Vorbemerkung: Das alles hier ist "imho". Es beruht auf Erfahrungen, die ich mit d20 bzw. D&D3E gemacht habe. Man kann andere Erfahrungen machen und natürlich kann man auch anderer Meinung sein!
D20 ist natürlich nicht D&D. Man kann d20 Klassenlos, Stufenlos, ohne Feats und ohne Würfel spielen.
Wenn ich mich hier also äußere, bezieht sich dies auf d20, so wie man es auf der D&D Basis spielt,
also mit Stufen, Klassen, Feats und dergleichen.
Erfahrung:
Wir haben etwa 15 Monate D&D gespielt, bei wöchentlichem Spieltermin (mit je ca. 6-8 h).
Die Charaktere stiegen in dieser Zeit von der 1. in die 12. Stufe.
Charaktere: Magier, Kämpfer, Barde, Hexenmeister, Barbar
Rassen: Mensch, Elf, Zwerg, Halbork
Spieler: je 4-5, davon 4 die stetig dabei waren, manchmal wechselnde Gastspieler.
Zuvor haben wir 3 Jahre Earthdawn gespielt und da trat solche Effekte nicht auf, obwohl Earthdawn auch Talente als System benutzt. Diese sind aber "Klassengebunden", wodurch der Effektivitätswahn nicht ausgelöst wird. Earthdawn ist auch ziemlich highpowert, trotzdem wurde da sehr stark auf das rollengerechte Spiel geachtet.
Was meinte ich mit "Meine Spieler wurden durch D20 korrumpiert".
Ganz einfach:
D&D bzw. D20 hat zwei Effekte, die mir gar nicht gefallen.
Effekt 1:
Durch die vielen Talente (Features), werden die Spieler automatisch dazu angehalten, diese zu vergleichen und zu bewerten. Die Spieler beginnen plötzlich, die Talente nach ihrer Effektivität zu bewerten. Man lernt nur noch das, das etwas einbringt, nach Möglichkeit das, was am meisten einbringt.
Eigenschaften (Attribute) werden plötzlich auch nur noch aus Effektivitätsgründen mit Werten versehen. Warum Charisma steigern, der Krieger hat eh kein zwischenmenschliche Fertigkeit, etc. bla bla.
Das Hauptaugenmerk liegt plötzlich auf der Effektivität eines Charakters, nicht mehr auf Rolle oder Charakter.
Ich muss dazu sagen, dass meine Spieler alles andere als "Gameisten" oder Powergamer sind.
Trotzdem war der Effekt mehr als deutlich spürbar.
Das Problem ist, dass D&D hier nur "effektivitätssteigerndes" Verhalten belohnt und rollengerechtes Verhalten ignoriert, damit indirekt bestraft.
Der zweite Effekt wird durch die Tatsache verursacht, dass D&D grundsätzlich davon ausgeht, dass man auf Inch Raster mit Figuren spielt.
Die Folge davon: Die Spieler denken plötzlich nur noch in der Meta-Ebene und verhalten sich sehr taktierend. Wie sagte irgendwer so schön:
" Gib den Spielern einen Charakter und verwickel sie in einen Kampf und sie verhalten sich wie Footballspieler im dichtesten Gedränge. Gib ihnen Figuren und ein Inch Raster und sie verhalten sich wie der Footballcoach an der Tafel bei der Nachbesprechung."
Genau das meine ich.
Plötzlich heisst es "Geh Du mal dahin, ich nehme den bereich, du deckst von hinten und unser Barbar übernimmt den Obermacker..."
Auf individuelle Sichtweisen, Kommunikationsprobleme, Vorlieben, Charakterzüge wird plötzlich gesch*ssen. Plötzlich kommt es nur noch auf Bewegungsweiten, Gelegenheitsangriffe und dergleichen vor.
Dadurch, dass alles auf das 5 Foot Raster gemünzt ist, und sehr viele Talente und Regeln auf die Gelegenheitsangriffe basieren, wird das Spielbewustsein ganz gezielt in die taktische Metaebene des Rollenspiels gelegt. Der Spieler spielt nicht mehr Rollenspiel, er taktiert auf einem Brettspiel.
Beides gefällt mir überhaupt nicht.
Inzwischen spielen wir seit einem Jahr nicht mehr D&D und ich muss sie immer noch prügeln, dass sie davon wegkommen. Denn wenn man erstmal mit dem Effektivitätswahn und dem taktieren infiziert ist, ist das wie eine Pest. Sie tritt immer wieder auf.
Es besteht sogar das Problem, dass ich lange Zeit mich scheute, Systeme wie BESM oder so anzubieten. Denn mit "optimierungswahn" bei den Spielern werden diese Systeme schnell zum Alptraum.
Seit dem hasse ich D&D inniglich. Natürlich nicht wirklich.
Aber ich schreibe dem System die Wirkungen zu, und da ich diese vermeiden will, ist D&D für mich gestorben...
Andere mögen genau das wollen und damit glücklich werden.
Andere mögen auch ganz andere Erfahrungen gemacht haben, und das gar nicht nachvollziehen können.
Bei mir heisst es jedenfalls "Gebrannte Mandel scheut das Feuer!".
Und seit dem ist D&D ein heisses Eisen.
Interessant finde ich, dass D&D 3.5 scheinbar noch mehr in die Tabeltop Schiene springt.
(Hörensagen, da ich D&D 3.5 nicht kenne!) Damit entfernt sich D&D immer mehr von dem, was ich erwarte.