lernen... nur gibt es an dieser Schule keinen einzigen Lehrer und überhaupt niemanden außer den Schülern. Die Schule selbst, die irgendwo in einer Außendimension hängt, damit die Maleficaria nur schwerer hinkommen, stellt den Kindern ihre Aufgaben, und wer nicht mitkommt, hat gelitten. Jedes Jahr dreht sich das Stockwerk, in dem sie angekommen sind, eine Stockwerk weiter nach unten, und am Ende steht der "Abschluss" - sich durch einen Saal voller Monster ballern oder gefressen werden. An der Schule herrscht eiskalter Konkurrenzkampf und nackter Überlebenswille, Freundschaften gibt es nur wenige, und wenn überhaupt, dann Allianzen.
Der Hauptcharakter ist der für das Genre recht typische Underdog, und das Buch ist teilweise recht vorhersehbar, aber es hat mir trotzdem Spaß gemacht.
Zitat von: Dark_Tigger
Simultan Dolmetschen ist echt kein Job auf den ich Bock hätte. Ich glaube ich würde in der Kabine nen Herzkasper vom Stress bekommen.
Zitat von: ErikErikson
Meine Rede.
Zitat von: Shield Warden
Wenn das deine Rede war, entschuldige dich gefälligst, dass Timberwere sie nicht vorher bekommen hat und dadurch so ein Stress entstanden ist!

Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #47 am: 19.01.2021 | 15:38 »
#6

Roger Lowenstein - When Genius Failed: The Rise and Fall of Long Term Capital Management

Das Buch beschreibt den Aufstieg und Fall eines Hedgefonds, wie dieser sich auf wissenschaftlicher Analyse gründete, dann immer weiter vermenschlicht wurde und dann durch sehr menschliche Fehler zugrunde ging.

Der Autor verwendet eine sehr technische Sprache und versucht den erlernten Fachjargon eines Wall Street Journal-Journalisten zu wahren. Das könnte ganz gefällig sein, würde er nicht mit diesen Mitteln in die Köpfe der Agierenden zu schauen versuchen. Denn das gelingt ihm nicht zu gut.

Allgemein ist Lowenstein kein meisterhafter Erzähler, gleichwohl aber ein sehr akribischer Chronist, sodass das Buch gut und solide zusammengestellt ist und durch die Wucht seines Themas durchaus noch brauchbar ist.

Lowenstein kann hier und da nicht ganz verschleiern, dass er das Scheitern eines weiteren homo oeconomicus-Modelles eher zu schätzen weiß; so attestiert er allen Beteiligten am Scheitern Gewinnsucht, Spielsucht, Geheimnistuerei und akademische Hybris. Insofern wird es schwer, den beschriebenen Personen wirklich zu folgen. Zudem wirken seine Charakterzeichnungen simplifiziert und skizzenhaft. Hinter der Entwicklung und dem Festhalten bis zum Scheitern sind sicherlich auch gruppendynamische Gründe zu suchen und zu analysieren.

Letztlich kann Lowenstein die Entwicklung und die strukturellen Entscheidungen der beteiligten Banken und der Regierung gut nachzeichnen, die menschlichen Entscheidungen kann er nicht so gut beschreiben. Dennoch bleibt es ein interessant zu lesendes Stück Finanzgeschichte.

Um ein wirklich gutes Buch zu sein, müsste es seinen Leser entweder mehr mitnehmen, oder die Lehre der Geschichte - die Lowenstein direkt zu vermitteln versucht - müsste kräftiger und breiter sein. Dass wissenschaftlicher Scharfsinn und Modellhaftigkeit nie völlig repräsentativ für die Praxis sind, sei es philosophisch wie ökonomisch, für diese doch letztlich triviale Erkenntnis hätte es nicht diesen Vorlauf gebraucht.
Dennoch bleiben die Ausritte in die Risikotheorie und die Versuche Lowensteins, Finanzwirtschaft greifbar zu machen, lobenswert.

5,5 von 10 Punkte
« Letzte Änderung: 19.01.2021 | 15:42 von Menthir »
„Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen“ - Johann Gottfried Frey

„Ein Mensch wollte immer Recht behalten:
So kam's vom Haar- zum Schädelspalten.“ - Eugen Roth

Samael

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #48 am: 23.01.2021 | 10:10 »
Nummer 6: The Bedlam Stacks von N. Pulley.

Wurde hier vor geraumer Zeit von einem Foristen empfohlen. Eine historisch-fantastischer Stoff, ein Reisebericht aus dem 19. Jhdt. Ein englischer verarmter Landadliger und Botaniker reist im Auftrag der Ostindien-Kompanie in die Hochanden in Peru um Chinarindensetzlinge für eine geplante Plantage zu stehlen.
Dort trifft er auf Reste der Inka-Kultur mit allerlei fantastischen Versatzstücken.
 
Ich fand das Buch zeitweise faszinierend, streckenweise aber zäh und höhepunktlos. Ich hatte es bereits angefangen, lange Zeit beiseite gelegt und jetzt beendet. Insgesamt würde ich es meinerseits nicht unbedingt weiterempfehlen.
« Letzte Änderung: 23.01.2021 | 10:13 von Samael »

Offline Menthir

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Re: Reading Challenge 2021
« Antwort #49 am: 26.01.2021 | 21:00 »
#7

Theodor Fontane - Effi Briest

Ich gehörte nicht zu jenen Kindern, die in der Schule mit dem Standardwerk Theodor Fontanes geprügelt, gequält oder konfrontiert wurden. Sicher, andere Deutschkurse meiner Altersklasse mussten. Wir hörten den Horror, die von Fontane angeblich oder tatsächlich zelebrierte, niedergeschriebene Langeweile, in viel zu viele Worte gegossen, nur da, um mit havelländischer Ödnis über den Norddeutschen gestülpt zu werden.

