Autor Thema: [Deadlands] Savage West Solo Play  (Gelesen 22040 mal)

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #225 am: 3.06.2024 | 19:18 »
Was war geschehen, um dieses fröhliche Wiedersehen zu ermöglichen? Kinraide hatte ja bereits beim Flug von Banshee hierher online mehrere Hilfegesuche verbreitet, um den vermissten Shadrack zu lokalisieren. Es gibt verschiedenste Netzwerke für sowas, denn an Vermisstmeldungen und Verschollenen herrscht in der verwahrlosten Kolonie kein Mangel. Diese Hilfegesuche haben schließlich auch Erfolg gehabt, und die Nachricht hat on-planet den Gesuchten erreicht, kurz nachdem er in Temptation in einem Hotel und bei HI-Terminals seinen Namen angeben musste. Die Nachricht lautete, er möge schnellstmöglich Kontakt zu Tunnel Station aufnehmen ...

Rex und Zamantha hatten noch nicht allzu viel Zeit seit ihrer Ankunft in Temptation für die Suche nach ihrer benötigten Codeleser-KI. Die Koordinaten, welche Maiqarooba vorsingen kann wie ein Lied, können nur von speziellen GIS-Systemen interpretiert werden. Systeme dieser Baureihe stammen noch aus der Zeit der ursprünglichen Kolonisierung vor fünfzig Jahren, und sind mittlerweile fast überall eingemottet. Nur hier in der Großstadt Temptation sollten irgendwo noch welche übrig sein, in den Kellern irgendwelcher einstiger Bergbau-Behörden, oder Bastler-Schuppen. Aber da Zamantha und Rex sowieso veraltete HI-Hardware brauchen, können sie auch gleich dem Gesuch aus dem fernen Orbit folgen, und nach Tunnel Station kommen, wo es solche Systeme ebenfalls noch geben muss. Wahrscheinlich geht die Suche dort oben sogar etwas schneller.

Die Explosivo dockt seit den letzten zwei Wochen regelmäßig in Portal. May lebt in einem winzigen, kargen Hotelzimmerchen des Handelshafens, und hat sehr viel Zeit damit zugebracht, sich durch Flirts und Behexung die Zugangsberechtigungen für die gewünschten Datenarchive zu erschleichen. Dabei hieß es allerdings, höchst vorsichtig vorzugehen, denn auch hier ist das Übernatürliche bekannt, und HI ist ein misstrauischer, konspirativer, und elitärer Scheißverein. Sie beschäftigen eine eigene Riege okkulter Spezialisten, keine Syker, sondern Techniker. Und die Colonial Rangers, die hier kommen und gehen, sind auch nicht viel besser in Augen der Hexe. Sie hat also alles daran gesetzt, durch ihr geballtes Unwissen dieser Ära nicht aufzufallen. Die benötigten Zugangsberechtigungen hat sie tatsächlich erst am Tag von Rex‘ Ankunft bekommen.



Jenseits des Bereichs von Portal öffnen sich nun dank mehreren Zahlencodes die Korridore, die nur für bestimmte Besucher und HI-Personal bestimmt sind. Hier ist die Umgebung sauberer und moderner als im Handelshafen, geradezu piekfein.
„Diese gottverdammten Lackaffen“, murmelt Rex halblaut, als sie den breiten Gang entlang gehen, auf das gebuchte Terminal zu.
„Ja, ich sag‘ doch, elitäre Bande“, kommentiert die Hexe lapidar, „von diesen Böden könnte man essen. Sieh‘ mal, sie haben sogar kleine Automatons zum Aufwischen, heutzutage heißen die ‚Roboter‘, das kommt aus dem Spanischen oder so“, und sie deutet auf eine dahin flitzende Reinigungsdrone.
„Roboter kommt aus dem Russischen“, kommentiert Rex grimmig.
„Besserwisser! Warum bist Du so angespannt? Hier kommt uns keiner auf die Schliche, wir sind sicher, das ist alles rechtens, ich hab über eine Woche hieran gearbeitet!“, flüstert sie.
„Das ist es gar nicht, was mir zu schaffen macht“, raunt er zurück, „Diese ganze Firma, Hellstromme Industries! Die sind wie ein sarkastischer Gruß aus unserer eigenen Lebzeit. Dies hier, May B., sind die Erben der einstigen Wasatch-Eisenbahn, meiner früheren Arbeitgeber. Im Eisenbahnkrieg habe ich lange Zeit für die gekämpft, draußen in Utah!“
„Wird schon keiner mehr davon wissen, dass Du kleiner Opportunist 1876 zu Union Blue übergelaufen bist!“
„Bah, unerheblich. Die Wasatch war ja nicht wie Black River, Schätzchen, wo man Euch arme Mädchen zu lebenslanger Loyalität abgerichtet hat. Als Söldner seine Arbeitgeber zu wechseln war nicht unüblich. Das ist auch gar nicht mein Problem ... Doktor Hellstromme hat Faraway entdeckt, als uralter Mann, irgendwie konserviert durch seine Dampfmaschinen! Sein verdammter Konzern hat von der Besiedlung am meisten profitiert! Als der Faraway War ausgebrochen ist, wird Hellstromme zurückhaltend daneben gestanden haben, und sich weiter die Taschen vollgestopft, wie eh und je. Ich, verstehst Du, ich persönlich habe diesen Schweinen geholfen, diesen Weg zum Ruhm einzuschlagen! Pioniere wie ich haben nichtsahnend diese Unmenschen zu den Sternen befördert!“, und er muss sich am Riemen reißen, um nicht laut zu werden, als er das sagt.
„Na, immerhin bist Du nicht auf einer teuflischen Mädchenschule indoktriniert worden, wie Du selbst sagst!“, grinst May B., mit fiesem Seitenblick.
„Ja, aber unerheblich, was mit mir selbst war“, raunt Shadrack angespannt, „ich habe damals im Weird West gedacht, das Ziel der Zugbarone ist nur der Exklusivvertrag, der winken sollte, wenn die Transkontinentale Eisenbahnlinie vollendet ist. Was anschließend mit diesen Großkapitalisten im Verlauf der Dekaden geschehen könnte, das habe ich mir nicht einmal ausgemalt! Und jetzt sind wir hier, in einer Zukunft, die womöglich von Konzernen ins Verderben gestürzt wurde, Firmen wie jener, für die wir damals im Eisenbahnkrieg gearbeitet haben! … Die Tragweite von Hellstrommes Verbrechen wird mir jetzt erst klar.“
„Was glaubst Du, warum seit 13 Jahren Funkstille mit der Erde herrscht?“, fragt May B., nun ihrerseits ängstlich.
„Vielleicht wollten sie die Kolonie vorerst loswerden. Auf Eis legen. Der Krieg hier muss teuer gewesen sein, und seine arkanen Phänomene schwer zu vertuschen.“
„Es war aber auch Krieg auf der Erde zu diesem Zeitpunkt. Rex … weißt Du noch, was Du gesagt hast, nachdem ich und John von dem … Machtgefüge in Hyperborea berichtet hatten?“
Die beiden wechseln einen Blick, Rex wagt es nicht, zu antworten. Er wagt nicht einmal, daran zu denken. Schweigend öffnen sie den Raum mit ihrem gebuchten Terminal.


