Autor Thema: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)  (Gelesen 6029 mal)

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Scurlock

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #25 am: 5.01.2021 | 21:43 »
Also ich finde, dass in beiden Fällen die SPL den Impuls geben und der SL dann darüber befindet. Ein Unterschied befindet sich auf sprachlicher Ebene: in klassischen Systemen in Frageform, bei Gummipunkten als Wunsch formuliert. Wenn DAS einen stört, dann könnte man natürlich Hausregeln, dass auch in einem Gummipunkt-System (also Karma) so etwas in Fragenform formuliert werden muss:

Der Spieler fragt, "Stehen zufällig Kisten in meiner Nähe herum?", während er einen Gummipunkt-Token auf halbem Weg zum SL herüberschiebt.
Der SL überlegt kurz und schiebt dann das Token in seinen Pool und antwortet: "Ja, klar. Willst du dahinterspringen bevor die Kugeln dich treffen können?"
So wird der Bestechungscharakter vollends offensichtlich.


Aber vllt kann ich ja zwischen Maarzan und nobody ein wenig vermitteln, indem ich nochmal auf die jeweils grundlegende Spielphilosophie hinweise.
Keine Schleichwerbung beabsichtigt, aber die Philosophie hinter KotBL ist eben so radikal anders als beí FATE. Bei KotBL steht der SL ja stellvertretend für die dunklen Götter, die aus Langeweile mit den Sterblichen ihre Spielchen spielen. Es erfordert von den SPL, ähnlich wie bei CoC, also eine gewisse Lust am Untergang - oder wenigstens den Wunsch den Widrigkeiten der Götter zu trotzen.
Bei so einer Ausgangslage ist der ANSPRUCH der Spieler den Gummipunkteinsatz nicht per Veto verhagelt zu bekommen natürlich unendlich viel schwächer als bei FATE.

Ganz im Gegenteil, es wäre sogar folgendes Szenario denkbar:
Ein SC soll einen Kontakt hinter einer Fässer-Manufaktur treffen, stattdessen gibt's eine unfreundliche Zufallsbegegnung und ein Dieb schießt mit einer Armbrust auf den SC. Der SPL fragt den SL: "Stehen da nicht Fässer 'rum? Hinter einer Fässer-Manufaktur müssen doch Fässer stehen?" und der SL antwortet kalt lächelnd, "Nein, in der Gasse gibt's überhaupt keine Deckung, sie sieht aber frisch gefegt aus, richtig gründlich!", während er einen Gummipunkt zum SPL herüberschiebt. (..den er natürlich nicht sofort für einen anderen Quatsch einsetzen kann, das wäre ja albern.)

tl; dr = Wieviel Anspruch in einem Gummipunkt-System besteht, hängt ERHEBLICH von der Philosophie hinter den Punkten ab. Das variiert.
Du stellst die Annahme auf, dass ein Gummipunkt-System sinnvoll ist, um die beschriebenen Situationen spielerisch aufzulösen. Aber die Situation stellt in herkömmlichen Systemen gar kein Problem dar. Es ist Teil des Spiels, dass die SL auf Nachfrage der Spieler Details zu den Situationen nachliefert. Das können tatsächlich spontane Einfälle sein oder aber auch fest eingeplante Elemente, die erst auf Nachfrage durch die Spieler so ersichtlich sind.
Mit Gummipunkten wird daraus aber ein gänzlich anderes Spiel mit eigener Dynamik, weil der Auflösungsansatz derartiger Situationen ein anderer ist. 

Die Wahl hat die SL eigentlich auch in allen Systemen mit "Fakten kaufen", die ich kenne - da ist immer auch ein SL-Veto vorgesehen.
Und auf der Ebene der Fiktion ist es wiederum unerheblich, ob die SL die Kisten vorgesehen hat oder nicht; sobald auf die eine oder andere Ebene (per Spieler-Nachfrage oder per Gummipunkteinsatz) geklärt ist, ob sie da sind oder nicht, waren sie eben schon von Anfang an da oder nicht.
Da die SL ja unmöglich alle Details einer Szene vorgesehen haben kann, ist der wahrscheinlichste Fall - egal, ob es um Gummipunkte oder Spielernachfragen geht - doch sowieso der, dass Dinge, die auf Spielerinitiative hin als vorhanden festgelegt werden, bis dahin eben nicht explizit vorgesehen waren, aber in den Augen der SL Sinn ergeben. Und dann ist tatsächlich der einzige Unterschied, ob zu der Frage noch ein Punkt herumgeschoben wurde oder eben nicht.
Es wird nur eine spielerische Ebene eingezogen, für die in herkömmlichen Spielen keine Notwendigkeit besteht. Ja, sie macht es sogar komplizierter, da diese Mechanismen der Spielphilosophie von SL-zentrierten Spielen widersprechen.
« Letzte Änderung: 5.01.2021 | 21:46 von Scurlock »

Achamanian

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #26 am: 5.01.2021 | 21:51 »
Es wird nur eine spielerische Ebene eingezogen, für die in herkömmlichen Spielen keine Notwendigkeit besteht.

Das sehe ich auch so, und weil ich prinzipiell kein Fan von allzu vielen Punkteökonomien im Regelwerk bin, ist bei mir der Wunsch nach "Fakten kaufen"-Regeln halt auch relativ gering.
Ich wollte nur darauf hinweisen, dass allein der Umstand, dass Spieler sich durch Punkteeinsatz Fakten kaufen können, noch nichts darüber aussagt, ob und in welchem Maße ihre Charaktere über die Fähigkeit verfügen, die Wirklichkeit der Spielwelt zu formen. Geformt wird erstmal auf der Metaebene des Gesprächs über das Spiel und eben eventuell noch auf einer dafür eingezogenen Regelebene, aber was das innerhalb der Spielwelt bedeutet, ist noch mal ein anderes paar Schuhe.

Offline Crimson King

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #27 am: 5.01.2021 | 21:52 »
Ich persönlich erkenne, obwohl mein Leib- und Magensystem PDQ sowas kann, den Mehrwert in gummipunktegetriebenem Faktenschaffen für sowas wie Kisten, hinter denen man in Deckung gehen kann, nicht. Ich verwende sowas eher, um die Story zu treiben, als um Hilfen zur Problemlösung zu kaufen. Wenn man da angekommen ist, braucht man die Gummipunkte aber auch nicht mehr, zumindest nicht dafür.
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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #28 am: 5.01.2021 | 21:53 »
Mit Gummipunkten läuft das "Fakten schaffen" so, wie ich es kenne, primär darauf hinaus, daß der Spieler zusätzlich zum bloßen braven Ja-oder-Nein-Fragen auch noch die Option erhält, der SL ein konkretes Angebot in der Form "...das wäre mir auch einen Gummipunkt wert" zu machen. Man hat also auf beiden Seiten mehr Spielraum zum Verhandeln, was genau dann, wenn an solchen Verhandlungen auch Interesse besteht, allemal von Vorteil ist.

