Hallo liebe Experten und Expertinnen der WoDs,
Es ist nach langer Abstinenz mal wieder einer der Augenblicke eingetreten, in denen ich ernsthaft darüber nachdenke, trotz meiner vielen Kritikpunkte an V:tM meiner Gruppe eine Chronik in der (bzw. einer) World of Darkness anzubieten.
Persönlich würde ich gerne seit einiger Zeit eine Urban Fantasy/Superheldenkampagne spielen, nach dem Vorbild von z.B. Arrow, Flash, Daredevil (der Serie) oder Batwoman, aber leider stößt meine Begeisterung an Superhelden bei meiner Gruppe auf wenig Interesse. Größere Chancen hätte ich vielleicht mit Urban Fantasy im Stil der Romane von Rick Riordan (Helden des Olymp), vielleicht auf der Basis von Scion, aber selbst da bin ich mir nicht sicher, und vom ersten Überfliegen her sagen mir die Scionregeln nicht wirklich zu. Deswegen habe ich dieses Vorhaben erstmal auf Eis gelegt.
Was aber beliebt ist, das sind die Vampire der WoD. Sie sind so beliebt, dass meine Freunde sogar V:tM nach den regeln der V20 spielen. Letzte Woche habe ich - gegen meine Traditionen, vielleicht aufgrund der coronabedingten langen Spielpausen und anderer äußerer Umstände - einmal V:tM mitgespielt, und es hat gar nicht so weh getan. Allerdings hatten wir auch keinen Kampf oder eine andere längere Auseinandersetzung, die das Regelsystem auf die Probe gestellt hätte. Aus leidvoller Erfahrung am eigenen Leib kenne ich nur die ersten beiden Editionen von V:tM aus den 90ern, danach war ich so durch mit dem System, dass ich panisch geflohen bin, wenn es mir angeboten wurde. Geleitet habe ich es nie wieder!
Dieses Spielen hat meine Motivation wieder geweckt, der Urban Fantasy in Gestalt der WoD eine Chance zu geben, und wahrscheinlich wird es eine Vampirchronik werden. Da ich ferienbedingt Zeit habe, konnte ich mich ein bisschen in die V20 einlesen, und je mehr ich lese, desto skeptischer werde ich, dass ich damit leiten will.
Meine Wünsche:
Es schwebt mir eine Kampagne vor, in der der Schwerpunkt auf Geheimbünden, Intrigen und gewalttätigen Auseinandersetzungen in schmutzigen Gassen liegt, siehe Arrow, siehe Batwoman. Nebensächlich sind für mich Momente des persönlichen Horror wie die ganze Bluttrinkerthematik, aber wenn das Spielerinteresse an Vampirangelegenheiten da ist, gehe ich Kompromisse ein, solange sie im Spiel gut geregelt sind. Vom Powerniveau her finde ich es angemessen, wenn die Charaktere stärker als normale Menschen sind, aber gut organisierte und bewaffnete menschliche Gegner wie kriminelle Banden, erfahrene Vampirjäger oder Spezialeinsatzkräfte sollen eine ernstzunehmende Bedrohung sein. Kräfte, die weit über das Straßenlevelniveau hinausgehen sollen nicht die Regel sein.
Von der Spielwelt her kenne ich mich grundsätzlich mit der WoD von V:tM aus. Dazu habe ich auch eine Menge Material. Ich vermute nicht, dass Interesse an der Welt von V:tR besteht, könnte das aber nachprüfen. Dazu habe ich kaum Material im Schrank stehen, wenig vorhandenes Wissen (nur kurz angelesen) und keine eigene Spiel- oder Leiterfahrung. Egal welche Welt ich nehme, Feinheiten bis ins kleinste Detail oder Megaplots werden keine Rolle spielen, denn ich brauche nur die groben Strukturen, um meine lokalen Geheimbünde mit Motiven und Werkzeugen auszustatten und meinen NSCs ein paar Ziele zuzuschreiben. Am wahrscheinlichsten scheint es mir momentan, dass ich die Welt von V:tM nehme und ein paar Organisationen (oder Kreaturen) aus V:tR ergänze: Die Strix, Belials Brut und VII könnten mich als Antagonisten interessieren.