Die Archive sind gewiss aufschlussreich für unsere Wild Cards. Ein einzelner Besuch wird es nicht tun; sie werden mehrfach wiederkommen müssen. Zwar haben sie Kinraide und Fourth Wall, die ihnen bei der Computerbedienung dann und wann helfen können, aber sie wollen die beiden Spacer nicht konstant neben sich sitzen haben, um sie nicht zu tief mit in ihre Recherche hinein zu ziehen.
„… Vorerst schützt ihr Unwissen sie“, meint Shadrack dazu.

Vieles, was man einem guten Geschichtsbuch entnehmen könnte, werden unsere Wild Cards hier ermitteln können. Vom Ausgang des Amerikanischen Bürgerkriegs hat May B. schon gewusst, vom Fortbestehen der Konföderierten Staaten von Amerika und der tragischen Errichtung der Mason-Dixon-Mauer um die Jahrtausendwende, eine geteilte Nation, die nie zu ihrer eigentlichen Brüderlichkeit zurück gefunden hat. Sie lesen vom Schrecken der beiden Weltkriege, mit Syker-Attentätern und der entfesselten Macht des Atoms. Das Geheimnis von Ghost Rock als arkane Substanz wird anscheinend irgendwann gelüftet, aber der Öffentlichkeit nie mitgeteilt, dank weltweit operierender Geheimdienste. Alle Industrienationen sind schließlich vom Ghost-Rock-Bergbau abhängig, mehr als von Braunkohle, Atomkraft, oder Solarenergie. Schließlich beginnt der okkulte Untergrund, zu einem okkulten Overground zu werden: Die UN scheint direkt vor dem Faraway War ganz genau dasselbe gemacht zu haben wie Black River, sie haben sich eine Riege an menschlichen, okkulten Geheimwaffen herangezogen, um ihren Krieg für sie zu führen, aber nicht als eine einzige Firma wie Black River es ihrerzeit war, sondern als weltweiter Länderbund. Dies war die Psychic Legion, die sie der EXFOR zur Seite gestellt hatte.

Speziellere Informationen in Tunnel Station’s Datenbanken sind allerdings lückenhaft: Die Wild Cards bekommen nicht umgehend heraus, wer die Eisenbahnkriege gewonnen hat, oder was genau aus den einzelnen Zugbaronen geworden ist, oder aus dem Royal Court. Es gibt in den Datenbanken nur Informationsschnippsel, und um die zusammenzusetzen, bräuchten sie einfach noch viel mehr Zeit. Und in einigen Fällen noch umfassendere Berechtigungen von HI … Was seit dem Ausfallen des Interspace Tunnel auf der Erde geschehen ist, ist hier natürlich gar nicht festgehalten, denn auch HI hat diese Informationen scheinbar nicht: USA und CSA waren jedenfalls damals Teil von zwei weltweiten Länder-Allianzen, die um Faraways Ressourcen stritten, um die schwindenden Ghost-Rock-Reserven der Erde, allen voran das amerikanische Great Maze, und über Lösungen für den verheerenden Klimawandel, der begonnen hatte.
„… Und Gomorra? Hat man die Hauptader je gefunden, die es dort geben sollte? War der ganze Ghost Rock schließlich kriegsentscheidend, wie angenommen?“, flüstert May B. irgendwann, ihr schwirrt der Kopf von all den Informationen.

Fiebrig suchen sie weiter. Um Gomorra, Kalifornien, ranken sich offensichtlich zahllose Legenden und Halbwahrheiten, historisch gesehen war es die wichtigste Boomtown der Westbewegung neben Dodge City, Deadwood, Tombstone, Lost Angels, Virginia City, und Salt Lake City. Die Unionsarmee hat die Siedlung schließlich für die Nordstaaten erobert, konnte sie aber nicht halten, als bürgerkriegsartige Anarchie ausbrach, unter anderem, weil die sogenannte Mother Lode schließlich gefunden wurde, die Hauptader. Neben dem Interesse beider Regierungen und der Zugbarone sprechen die Archive von zahlreichen Privatinvestoren, die für das Schicksal der Stadt entscheidend waren. Nicht nur die Whateleys werden erwähnt, sondern auch eine Gang namens Maze Rats, und eine Gemeinschaft, die einem apokalyptischen Christentum anhing, die sich einfach 'the Flock' nannte, 'die Schafherde'. So wie Virginia City und Deadwood soll die Siedlung Gomorra mehrmals niedergebrannt und wiederaufgebaut worden sein. Gomorras Schicksal, und seine genaue Bedeutung für die Rail Wars und den Bürgerkrieg, ist hier nicht festgehalten …
„… Aber hier gibt es so viele fehlende Datensätze“, grübelt Shadrack, „mehr als bei anderen Themen …“
„Glaubst Du etwa, HI hat die Geschichte zensiert? Weil die Begebenheiten zu heiß waren für die Öffentlichkeit?“
„Nein, nicht HI, die waren ja damals noch die Wasatch-Eisenbahn … dies hier trägt meines Erachtens nach die Handschrift der Männer in Schwarzen Dustern.“
Beide erschaudern.
"Gottverdammt, ich wünschte, wir wären statt auf der Vostros auf der Erde gelandet, nicht in diesem verlorenen Hinterweltler-Sonnensystem, dort hätten wir mehr Zugriff auf all diese brisanten Informationen!", grollt der Hexslinger.
"Rex, was immer genau dort geschehen ist, und was auch immer die Reckoners bewerkstelligt haben mögen ... ich könnte mir vorstellen, dass es verdammt nochmal ein großes Glück war, nicht auf den Planeten Erde versetzt worden zu sein im Jahr 2094!", flüstert May B. furchtsam.
Schweigen macht sich breit.
„Und später …?“, fragt May B. schließlich, und navigiert weiter.
„… Sieh’ mal, es stimmt, was Dein Freund Kaenan sagt“, meint sie schließlich, „unser Gomorra war später noch einmal berühmt, und zwar als Filmkulisse, in den späten 1960ern und den 1970ern! Sieht aus, als wären Historien-Stücke über unsere Lebzeit ziemlich populär gewesen damals! Und … ich fass‘ es nicht, sieh‘ mal hier!
Shadrack blinzelt ungläubig auf den Bildschirm, von dem ihm — scheinbar hämisch, und auf jeden Fall prächtig gelaunt — das Gesicht von Luca Byrd entgegen lacht. In Farbe, obwohl es doch nur Schwarzweiß-Fotografie gab, als er so ausgesehen hat.