Ob dieses Interesse dann auch vorhanden ist...das scheint mir hier, wenn auch nicht unbedingt zwingend der, dann doch zumindest einer der Hauptknackpunkte in Sachen unterschiedliche Spielstile und -geschmäcker zu sein.

Offline Alexandro

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #29 am: 5.01.2021 | 21:55 »
Ich mag es nicht Fakten zu kaufen, zumindest nicht mit einer Ressource. Technisch gesehen kauft nämlich auch der SL Fakten, nur halt mit unbegrenztem Budget.

Daher tendiere ich eher zu "Wenn es nicht dem widerspricht, was bereits etabliert wurde, dann sag Ja". Ganz einfach so, ohne Fatepunkt oder dass der Spieler einen auf Bittsteller machen muss ("Bitte, bitte SL... darf ich noch etwas mehr haben.").

Die Plausibilität der Szene an Ressourcen zu koppeln* schmeckt mir nicht, ebensowenig wie durch Ressourcen die Plausibilität auszuhebeln (außer das Setting sieht das explizit vor).

Zum Beispiel: natürlich gibt es in einer schäbigen Gasse Kisten, auch wenn diese nicht explizit beschrieben wurden. Ob die etwas bringen, wäre die andere Frage...

* besser finde ich den Ansatz von Cortex oder Feng Shui 2, der durch Ressourcen gewisse Setzungen in der Welt etabliert, z.B. der reiche Charakter hat immer ein teures Auto in der Nähe geparkt, beim Waffennarr wird bei jeder Kontrolle auch eine Waffe gefunden... Sachen, die immer aktiv sind, nicht nur wenn der Spieler Fate-Punkte ausgibt/bekommt.
Wer beim Rollenspiel eine Excel-Tabelle verwendet, der hat die Kontrolle über sein Leben verloren.

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #30 am: 5.01.2021 | 23:12 »
Also, ich hab ja zunächst einmal nichts über Sinn oder Unsinn von 'Fakten Kaufen' gesagt, sondern fand es ganz interessant, dass, genauer betrachtet, es keinen kategorischen Unterschied zum üblichen Fragen durch die Spieler gibt - solange der SL Vetorecht hat. Wenn man den Sinn von 'Fakten Kaufen' beurteilen will, dann kommt's (solange man nicht Gummipunkte aus Prinzip ablehnt) ein bisschen auf den Kontext an: Welchen Zweck erfüllen die Gummipunkte außerhalb des Faktenkaufens? Was verliert man dadurch, dass man einen Gummipunkt rüberschiebt?

In FATE dienen FPs -im Kern- dazu GURPS-artige Advantages einzusetzen - außer, dass sie hier, im Ggs. zu GURPS, einer uniformen Mechanik unterliegen. Wenn man solche uniformen Advantages, samt Spotlight-Begrenzung, durch die FPs nicht will/braucht, dann macht das Faktenkaufen auch vermutlich wenig Sinn.

In KotBL dienen Fortune Points als Metrik um zu messen wie gut die Spieler das Abenteuer bewältigen (je weniger Heldenglück gebraucht, desto besser) und um dann, am Ende des Abenteuers, je nach Endstand den Showdown und/oder Epilog (erzählerisch?) verzweigen zu lassen. Faktenkaufen ist hier also ein Teil des Heldenglücks. Es ist ja auch typisch, dass Helden häufig die Kisten/Fässer als Deckung haben, wenn sie sie benötigen. Wer diesen Ansatz nicht braucht, wer das nicht will, der braucht wiederum kein Faktenkaufen.

Aber auf eins möchte ich dennoch eingehen, nämlich Alexandros Bemerkung über das unbegrenzte Budget des GMs Fakten zu schaffen. Ja, aber das Beispiel oben mit den Fässern zeigt, dass in KotBL der GM eben doch (zumindest, wenn er sich an die Spielphilosophie hält) nur über ein begrenztes Budget verfügen kann: er schiebt ja einen Gummipunkt rüber als Ausgleich dafür, dass es keine Deckung in der Gasse gibt. Wenn er vorher 3 Gummipunkte hatte, dann hat er jetzt nur noch 2. Kann er immer noch fudeln? Ja, klar. Aber das ist ja gerade entgegen der eigentlichen Philosophie.
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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #31 am: 6.01.2021 | 07:04 »
Die Beobachtung aus dem Eingangsbeitrag finde ich sehr treffend. "Fakten schaffen" mit begrenzten Ressourcen macht wenig Sinn, wenn andere unbegrenzte haben. Besser wirds, wenn es statt Kisten dann Kisten +1 werden. Wenn ich den Punkt also ausgebe, um einen Bonus zu erhalten und den als Kisten koliriere.

Es macht einen großen Unterschied, ob die SL auf Nachfrage ein paar Kisten in der Gasse beschreibt oder ob die Spieler ein paar Kisten aus dem Nichts erscheinen lassen. Denn im ersten Falle definiert die SL das Umfeld der Charaktere, im letzteren manipulieren die Charaktere die Spielweltrealität.

Eine solche Spielrealität existiert nicht. Das ist kein tragfähiges Modell um Rollenspiel zu beschreiben. Es gibt nur die gemeinsame Fiktion, also diejenigen Inhalte, welche die Spielenden aufgrund irgendwelcher Reglements ausgehandelt haben.

Du deutest hier quasi an, dass es eine feststehende Spielrealität unabhängig von den Leuten, am Tisch gibt. Das kann schon per se nicht. Insbesondere wäre das aber schlecht, weil wir dann nicht spielen könnten, wie wir wollten.

Wenn du aber lediglich sagen wolltest, dass dir gewisse Reglements der Aushandlung missfallen, steht dir das natürlich frei.

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #32 am: 6.01.2021 | 07:57 »
Also, ich hab ja zunächst einmal nichts über Sinn oder Unsinn von 'Fakten Kaufen' gesagt, sondern fand es ganz interessant, dass, genauer betrachtet, es keinen kategorischen Unterschied zum üblichen Fragen durch die Spieler gibt - solange der SL Vetorecht hat.

