4 Tipps: hochmütige CharaktereHeroisches Rollenspiel klingt gut. Jeder will es - ist doch klar. Jeder, der Rollenspiele spielt, möchte gerne Abenteuer erleben und heroische Taten vollbringen, sonst würde man ja Schach spielen. Deswegen braucht man beim Rollenspiel Regeln, die den Charakteren der Spieler auch ein heroisches Auftreten ermöglichen. Sie müssen mächtiger sein als ihre Umwelt - so wie Arnie in seinen Filmen zehn Leute gleichzeitig auf die Matte schickt, müssen auch die Helden der Spieler herausragende Chancen gegenüber anderen Gegnern der Spielwelt besitzen. Anspruchsvolle Stunts, die nie im Leben klappen können, sorgen im Rollenspiel für Spannung. Auch für solche Gelegenheiten braucht man also Regeln, die die Spielercharaktere gegenüber ihrer Umwelt zumindest teilweise bevorzugen.
Diese Bevorzugung, die man ja auch als Wohlwollen des Spielleiters gegenüber den Spielern sehen kann, muss auf der anderen Seite von den Spielern auch honoriert werden - mit Heldenmut. Aber leider wird von einigen Spielern Heldenmut nur zu gerne mit Hochmut verwechselt.
Sicher, ein wahrer Held lässt sich auch von zehn Palastwachen nicht davon abhalten, dem Treiben des korrupten Königs ein Ende zu bereiten. Das ist auch gut so. Doch was soll man als Spielleiter tun, wenn die Spieler mit ihren Charakteren auch gegen den guten König vorgehen, der nur das Beste für sein Reich will? Was wenn sie ihn vom Thron stürzen, um selbst an die Macht zu kommen?
Spielern heroische Charaktere zu geben, die große Macht besitzen, birgt also immer ein Risiko. Sind die Spieler denn bereit, die Verantwortung, die mit dieser Macht einher geht, auch zu übernehmen? Die meisten Rollenspiel-Systeme geben den Charakteren viel Einfluss auf die Spielwelt: in Form von guten Spielwerten, mächtigen Zaubersprüchen usw. Sie bekommen diesen Einfluss aber nur, um damit heroische, also edle Motive verfolgen können und damit man Spaß an guten Action-Szenen haben kann. Aber wie stellt man als Spielleiter sicher, dass die Spieler ihre Macht nicht missbrauchen, um niedere Ziele zu verfolgen?
1. Regelmechanismen als moralische WächterMan sollte ein Fehlverhalten der Spieler natürlich als Spielleiter ahnden. Vielleicht gibt es ja Mechanismen im Regelsystem, die es dir erlauben, übermütige Spieler zu steuern. Verteile einfach für Aktionen, die eindeutig nicht heroisch, sondern eher niederträchtig sind, höhere Mali. Niemand sagt, dass ein Malus nur allein durch physikalische Bedingungen zustande kommt. Warum sollte nicht auch der Wille der Götter eine Rolle spielen?
Andererseits hat das System vielleicht auch schon einen moralischen Wächter eingebaut? Das alte STAR WARS-Rollenspiel sorgte beispielsweise mit Dark Side-Points dafür, dass die Spieler die Macht ihrer Charaktere nur für gute Taten einsetzten. Je mehr böse Taten sie damit anstellten, desto mehr wurden sie zu Agenten der Dunklen Seite der Macht - und damit irgendwann zum NSC. Warum nicht solche Punkte auch in dein Regelwerk einführen? Wie du sie genau nennst, hängt von der jeweiligen Spielwelt ab.
Solche Punkte sind quasi die gelben und roten Karten des Rollenspiels. Gib den Spielern zwei Chancen. Der erste Strafpunkt ist eine Verwarnung, der zweite soll sie dran erinnern und beim dritten Mal ist ihr Charakter raus, endgültig zum Bösewicht mutiert. Aber zerreiße das Charakterblatt nicht! Nutze es statt dessen lieber, um den ehemaligen Helden tatsächlich in dein Abenteuer als Bösewicht einzuführen. Lass ihn in einem späteren Abenteuer als Gegner auftauchen. So hast du zwei Fliegen mit einer Klappe erwischt: Erstens hast du eine neue Abenteueridee und zweitens verschaffst du dir bei den Spielern ein wenig Respekt. Sie bestrafen den vom rechten Pfad abgefallenen Charakter sozusagen selbst, was einen großen erzieherischen Effekt haben kann.
2. Rollenspiel-LösungenEs gibt aber auch Lösungen für das moralische Dilemma im Rollenspiel. Warum sollte man sie die Spieler nicht mit ihren niederträchtigen Aktionen erstmal davon kommen lassen, sie aber später in der Kampagnenwelt dafür ahnden? Vielleicht setzen die angehörigen des Königs ja ein Kopfgeld auf die Charaktere aus und erklären sie für vogelfrei. Mach deinen Spielern die Hölle heiß!