„Vor diesem Knaben gibt es einfach verdammt nochmal kein Entkommen“, murmelt er genervt.
„… in der Rolle des historischen Luca Byrd, Terence Hill“, liest May B. die Bildunterschrift vor, „hey, da haben sie einen ausgesucht, der wirklich verblüffend ähnlich aussieht!“
Shadrack legt sich genervt die Hand vor die Stirn, dann schaut er aber wieder auf: „Ich habe den Film übrigens bei mir, zumindest die spätere Neuauflage. Wir müssten nur hier irgendwo einen passenden Stecker für das Modul finden. Vielleicht sagt der uns, was in etwa 1879 geschehen wird! … Damals geschehen ist. Sehr wahrscheinlich ist darin zu sehen, was aus Mister Byrd und den anderen wird. Und vielleicht finden sogar wir Erwähnung … bevor wir aus der Weltgeschichte verschwunden sind.“
Erneut sehen die beiden sich an.
„Ich weiß nicht, ob ich all dieses Wissen ertragen kann …“, haucht May B., „die Verantwortung.“
Shadrack tupft sich Schweiß von der Stirn, und schweigt.
« Letzte Änderung: 14.07.2024 | 21:14 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #226 am: 15.06.2024 | 12:26 »
Advances
Unsere beiden Hauptfiguren haben mittlerweile wieder genug EXP zusammen für einen Advance. Passend zu ihrer geschichtlichen Recherche soll mal ihre Allgemeinbildung voran kommen. Und Zeit für etwas Straßenkampf-Training mit dem wortkargen Klopper Maiqarooba haben sie in der Zwischenzeit auch.
Shadrack: Common Knowledge ➜ W8 & Fighting ➜ W6
May B.: Common Knowledge ➜ W6 & Fighting ➜ W10

Während die Neuankömmlinge sich also an ihre Recherchen wagen und sich eingewöhnen, machen wir einen GM Move. Es ist, Foreshadow Trouble! Dazu weiß ich gleich was:

An dem Abend nach dem dritten Besuch der Archiv-Terminals nimmt in der schäbigen Hotellobby ein aufgeregter Fourth Wall hastig May B. beiseite.
„Hand aufs Herz, Miss Ortega! Hast Du Dich irgendwann innerhalb der letzten zwei Wochen mal verplappert? So richtig verplappert, Stations-Bewohnern gegenüber?“
May spannt sich sofort unwillkürlich an, „Nein, wieso? Ich meine, nicht, dass ich wüsste. Wem gegenüber denn?“
„Egal, wem gegenüber! Hätte irgendjemand sein können, die unauffälligsten Fressen, egal, wo. Könnten alle von dem beauftragt worden sein. Spielt keine Rolle! Du hast keine komischen Gespräche geführt, während Kinraide und ich mal weg waren?“
„Fourth Wall, Du machst mich verdammt noch eins nervös. Vor wem müssen wir uns in Acht nehmen, spuck‘s aus!“
„Ein Colonial Ranger hat heute bei der Docking Bay wo wir liegen nach Dir gefragt.“
„Das kann doch tausend Gründe haben, oder? Die sind doch so 'ne Art Polizeikräfte, richtig?“
„Ich will nur ausschließen, dass es stichhaltige Gründe sind, Chica!“
„Na ja …! Rex und ich stöbern seit Tagen in HIs Archiven rum! Und er hat eine geschmückte Stammesprinzessin bei sich, und einen riesigen Anouk, der hauptsächlich Kauderwelsch redet! Und dann gibt’s Dich und Kinraide, mit konstanter Bierfahne und Schwermetall auf den Ohren! Mit anderen Worten: Wir sind alle nicht sehr unauffällig!“
„Ich hab‘ eine Bierfahne?!“, fragt Fourth Wall verdutzt, und checkt seinen Atem mit der hohlen Hand.
May legt den Kopf schief und funkelt ihn wild an, er soll beim Thema bleiben.
„Vielleicht hat auch HI bei dem Ranger gepetzt, vielleicht überprüfen sie heimlich Eure Dateizugriffe …“, vermutet er.
„Das können die?!“, fragt May B. entgeistert, „aber die sind doch nie mit in unserem Raum!“
Der Spacer muss lachen, trotz der Ernsthaftigkeit der Situation.
„… Seht einfach zu, dass Ihr unauffällig bleibt“, rät er dann, „Rangers sind wie streundende Köter. Wenn man ihnen keinen Grund gibt, immer weiter zu schnüffeln, dann hauen sie bald wieder ab, um woanders das Beinchen zu heben.“

Was ist dieser Gesetzeshüter denn für einer? Wir befragen die Orakelkarten und erhalten erstmal einen Joker. Ein Zufallsereignis wird dadurch ausgelöst! Dieses soll sein, physically Communicate technical History. Das klingt stark danach, als habe HI tatsächlich registriert, wie viel historisches Wissen May und Rex bei ihnen abgerufen haben. Damit hat sich Fourth Walls Vermutung also schon mal bewahrheitet, aber das sagen wir unseren Helden noch nicht. Dann zurück zur Identität des Colonial Rangers, fragen wir die Karten erneut: Er ist ein physical Adherent who wants to physically Escape. Ein Anhänger rationalen Gedankenguts also, der sich körperlich irgendetwas entziehen möchte. Vielleicht bestimmten Teilen seines Dienstes, unten auf dem abergläubischen Planeten. Das bringt ihn dazu, so weit draußen herumzuschnüffeln.