Finde ich nicht. Wie mein Beispiel zeigt, gibt es beim "üblichen Fragen durch die Spieler" ja unterschiedlich naheliegende Fragen. Zwischen "Sollte es hier nicht irgendwo eine Lichtquelle geben, mit der die normalen Bewohner des Raums für Helligkeit sorgen" (naheliegender Fakt, den der SpL wohl in der Beschreibung vergessen hat) und "Hier gibt es nicht zufälligerweise einen Kronleuchter, an dem ich schwingen kann?" (weniger naheliegend und offensichtlich auch für andere Dinge nützlich, als Licht zu machen) gibt es eben doch einen Unterschied. Spielmechanisch kann man das dadurch lösen, dass ein "Ja" auf die erste Frage eben keine Gummipunkte kostet, ein "Ja" für die zweite Frage dagegen schon.
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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #33 am: 6.01.2021 | 08:46 »
Eine solche Spielrealität existiert nicht. Das ist kein tragfähiges Modell um Rollenspiel zu beschreiben. Es gibt nur die gemeinsame Fiktion, also diejenigen Inhalte, welche die Spielenden aufgrund irgendwelcher Reglements ausgehandelt haben.

Du deutest hier quasi an, dass es eine feststehende Spielrealität unabhängig von den Leuten, am Tisch gibt. Das kann schon per se nicht.

Naja, es kann sie geben, wenn man zum Beispiel Bilder, Karten oder Beschreibungstexte im Regelwerk heranzieht. Aber selbst dann müssen diese Setzungen noch den Approval-Prozess aller Mitspielenden durchlaufen, damit sie am Spieltisch wirklich akzeptiert sind und Teil der Fiktion werden.

@Scurlock: Dein Kistenbeispiel mit der Gasse finde ich ziemlich interessant, denn letzten Endes fügen Spieler mental ständig Dinge in die Spielweltrealität ein. Sagen wir, die Spielleitung beschreibt wirklich eine Gasse, eine typische Nebengasse in einer großen, amerikanischen Stadt. Welche Details beschreibt sie denn da? Und: Sind Details, die sie nicht beschreibt, dann nicht da? Oder können Spieler annehmen, dass Dinge vorhanden sind, die sie da erwarten. Wenn ich beschreibe "Ihr betretet eine enge, verregnete Hintergasse zwischen einem Chinarestaurant und einem 24-Stunden-Supermarkt, dann bringt das Assoziationen mit sich – und zwar ganz unterschiedliche bei unterschiedlichen Spielern. Da werden welche dabeisein, die sich dabei Müll auf dem Boden vorstellen und damit interagieren wollen. Da werden welche sein, die Regenrohre oder Feuerleitern annehmen. Also, wieviel müsste die SL jetzt davon beschreiben, damit es das alles nun tatsächlich gibt. Oder reicht es aus, wenn die Spieler Dinge als gegeben hinnehmen?

Es sind deshalb auch nicht die Charaktere, die die Spielweltrealität manipulieren (wie sollten sie das auch tun, sie sind lediglich im Oberstübchen imaginierte Vorstellungen), sondern die Spieler. In meinen Runden gehört das aber auch zu ihren Aufgaben. Sonst hätte die SL den ganzen Spaß ja alleine.

Engel – ein neues Kapitel enthüllt sich.

“Es ist wichtig zu beachten, dass es viele verschiedene Arten von Rollenspielern gibt, die unterschiedliche Vorlieben und Perspektiven haben. Es ist wichtig, dass alle Spieler respektvoll miteinander umgehen und dass keine Gruppe von Spielern das Recht hat, andere auszuschließen oder ihnen vorzuschreiben, wie sie spielen sollen.“ – Hofrat Settembrini

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #34 am: 6.01.2021 | 09:04 »
Die Beobachtung aus dem Eingangsbeitrag finde ich sehr treffend. "Fakten schaffen" mit begrenzten Ressourcen macht wenig Sinn, wenn andere unbegrenzte haben. Besser wirds, wenn es statt Kisten dann Kisten +1 werden. Wenn ich den Punkt also ausgebe, um einen Bonus zu erhalten und den als Kisten koliriere.

Eine solche Spielrealität existiert nicht. Das ist kein tragfähiges Modell um Rollenspiel zu beschreiben. Es gibt nur die gemeinsame Fiktion, also diejenigen Inhalte, welche die Spielenden aufgrund irgendwelcher Reglements ausgehandelt haben.

Du deutest hier quasi an, dass es eine feststehende Spielrealität unabhängig von den Leuten, am Tisch gibt. Das kann schon per se nicht. Insbesondere wäre das aber schlecht, weil wir dann nicht spielen könnten, wie wir wollten.

Wenn du aber lediglich sagen wolltest, dass dir gewisse Reglements der Aushandlung missfallen, steht dir das natürlich frei.

Das ist theoretisch verengt zwar richtig, aber sowohl bei Erkundung wie auch Herausforderung wäre dies das entsprechende Ideal, welches zwar nicht erreicht werden kann, aber nach Möglichkeit angestrebt und zumindest als konstitutioneller Leitfaden des Ablaufs zählt - was wäre wenn, die Einwürfe der Spieler wie auch die Setzungen und Entscheidungen des Spielleiters sollten an der spielweltlichen Konsistenz bzw. der angemessenen Herausforderung orientiert sein.

Die konstitutionelle Leitlinie der Entscheidung zur Elementverwendung/-gestaltung ist dann: wie sähe eine dem Spielstil nach richtige Entscheidung/Beschreibung aus, quasi wie wenn man von einer feststehenden optimaldesignten Welt ausgehen würde.

Und dann gehören auch kein Fakten kaufen in das Spiel. Wenn vom Spieler vorgeschlagene Elemente ins spielstiltypische Konzept passen, dass sollten sie auch aufgenommen werden - egal ob er noch Punkte hat oder nicht - und entsprechend gegensätzliches wenn es nicht passt.


Fakten kaufen kann auch als eine metalastige Variante herausforderungorientiertes Spiel gesehen werden, bricht dann meines Erachtens aber üblicherweise schnell zusammen, weil es eben für solche "Optimierungen" nicht ausgelegt ist und in kürzester Zeit zusammenbricht, wenn es so benutzt wird und nicht doch durch den SL in Eigenarbeit kontinuierlich eingefangen wird.

