Interessantes Thema.
Der Eindruck ist auf jeden Fall nicht falsch, alle deutschen Verlage sagen normalerweise übereinstimmend, dass Superhelden-Systeme/-Settings in Deutschland pures Kassengift sind. Irgenworan muss das ja liegen, denn Superhelden-Filme/-Serien etc. floppen hierzulande ja nicht.
Ich hab da jetzt auch nicht direkt Antworten, sondern lese interessiert weiter mit. Völlig unausgegoren und spontan könnte ich mir aber vorstellen, dass die hiesige vorherrschende DSA-Sozialisierung zumindest einen Anteil daran hat. Aber wie gesagt: Nur spontan ins Blaue.
Ich für meinen Teil bin ja großer Superhelden-Fan, primär Comics (zweistellige Regalmeterzahl), Filme/Serien natürlich auch und nenne auch eine nennenswerte Sammlung von Superhelden-Systemen mein eigen, die leider (aufgrund des als Ursache des Threads konstatierten Desinteresses der Spielerschaft) überwiegend ungespielt im Regal stehen.
Das Superhelden-ähnlichste, was ich tatsächlich spiele, ist meine City of Mist-Runde und hier sind durch den narrativen Ansatz (balancing über Einfluss auf die Story, nicht über Impact auf die Spielwelt) und auch den Kniff, dass Charakterentwicklung eher seitwärts passiert (also primär Veränderung, weniger Steigerung), einige der genannten Probleme gut gelöst. Wenn Amit irgendwann die CoM-Universal-Engine raushaut, könnte ich mir auch gut vorstellen, damit Vanilla-Superhelden zu spielen - wobei es mit ein paar kleinen Hacks auch jetzt schon sehr gut geht und :Otherscape da sicher noch ein paar zusätzlich Tools liefert.
Ein anderer Ansatz, der viele der genannten Probleme ganz gut löst ist das von mir ebenfalls hoch geschätzte (und hier kaum rezipierte)
Spectaculars , das vor allem ein weiteres Element schön umsetzt, die an den Comics/Filmen fasziniert, und die Rollenspiele oft sonst weniger stark abbilden: Hier spielt man weniger einzelne SCs, sondern die Gruppe als ganzes erstellt ihr eigenes Superhelden-Multiversum, das im Spiel beständig ausgebaut, umgebaut, ausgeschmückt, etc. wird und bei dem die Spieler ihre Helden auch munter durchwechseln.
Beispiel: Irgendwann stürzt ein Raumschiff mit einem Alien ab, kurze Zeit später kommt es zur Alien-Invasion. Ab da kann ein Spieler auch seinen SC zur Seite legen und stattdessen das Alien aus dem Raumschiff (ähnlich Martian Manhunter) spielen und als Verbündeter der anderen SC helfen, die Invasion zurückzuschlagen. Auch die Street Level-Helden aus der zuvor gespielten Kampagne könnten dann z.b in einem Zwischenabenteuer wieder ausgegraben werden, um zu helfen die Verwüstungen in der Stadt zu reparieren, etc.
Um ein wenig die Kurve zurück zum Thema zu bekommen: Ich denke ein Faszinosum v.a. der Comic-Superhelden-Fans ist auch der Soap-Faktor und das große Figuren-Kabinett, das nach und nach immer größer wird und zueinander in Beziehung steht, bei Crossover-Events miteinander interagiert, etc. Dies lässt sich im normalen Rollenspiel eher schwierig abbilden.
Die übliche Avengers/Justice League-Truppe hat zwar grundsätzlich große Ähnlichkeiten mit einer Heldentruppe, aber in den Comics ist ja eigentlich spannend, was die Mitglieder einzeln erleben, einzeln (oder in Kleingruppen) mit anderen zusammen treffen, usw., zusammen kommen sie dann nur für 2-3 große Splash-Pages, wo es mal kurz kracht. Am Spieltisch hieße das ja eigentlich, dass sich ständig die Gruppe teilt und der SL mit jedem SC Einzel-Storys spielt und nur an jedem 3. Spielabend mal eine Plenum-Besprechung oder ein Massenkampf kommt.
So ein Troupe-Play wie bei Spectaculars löst das ganz gut, ist aber für die meisten Tische und Systeme ja nicht die Regel.