An Bord der Explosivo beraten sich die Charaktere kurz darauf.
„Was für eine Dreckschleuder“, murrt Shadrack, und hebt mit spitzen Fingern eine halbleere Chipstüte von einem der Sitze, um den Platz seiner Holden anzubieten.
„Hat er mein Schiff gerade Dreckschleuder genannt?“, lässt Fourth Wall sich vernehmen.
Hat er nicht gesagt“, staunt Kinraide.
„Schauen Sie nicht so Brutalo-mäßig, Shadrack“, mahnt Fourth Wall, „die Explosivo ist eine Dreckschleuder, aber die verdammt verlässlichste im ganzen Quadranten! Und ich bin hier El Capitan, klar? … Wenn wir einen Colonial Ranger im Nacken haben, dann haben wir möglicherweise demnächst auch die EXFOR im Nacken. Die brauche ich aber beide, als potentielle Auftraggeber.“
„Worauf wollen Sie hinaus, junger Mann?“, fragt Shadrack.
„Kinraide und ich decken der Death Metal Queen hier den Rücken, wenn’s Problemchen gibt, das ist versprochen. Jetzt gibt’s aber Euch andere drei auch noch, das potenziert das Gefahrenpotenzial. Exponentiell, wie Ihr ausseht. Vor allem der lustige Anouk.“
Zamantha sieht Rex an, und fragt gelassen, „Würdest Du ihn fragen, ob er das alles tut, weil er sein Herz verloren hat an Deine hübsche Kampfgefährtin?“
„Quatsch“, versetzt Fourth Wall, „ich bitte Sie, Ma‘am, ich hab‘ unten auf dem Planeten eine Süße! Miss Ortega hier hat mir verreckt nochmal mein Leben gerettet! Unter Spacern gibt’s sowas wie Anstand und Ehre“, und er holt Luft, um rhetorisch so richtig loszulegen, was seine Weltraumehre betrifft.
„Aber worauf willst Du hinaus, Fourth Wall?“, will jetzt May B. wissen.
„Hä? Ja, ach so, es wäre langsam doch mal nützlich, zu wissen, wer Ihr eigentlich seid. Allein deswegen, damit wir den Colonial Ranger von Eurer Fährte abwimmeln können. Sollte die Sackratte demnächst wieder hier vor der Docking Bay stehen und weiterfragen. Das ist ernst. Wir wissen nur, dass Ihr an Bord der Vostros wart! Aber es ist klar, dass Ihr beiden nicht auf der Erde wart, oder auf Banshee gelebt habt!“
„Diese Information wird Euch reichen müssen“, sagt Shadrack vorsichtig, und er wirft entschuldigend Zamantha einen Seitenblick zu, die ihn aufmerksam anblickt.
„Ich finde, wir sollten‘s ihnen sagen, Rex!“, sagt May B. verhalten, „Fourth Wall und Kinraide sind die treuesten Compadres gewesen die ich mir hätte wünschen können! Die verraten uns nicht.“
„Ich verrate Euch auch nicht, Shaddrakk“, stellt Zamantha leise fest.
„In Ordnung“, sagt Rex grimmig, „wir packen aus. Aber nicht jetzt“, und er sieht Zamantha in die Augen, „ich werde erst die rechten Worte dafür finden müssen. Unsere Geschichte ist dergestalt, dass man ihr wahrscheinlich nur Glauben schenken kann, wenn man alle Details kennt.“
„Ja ja, Ihr seid so Verschwörungstheoretiker, haben wir schon gecheckt!“, sagt Fourth Wall, „und zwar von so einer ganz speziellen Truppe, so 'ner Art Stuntman-Truppe, schon klar. Die Lady hier hat einem Skinny die Stirn geboten, und ihn sogar verwundet, und ist dabei nicht von seinem Blitz-Gelöt zerlegt worden! Das können verdammt wenige von sich behaupten. Das ist alles ziemlich stark! Da steckt was ziemlich Großes dahinter, irgendwas echt Ominöses, das ist mal klar! … Mir ist geradezu, als hätte Black Sabbath von Euch gesungen, auf ihrem Dehumanizer-Album von neunzehnhundertfackenneunzig!“
„Hä wieso? Was hat Black Sabbath denn da gesungen?!“, fragt die Hexe verwirrt; sie hat in den letzten zwei Wochen viel Zeit mit den Audio-Dateien der Explosivo verbracht, und ist mittlerweile selber auch Fan.
„Au Backe, jetzt geht’s los“, seufzt Kinraide.
Computer God! Der Track heißt Computer God! Die Lyrics beschreiben, dass die Menschheit eigentlich in künstlichen Schlaf versetzt ist, im übertragenen Sinne, versteht Ihr, und eine Art dämonische Intelligenz sie beherrscht! Als hätte Black Sabbath das neunzehnhundertfackenneunzig irgendwie gespürt, und künstlerisch zum Ausdruck gebracht! Die vierte Wand bröckelt, versteht Ihr, Leute?“, und vor lauter Aufregung macht er sich eine weitere Dose Bier auf.
„Die vierte Wand? Ist das auch wieder so eine Metapher? Ist das etwa darum Dein Funkname?“, fragt die Hexe.
Fourth Wall nickt Bier trinkend, aber Kinraide widerspricht, „Quatsch, Alter, Du heißt doch so, weil Du während Deiner Ausbildung an einem einzigen Tag viermal die Schallmauer durchbrochen hast!“
„Beides stimmt … beides stimmt!“, japst der Spacer. Er steigert sich in seine Aufregung hinein.

Zeit, May B.s Impulsive-Nachteil auszuspielen!

„…Wir kommen aus dem Jahr 1876, Fourth Wall. Die Vostros ist eine Art Geisterschiff, das irgendwie die Grenzen von Raum und Zeit überwindet. Es ist ebenso instabil wie unsere Heimatregion.“
Es gibt dabei ein Klicken, und Rex Shadrack hat plötzlich seinen einen Revolver in der Hand, hat ihn auf die vorlaute Hexe gerichtet, seine Augen haben sich verfinstert, und blitzen geradezu. Nur eine halbe Sekunde später hat May B. ihren Colt gezogen und auf ihn gerichtet.
„Du bist zu weit gegangen“, knurrt Shadrack tonlos.
„Runter mit den Plempen, Ihr seid an Bord eines Raumfahrzeugs!“, ruft Fourth Wall.
„Sie haben ein Recht, es zu erfahren! Das sind unsere Freunde! Sie da ist sogar Deine Liebhaberin! Mach‘ nicht schon wieder auf Oberboss!“, zischt May B., dann aber breitet sich unwillkürlich ein Grinsen auf ihrem Gesicht aus. Beide sehen sich an, Aug’ in Auge, Pistolenlauf gegen Pistolenlauf. Dann stecken sie ganz langsam ihre Waffen wieder weg, genau gleichzeitig.
Sie fügt hinzu, „... Brauchst Dich hier auch gar nicht aufzuspielen, würdest mich eh nicht abknallen, wir beide sind nämlich auch Freunde. Du bist der beste Freund den ich habe in diesem verrückten Sonnensystem!“
Shadrack knurrt unartikuliert, und stapft den Gang herunter, öffnet das Schott, und geht nach draußen. Synthetische Luft schnappen.
„Maiqarooba!“
„Warum sagt er eigentlich immer seinen eigenen Namen?“, fragt Kinraide.
„Das ist nicht sein wirklicher Name“, sagt Zamantha, „und er hat im Übrigen Recht. Ihr solltet nicht streiten.“
May B. mustert sie neugierig, „Und Sie, Miss Muroa, als Rex‘ bessere Hälfte? Glauben Sie mir?“
„1876 …?“
„Ganz recht.“
„1876. Zeitreisen per Geisterschiff. Eine Band namens Black Sabbath. … Ich muss darüber nachdenken.“
„… Soll ich den Song mal abspielen?“, fragt Fourth Wall in die entstehende Stille, „der fetzt total, der geht ab wie Doktor Hellstrommes Hirn in 'nem Tank, in den man Brausepulver schüttet!“

Soundtrack: Black Sabbath, Computer God
https://www.youtube.com/watch?v=T8bvi1gewB8


Eine der kleinen Hafenbars von Portal trägt den beschaulichen Namen ‚Scrap Metal‘, die Theke und die Tische sind nämlich krude aus Raumschiffschrott zusammengeschweißt. Es hat einen gewissen Charme, findet May. Hier hat sie für sich und Rex einen Tisch in der hintersten, dunkelsten Ecke gesucht, ganz so, wie sie es früher immer im Old Moon Saloon gemacht haben.



