Viele interessante und plausible Gründe wurden hier bereits genannt. Ich habe aber den Eindruck, dass folgende Prämisse im Ausgangsposting bisher noch nicht ausreichend hinterfragt wurde:
Die Hauptursache scheint dafür zu sein, dass die Rezensenten in den seltensten Fällen die Abenteuer auch spielen oder leiten. Aber das kann meiner Meinung nach nicht der einzige Grund sein. Schließlich sollten erfahrene Spielleiter:innen ein gewisses Auge für Fehler haben.
Ja, ich stimme zu, dass erfahrene SLs bereits beim Durchlesen erkennen, ob ein Abenteuer gut ist oder nicht. Zumindest tun sie das dann, wenn sie das Abenteuer durch die Brille lesen, es später auch leiten zu wollen. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das auch dann zutrifft, wenn ein Abenteuer nur gelesen wird, weil man es rezensieren möchte (oder unter Umständen sogar rezensieren muss, da es ein Rezensionsexemplar war). Ich kann hier nur von mir sprechen: Wenn ich ein Abenteuer lese, dann lese ich das nicht wie einen Roman, sondern eher analytisch. Ich habe dabei die Charaktere vor Augen, ihre Handlungs- und Einflussmöglichkeiten, ich achte auf allfällige Flaschenhälse usw. Jetzt habe ich ein Abenteuer zwar noch nie deswegen gelesen, weil ich es rezensieren wollte. Ich kann mir aber vorstellen, dass meine Perspektive dann eine andere wäre. Die Bilder, der Schreibstil usw. würden womöglich mehr in den Fokus rücken, weil ich das Gefühl hätte, auch dazu etwas sagen zu müssen. Habe ich nicht viel Zeit, würde ich mich womöglich überhaupt nur darauf konzentrieren, die Handlung prägnant zusammenfassen zu können. Das "analytische Lesen" würde stärker in den Hintergrund rücken.
Wie gesagt: Ich habe keine Erfahrung damit, Rezensionen von Abenteuern abliefern zu müssen. Ich kann mir aber vorstellen, dass das zu einer anderen Art des Lesens verleitet.
Im Übrigen sehe ich das Problem aber gar nicht so sehr darin, dass es Rezensionen gibt, die ungerechtfertigt positiv sind. Mich stört eher, dass diese Rezensionen oft nicht viel mehr als Inhaltsangaben sind, ohne kritische Analyse. Ich fand z.B. "Die Dunkelheit unter dem Hügel" (CoC7) zwar nicht schlecht, aber weniger gelungen als von dir, Tegres, in deiner Rezension dargestellt (siehe dazu auch meine eigene Rezension). Dennoch fand ich deine Rezension hilfreich, da sie mir einen Eindruck davon vermittelt hat, was mich erwartet. Problematisch wird es meiner Meinung nach nur dann, wenn Rezensionen voller Lob sind, die Bewertung aber nur auf einem (mutmaßlich) oberflächlichen Lesen und nicht mit Blick auf die konkrete Spielbarkeit des Abenteuers erfolgt.