9 Tipps: stimmungsvolle Beschreibungen
Eine der wichtigsten Eigenschaften eines Spielleiters ist seine Fähigkeit, anschaulich und vor allem spannend die Spielwelt beschreiben zu können. Aber man fällt nicht einfach als guter Erzähler vom Himmel.
1. Übertreibe es nicht mit Details
Die erste Aufgabe eines Spielleiters ist die Beschreibung der Wahrnehmungen der Spielercharaktere. Dabei ist solltest du mit deinen Beschreibungen auch Atmosphäre zu erzeugen. Vermeide dabei Extreme: Beschreibe nicht in einem Telegrammstil ("Lichtung, Felsen, See, Orks - was macht ihr?") und überschütte dein Spieler nicht mit zu vielen Details. Beides killt die Atmosphäe, das Spiel wird langweilig.
Versuche deswegen einen guten Mittelweg zu finden! Im Zweifelsfall ist es besser, auf Details zu verzichten, anstatt es mit ihnen zu übertreiben. Zu viel Informationen langweilen die Spieler und schwächen ihre Aufmerksamkeit. Rollenspiel ist ein interaktives Spiel: Lass die Spieler ihre Umgebung erforschen! Lass sie Fragen zu den Details stellen! So erfährst du, was ihnen wichtig ist und sie werden aktiv. Das verhindert Langeweile. Beschreibe beispielsweise ein Relief als einen grauen Steinblock mit seltsamen Verzierungen. Das erweckt die Neugier deiner Spieler. Sie werden fragen, was für Verzierungen das sind, was auf ihnen abgebildet ist usw. So gewinnst du ihre Aufmerksamkeit.
2. Benutze alle Sinne
Im wirklichen Leben sehen, tasten, hören, riechen und schmecken wir permanent. Alle Eindrücke zusammen liefern uns erst ein Bild von der Wirklichkeit. Das merkt man vor allem dann, wenn mal einer der Sinne ausfällt, weil es im Raum dunkel ist oder man einen Schnupfen hat. Plötzlich kann man nichts mehr sehen oder nichts mehr riechen und ist ganz schön aufgeschmissen. In vielen Rollenspielrunden haben die Charaktere ständig Schnupfen, Scheuklappen oder Ohrstöpsel - weil nicht genug Sinne in die Beschreibungen der Spielleiter einfließen.
Vermeide den Fehler, indem du dir die Situation, in der die Spielercharaktere stecken, genau vorstellst! Was können sie riechen, schmecken oder fühlen? Ist die Luft trocken oder feucht? Wie sind die Lichtverhältnisse? Gibt es einen Geruch, der vielleicht sogar einen Hinweis bedeutet? Oder gibt es ein unterschwelliges Geräusch? Wie fühlt sich der Boden an? Die Atmosphäre, die du als Spielleiter vermittelst, hängt von den vermittelten Sinneseindrücken ab, die bei den Spielern Gefühle erzeugen. Ein Granitboden, vermittelt einen anderen Eindruck als ein vom Tau befeuchteter Rasen, dessen lange Halme an den Waden kitzeln.
Allerdings ist es eher dem stimmungsvollen Rollenspiel abträglich, den Spielern unentwegt die Wahrnehmungen ihrer fünf (oder mehr?) Sinne mitzuteilen. Sie werden mit detaillierten Informationen bombardiert, die dem Spiel das Tempo nehmen. Überlege dir deswegen in jeder Szene, welcher Sinneseindruck gerade der stärkste ist und konzentriere dich auf ihn.
Entscheide nach dem Kriterium, welche Atmosphäre du gerne erzeugen willst, welche Wahrnehmung der Charaktere du an die Spieler weitergibst. Versuche nie mehr als zwei Sinne gleichzeitig einzubringen. Auch imwirklichen Leben konzentrierst du dich ja aufs Sehen, Hören, Riechen, Schmecken oder Tasten.
3. Beginne immer mit der stärksten Wahrnehmung
Es gibt im Prinzip zwei verschiedene Methoden, Dinge zu beschreiben: Vom Detail zum Gesamteindruck und umgekehrt. In Filmen oder Büchern findet man sehr oft beide verwendet. Im Rollenspiel ist es meistens besser, vom Gesamteindruck zum Detail zu beschreiben.