Jetzt ist mein Schulleben einige Zeit her, und wie es so ist, irgendwann holen einen Fragmente der Vergangenheit ein, und als ich Effi Briest im Rahmen einer Haushaltsauflösung überreicht bekam, legte ich es einige Zeit auf die lange Bank, bis ich es vor einigen Tagen in Angriff nahm. Manchmal muss man sich ja auch selbst herausfordern.

Und was soll ich sagen?

Als Schüler hätte ich mich dem Chor der Klagenden angeschlossen, so viel ist mal sicher. Aber mit einigen Jahren mehr auf dem Buckel kann ich durchaus die Faszination verstehen, die dieses Buch umrankt. Die titelgebende Protagonistin erscheint auf den ersten Blick als das, was ihr von meinen Altersgenossen vorgeworfen wurde. Eine naive, nach dem Glück trachtende, dein eigenen Gefühlen stumpf folgende, junge, bevorzugte Dame, die dennoch nicht so ganz in ihren gesellschaftlichen Rahmen zu passen scheint und dann am Ende scheitert.

Das Faszinierende des Romans ergibt sich weniger aus der Handlung bzw. der Beschreibung der Handlung selbst, sondern aus den sich dahinter auftürmenden, sozialen Verflechtungen. Dass die Moralvorstellungen und der preußische Ehrenkodex in ihrem Ehemann den Gegenentwurf zu ihrer naiv-natürlichen Art darstellt, ist im Rahmen der brechenden Ehe, die sich eben mit der Ausgrenzung Effis und ihren späten Tod beschließt, vielfach moderiert, kommentiert und analysiert, sodass ich da wenig beitragen kann, um das Bild zu entkräften oder zu bereichern. Vernunft gegen Gefühl, Karrierismus vs. Treibenlassen sind sicher die großen Themen des Werkes, mit den Konsequenzen, die Fehlverhalten im wilhelminischen Preußen gesellschaftlich trägt.

Effis naives Verhalten, das ewig Kindliche, ist ja nicht nur durch ihre Beschreibung belegt, sondern kulminiert in einem gemeinsamen Erlebnis mit ihrem viel älteren Mann Innstetten. Es geht darum, dass es in Innstettens Haus spuken soll und Effi das tatsächlich glaubt, während Innstetten auch davon spricht, aber von Crampas entlarvt wird als Mann, der diesen Spuk nutzt, um Effi zu kontrollieren und zu "erziehen". Das ganze Werk ist Innstetten tatsächlich räsonierender, aber gleichwohl nicht so gefühllos wie häufig dargestellt. Gerade, dass er mit Effi die Tochter seiner Jugendliebe ehelicht, sagt einiges über die von Anfang überschattete Beziehung.

Ich will mich gar nicht zu viel auslassen, aber tatsächlich fand ich die Nebenfiguren (vor allem Innstetten und die ambivalente Rolle der Eltern) durchweg interessant, die Protagonistin weniger. Allerdings verändert sich das Bild Effis sicher mit moderner Lesart, sodass ich ihr wenig Süßes, sondern stattdessen hedonistischen Egoismus attestieren kann. Sie ist zu ihrer Umwelt (mit der Ausnahme von Roswitha und ihren Eltern) häufig, ja fast ausnahmslos ätzend. Nicht, dass sie sich nicht treiben lassen darf, aber sie lässt sich aushalten und verhätscheln. Die dargestellte Langeweile ist nicht der Grund für Taten Effis, es ist tiefer in ihrem Wesen vergraben, und zieht sich durch das ganze Buch von Anfang bis Tod. Ein modernes Psychogramm auf das Verhalten Effis wäre interessanter als die romanistische Standardauseinandersetzung und würde mich durchaus interessieren (wer weiß, vielleicht gibt es sowas? Ich habe es nicht recherchiert).

Am deutlichsten ist dies, als die inzwischen ins Bürgertum abgerutschte, von den Eltern aristorkatisch verlassene, aber doch finanziell ausgehaltene Effi in einer Wohnung lebt und ihre Tochter Annie nach Jahren wieder sehen will. Nachdem das Kind nicht so liebevoll und offen in der ersten Begegnung ist, wie von der kindlichen Effi erhofft, verwirft sie den Gedanken auf ihre Tochter und flieht gänzlich in sich. Wenn das nicht zu denken gibt.

Am Ende nehmen die Eltern die Tochter wieder auf und betüdeln sie bis zum Tode. Ein rein um sich selbst drehendes, egoistisches, gleichwohl durchgehend behütetes Leben endet in havelländischer Kulisse.

Interessante Charaktere, eine eher seichte Handlungsbeschreibung, aber eine auf einen gewissen Realismus und auf Prägnanz setzende Situationsbeschreibung macht dieses Werk auf jeden Fall lesbar, und es provoziert mit seinen Charakteren zum Nachdenken, ob man sie mag oder nicht. Insofern kann ich nicht das Urteil meiner Altersgenossen unterschreiben, ich kann aber einsehen, wenn man sich nicht so sehr um die Charakterisierung der Handelnden schert und so handelt wie Effi, nämlich nur liest, um verhätschelt und kindlich unterhalten zu werden, wird man sich von diesem Buch abwenden wie Effi sich von ihrer Ehe und Kessin abwandte.

6 von 10 Punkte.
« Letzte Änderung: 26.01.2021 | 21:06 von Menthir »
„Zutrauen veredelt den Menschen, ewige Vormundschaft hemmt sein Reifen“ - Johann Gottfried Frey

„Ein Mensch wollte immer Recht behalten:
So kam's vom Haar- zum Schädelspalten.“ - Eugen Roth