Entsprechend: Insbesondere wäre das aber für euch schlecht, weil ihr dann nicht spielen könnt, wie ihr wollt. Bei anderen Stilen gilt anderes. 
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Offline Lord Verminaard

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #35 am: 6.01.2021 | 09:19 »
Du hast völlig Recht. Letztendlich werden eine Menge falscher Dichotomien aufgemacht, meistens nur von Leuten im Internet, die sich langweilen. In Wahrheit ist es aber so, dass in jedem Rollenspiel die Spielwelt halt nur ausgedacht ist und dass Details, die vorher nicht bedacht wurden, aus dem Stegreif improvisiert werden. Ebenso wenig gibt es übrigens einen qualitativen Unterschied zwischen einem Detail, das im Kaufabenteuer steht, einem Detail, das sich der SL während der Rundenvorbereitung ausgedacht hat, und einem Detail, das der SL sich impromptu beim Improvisieren einer Begegnung ausdenkt.

Bonusfrage 1: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen einem Detail, das der SL sich frei Schnauze bzw. auf Nachfrage eines Spielers ausdenkt, und einem Detail, über das der SL auf Nachfrage eines Spielers die Würfel entscheiden lässt? Antwort: Nein, genauso wenig wie beim Gummipunkt-Detail.

Bonusfrage 2: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen Kisten, die bei einer improvisierten Begegnung auf Nachfrage entstehen, und Kisten, die bei einer vorbereiteten Begegnung ursprünglich nicht eingeplant waren, und dann auf Nachfrage nachträglich hinein editiert werden? Antwort: Nein.

Es ist alles nur ausgedacht. Qualitative Unterschieden bestehen im Hinblick auf die Intention und die Prinzipien, nach denen solche Entscheidungen gefällt werden, aka Spielstil. Aber das eine ist nicht weniger "echt" als das andere.
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Offline RackNar

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #36 am: 6.01.2021 | 09:28 »
Noch ein anderer Punkt. Ist es nicht so wie auch in anderen Bereichen? Ich kann einfach sagen: "Ich erschieße den Kerl" und die SL sagt einfach "Ok, Dein Schuss trifft ihn mitten in die Brust und er sackt zusammen", oder es gibt eine Regel, die das regelt ...
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Scurlock

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #37 am: 6.01.2021 | 09:32 »

@Scurlock: Dein Kistenbeispiel mit der Gasse finde ich ziemlich interessant, denn letzten Endes fügen Spieler mental ständig Dinge in die Spielweltrealität ein. Sagen wir, die Spielleitung beschreibt wirklich eine Gasse, eine typische Nebengasse in einer großen, amerikanischen Stadt. Welche Details beschreibt sie denn da? Und: Sind Details, die sie nicht beschreibt, dann nicht da? Oder können Spieler annehmen, dass Dinge vorhanden sind, die sie da erwarten. Wenn ich beschreibe "Ihr betretet eine enge, verregnete Hintergasse zwischen einem Chinarestaurant und einem 24-Stunden-Supermarkt, dann bringt das Assoziationen mit sich – und zwar ganz unterschiedliche bei unterschiedlichen Spielern. Da werden welche dabeisein, die sich dabei Müll auf dem Boden vorstellen und damit interagieren wollen. Da werden welche sein, die Regenrohre oder Feuerleitern annehmen. Also, wieviel müsste die SL jetzt davon beschreiben, damit es das alles nun tatsächlich gibt. Oder reicht es aus, wenn die Spieler Dinge als gegeben hinnehmen?

Es sind deshalb auch nicht die Charaktere, die die Spielweltrealität manipulieren (wie sollten sie das auch tun, sie sind lediglich im Oberstübchen imaginierte Vorstellungen), sondern die Spieler. In meinen Runden gehört das aber auch zu ihren Aufgaben. Sonst hätte die SL den ganzen Spaß ja alleine.
Die Gestaltungs- und Deutungshoheit liegt im Spiel ohne "Faktenkauf" aber beim SL. Inwieweit dann die Vorstellungskraft der Spieler einen Einfluss auf die beschriebene Spielwelt hat, liegt auch beim SL.
Wie detailliert dann die Beschreibung einer Szene, hier die Gasse, ausfällt ist dann abhängig von verschiedenen Faktoren. Ist die Gasse konkret als Szene vorbereitet worden? Wie hoch ist dann die Granularität der Szene? Wie wichtig sind in diesem Falle dem SL die Details? Oder ist es nur ein Ad-hoc-Szenario, das der SL in das laufende Spiel eingeworfen hat und nur grob eine Vorstellung hat, wie diese Szene aussieht.
Die Spieler haben natürlich ihr eigenes Kopfkino zur Gassenszene. Ob und wie sehr sich das dann mit den Vorstellungen der SL deckt, lässt sich dann nur durch Nachfragen klären. Die Deutungshoheit liegt dabei aber weiterhin bei der SL. Da können sich die Spieler noch sehr Kisten in der Gasse vorstellen, wenn die SL diese explizit nicht vorgesehen hat oder diese für abwegig hält, gibt es in der Gasse keine Kisten.

Du deutest hier quasi an, dass es eine feststehende Spielrealität unabhängig von den Leuten, am Tisch gibt. Das kann schon per se nicht. Insbesondere wäre das aber schlecht, weil wir dann nicht spielen könnten, wie wir wollten.
Nein, keine feststehende Spielweltrealität, sondern eine Spielweltrealität, die in erster Linie von der SL vorgegeben wird.     
« Letzte Änderung: 6.01.2021 | 09:35 von Scurlock »

Offline Hotzenplot

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #38 am: 6.01.2021 | 09:46 »
Also bei mir läuft es meistens etwas anders - hängt natürlich auch davon ab, was ich gerade leite. Meine erste einschneidende Begegnung mit Gummipunkten hatte ich in PDQ#. Die dortigen Styledice machen für meinen Leitstil die Sache am besten und auf der Basis habe ich den Kram auch in meine regelmäßige DSA-Runde importiert. Ich leite aber in aller Regel mit so etwas wie Player Empowerment (wobei ich dann als Cthulhu-SL wieder etwas davon abrücke - wie oben gesagt, es hängt auch davon ab, was ich leite).

Es gibt also zumindest bei mir als SL, eine andere Prämisse:
Die SpielerInnen können sowieso im Rahmen ihres Erzählrechtes diese Kisten aus deinem Beispiel erschaffen. Das kostet keine Gummipunkte. Voraussetzung: Es muss in der gemeinsamen Fiktion plausibel sein, dass dort Kisten stehen. Es kommt in diesen Spielsituationen übrigens öfter mal vor, dass mir ein Dramachip (so heißen die in meiner DSA-Runde) angeboten wird, ich aber ablehne und sage: "Kein Problem, Fakt XY ist so wahrscheinlich, dafür brauchst du nichts auszugeben!".