Erstens ist das besser für dich als Spielleiter. Denn wenn du Glück hast, unterbrechen dich deine Spieler in deiner Beschreibung und fragen dich nach Details, sodass aus deinen - für beide Seiten anstrengenden - Monolog ein Dialog werden kann. Zweitens ist es aus dramatischen Gründen wichtig, das Erfragen von Details an die Spieler weiterzugeben. Immerhin musst du den Spielern ja etwas zum Erforschen lassen und ihnen die Gelegenheit geben, Aktiv zu werden.
Auch um die Atmosphäre zu wahren, ist es besser mit den gröbsten und intensivsten Sinneseindruck der Charaktere zu beginnen. Versuche in den Spielern Gefühle zu wecken, indem du eine Szene beginnst, in der du beispielsweise sengende, schweißtreibende Hitze beschreibst! Oder Kälte, die mit kleinen Nadeln in die Haut sticht, bis sie ganz taub ist. Es ist wichtig, die Spieler in bestimmte Gefühlszustände zu versetzen. So baust du eine dichte Atmosphäre auf und bannst ihre Aufmerksamkeit. (Denke immer daran deine Spieler direkt anzusprechen, nie ihre Charaktere! Sag nicht: "Es ist kalt." oder noch schlimmer: "Deinem Charakter ist kalt.", sondern stets: "Dir ist kalt!"!)
Ein kleines Beispiel für eine gelungene Beschreibung:
"Die schwüle Luft des Dschungels fließt durch eure Lungen, sodass sie euch eher ersticken als atmen lässt. [1] Schweiß rinnt in breiten Bahnen eure Haut hinab und durchtränkt eure Kleidung. [2] Äste, Zweige, riesige Blätter, Unterholz und Farne schlagen euch ins Gesicht, während ihr euch euren Weg durch den Urwald bahnt. [3] Vor euch taucht ein Pfad im Unterholz auf. [4]"
Kommentar:
1. Atmen ist als lebensnotwendiges Grundbedürfnis die intensivste Sinneswahrnehmung. Mit solchen Eindrücken solltest du eine Szene beginnen.
2. Der zweitintensivste Sinneseindruck - der Körper der Charaktere.
3. Jetzt nehmen die Spieler die Umgebung ihrer Charaktere wahr.
4. Details der Umgebung. An dieser Stelle würden die Spieler im Idealfall damit beginnen, Fragen über den Pfad zu stellen, so dass weitere Details der Umgebung interaktiv zwischen Spielleiter und Spielern ausgetauscht werden.
Füge kleine Pausen in deine Erzählung ein und sieh deine Spieler erwartungsvoll an. Regen sie sich nicht, fahre in deiner Beschreibung fort. Nichts stört die Atmosphäre mehr als Aufforderungen, wie: "Na, nu tut mal was! Fragt mich! Sitzt hier nicht so rum!" Sowas musst du vermeiden. Wenn die Spieler nicht nachfragen, waren deine Beschreibungen wahrscheinlich nicht anschaulich genug, sodass die Spieler noch nicht in de Situation aufgehen können.
4. Verwende Körpersprache
Intensiviere die wichtigsten Sinneswahrnehmungen stets mit Mimik und Gestik. Kälte, Wärme, Wind, Regen, Schnee, Hagel, Nebel, Dunst, Morgentau, einen romantischen Sonnenauf- oder untergang oder die zwielichtige Einöde eines leeren Fabrikgeländes usw. kann man auch pantomimisch darstellen! Dies unterstützt deine Erzählung und visualisiert sie. Okay, du sollst keine bühnenreife Pantomime hinlegen (das wäre mit Sicherheit übertrieben), aber es lohnt sich auch für einen Spielleiter, mal Theaterschauspielern, Kabarettisten oder Pantomimen etwas genauer auf die Finger zu schauen. Mach aus deiner eigenen kleinen Pantomime am Spieltisch aber keine Riesneshow - du bist kein Alleinunterhalter! Streu sie lieber beiläufig ein, dann erzielt sie viel mehr Wirkung und läuft nicht Gefahr, die Spieler zu langweilen!
5. Wecke Gefühle
Versuche in einer Rollenspielrunde nicht nur den Intellekt deiner Spieler (mit Rätseln, Knobeleien, Puzzeln, strategischen und taktischen Problemstellungen usw.) anzusprechen, sondern auch ihre Sinne und damit auch ihre Gefühle (Sehnsüchte, Ängste, Neugier, Misstrauen usw.)! So wichtig es auch ist, intellektuelle Herausforderungen ins Rollenspiel einzuarbeiten - verzichtest du auf die Gefühlsebene geht damit mindestens die Hälfte des Spielspaß' verloren!