„Bist Du sicher, dass Du nicht doch einen Whiskey willst?“, fragt sie.
„Nein, ich bin trocken, seit wir weiter raus in den Westen sind. Dabei bleibt’s. Der Alkoholismus wird mich vernichten, wenn ich ihn nicht vernichte.“
„Gesprochen wie ein echter Paranoiker!“
„Dieses sogenannte Sprudelwasser ist großartig! Genau das, was ich daheim immer vermisst habe bei einem schönen Glas Wasser. Was ist das überhaupt für komische Musik in dem Laden hier? Bist Du öfters hier?“
„Der Track ist ja gleich vorbei. Dann spielen die bestimmt wieder Beethovzart oder irgendeine gottverdammte Weicheier-Musik“, sagt May, dann sieht sie ihm in die Augen: „… Wir hätten es ihnen sowieso erzählen müssen, Rex. Diese Leute haben richtig viel aufs Spiel gesetzt für uns. Und je länger wir hier bleiben, desto mehr riskieren sie weiterhin. Und Deine Freundin verdient doch auch, dass Du ihr die Wahrheit sagst!“
„Ja, ich weiß. Hätte mir nur gewünscht, es nicht in einem Moment der Schwäche auszuplaudern. Sondern überlegter. Die Wahrheit ist schwer zu glauben, ich selbst würde es nicht glauben, wenn ich nicht bis zum Halse drin stecken würde.“
„Was hast Du Deiner Zamantha denn bisher erzählt?“
„Habe einfach improvisiert. Habe alles auf Gedächtnisverlust geschoben, aufgrund des langen Kälteschlafs an Bord der Vostros.“
May B. grinst und knufft ihn in die Seite: „Hey, wow, das ist echt gut! Simpel und irgendwo in der Nähe der Wahrheit! Wünschte, das wäre mir eingefallen! Ich hab‘ immer nur rumgedruckst und geschwiegen.“
Rex grinst auch, „Wir hätten uns absprechen sollen! Aber — ach ja — es gab ja keine Gelegenheit seit unserer Flucht von dem verdammten Geisterschiff.“
„Jetzt mal ehrlich, Mister Shadrack. Was ist mit dieser Zamantha Muroa?“
„Was soll mit ihr sein? Das Schicksal ihres Dorfs steht hier auf dem Spiel, und sie ist sehr firm in ihrer Rolle der Beschützerin.“
„Sie guckt Dich an, als wäre sie Deine Weisungsbefugte! Stehste da drauf? Ist die jetzt wirklich Deine Zuckerpuppe, oder was?“
Shadrack schaut plötzlich ungewohnt defensiv drein, „Glaubst Du, ich bin hier … etwas zu weit gegangen?“
„Wieso? Etwa, weil sie dunkel ist und Du weiß?! Komm‘ schon. Sieh‘ mich an, meine Eltern hat das auch nicht gestört.“
„Nein, nicht das. Das scheint heutzutage überhaupt keine Bedeutung mehr zu haben. Gottlob. … Unser Abraham Lincoln hatte damals wohl gewissermaßen doch den richtigen Riecher, was?“
„Hast Du … unser Gespräch gerade genutzt, um Deine bedepperte Yankee-Propaganda mit unterzubringen?!“
Shadrack hebt die Schultern und lächelt süffisant. Die Nordstaaten haben es eben besser gewusst, steht deutlich in seinem Blick, und das kann man ihm nicht nehmen. Plötzlich wirkt er irgendwie entspannter.
„… Das meine ich gar nicht“, lenkt er ein, „ich meine, was unseren Altersunterschied betrifft.“
May zieht amüsiert eine Schnute, und entgegnet, „Wie alt ist Zamantha, etwas älter als ich, so Mitte zwanzig? Ja, das ist schon ein bisschen. Ich kannte aber in Arkansas Ehepaare, die viel weiter auseinander waren.“
„Zweihundert Jahre auseinander, May B., zweihundert. Das macht mir niemand in Arkansas so schnell nach. Von der Generation, der Zamantha Muroa angehört, wurde noch nicht geträumt, als wir auf der Erde gelebt haben. Große Güte, der Planet, auf dem sie gezeugt wurde, war noch nicht von Menschen entdeckt. Macht mich das …“
„… Irgendwie pervers? Ja, Du bist pervers, Shadrack, aber das ist doch nicht neu! Du ritzt Wikinger-Runen in Deine Pistolenkugeln, und feuerst sie mit Hilfe von unsichtbaren Dämonen auf Deine Gegner ab, immer mit dem Ziel, die gottverdammte Weltverschwörung aufzuhalten!“
„Vielleicht könnte meine Verbindung mit ihr das Gefüge von Zeit und Raum verändern …“
„Gefüge von Zeit und Raum, oho! Ich würde sagen: Wenn das das Gefühl ist, das Du hast, wenn Ihr knutscht, dann würde ich sagen, Du hast alles richtig gemacht! Lass‘ sie ja nicht laufen!“
„Du würdest also sagen, alles ist sowieso egal?“
„Ich würde sagen, wir fahren allesamt zur Hölle in einem Holzeimer, und wir können genauso gut die Fahrt in vollen Zügen genießen!“, sagt sie großspurig, und ext ihren Drink.
Shadrack sieht sie an und lächelt hintersinnig.
„Ich glaube, Du bist schon betrunken, May B.“, bemerkt er dann.
„Nach nur einem Whiskey! Ich bin voll aus der Übung, seit wir in Faraway sind! Aber Dir einen vorzusaufen ist lustig, vielleicht besonders deswegen, weil Du nicht mitsaufen willst.“
„Zum Wohlsein.“
„Die Frage ist nur“, fährt May B. fort, „wird Miss Muroa nicht einsam sein, wenn Du sie mit zurück nach Hause nehmen solltest? Sie wirkt, als sei sie mit Maiqarooba mehr vertraut als mit den meisten Spacer-Fuzzis hier oben!“
„Was meinst Du damit, zurück nach Hause nehmen? Wir kommen nicht durch den Tunnel zur Erde!“
„Ich meine 1876. Wir haben tagelang diese Scheiß-Datenbank durchforstet. Wir haben zwar nur oberflächliche Informationen, aber davon immerhin eine ganze Menge. Wir wissen jetzt, dass wahrscheinlich“, und sie gestikuliert vage in den Schankraum, „… all das hier passiert, wenn die Geschichte abläuft wie bisher. Aber wenn wir das, was wir jetzt wissen, zurück nach 1876 bringen?“
„Du sprichst davon, nachträglich Einfluss auf den Verlauf der Ereignisse zu nehmen? Das klingt ungeheuer gefährlich … beim kleinsten Fehler könnte etwas Unvorhergesehenes …“
„Das klingt wie eine unglaubliche Chance, Rex. Ich habe geschworen, die Kräfte der Reckoners gegen sie einzusetzen. Wir müssen zurückkehren, und es weiter versuchen. Und zwar zurück nach Gomorra, dem Sammelpunkt von allem, um das zu verhindern, was 1879 geschehen könnte.“
„Interessant. Ich habe auch schon mit diesem Gedanken gespielt. Nur, wie soll das gehen?“
„Was weiß ich, Du Strahlemann! Aber im Sommer hast Du gesagt, Du vermutest einen Rückgang der okkulten Phänomene. Als wir durch Utah geritten sind, weißt Du noch?“
„Ja, nach allen esoterischen Forschungsergebnissen die ich kenne, wäre das naheliegend. Das Übernatürliche ereignet sich oftmals zyklisch.“
„Ja, weißt Du was? Falsch geraten, Keule. Zyklisch, mein Arsch. Zweihundert Jahre später gibt’s immer noch Ghost Rock, Walkin‘ Dead, und immer neue Magieformen. Selbst hier, in einem anderen Planetensystem! Keine Rückkehr zur guten, alten Zeit! Wir müssen einschreiten, Rex“, sagt sie, mit einer fast beängstigenden Intensität, und schenkt sich einen Neuen ein, „nur, daher meine Ausgangsfrage, was machen wir dann mit Deiner Zamantha?“
Shadrack versucht sich vorzustellen, wie er Zamantha seiner einstmals zurückgelassenen Familie in Neuengland vorstellt. Vor seinem inneren Auge trägt sie dabei ein gelbes Rüschenkleid, und absurderweise trotzdem noch ihre Anouk-Schmuckketten aus Weltraumschrott.
„Ich kenne ein paar wenige unserer Zeitgenossen, die durchaus glückliche Mischehen führen! ... Aber Zamantha wäre nicht glücklich in dieser Zeit. Sie findet mich als Person ja schon rückständig. Sie hätte nichts verloren im Amerika der 1800er, in einem Krieg, der zu allem Überfluss ursprünglich um die Sklaverei entbrannt ist! Ich muss mich schämen, weiße Plantagenbesitzer überhaupt meine Zeitgenossen zu nennen.“
„Du bleibst jetzt aber nicht einfach Deinerseits hier zurück, in der Zukunft, nur weil sie das Schönste ist, was unter Banshees Sonne herumläuft!“
„Oh lala! Das klingt beinahe eifersüchtig!“
„Du hast ja keine Ahnung, Mann! Wie auch immer, wir brauchen Dich in Gomorra. Wir müssen das alles abwenden, alles, was geschehen wird. Geschehen ist. Irgendwie.“
„Wie auch immer, May B., wird Zamantha Muroa nächstes Jahr einen Digger-Häuptling heiraten, um ihr Einflussgebiet zu vergrößern! Ich bin nur ein kurioser Seitensprung für sie. Wenn es einen theoretischen Rückweg geben sollte, zurück in unsere eigene Zeit, nach Gomorra, dann würde ich ganz gewiss mitkommen.“
Sie nickt zufrieden, und nippt an ihrem Getränk, „Hm! Dann müssen wir diesen Rückweg also nur noch finden!“
« Letzte Änderung: 14.07.2024 | 21:19 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #227 am: 17.06.2024 | 16:51 »
Könnte ein bisschen tricky werden! Nicht ganz so tricky ist es glücklicherweise, Zamantha bei der Decodierung von Maiqaroobas Lied zu helfen. Die Prinzessin ist immer noch dabei, an Bord der Station das richtige KI-System ausfindig zu machen. Es handelt sich um ein Geo-Informations-System aus der Zeit der Erstbesiedlung Banshees vor fast fünfzig Jahren. HI hat wie erwartet Geräte von dem veralteten Modell noch — nur wo genau auf Tunnel Station die vor sich hin stauben, ist nicht so leicht herauszubekommen.