Die Kisten kosten erst dann etwas, wenn der Vorteil für den SC größer ist (mehr als ein bisschen Deckung) oder es in der Situation erstmal unwahrscheinlich wäre, dass einfach so Kisten herumstehen (z. B., weil man sich gerade in einem sauberen Vorstadtviertel bewegt, in dem alles fein säuberlich ist).

Und dann ist immer noch ein Unterschied, wie stark das erkaufte Erzählrecht der SpielerInnen in die gemeinsame Fiktion eingreift. Je stärker, desto mehr Gummipunkte werden ausgegeben. In aller Regel reicht einer, aber für die Herbeischaffung eines wichtigen NSC in genau diesem Moment kostet das auch gerne mal zwei Gummipunkte.
Wie gesagt, ich bin da sehr von PDQ# beeinflusst.

Damit kämen wir zum 'Fakten Kaufen': solange der SL ein Vetorecht behält, unterscheidet sich das Erkaufen von Kisten mittels eines Gummipunkts nicht kategorisch von dem obigen klassischen/traditionellen Szenario. Der Hauptunterschied ist, dass der Gummipunkt quasi als Bestechung des SLs dient. Oder anders herum betrachtet: es kostet den Spieler etwas, wenn da günstigerweise ein paar Kisten in seiner Nähe herumstehen, hinter die man schnell in Deckung springen könnte.

Wie aus meiner o. g. Ausführung ersichtlich, kann es zumindest bei mir als SL schon einen Unterschied machen und mein Bauchgefühl sagt mir, dass es sogar meistens so ist: Das "Hineinfragen" von Tatsachen ist genauso kostenlos, wie das "Hineinerzählen" mittels des eigenen Erzählrechtes der SpielerInnen. Erst an der Stelle, an der ich nicht mehr zweifelsfrei "Ja" auf das Hineinfragen geantwortet hätte, kann die Tatsache etwas kosten. Es könnte auch sein, dass sich SpielerInnen das "Ja, aber" auf ein "Ja" erkaufen.
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Ich habe die G7 in 10 Stunden geleitet! Ich habe Zeugen dafür!

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Offline JollyOrc

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #39 am: 6.01.2021 | 09:58 »
Zumindest bei den Fate Varianten die ich gespielt habe, ist der Unterschied zwischen "Spieler schmücken die Umgebung erzählerisch aus" und "Faktenkauf" ein ganz handfester: Letzteres schafft genau definierte Spielwerte. Wenn ich frage, ob da Kisten sind, dann können die klein, groß, kugelsicher, voll mit Sprengstoff, oder sonstwas sein.

Wenn ich mit einem Fatechip Kisten als Deckung erkaufe, dann weiß ich genau, dass ich die als Deckung +2 nutzen kann.

Der Chip erkauft mir hauptsächlich diesen Bonus - wie der erzählerisch zustandekommt ist dabei unter Umständen sogar Nebensache, bzw. wird nochmal nachverhandelt. ("Nee, da sind keine Kisten, das passt nicht zu dem, was ich bislang erzählt habe." - "ok, aber vielleicht kann ich die Tür von dem Chinarestaurant aufreißen und die als Deckung nehmen?" - "das passt!")
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Online Maarzan

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #40 am: 6.01.2021 | 10:01 »

Bonusfrage 1: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen einem Detail, das der SL sich frei Schnauze bzw. auf Nachfrage eines Spielers ausdenkt, und einem Detail, über das der SL auf Nachfrage eines Spielers die Würfel entscheiden lässt? Antwort: Nein, genauso wenig wie beim Gummipunkt-Detail.

Bonusfrage 2: Gibt es einen qualitativen Unterschied zwischen Kisten, die bei einer improvisierten Begegnung auf Nachfrage entstehen, und Kisten, die bei einer vorbereiteten Begegnung ursprünglich nicht eingeplant waren, und dann auf Nachfrage nachträglich hinein editiert werden? Antwort: Nein.

Es ist alles nur ausgedacht. Qualitative Unterschieden bestehen im Hinblick auf die Intention und die Prinzipien, nach denen solche Entscheidungen gefällt werden, aka Spielstil. Aber das eine ist nicht weniger "echt" als das andere.

BF1: Die Aufgabe des Spielleiters als letztlich doch bestinformierteste Person am Tisch und mit der besonderen Verantwortung entsprechend den Vorgaben des jeweiligen Spieltischs ist es üblicherweise eigene wie externe Beiträge auf Kompatibilität zu prüfen. Idealerweise hat er das bei vorbereitetem Inhalt dann schon mit mehr Zeit und Ruhe intensiv vorher gemacht, aber Fehler können natürlich immer passieren. In der Regel aber weniger als wenn man überraschend auf Neues reagieren muss.
Die Kaufpunkte hebeln diese Kontrolle aber entweder zu einem guten Teil auf oder aber sind selbst nur Schein und begrenzen die Spieler gar im ihnen möglichen Umfang zu eigentlich nützlichen Beiträgen. Beides sehe ich als ungünstig.
Spiele mit anderen Ansprüchen, können das natürlich wieder ganz anders sehen. Im Extrem sind die "Gummipunkte" direkte Erzählrechtswährung gleichberechtigter Spielleiter/Erzähler.

BF2: Bei beiden hängt es davon ab, in wie weit den Stilprinzipien hier genüge getan wird. Spontan ist aber die Rückkontrolle und die Neigung/Anreiz da emotional und eigennützig kurz was zu drehen meines Erachtens größer.

Storytellertraumatisiert und auf der Suche nach einer kuscheligen Selbsthilferunde ...

Offline Alexander Kalinowski

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #41 am: 6.01.2021 | 11:18 »
Die erste wichtige Beobachtung scheint mir, dass, in der Tat, Gummipunkteinsatz nur Sinn macht, wenn der SL so oder so entscheiden könnte. Das ergibt sich aus dem Bestechungscharakter des Gummipunkteinsatzes.