Viel mehr Sorgen als die Spielwelt bereiten mir die
Regeln. Mein grundsätzliches Problem ist, dass ich
Kämpfe im Rollenspiel mag, sie für mich in eine actionreiche Urban Fantasy Chronik gehören und ich sie gerne mit halbwegs belastbaren oder interessanten Kampfregeln ausspielen würde. Ein Kampf sollte nicht zu lange in Realzeit dauern, jedem Charakter eine Möglichkeit zum Mitwirken geben und nicht völlig unausgewogen sein. Im Idealfall bieten die Regeln sogar interessante taktische Optionen. Nun muss Vampires kein D&D5 oder 13th Age sein, aber besser als die mir bekannten V:tM-Versionen der 90er machbar sein. Außerdem sollten (s.o.) die Vampire nicht zu übermenschliche Superkräfte haben, mit deren Hilfe sie Autos durch die Gegend werfen oder ähnliches.
Für und wider V20:Unter diesem Kritikpunkt scheint mir von meinem bisherigen Leseeindruck die V20 zu versagen. Für die V20 spricht, dass alle 13 Clane mit ihren Disziplinen enthalten sind, aber die Kampfregeln scheinen mir immer noch unausgegoren zu sein. Mit Celerity/Geschwindigkeit hat ein Charakter endlos viele Aktionen, jede Aktion zieht mehrere Würfelwürfe zum Ermitteln des Ergebnisses nach sind, was Kämpfe unnötig in der Realzeit in die Länge zieht, Potence/Stärke macht endlos Schaden und generell sind die Superkräfte weder ausgewogen, noch interessant (im Kampf) und letztendlich von ihrer Stärke her teilweise enorm über dem menschlichen Niveau: Vampire können ständig unsichtbar umherlaufen, Gefühle und Gedanken lesen, andere übernatürliche schnell ausmachen und ihre körperliche Fähigkeiten steigern als wären sie Captain America. Wer kann mir dazu etwas sagen - am besten mit Erfahrungen aus der Spielpraxis?
Für und wider V:tR:Dunkel erinnere ich mich, dass mir vom Lesen her die Regeln der zweiten WoD (auf deren Basis V:tR steht) mehr zugesagt haben. Meine dunklen Erinnerungen beinhalten auch, dass mir die zweite Version von V:tR - auf Basis der God Machine? - nicht mehr so gut gefallen haben, aber ich bin mir nicht mehr sicher, warum das so war. Bislang habe ich die Regeln noch nicht aufgefrischt (will das gleich in Angriff nehmen), aber ich erinnere mich auf jeden Fall, dass ich stärker das Gefühl hatte, mit V:tR Vampire mit einem belastbaren Regelwerk leiten zu können. Damit ich mich nicht in eine völlig neue Vampirwelt einlesen muss (für die ich meine Spielern wahrscheinlich ohnehin nicht interessieren kann), würde ich eventuell auf die Konvertierungsregeln zurückgreifen. Aber allgemein war mein Eindruck, dass mit V:tR auch actionreiche Vampirkampagnen gespielt werden können. Wer kann mir dazu mehr verraten?
Für und wider V5:Bleibt als letzte Option V5. Dafür spricht, dass es überwiegend in der mir und den Spielern bekannten WoD spielt, dass die Gruppe grundsätzlich Interesse daran hat und teilweise sogar Material besitzt (GRW, Chicago uvm.). Allerdings schinen nicht alle 13 Clane vorhanden oder zumindest publiziert zu sein? Die Grundregeln habe ich mir in den letzten Tagen nochmals zu Gemüte geführt (habe bei erscheinen schonmal reingespitzelt, wurde aber von anderen Interessen überlagert). Der Vampirismus, Blutkonsum und Verfall der Menschlichkeit scheint eine prominentere Rolle im Regelwerk einzunehmen als in V:tM. Das soll zwar nicht Mittelpunkt meiner Chronik (Intrigen, schmutzige Geheimnisse, okkulte Mysterien, Machtkämpfe in glitzernden Ballsälen und Messerstechereien in dunklen Gassen) sein, aber da es einigermaßen gut geregelt scheint, würde ich es mitnehmen. Mir gefällt, dass die Hungermechanik einen merklichen Kostenfaktor für die Superkräfte ins Spiel bringt, aber ich persönlich will nicht zu sehr in den blutigen Teil des Vampirmythos hinabsteigen. Wie stark hat sich das in der Spielpraxis auf eure Gruppen ausgewirkt (und wie erwünscht war es, dass Blutjagdt bedeutend ist)?