In den Tiefen von Tunnel Station gibt es zahllose verstaubte Archive und Lagerhallen



Die Umstände jedoch, unter welchen ursprünglich das geheimnisvolle Lied zu dem Anouk kam, können jetzt bereits geklärt werden, einfach durch May B.s Hexenkünste. Am folgenden Morgen setzt sie sich mit ihm in den Frachtraum der Explosivo, und beginnt ihm in die Ohrlöcher zu wispern, um Speak Language zu aktivieren. Das gelingt auf Anhieb:
„Wo kommst Du her, Maiqarooba?“, flüstert May B. leise.
Der Anouk zieht seine wulstigen, violetten Augenbrauen hoch, und blinzelt sie verwundert an. Er entgegnet etwas auf seiner Sprache, was für May B. verständlich ist als, „Nanu, was kommt als nächstes, können jetzt auch Barkas fliegen …? Wie kann das sein, dass ich Dich verstehe?!“ Seine Stimme klingt tief und durchdringend wie die der meisten Anouks, und ein bisschen, als würde er mit einer heißen Kartoffel im Mund reden.
Die Hexe kichert, und wispert, „Ich habe ein paar unsichtbare Freunde, die sprechen alle Sprachen der Erde, und offensichtlich auch die Sprachen die‘s auf Banshee gibt! Kannst Dich mir anvertrauen, keine Angst, Maiqarooba.“
Er zögert nachdenklich, dann sagt er beschwingt, „Aber ja, gute Zusammenarbeit! Wo ich herkomme? Das Stammesdorf meiner Eltern lag im Fertile Crescent, in der Nähe von dem Ort, den die Erdlinge gebaut haben, den sie Temptation nennen. Ich bin eigentlich Maiqo Zodorooq-Asook, vom Clan der Asooja. Wir sind einer der stolzen Clans der Asai. Und Du bist May-Bee, vom selben Clan, von dem auch der ist, den wir Shaddrakk nennen! … Wir sind Verbündete!“
„Ja, genau! Kriegst ja doch einiges mit, obwohl Du unsere Sprache nicht verstehst! Muss ziemlich nervtötend sein für Dich, das alles hier.“
„Hmmm. Nein, wieso? Ich wollte schon immer einmal hinauf zu Banshees Sternen, dahin, wo Ihr Erdlinge herkommt! Es mit eigenen Augen sehen! … Was für ein vortreffliches Abenteuer!“
„Dein Wort drauf, Pardner! … Kannst Du mir erzählen, woher Du das Lied kennst, das Du Shadrack und Zamantha vorgesungen hast?“

Ja, das wollen wir gerne wissen, kleine Hexe. Habe ich mir noch nichts zu ausgedacht! Also die Orakelkarten rausgeholt: Die Karten sagen, physically Take New Knowledge. Klingt, als wären die Koordinaten jemandem möglicherweise gewaltsam abgenommen worden! Also fragen wir die Orakel weiter, wem denn? Das Ergebnis ist, die Informationen sind einem mystisch interessierten Commoner abgenommen worden, von Local Inhabitants. Dementsprechend:

„Als ich vorletztes Jahr bei meinem Handelsposten war am Rand des Fertile Crescent, kam eines Tages ein Erdling zu uns, May-Bee“, berichtet Maiqarooba gelassen, „es war einer von den Schürfern, aus einer der früheren Boomtowns. Er war halb verdurstet! Der einzige Überlebende einer Expedition hinaus in die Great Wastes.“
„Wonach hatte diese Expedition denn gesucht?“
„Dasselbe, wonach die meisten Kolonisten trachten, Ghost-Rock-Vorkommen natürlich!“
„Und wenn Dein Lied eigentlich Koordinaten beschreibt, dann … führen diese Koordinaten natürlich zu einem solchen Vorkommen.“
„Der Erdling war überzeugt davon. Nur seine alte Maschine konnte dieses Lied erdichten. So eine hatte er, und er hat sie es uns vorsingen lassen. Derjenige unter uns Anouks mit dem besten Gedächtnis sollte zuhören, um es sich zu merken! Das war ich. Mein Gedächtnis ist sehr, sehr gut. Der Erdling sagte, das Lied der alten Maschine sei das Wertvollste, was er anzubieten habe. Ich solle es ja gut bewahren! Und das habe ich.“
„Aber Momentchen, Maiqarooba, hast Du nicht gesagt, Du warst damals bei einem Handelsposten …? Wofür hat der Kerl denn seine ach-so-wertvollen Koordinaten eingetauscht?“

Die Orakelkarten sagen daraufhin, physical Community.