Zweitens, scheinen einige Leute hier immer noch durch die FATE-Philosophie geprägt sein, nach der die Spieler Fakten schaffen können. Es ist schon so, dass in beiden Fällen (Nachfrage/Gummipunkt) der SL den Fakt schafft. Darauf wurde ja bereits mehrfach verwiesen, aber dennoch scheint sich der Eindruck zu halten, dass der SL damit die Kontrolle an die SPL abgibt. Dem ist, je nach Ausprägung, nicht so. Von daher gibt es zwar einen Unterschied, aber, solange es ein GM-Vetorecht gibt, ist er nicht kategorisch, dh, es gibt immer noch hinreichend viele Gemeinsamkeiten zum bloßen Nachfragen.

Drittens: Guter Hinweis, JollyOrc, aber es gibt natürlich auch Systeme mit Fakten kaufen, bei denen dies weniger starr mechanisch geregelt ist.
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Offline Hotzenplot

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #42 am: 6.01.2021 | 11:33 »
Die erste wichtige Beobachtung scheint mir, dass, in der Tat, Gummipunkteinsatz nur Sinn macht, wenn der SL so oder so entscheiden könnte. Das ergibt sich aus dem Bestechungscharakter des Gummipunkteinsatzes.

Zweitens, scheinen einige Leute hier immer noch durch die FATE-Philosophie geprägt sein, nach der die Spieler Fakten schaffen können. Es ist schon so, dass in beiden Fällen (Nachfrage/Gummipunkt) der SL den Fakt schafft. Darauf wurde ja bereits mehrfach verwiesen, aber dennoch scheint sich der Eindruck zu halten, dass der SL damit die Kontrolle an die SPL abgibt. Dem ist, je nach Ausprägung, nicht so. Von daher gibt es zwar einen Unterschied, aber, solange es ein GM-Vetorecht gibt, ist er nicht kategorisch, dh, es gibt immer noch hinreichend viele Gemeinsamkeiten zum bloßen Nachfragen.

Drittens: Guter Hinweis, JollyOrc, aber es gibt natürlich auch Systeme mit Fakten kaufen, bei denen dies weniger starr mechanisch geregelt ist.

"FATE-Philosophie"... puh, ist das so? Ich bin kein besonderer FATE-Fan (obwohl ich es mag), aber diese Philosophie stammt zumindest bei mir nicht von FATE, sondern war irgendwie schon immer Teil unseres damaligen Stils - ich rede hier von den 90er Jahren. Erst mit PDQ# hatte ich allerdings die Mittel, meinen Stil richtig einzusortieren und zu verstehen, was da eigentlich passiert.

Und nein, es ist eben nicht nur das Vetorecht. Wie ich in meinem obigen Beispiel andeutete, geht es doch um die Fiktion der ganzen Gruppe. Gerade meine durchaus gut abgestimmte langjährige DSA-Runde hat eine sehr gute Vorstellung davon, was jetzt als Tatsache aka Weiterentwicklung der Fiktion passt und was nicht. Obwohl die SpielerInnen durchaus unterschiedliche Spielstile haben, gibt es sowas wie eine gemeinsame Vorstellung davon, was jetzt passen würde und was nicht. Insbesondere am offline-Spieltisch kriegst du in solchen Fällen - eben auch super gut bei FATE oder PDQ# - durch nonverbale oder verbale Reaktion der Runde mit, was jetzt cool ist und was nicht. Das ist m. E. sehr entscheidend.

Ich stimme dir zu, im Ergebnis ist das oft so, dass es dann um das Vetorecht des SL geht - praktisch jedoch findet ein negatives Veto in meiner Runde eigentlich nie statt. Warum? Weil wir eingegrooved sind und wissen, was uns gefällt. Das ist übrigens der Moment, in dem man kaum noch Gummipunkte braucht, rein vom Spielablauf betrachtet, weil  man ohnehin eine gemeinsame Fiktion hat - was übrigens einer meiner Hauptargumente gegen FATE ist: In einer gut laufenden Gruppe brauche ich diesen komplexen Metagaming-Anhang nicht. ;)
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Offline RackNar

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #43 am: 6.01.2021 | 11:35 »
Ich habe jetzt aus Interesse noch einmal in FateCore nach geschlagen. Zum Thema Fakten kaufen finde ich nur folgenden Abschnitt:

Zitat
Ein Detail hinzufügen: Wenn du der Geschichte ein Detail hinzufügen willst, das
auf deinen Aspekten basiert, kostet das einen Fate‑Punkt.

Da steht nicht von einem Vetorecht der SL.  :think: Kann es sein das dieses eigentlich nicht existiert?
« Letzte Änderung: 6.01.2021 | 11:36 von RackNar »
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #44 am: 6.01.2021 | 11:56 »
Das ist theoretisch verengt zwar richtig, aber sowohl bei Erkundung wie auch Herausforderung wäre dies das entsprechende Ideal, welches zwar nicht erreicht werden kann, aber nach Möglichkeit angestrebt und zumindest als konstitutioneller Leitfaden des Ablaufs zählt - was wäre wenn, die Einwürfe der Spieler wie auch die Setzungen und Entscheidungen des Spielleiters sollten an der spielweltlichen Konsistenz bzw. der angemessenen Herausforderung orientiert sein.

Einspruch: Dies ist nur bei gewissen Unterarten von Erkundungs- oder Herausforderungsspiel so. Man kann sich auch Arten von Erkundungsspiel vorstellen bei denen die paar Kisten nicht ins Gewicht fallen oder Arten von Herausforderungsspiel bei denen die Gummipunkte Teil der Herausforderung sind.

Die konstitutionelle Leitlinie der Entscheidung zur Elementverwendung/-gestaltung ist dann: wie sähe eine dem Spielstil nach richtige Entscheidung/Beschreibung aus, quasi wie wenn man von einer feststehenden optimaldesignten Welt ausgehen würde.

Und dann gehören auch kein Fakten kaufen in das Spiel. Wenn vom Spieler vorgeschlagene Elemente ins spielstiltypische Konzept passen, dass sollten sie auch aufgenommen werden - egal ob er noch Punkte hat oder nicht - und entsprechend gegensätzliches wenn es nicht passt.

Naja, wir sprechen ja über Situationen in denen sowohl die Anwesenheit als auch die Abwesenheit des Elements gerade gut passen würde. Alles andere läuft unter beiden Varianten mehr oder minder gleich ab.

Fakten kaufen kann auch als eine metalastige Variante herausforderungorientiertes Spiel gesehen werden, bricht dann meines Erachtens aber üblicherweise schnell zusammen, weil es eben für solche "Optimierungen" nicht ausgelegt ist und in kürzester Zeit zusammenbricht, wenn es so benutzt wird und nicht doch durch den SL in Eigenarbeit kontinuierlich eingefangen wird.

