Kleiner vorweihnachtlicher Teaser für das Rollenspielsetting Seithkona, das ich bald veröffentlichen werde:
Erstellt mit DallE3Die Perle:Valin rannte. Der Schneeregen peitschte ihm ins Gesicht, durchnässte Kleidung und Haar. Der Schlamm stob auf mit jedem hastigen Schritt durch das durchtränkte Watt.
Die wilde See kroch langsam und unaufhaltsam näher und mit ihr das, was darin wartete. Die kalte Sonne schien gleichgültig durch Regenwolken und Valin hörte das düstere
Kreischen der Krähen. Er hatte gewusst, dass er es sich nicht hätte nehmen dürfen, doch die Perle war so schön gewesen, schimmerte so endlos,
löste so viele Probleme. Und doch, sie gehörte ihm nicht, sie gehörte dem Meer und dessen Bewachern. Plötzlich stolperte er über ein Algengewächs
und fiel längs in das schlammige Watt.
Als er sich wieder aufrichten wollte, hörte er ein schreckliches Platschen hinter sich. Langsam, im Versuch die Panik zu unterdrücken, drehte er sich herum,
Schlamm triefte ihm vom Bart. Das Geschöpf hatte Arme, Beine und einen Kopf, aber Schuppen und fürchterliche Krallen und ein Maul, das sich langsam
öffnete und spitze Zähne offenbarte. „Lass mich in Ruhe, die Perle gehört mir, ich habe sie gefunden“, schrie Valin dem Geschöpf entgegen, doch statt zu antworten,
kam es einen Schritt näher.
Ein Gurgelndes Geräusch entwich der Kehle des Wesens. „Geh weg, weg, geh weg.“ Wieder das Gurgeln und dann sprang es, mit einem Mal auf ihn zu, bereit ihn in Stücke zu reißen.
Heftig und unter einem Jaulen prallte es ab. Eine unsichtbare Wand aus flirrender Energie warf das Geschöpf in den Schlamm. Es kreischte kurz, sprang wieder auf und machte schnelle,
glucksende Geräusche. Da schossen aus der Flut, die noch näher gekommen war, weitere dieser Kreaturen hervor, ihre Flossenfüße hasteten über den Morast auf Valin zu,
die Augen auf seine Weste gerichtet, als wüssten sie genau, was er dort versteckt hielt.
Sie hatten ihn fast erreicht, als ein Schatten durch die Luft sauste, vor Valin landete, Schlamm aufspritzen ließ und sich den Geschöpfen entgegenwarf.
Es war ein Mann mit langen blonden Zöpfen, einem dicken Fellmantel, der mit Runen bestickt war, und bewaffnet mit einer gewaltigen Axt. „Lauf“,
brummte der Krieger und schwang die Axt gegen die Kreaturen. Valin aber saß dort wie erstarrt und blickte dem Kampf des Mannes mit den Monstern zu.
Es war kein Hüne im eigentlichen Sinne, nicht sehr breit und stark wirkend, aber die Axt, die er trug, sprach eine andere Sprache. Die gewaltige Waffe hätte ein
normaler Mensch nie halten können, und Valin wusste sofort, was er war. Instinktiv ruckte sein Kopf herum und suchte im diesigen Regen nach Bewegungen.
Und tatsächlich, dort in den Schleiern des Schneeregens kamen langsam drei Gestalten näher.
Sie bewegten sich nicht so schnell wie der Mann, gemächlich, vorsichtig, unaufgeregt. Noch konnte Valin sie nicht genau erkennen. Währenddessen focht der Krieger
mit einer Geschwindigkeit und Wucht, die schwer zu begreifen war, gegen fünf der schuppigen Kreaturen. Die Flut hatte aufgewühlt und umspülte die Füße des Mannes,
während er mit schnellen Sprüngen von Gegner zu Gegner huschte. Doch eine Entscheidung bahnte sich noch nicht an. Die fünf Wesen und der Mann glichen sich gegenseitig aus,
kämpften wild, aber ohne rechten Sieger. „Lauf, du Narr“, schrie der Mann erneut, als ein heftiger Schlag eines der Kreaturen ihn zu Boden riss.
Das ließ Valin schließlich aufspringen und panisch in Richtung der drei näherkommenden Gestalten rennen.
Der Schneeregen spritzte ihm in die Augen und er konnte schlecht sehen, doch als er fast bei ihnen war, erkannte er die Gestalten. Es waren Menschen,
zum Glück, doch nicht weniger angsteinflößend als die Kreaturen oder der Krieger hinter ihm. Sie alle trugen lange dicke Mäntel mit Kapuzen und alle hatten sie
Knochen und Schmuck und Federn und andere Symbole ihres Standes in die Kleidung genäht. Valin rannte weiter, stolperte erneut und wäre gefallen hätte die mittlere Gestallt ihn nicht aufgefangen.
Panisch blickte er hinauf in das bärtige Gesicht. Ein Mann mittleren Alters mit dunklen Haaren und ersten grauen Strähnen im Bart starrte ihn verachtungsvoll an.
Er wartete, bis Valin wieder einen Stand hatte, und schob sich dann an ihm vorbei. Die anderen zwei waren schon weitergegangen. Valin aber konnte noch einen
Blick auf sie erhaschen.
Links lief eine junge Frau mit hübschem Gesicht, das durch eine tiefe, hässliche Narbe durchzogen war, und zweifarbigen Augen:
Blau und Silbern. Rechts lief, oder eher humpelte, eine zweite Frau, uralt, kaum schätzbar, mit runzligem, graublassem Gesicht, das mehr Falte als Antlitz war.
Die uralte Haut war an jeder denkbaren Stelle tätowiert, das dünne weiße Haar schaute blass aus der Kapuze hervor. Valin drehte sich um, dem Gang der drei Gestalten folgend,
und sah den Kampf des Kriegers mit den Monstern. Mittlerweile waren es zehn. Vier weitere lagen tot im Schlamm, und der Mann blutete aus mehreren Wunden.
Da begann die Junge melodisch zu singen, der Mittlere summte dazu und die Alte wisperte in einer längst verlorengeglaubten Sprache. Die Luft flirrte vor Magie und Verheißung.
Schuldbewusst griff sich Valin an die Weste, wo die Perle, die er gestohlen hatte, zu vibrieren schien. Sie würden ihn dafür bestrafen, das wusste er,
doch zunächst würden sie sich den Ungeheuern widmen. Er schaute zu den Vieren, als plötzlich, wie beschworen durch den Gesang der Drei Gestalten,
ein Blitz aus dem Himmel fuhr und drei der Monster niederschmetterte. Ein heftiger Windstoß riss den drei Zaubernden die Kapuzen von den Köpfen
und ließ ihre langen Haare, durchwoben mit Federn, Perlen und Knochen, nach hinten wehen. Sie rissen simultan die Arme in die Höhe, um die Macht der Götter zu beschwören.
Denn das ist der Weg der Seithkona, der Hexen und Hexer von Nord, die uns Menschen vor den Schrecken der Welt beschützen, selbst wenn wir es nicht verdient haben.