6. Nichts erzeugt so sehr Spannung wie wie der Hinweis auf Gefahr
Die meisten Leute spielen Rollenspiele um Abenteuer zu erleben. Und Abenteuer erleben bedeutet, dass man sich Gefahren entgegen stellt. Eine Spielrunde, in der es wenig Gefahren für die Charaktere gibt, ist langweilig. Eine Spielrunde ganz ohne Gefahren ist tot. Dabei gilt es, zwischen zweierlei Arten von Gefahren zu unterscheiden:
Erstens gibt es die konkrete Gefahr, welche den Charakteren der Spieler droht - durch mächtigere Gegner, die unter Umständen für ein schnelles Ende sorgen könnten.
Die zweite Art der Gefahr ist die untergründige Gefahr. Hier sprichst du die Spieler direkt an, ohne ihre Charaktere und deren Spielwerte einzubeziehen. Es gibt viele Ängste (die Angst vor dem Unbekannten, vor Dunkelheit, vor Feuer usw.), die in uns allen schlummern. Ein Hinweis auf die angstauslösenden Situationen oder entsprechende Elemente in deiner Erzählung als Spielleiter können die Spannung in deiner Kampagne beträchtlich erhöhen. Auch der mächtigste Magier kann in einer dunklen Höhle Angst haben, wenn er merkwürdige scharrende Geräusche und ein leises, undefinierbares Fiepen hört und gleichzeitig ein bis auf die Knochen abgenagtes Skelett findet.
Das Wichtigste ist, die Möglichkeit von Gefahr zu betonen: Es könnte etwas passieren. Das heißt noch lange nicht, dass etwas passieren muss. Im Gegenteil: Oft ist die Möglichkeit, dass etwas passieren kann, furchterregender als das Ereignis selbst. Arbeite deswegen oft mit unheilverkündenden Vorboten von Gefahren - ohne dass deine Spieler sich darauf verlassen können, dass die Gefahr auch wirklich eintritt. Um untergründige Spannung in deine Kampagne einzubringen ist es wichtig, dass du als Spielleiter unberechenbar bleibst.
Nutze so oft wie möglich die Gelegenheit, auf Gefahren hinzuweisen. Versuche alltäglichen Situationen etwas Besonders zu verleihen: "War da nicht gerade eine Bewegung hinterm Vorhang? Sicher, es könnte auch nur der Wind gewesen sein, der mit dem Stoff spielt - aber wenn nicht ... " oder: "Hinter dieser Tür könnte alles Mögliche lauern." oder "Sicher, du kannst vom Lagerfeuer aufstehen. Aber dann verlässt du den Lichtkreis und dahinter gibt es nichts als Dunkelheit, ... "
Auch beim Andeuten von Gefahren musst du natürlich darauf achten, es nicht zu sehr zu übertreiben. Unter Umständen können deine Spieler abstumpfen. Achte darauf, in regelmäßigen Abständen kleine Pausen einzubauen, in denen sich die Situation entspannt. Vielleicht gibt es ja sogar eine Gelegenheit, etwas Witziges zu erleben? Komik ist ebenfalls immer ein guter Weg, um Atmosphäre zu erzeugen.
7. Behalte dir das Beste immer bis zum Schluss auf
Spannungsbögen in deinen Erzählungen als Spielleiter bannen die Aufmerksamkeit der Spieler und erzeugen Atmosphäre. Spannung bedeutet, die Erwartungshaltung der Spieler auszunutzen, die Frage aufzuwerfen "Was passiert als Nächstes?". Beim Leiten einer atmosphärischen Rollenspielrunde geht es unter anderem darum, diese Erwartungshaltungen zu wecken, indem du wichtige Infos verzögerst, um die Spieler bei der Stange zu halten. Wenn du beim Beschreiben einer Szene immer gleich mit dem größten Knaller am Anfang rausrückst, kann es schnell sein, dass deine Spieler gar nicht mehr mitbekommen, was es sonst noch zu sehen, hören, riechen oder fühlen gibt.