Was die
Kampfregeln angeht, so bin ich mir nicht sicher, wie sie am Tisch funktionieren. Dabei muss ich zugeben, dass ich mir nicht einmal sicher bin, ob ich komplett dahinter gestiegen bin, wie sie auf dem Papier funktionieren. Anscheinend kann jeder Kampfteilnehmer so oft defensiv (Dexterity+Athletics) gegenwürfeln, wie er oder sie angegriffen wird (mit -1 pro folgender Defensivaktion), aber nur eine offensive Aktion pro Runde (außer durch Teilen des Würfelpools) tätigen? Der Vergleich der Würfelergebnisse ermittelt den Schaden? Das scheint zügig spielbar zu sein. Von den Disziplinen her erscheinen Celerity, Potence und Fortitude nicht mehr so stark das Kampfgeschehen zu dominieren, aber Blood Sorcery erscheint mir unausgewogen. Trotzdem scheinen Menschen/Jäger wieder eine größere Rolle in Konflikten einzunehmen (auch wenn ich Regeln für Phosphorgranaten, Napalm und Brandgeschosse bislang nicht gefunden habe und mir Pfählen immer noch fast unmöglich erscheint). Wie laufen die Kämpfe bei euch ab? Stimmen meine Eindrücke, oder täusche ich mich?
Eine Menge
Disziplinen gibt es nicht oder nicht mehr? Beziehungsweise wieder nicht mehr, wie Irrsinn der Malkavianer. Dafür scheinen die Kräfte der Disziplinen, auch weil sie mit Kosten in Form von Hungerwürfen verbunden sind, etwas geerdeter zu sein als in V20. Leider lässt sich - auch wegen der fehlenden Kräfte - mit den Bordregeln nicht jeder andere Übernatürliche gut abbilden. Werwölfe ginge mit Celerity, Fortitude, Protean, Potence und Animalism und etwas Handwedelei für die Umbrafähigkeiten und Totemgeister. Mit Feenvolk, Geistern und Magiern stoße ich meinem Eindruck nach an Grenzen, während das bei V20 mit den vielen Pfaden der Thaumaturgie und Nekromantie wahrscheinlich ginge und V:tR nach meiner Erinnerung sowieso Weltmeister der Konvertierbarkeit ist. Wie läuft das für euch?
Mich würde, vor allem anhand spielpraktischer Erfahrung insbesondere in den Bereichen Kampf und Action, interessieren, welche Erfahrungen andere Spieler und Spielerinnen mit V5, aber auch V20 und V:tR gemacht haben, um mir Vergleich zu machen. Oder würdet ihr generell ein anderes Regelsystem für actionreiche Urban Fantasy empfehlen, am besten mit bereits vorhandener Konvertierung? Lohnt es sich, Zeit und Mühe in ein "Amalgam" der Regelwerke zu investieren, z.B. V20-Disziplinen in V:tR oder V5-Regeln konvertieren oder an die V20 das Kampfsystem der V5 anzupassen?
Vielen Dank, dass ihr diesen langen Artikel gelesen habt, und ich freue mich auf eure Antworten - bitte ohne Editionskriege, mir geht es weder um die Qualität der Spielwelten oder sonstwas, sondern lediglich um die praktische Durchführung von Kämpfen und Actionszenen anhand der vorhandenen Spielregeln unter den Maßstäben der von mir angestrebten Chronik, wie ich oben dargelegt habe. Ach ja, und Hinweise, wie brauchbar das Chicago by night der V5 ist nehme ich als alter Fan der ersten und zweiten Ausgabe auch gerne entgegen