Es bricht üblicherweise schnell zusammen, weil es in kürzester Zeit zusammenbricht? :P Ich finde, du solltest hier nochmal deinen Gedanken neugeordnet vortragen.

Entsprechend: Insbesondere wäre das aber für euch schlecht, weil ihr dann nicht spielen könnt, wie ihr wollt. Bei anderen Stilen gilt anderes.

Bei anderen Stilen gilt anderes, klar. Als ein Beispiel, wenn man zB 08/15-Weltbewohner spielen will, dann braucht man nicht das heldentypische Glück, dass da Kisten herumstehen, wenn man sie gerade benötigt.



Obwohl die SpielerInnen durchaus unterschiedliche Spielstile haben, gibt es sowas wie eine gemeinsame Vorstellung davon, was jetzt passen würde und was nicht.

Das bezweifle ich etwas. Stehen da jetzt Kisten in der Nähe des SCs in der Gasse herum oder nicht? Darauf gibt's eigentlich nur eine klare Antwort: möglicherweise.

was übrigens einer meiner Hauptargumente gegen FATE ist: In einer gut laufenden Gruppe brauche ich diesen komplexen Metagaming-Anhang nicht. ;)

Um nochmal auf einen Post von oben zurückzukommen: Man hat Fatepoints in FATE ja auch nicht in erster Linie um Fakten zu kaufen, sondern um die Anwendungen von Aspekten zu begrenzen. Das hat auch etwas mit Spotlight zu tun. Man opfert fürs Faktenkaufen in FATE nämlich den weiteren Einsatz irgendeines persönlichen Aspekts.



Bzgl FATE und Veto - Spirit of the Century, Seite 12-13, Betonung meinerseits:
"Make a Declaration – You may simply lay down a fate point and declare something.  If the GM accepts it, it will be true. This gives the player the ability to do small things in a story that would usually be something only the GM could do.
[...]
Your GM has veto power over this use, but it has one dirty little secret. If you use it to do something to make the game cooler for everyone, the GM will usually grant far more leeway than she will for something boring or, worse, selfish."
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Offline RackNar

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #45 am: 6.01.2021 | 12:21 »
Bzgl FATE und Veto - Spirit of the Century, Seite 12-13, Betonung meinerseits:
"Make a Declaration – You may simply lay down a fate point and declare something.  If the GM accepts it, it will be true. This gives the player the ability to do small things in a story that would usually be something only the GM could do.
[...]
Your GM has veto power over this use, but it has one dirty little secret. If you use it to do something to make the game cooler for everyone, the GM will usually grant far more leeway than she will for something boring or, worse, selfish."

Das ist dann nur ein FATE-Setting, die oft Regelerweiterungen haben, und nicht FATE generell. Ich persönlich würde immer alle Beteiligten eine Veto zugestehen, das wäre aber eine Hausregel. FateCore hat wohl erst mal kein Vetorecht, sondern Fakten kaufen ist an einen Aspekt des Charters gebunden.

Soll nicht heißen, dass Deine Punkte damit nicht gelten. Ich war nur neugierig, ob und wie das Vetorecht geregelt ist.
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Offline nobody@home

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #46 am: 6.01.2021 | 12:24 »
Ich habe jetzt aus Interesse noch einmal in FateCore nach geschlagen. Zum Thema Fakten kaufen finde ich nur folgenden Abschnitt:

Da steht nicht von einem Vetorecht der SL.  :think: Kann es sein das dieses eigentlich nicht existiert?

Wirf einen Blick in den eigentlichen "Ein Detail Hinzufügen"-Abschnitt; müßte in der deutschen Fassung auf S. 19 zu finden sein. (Alternativ auch im Online-SRD auf dieser Seite.) Da steht dann "SL, du hast das Recht, jeden Vorschlag abzulehnen, der den angemessenen Spielraum übersteigt, oder den Spieler zu bitten, ihn zu überarbeiten. Das gilt besonders dann, wenn der Rest der Gruppe das Detail auch nicht plausibel findet." ausdrücklich mit drin.
« Letzte Änderung: 6.01.2021 | 12:29 von nobody@home »

Online Maarzan

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #47 am: 6.01.2021 | 12:31 »
Einspruch: Dies ist nur bei gewissen Unterarten von Erkundungs- oder Herausforderungsspiel so. Man kann sich auch Arten von Erkundungsspiel vorstellen bei denen die paar Kisten nicht ins Gewicht fallen oder Arten von Herausforderungsspiel bei denen die Gummipunkte Teil der Herausforderung sind.

Vorstellen oder gibt es solche?
Meinem Empfinden nach läuft das wieder auf "alles kann man irgendwo als alles bezeichnen und am Ende als eine Geschichte bezeichnen, also sind Storybefindlichkeiten allgemeingültig" hinaus.

Und es sind nicht die Kisten, die ins Gewicht fallen, sondern Kisten, welche per Kauf da auftauchen, wo sie eigentlich nicht hingehören. Und wenn sie umgekehrt da hingehören oder gehören könnten, gibt es keinen Grund sie da jetzt extra zu kaufen und dafür ggf anderswo eine passende Korrektur nicht mehr ausführen zu können oder wenn sie nicht wesentlich sind sich da überhaupt einen Kopf mit einer Metaressource zu machen.   
Meines Erachtens einfach ein Gedanke aus einem anderen und damit hier falsche Spielstil - ungefähr wie bei einem Supermannemulator darauf zu bestehen, dass eine Telefonzelle als Umkleide realistisch nicht dauerhaft eine verdeckte Identität schützt.

Für ein Erkunden sehe ich entsprechend keine Alternative für eine zumindest im Prinzip schon bestehende Welt zum eben Erkunden und bei der Herausforderung keinen Platz für so massiv Situation und Erfolgschancen beeinflussende Elemente wie Fakten kaufen, wenn deren Limits nicht klar umrissen sind statt nur "Spielleiterveto".

Es bricht üblicherweise schnell zusammen, weil es in kürzester Zeit zusammenbricht? :P Ich finde, du solltest hier nochmal deinen Gedanken neugeordnet vortragen.

Yup, verhaspelt.

Es bricht meiner Erfahrung nach im herausforderungsorientierten Spiel zusammen, weil es für die Anwendung eben typischerweise keine Regeln gibt und somit letztlich nur das Veto des Spielleiters am sofortigen Erfolg hindert. Das ist keine Basis für ein herausforderungsorientiertes Spiel.
Die übliche Reaktion ist Selbstzensur, also Aufgabe des eigenen Stils oder aber genau diese Grenze - üblicherweise in Diskussionen- auszuloten. Rate die Spielleiteridee von dem richtigen Geschichtsablauf (+/- dessen Flexibilitätsgrenze x) ist kein Herausforderungsspiel.