Beispiel:
Spielleiter: "In der Mitte des Raumes seht ihr eine Bombe deren Countdown bei fünf angekommen ist. Sie wird in wenigen Augenblicken explodieren! Ach, übrigens, im Raum gibt es auch noch zwei Türen und es stehen auch zwei große Typen ... "
Wer hat denn noch den Nerv, an den Rest des Raumes zu denken, wenn in seiner Mitte eine Bombe tickt? Besser wäre es, in so einem Fall folgendermaßen vorzugehen:
Spielleiter: "Hinter der Tür liegt ein dunkler Raum, in dem nur ein spärliches, rotes Licht in Intervallen aufleuchtet. Hinter zwei riesigen Männern in schwarzen Anzügen und mit Gesichtsausdrücken, die absolute Entschlossenheit ausdrücken, könnt ihr ein rotes Blinken erkennen. Die Kerle kommen mit kräftigen Schritten auf euch zu. Erst jetzt könnte ihr erkennen, dass das Leuchten von roten Zahlen auf einer LCD-Anzeige stammt. Die Anzeige steht bei sechzig und zählt sekundenweise abwärts ... und jetzt erkennt ihr auch, dass sie zu etwas gehört, das wie eine Bombe aussieht!"
Im zweiten Fall wird die Spannung langsam aufgebaut und steigert sich von der kleinsten Gefahr zur größten (gleichzeitig wird auch der Tipp: "Beginne immer mit dem stärksten Sinneseindruck!" befolgt).
Zunächst ist da die Dunkelheit des Raumes - stärkster Sinneseindruck, schafft Unbehagen - man sieht wenig. Neugierde wird geweckt: Woher kommt das rote blinken?
In einem zweiten Schritt werden die beiden Wachen erwähnt. Die sind schon bedrohlicher als die Dunkelheit. Wichtig ist, dass sie nur kurz beschrieben werden und dass bei der kurzen Beschreibung das Wesentlichste hervorgehoben wird. Sie sind entschlossen und wahnsinnig - klar, müssen sie sein, denn wer ist sonst freiwillig in der Nähe einer Bombe, die in wenigen Sekunden explodiert? Das schafft bei den Spielern schon mal Unbehagen wahnsinnige und entschlossene Gegner sind immer die schlimmsten ...
Der zentrale, der dritte wichtige Faktor der Szene - nämlich die Bombe - wird ausgekostet. Das hat zwei Gründe: Erstens müssen die Spieler so ein bisschen warten, bis sie endlich erfahren, was dieses rote Leuchten denn nun zu bedeuten hat - was die Spannung fördert. Und zweitens soll die Bombe ihnen ja als Hauptgefahr im Gedächtnis bleiben! Hierbei ist es besonders wichtig, ein gesundes Mittelmaß zu finden. Wird das Hinauszögern übertrieben, kann die Spannung der Szene schnell verpuffen.
8. Vermeide Selbstverständliches
Beschreibungen werden langweilig, wenn du altbekannte Redwendungen wiederholst. Spar dir die "dunkle Höhle" oder den "tiefen Abgrund". Höhlen sind einfach immer dunkel, wenn sie nicht gerade ausgeleuchtet werden. Abgründe sind nie flach, sonst wären sie keine Abgründe. Vermeide solche Stereotypen auch in der Beschreibung von Personen. Wenn du nicht weiter auf den Wirt der Taverne eingehst, werden sich die meisten Spieler einen kleinen, dicken Mann vorstellen, der mit leicht verschwitztem Gesicht in einem Unterhemd hinterm Tresen Gläser poliert. Sollte dies für deinen Wirt im Abenteuer zutreffen, lass es dabei. Langweile deine Spieler nicht mit Beschreibungen von Dingen, die sie sich auch ohne deine Beschreibungen plastisch ausmalen können!
9. Nicht behaupten, sondern zeigen
Rollenspiel lebt von Dramatik. Sie sind keine Erzählspiele, wie einige Hersteller behaupten, sondern bewegende Darstellungen spannender Szenen. Deswegen solltest du bei Beschreibungen nie in langweiliges Erzählen verfallen, sondern lebhafte Darstellungen nutzen! Konkret heißt das: Vermeide Beschreibungen wie "Du öffnest die Tür nach draußen und dir wird kalt."! Zeige lieber, wie sich die Kälte für den Spielercharakter, der die Tür öffnet, anfühlt! Leg deine Arme um deinen Körper und zittere, beschreibe, wie tausend kleine Nadeln von dem Wind getrieben in die Haut des Charakters fahren, seine Zähne zu klappern und seine Hände zu zittern beginnen!
© Marcus Johanus