Die Spieler wollen nur einen scheinbaren Nervenkitzel. Es soll spannend sein und Glück soll auch eine Rolle spielen, aber bitte mit einem unsichtbaren Sicherheitsnetz, welches schlechte Ergebnisse und Pech abfedert. Der Spielleiter muss also als Falschspieler agieren.
Aber will ich das? Möchte ich meine Spieler hinters Licht führen (müssen)?
Unser Vereinsmotto heißt nicht umsonst: aleam inter seria exercemus - Wir nehmen das Würfeln ernst.
Viele, sehr viele Rollenspieler kommen irgendwann zu diesem Trugschluss. Ja, man KANN lügen und betrügen um spannendes Rollenspiel zu ermöglichen, man kann aber auch offen und ehrlich leiten und spannendes Spiel zu ermöglichen. Die Ansätze sind aber vollkommen unterschiedlich und es fällt vielen schwer aus der Betrügermasche herauszukommen, weil sie so viel einfacher ist.
Meine Philosophie:
- Alle meine Proben als SL würfle ich offen.
- SCs sterben ausschließlich wenn sie "dumm" bzw "bewusst gefährlich" handeln UND dann noch mies würfeln.
- - Würfelt ein Spieler mist, hat aber durchgehend vernünftig gehandelt, werde ich den SC nicht wegen Würfelpech draufgehen lassen (Heckenschütze mit kritischem Treffer).
- - Entscheidet sich ein Spieler aus Dummheit oder Übermut dazu etwas unvernünftig gefährliches zu tun, dann lasse ich ihm die Chance seinen SC durch Würfelglück zu retten.
- - Wenn der SC sich aus Dummheit oder Übermut in Gefahr bringt UND der Spieler auch noch mies würfelt ist der SC tod und der Spieler bekommt ein Rafaello (ist so Tradition bei uns).
- in einem Kampf, der offensichtlich zu ungunsten der SCs verläuft weder zu fliehen, noch sich zu ergeben zählt als "dumme aktion" und kann durch Würfelpech zum SC-Tod führen.
Trotzdem ich das ziemlich ernst nehme und entsprechend durchziehe gibt es in unserer Runde nur sehr selten Charaktertode... warum?
Ich bin transparent, ehrlich und konsequent was Gefahrensituationen angeht
Ich gebe den NSCs Kampfwerte die sich an offiziellen Richtlinien halten und ihren Rollen entsprechen und skaliere
niemals die Gegner aufgrund der Fähigkeiten der SCs. Die Werte der NSCs sind also rein simulationistisch begründet.
Auch die Anzahl Gegner richtet sich nach der Spielweltlogik, niemals danach wie starke/schwache SCs ich habe.
Die Spieler suchen sich ihre Herausforderungen selbst:Ich definiere zwar welche Gegner in welcher Stärke sich wo befinden, anhand Spielwelt und Plotgeschehen (wie gesagt rein simulationistisch), lasse den SCs aber die Freie Wahl selbst zu entscheiden welchen Weg sie nehmen, welche Gegner sie umgehen, welche sie konfrontieren und welche sie austricksen wollen.
Dadurch dass ich absolut konsequent mit den Werten der Gegner arbeite, haben meine Spieler die Chance eine "realistische" Einschätzung zu machen wie gefährlich eine bestimmte Situation / ein bestimmtes Vorhaben ist.
Dir Spieler hängen sehr an ihren SCs und treffen daher eher konservative Entscheidungen wenn es um die Gefahren geht die sie angehen. Da jedoch immernoch das geringe Risiko besteht dass sie eine Situation falsch eingeschätzt haben, bleibt ihnen der Nervenkitzel trotzdem erhalten.
In besonders dramatisch relevanten Szenen, wenn es um viel geht, riskieren sie auch gerne mal mehr um ihr Ziel zu erreichen. Das sind dann aber auch die Szenen in denen sie hoch konzentriert sind und sich daher seltener Fehler erlauben. Und selbst wenn jemand mal bei solch einem bedeutsamen Event draufgeht ist das wenigstens eines SCs würdig.