„… Dafür, dass wir ihn zurück nach Temptation bringen. Wir Anouks sind zäh und stark. Wir hatten an dem Handelsposten außerdem mehrere Barka-Fuhrwerke. Der Schürfer war fast verdurstet, und am Ende seiner Kräfte. Er wollte bloss zurück in die Erdlings-Stadt, um seine Familie wiederzusehen. Sonst nichts mehr.“
Das solltet Ihr dem glauben?! Der hatte doch alles aufs Spiel gesetzt für diese Expedition in die Great Wastes! Wenn das wirklich eine nennenswert große Ghost-Rock-Ader ist, wäre er verdammt noch eins ein gemachter Mann gewesen!“
Maiqarooba schüttelt mitfühlend den Kopf, „Der Schürfer hat gesagt, er wolle den Reichtum nicht mehr. Die Suche hatte alle seiner Kameraden das Leben gekostet. Er hat gesagt, er habe seitdem verstanden: Die Gier nach mehr Reichtümern habe alle Kolonisten ins Verderben geführt, hier in Faraway. Er wollte nur noch zu seiner Familie zurückkehren — und die Great Wastes vergessen.“
„Tragisch …“, sagt May B. nachdenklich.
„Anderen kann es aber zugute kommen, was ihm so viel Pech gebracht hat. Ich habe im Dorf der Thra’Door den Orrax-Kriegern davon erzählt! Das Dorf braucht die Reichtümer der Erdlinge, wenigstens deswegen, weil es versteckt bleiben muss! Leider gab es aber auch dort nur Streit deswegen …“
Maiqarooba senkt den Kopf, seine fremdartige Mimik sieht für die Hexe aus, als sei er bekümmert. Der Anouk scheint nicht beabsichtigt zu haben, dass es in Zamanthas Dorf so viel Unfrieden gab um seine Person.
„Und was willst Du für Dich selbst, Maiqarooba? Zurück zu diesen … Tandoori-Anouks?“
„Thra‘Door-Anouks!“
„Upps, ja sicher, 'tschuldigung ...“
„Ich war im Dorf der Thra’Door nur für eine Weile untergekommen. Ich bin ein reisender Händler. Früher oder später wäre ich weitergezogen.“
„Ehrlich gesagt, mein lila Amigo, könntest Du richtig viel Geld machen mit Deinem Geheimnis. Ich meine … so gerne ich Rex und seine Zamantha habe … die sind beide ziemlich hochnäsig … die würden die ganzen Credit Dollars, die dieser Claim abwirft, wahrscheinlich dem Dorf der Thra’Door einverleiben. Keine Ahnung, ob sie Dir nennenswert was abgeben wollen davon … müsste man mal verhandeln ...!“
Maiqarooba sieht mit einem nachdenklichen Mona-Lisa-Schmunzeln ins Nichts.
„… Haste mir zugehört, Pardner?“, wispert May schließlich, unsicher, ob ihr Hexenspruch vielleicht bereits seine Wirkung verloren hat.
„Ich bin nicht hinter dem her, was Ihr Erdlinge ‚das große Geld‘ nennt, May-Bee!“, sagt der Anouk schließlich, ganz zufrieden, „ich muss in die Gesellschaft kommen von Verbündeten, die verstehen können, was die vielgestaltigen Steine sagen! Verbündete, die verstehen können, was Sturm und Gestein für uns bereit halten!“

Genau, denn als Maiqarooba noch gar nicht selbst im Spiel war, hatten wir ja als sein Charakter-Ziel ermittelt, physically Obtain mystical Allies! (Und zwar hier: https://www.tanelorn.net/index.php/topic,122886.msg135220381.html#msg135220381)


Gelingt es derweil Zamantha Muroa, das gesuchte KI-Gerät zu finden? Die Orakelwürfel bestätigen das knapp. Also muss man nur noch Maiqarooba dorthin bringen, und sein memoriertes Lied vorsingen lassen, dann hat Zamantha den Schlüssel, um ihr Dorf reich zu machen! Einen GM Move gibt’s zwischendurch auch: Advance a Plot! Oh, wie nice! Da fällt mir gleich ein Plot ein:



Kinraide ist normalerweise eher der relaxte Typ


„… Ihr beiden interessiert Euch doch für die Vostros, richtig?“, fragt Kinraide an Bord der Explosivo während der Hektik, die soeben entstanden ist. Zamantha hat vorhin das richtige Quartier an Bord der Raumstation gefunden, und will nun eilig den Anouk abholen; Shadrack ist besorgt, dass HI‘s Schergen erneut herumspionieren könnten, um die Koordinaten zu stehlen und ihnen zuvor zu kommen beim rechtskräftigen Erwerb des Claims; May B. und Fourth Wall wiederum sind besorgt wegen dem Herumschnüffeln des Colonial Ranger neulich.
„Was hat denn das jetzt damit zu tun?“, fragt Shadrack den dicken Funker misstrauisch, „was ist mit der Vostros?“
Kinraide zuckt unsicher mit den Schultern, und sagt, „Ein Kumpel von mir hat mir gerade gesteckt, dass sie wieder auf‘m Radar aufgetaucht ist. Diesmal in Reichweite von Deadrock. Das ist ein Ort im Belt, gar nicht allzu weit von hier ...“


Während Rex und May B. also in einer der tiefer gelegenen Gerätehallen von HI darauf warten, dass Maiqaroobas Lied von der KI ausgewertet wird, wechseln sie einen angespannten Blick.
„Denkst Du die ganze Zeit über auch, was ich denke?“, fragt sie.
„Solcherlei ‚Denkst-Du-Was-Ich-Denke-Fragen‘ enervieren mich einigermaßen“, knurrt der Hexslinger, „das ganze Jahr über folgte daheim auf der Erde daraufhin immer irgendein hundsdämliches Witzchen von Mister Byrd!“
May B. grinst, und sagt, „Was die Vostros betrifft, meine ich!“
„… Du stellst Dir vielleicht vor, sie ist weiterhin instabil, und neuerliche Portale könnten sich an Bord auftun!“, raunt er.
Die Hexe nickt aufgeregt, „Ja, ganz genau! Wenn wir an Bord zurückkehren mit jeder Menge Feuerkraft, um die Void Spiders und Walkin’ Dead und das ganze Kroppzeug auszuräuchern, dann könnten wir diesmal das Scheiß-Wrack eingehender erforschen! … Stell’ Dir das nur vor! Vielleicht haben sich neue Übergänge in unsere eigene Gegenwart geöffnet …!“
„Das ist furchtbar riskant …“, beginnt Rex.
„Das sagt Du immer, Du olle Unke!“
„Das Raum-Zeit-Kontinuum ist nicht eben so etwas wie die Eisenbahn von Chicago nach Wichita! Vielleicht haben sich an Bord neuerliche Portale aufgetan, May B. — aber die führen diesmal vielleicht geradewegs in die Deadlands! Oder in eine noch andere Zeit, viele Jahrtausende entfernt, eine Epoche wie Hyperborea, die für unseren begrenzten Menschenverstand gar nicht mehr begreiflich ist! Oder auf einen Planeten, der überhaupt keine Atemluft hat, und keine Gravitation!“
„Ja, ja, mach’ mal halblang. Hast ja Recht. Wir brauchen jemanden, der für uns orakeln kann. Einen Weissager, wie Joseph Eyes-Like-Rain unserer Zeit einer war! Oder diese Carlotta Rovaro in Denver.“
„Interessante Idee. Aber wen?“
„… Kannst nicht Du Deine Karten befragen?“
Shadrack zögert, und sagt dann, „Das könnte ich durchaus versuchen. Aber ich bin ein Laie; solch einen Orakelspruch den Manitous abzutrotzen ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Glücksspiel. Willst Du unser Schicksal in die Hände eines Glücksspiels legen, May B.?“
„Hah! Wäre doch nichts Neues, Pardner!“