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Offline RackNar

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #48 am: 6.01.2021 | 12:32 »
Danke.

Jetzt heißt es, nur noch klären was "der den angemessenen Spielraum übersteigt" zu "Details erfragen" abgrenzt.
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Offline Alexander Kalinowski

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Re: Fakten Kaufen (oder die Schrödingerschen Kisten)
« Antwort #49 am: 6.01.2021 | 15:48 »
Vorstellen oder gibt es solche?
Meinem Empfinden nach läuft das wieder auf "alles kann man irgendwo als alles bezeichnen und am Ende als eine Geschichte bezeichnen, also sind Storybefindlichkeiten allgemeingültig" hinaus.

Warum denn nicht? Jedes Rollenspiel mit Faktenkaufen und irgendeiner Sandbox kommt schon mal für die Erkundungsvariante in Frage. Wenn ich einen Hexcrawl mache und bei irgendeinem Encounter eben ein paar Kisten ins Spiel kommen, dann berührt das doch überhaupt nicht den für mich evtl. relevanten Teil: die Erkundung und ggf. Kartographierung der Region.

Und FATE kann man mit Fokus auf spielerischen Erfolg, statt cooler Story, spielen.

Und es sind nicht die Kisten, die ins Gewicht fallen, sondern Kisten, welche per Kauf da auftauchen, wo sie eigentlich nicht hingehören.

Das ist aber nicht das Szenario.
'Die erste wichtige Beobachtung scheint mir, dass, in der Tat, Gummipunkteinsatz nur Sinn macht, wenn der SL so oder so entscheiden könnte. Das ergibt sich aus dem Bestechungscharakter des Gummipunkteinsatzes.'
'Naja, wir sprechen ja über Situationen in denen sowohl die Anwesenheit als auch die Abwesenheit des Elements gerade gut passen würde. Alles andere läuft unter beiden Varianten mehr oder minder gleich ab.'
Wenn sie da nicht hingehören, dann tauchen sie weder bei Nachfragen noch bei Gummipunkten mit Veto auf.

Und wenn sie umgekehrt da hingehören oder gehören könnten, gibt es keinen Grund sie da jetzt extra zu kaufen und dafür ggf anderswo eine passende Korrektur nicht mehr ausführen zu können oder wenn sie nicht wesentlich sind sich da überhaupt einen Kopf mit einer Metaressource zu machen.   
Meines Erachtens einfach ein Gedanke aus einem anderen und damit hier falsche Spielstil - ungefähr wie bei einem Supermannemulator darauf zu bestehen, dass eine Telefonzelle als Umkleide realistisch nicht dauerhaft eine verdeckte Identität schützt.

Da vermengst du jetzt zwei Dinge, die sauber getrennt gehören: hingehören und hingehören könnten. 'Hingehören' bedeutet eine Soll-Existenzwahrscheinlichkeit nahe bei 100%. Hier gibt's widerum keine Unterschiede zwischen Nachfragen und Gummipunkt.
'Hingehören könnten' hingegen irgendwo zwischen 'deutlich unter 100%' und 'deutlich über 0%'. Das ist eine riesige Spannbreite; die Zone der Unsicherheit, gewissermaßen. Deswegen gibt's ja auch das alternative simulationistische Auflösungsmodell bei der der SL eine Präsenzwahrscheinlichkeit abschätzt und dann würfelt.

Wenn's nicht wesentlich ist, dann wird der Spieler keinen Gummipunkt ausgeben, höchstens mal Nachfragen und es gibt wieder keinen Unterschied zu traditionellen Spielen.

Für ein Erkunden sehe ich entsprechend keine Alternative für eine zumindest im Prinzip schon bestehende Welt zum eben Erkunden und bei der Herausforderung keinen Platz für so massiv Situation und Erfolgschancen beeinflussende Elemente wie Fakten kaufen, wenn deren Limits nicht klar umrissen sind statt nur "Spielleiterveto".

Erkunden kann man vieles, der Forge nach kann man alles Erkunden, sogar System. Aber selbst wenn man sich auf das Setting beschränkt, dann kann man immer noch die Frage stellen, was genau der Raum der Erkundung ist. Vielleicht interessieren mich nur die politischen Gegebenheiten einer Region und ich will erkunden wie die Machthaber zueinanderstehen. Vielleicht will ich erkunden was für interessante Orte in einer Gegend sind. Und vielleicht will ich auch in das Setting in seiner Gänze eintauchen. Selbst dann darf man die Frage stellen, ob ein kleinerer Verstoß wie ein paar Kisten ins Gewicht fallen und falls ja, ob das nicht eine Form von Absolutismus ist.

Aber bei Immersion ist jeder ziemlich eigen, habe ich bereits festgestellt. Ich ja auch.

Yup, verhaspelt.

Es bricht meiner Erfahrung nach im herausforderungsorientierten Spiel zusammen, weil es für die Anwendung eben typischerweise keine Regeln gibt und somit letztlich nur das Veto des Spielleiters am sofortigen Erfolg hindert. Das ist keine Basis für ein herausforderungsorientiertes Spiel.
Die übliche Reaktion ist Selbstzensur, also Aufgabe des eigenen Stils oder aber genau diese Grenze - üblicherweise in Diskussionen- auszuloten. Rate die Spielleiteridee von dem richtigen Geschichtsablauf (+/- dessen Flexibilitätsgrenze x) ist kein Herausforderungsspiel.

Verstehe ich nicht. Ich stehe kurz davor erschossen zu werden und habe noch einen Gummipunkt, also frage ich den SL, ob da nicht noch ein paar Kisten stehen, die ich als Deckung nutzen könnte und schiebe ihm als Angebot meinen Gummipunkt rüber. Ich muss aus gamistischer Sicht abwägen, ob ich den Angriff ohne Kisten überleben könnte (oder mit Abzügen durch schwere Wunde) und wie wahrscheinlich das ist und ob ich ihn vielleicht nicht später noch dringend brauchen könnte.
Der geschickte Einsatz der Gummipunkte im richtigen Moment ist dann Teil der Herausforderung. Man muss dabei nicht die Story lesen (vielleicht noch die Stimmung des GMs, aber das ist bei jedem System der Fall), sondern die Situation (und wie die Regeln die Situation abbilden).
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