Ein Heckenschütze mit offenem Würfelwurf ist übrigens kein fairer Abenteueraufhänger. Wenn die SCs sich mit einer mächtigen Person anlegen die für ihre Skrupellosigkeit bekannt ist, dann ist dieses die "dumme Aktion" die einen Heckenschützen rechtfertigen kann (mit dem sollten die Spieler dann aber auch rechnen können wenn sie sich mit so jemandem anlegen), aber aus dem blauen heraus ein Attentat auf die SCs zu verüben und sie dann an würfelpech sterben zu lassen ist ein no-go.
Wenn ich eingreifen muss weil ein SC
allein aus Würfelpech in Lebensgefahr ist,
würfele ich nicht, ich tue auch nicht so sondern lasse Proben um ihn zu retten einfach gelingen. Bzw lasse als SL Zufallsereignisse geschehen die ihn retten.
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Wie gelingt nun der Umstieg von einem Verdeckt würfelndem Betrüger-Spielleiter-Stil zu einem offenem, ehrlichen Spielleiter-Stil?
Wie schon gesagt, der Umstieg ist schwer. Wenn die Spieler (wissentlich oder unwissentlich) gewohnt sind belogen und betrogen zu werden, erleben sie das Spiel als eine große Inkonsequenz in der sie nur versuchen zu erahnen wo die Ploteisenbahn als nächstes hingehen soll und einfach darauf hoffen dass alles gut gehen wird. Sie können sie keine mündigen Entscheidungen darüber treffen welche Kämpfe sie aufnehmen können und welche zu gefährlich sind. Sie wissen nicht wann sie einen Feind überwinden können oder wann sie fliehen/ sich ergeben sollten.
Das muss man als erstes ändern!Eine Methode die ich schon oft empfohlen habe ist folgendes:
- Man kommuniziert den Spielern dass man offen würfeln wird und die Werte/Gegnerzahlen simulationistisch festlegt so dass sie selbst einschätzen lernen sollen welchen Gegnern sie sich stellen. Auch stellt man klar dass Charaktere nur sterben werden wenn dumme Aktionen und Würfelpech zusammen kommen.
- Als Hilfestellung gibt man jedem Spieler eine laminierte (spiel)Karte. Auf dieser isst irgendein Schutz-symbolisierendes Objekt, zB ein Engel oder Schild abgebildet.
- Man kommuniziert "diese Karte ist euer Schutzengel/Schild. Solange ihr sie habt kann euer Charakter nicht sterben, egal was ihr würfelt. Wenn ihr etwas besonders gefährliches oder leichtsinniges tut, werde ich euch diese Karte wegnehmen und ihr bekommt sie erst wieder zurück wenn euer Charakter. Dann kommt es nur noch auf euer Würfelglück an. - Diese Karten sind ein temporäres Hilfsmitttel! Nach X Spielabenden/Wochen/Monaten werden wir die Karten nicht mehr verwenden, weil ihr bis dahin in der Lage sein solltet selbst einzuschätzen wann euer Charakter in Gefahr ist."
- Dann spielt man eine weile genau so. Wann immer ein Charakter etwas besonders gefährliches/Leichtsinniges unternehmen will fragt man "bist du sicher? Wenn du das machst musst du deinen Schutzengel/Schild abgeben." und der Spieler entscheidet dann.
- Dann nimmt man die Karten nach einigen Wochen Übung weg, legt sie aber (als Erinnerungshilfe) noch sichtbar neben sich auf den Tisch. Die Spieler müssen ab jetzt ihre eigene Einschätzung nutzen. Aber wenn sie den SL explizit fragen antwortet er offen und ehrlich ob sie bei Aktion X ihren Schutzengel/Schild verlieren würden.
- Wenn sich das irgendwann eingespielt hat lässt man die Karten ganz weg.
Td;dr
- Gegnerwerte und Gegnerzahl auf simulationistischer Grundlage definieren.
- Sandboxartig die Spieler ihre Herausforderungen selbst wählen lassen (keine Ploteisenbahn mit erzwungenen Konflikten!).
- Offen würfeln.
- SCs sterben nur wenn Würfelpech und dumme/leichtsinnige Entscheidungen zusammenkommen.