Mit dieser Methode erreicht man die Spieler indirekt und führt ihnen einfach die Konsequenzen ihres Handelns vor, was sehr effektvoll sein kann. Allerdings kann sie bei besonders hartnäckigen Spielern auch zu Frust und Aggressionen gegen den Spielleiter führen, sodass die ganze Runde auseinander bricht. Setze sie nur ein, wenn du deine Spieler kennst und meinst, dass sie Erfolg haben könnte. Riskiere nicht, dass sich die Gruppe auflöst. Um mit besonders schwierigen Fällen umzugehen, gibt es andere Wege:
3. Rede drüber ...Meistens ist es das Beste, das Spiel einfach abzubrechen und mit den Spielern über ihre Entgleisungen zu reden. Mach ihnen klar, wie inakzeptabel ihr verhalten war. Dann kommt meistens das Argument: "Hey, aber mein Charakter würde sowas tun!" Gib ihnen zu verstehen, dass ihr Charaktere sowas NICHT tun würde und erkläre ihnen vor allem, dass ein solches Verhalten für die Dramaturgie eines Abenteuers tödlich ist.
Ich hatte diese "Hey, aber mein Charakter würde sowas tun!"-Diskussion mal in einer STAR TREK-Spielrunde, in der die Sternenflotten-Offiziere der Spielercharaktere ihr eigenes Überleben über die Erfüllung der Obersten Direktive stellten. Da kam dann von den Spielern das Argument: "Oberste Direktive hin oder her, auch einen Sternenflotten-Offizier wird doch immer erst seinen Kopf retten!"
Nein! Würde er eben nicht. Ein Sternenflotten-Offizier ist nunmal mehr als Peter Müller in einer Uniform! Er ist ein Held, der einem gänzlich anderen moralischen Milieu entstammt, als die Spieler. Die Charaktere im STAR TREK-Universum kommen von der Erde, einem paradiesischen Ort, auf dem es keine Gewalt, kein Verbrechen und keinen Neid gibt - nur den selbstlosen Drang zu forschen und die Kultur zu pflegen. Und die Offiziere der Sternenflotte sind Elitesoldaten, ausgebildet in einem jahrelangen Training auf einer speziellen Akademie. Und sie werden nicht nur in körperlichen und wissenschaftlichen Bereichen geschult, sondern auch in moralischen.
Mit anderen Worten: Sternenflotten-Offiziere sind selbstlose, ehrbare HELDEN (und Bürohengste und Paragraphenreiter ...
). Vielleicht gibt es unter ihnen mal EIN schwarzes Schaf, dass den Schwanz einzieht und sich aus dem Staub macht. Aber die meisten würden ehrbar dem Tod ins Auge blicken, nur um nicht ihre Prinzipien zu verraten.
Mit Helden aus Fantasy-Rollenspiel verhält sich das ähnlich. Ihre Vorbilder sind sagenhafte Helden aus Legenden und den Liedern der Barden, große Übermenschen, die dem Rest der Gesellschaft mit leuchtendem Beispiel voran gehen. Hohe Ideale, wie die Treue zum König, den Schutz der Schwächeren und das Streben nach Gerechtigkeit zählen zu den meisten Ehrekodizies solcher Ritter und Helden, die so besungen werden.
Das dürfte das Ideal sein, nach dem die meisten Fantasy-Helden streben. Sicherlich, der Abwechslung halber kann es auch mal Ausnahmen geben, aber eine ganze Gruppe von Ausnahmen, ist dann wieder ein Klischee.
4. Anreize verteilenNatürlich musst du als Spielleiter auch Anreize für ehrenhaftes Verhalten verteilen. Die Gunst einer schönen Prinzessin wird man nicht dadurch erlangen, dass man sich wie ein Rüpel aufführt. Die Barden werden einen nicht besingen, wenn man unehrenhaft seine Kämpfe bestreitet oder plündernd durch die Länder zieht. Die Menschen werden raubende und mordende Spielercharaktere mit Dreck bewerfen und sie mit Heugabeln von ihrem Hof jagen. Andererseits könnte ihnen ihr Ruf voraus eilen, sodass ihnen überall Tür und Tor offen stehen.
Wenn du das Fehlverhalten der Spielercharaktere bestrafst, musst du auf der anderen Seite ein ehrenhaftes Verhalten auch entsprechend belohnen. Überhaupt erreichst du darüber, dass du positive Aktionen der Spieler großzügig belohnst viel mehr, als durch die Bestrafung unmoralischen Verhaltens.
FazitHochmütige Charaktere sind meistens eine Kinderkrankheit von Rollenspielrunden. Mit der Zeit werden die Spieler merken, dass es viel mehr Spaß macht, Helden zu spielen, als sich wie die letzten Menschen aufzuführen. Aber dazu musst du sie als Spielleiter auch entsprechend lenken. Möglichkeiten dazu hast du genug, wenn du das Regelwerk richtig nutzt und die Spielwelt angemessen auf die Aktionen der Spieler reagieren lässt.
Am Anfang jeder Spielrunde steht aber ein klärendes Gespräch. Du musst wissen, was deine Spieler von deiner Spielrunde erwarten. Auf der anderen Seite musst du auch erklären, was du von deinen Spielern erwartest. Weite so ein Gespräch nicht zu einem abendfüllenden Ereignis aus. Aber man sollte mal drüber gesprochen haben, um die Fronten zu klären.
© Marcus Johanus