Fourth Wall und Kinraide sind gerne bereit, die anderen Wild Cards wieder weg von Tunnel Station zu bringen. Zamantha hat an diesem Abend bereits alle Schritte unternommen, um bei den Behörden für die ermittelten Koordinaten einen Claim abzustecken. Die Besitzrechte können daraufhin über mehrere Ecken den Thra’Door-Anouks zugespielt werden, und danach auch die Gewinne, welche der Claim erwirtschaften wird. Nun will Zamantha natürlich schnellstmöglich zur Planetenoberfläche zurückkehren, um Häuptling Yoxoon und den anderen davon zu berichten, und alles weitere in die Wege zu leiten. May B., Rex, und Fourth Wall lässt der Gedanke jedoch nicht los, was es mit der neuerlichen Sichtung der Vostros auf sich haben könnte.
„… Und Deadrock liegt so ziemlich auf unserem Weg nach Banshee“, sinniert Fourth Wall, „so wie die Konstellationen gerade stehen. Ist dementsprechend kein großer Umweg, und Kinraide und ich können dort obendrein ein paar der Waren zu Credits machen, die wir neulich hier an Bord genommen haben.“
„Was ist das für ein Ort?“, knurrt Shadrack angespannt, seine Pfeife zwischen den Zähnen.
„Och, einer von zahllosen ausgehöhlten Asteroiden im Belt“, sagt Fourth Wall, „ist längst ausgebeutet was Ghost Rock und andere Bodenschätze betrifft. Aber die Spacer dort haben ihre Einrichtungen trotzdem nicht aufgegeben; ist heutzutage ein großer Truck Stop, quasi für Leute wie uns. Natürlich weniger schick als Tunnel Station! Noch ein Stück raubeiniger!“


Das verlangt wohl nach einem GM Move: Ein Zufallsereignis! Es ist, socially Harm a technical Current Need. Die Erfüllung eines derzeitigen Bedürfnisses wird gesellschaftlich verhindert. Na ja, unsere Wild Cards wollen alle schleunigst Richtung Banshee abfliegen. Sieht so aus, als habe die Gemeinschaft von Tunnel Station was anderes für sie im Sinn! In wessen Gestalt wird dies denn offenbar? Die Orakelkarten sagen: Social Mystics who want to physically Harm a mystical Plot Arc. Mit anderen Worten, Mystiker oder Verschwörer sind der Crew der Explosivo auf die Schliche gekommen, die nun die Allgemeinheit anstacheln, unsere Helden nicht weg zu lassen. Und da es diesen Mystikern laut den Karten um einen ‚mystical Plot Arc’ gehen soll, heißt das, dass sie ahnen, dass May und Rex Zeitreisende sind …!

Während die Crew der Explosivo also ihre Startvorbereitungen trifft und den Kurs zum Asteroidengürtel programmiert, bildet sich ein Grüppchen aus Spacern an ihrer Docking Bay. Gleichzeitig beginnen Kinraides Funkkanäle heiß zu laufen. Alle möglichen Raumpiloten fordern, dass die Explosivo-Crew Stellung bezieht zu einem Gerücht, das sich gerade auf Tunnel Station über sie verbreitet.



„… Die Stinkstiefel drohen sogar damit, zur Stationsleitung zu dackeln deswegen!“, sagt Kinraide ratlos, über seine Anzeigen gebeugt.
„Hat der vermaledeite Law Dog was damit zu tun? Hat der die aufgehetzt?“, fragt May B. aufgebracht.
Der Funker winkt ab, „Nee, glaube ich nicht. Der Pöbel hier will wissen, was Du und Rex für welche seid. Von wegen, ob Ihr Schmuggler oder Reaper-Outlaws wart unten auf Banshee. Der Colonial Ranger, nee, der steckt da nicht hinter, der könnte ja einfach erneut aufmarschieren und direkt Antworten verlangen! Das hier ist die Handschrift von wem anderen. Einer, der mit Tricks und Volksverhetzung arbeitet. Hier heißt es ... das Phantom vom Chacona Mountain hat auch seine Finger mit im Spiel hier ... und ein halbes Dutzend anderer zwielichtiger Fressen ...“
„Seht Ihr, Leute“, knurrt Fourth Wall mit einem Blick auf die Menge, die sein Schiff umlagert, „das kommt davon, wenn man sich mit dem okkulten Untergrund einlässt. Jetzt ist der okkulte Untergrund bei unserer Docking Bay aufmarschiert um Euch in den Arsch zu beißen. Manisches Gesocks.“
„Wieso okkulter Untergrund?“, fragt Rex alarmiert.
Fourth Wall weist auf die vielen Glücksbringer und Talismane an den Raumanzügen einiger der Belagerer, einer in dem Grüppchen macht auch gerade esoterische Schutzzeichen über sich in der Luft.
„Woran glauben die denn?“, will die Hexe neugierig wissen.
Fourth Wall zuckt die Schultern und reißt sich eine Bierdose auf, „Tja, Faraway ist ein großer Schmelztigel aller Weltreligionen! Und es sind seit 13 Jahren äußerst dunkle Zeiten hier, abergläubische Zeiten! Habe ich doch auf dem Hinflug hierher schon gesagt, Death Metal Queen. Du und Mister Shadrack seid nicht die einzigen, die an das sogenannte Reckoning glauben.“
Kinraide sagt, „Je länger wir jetzt mit dem Abflug warten, desto eher kann es sein, dass das ganze Aufsehen auch HI‘s Interesse weckt, und das vom Colonial Ranger. Fourth Wall, sieh‘ doch bitte mal zu, dass Du die abgewimmelt kriegst, und zwar pronto!“
Fourth Wall nickt entschlossen: „Fuck yeah. Miss Muroa, begleiten Sie mich bitte mit raus. Ihnen fressen die womöglich aus der Hand, Sie sind gut mit Worten!“
Rex Shadrack tritt dazu, und grollt, „Dann komme ich auch mit. Ich bin gut mit Androhungen von Konsequenzen.“

Wir machen hier ein Quick Encounter, um die aufmarschierten Verschwörungstheoretiker zu beschwichtigen und zu zerstreuen. Wenn das klappt, wird die Explosivo starten können, wenn nicht, werden offizielle, unliebsame Instanzen eingeschaltet werden.
Fourth Wall wirkt auf seine Spacer-Kollegen ein, und erzielt einen dicken Erfolg. Zamantha Muroa übernimmt schließlich das Reden, und erreicht dank ihrem Very-Attractive-Bonus ein Raise. May B. derweil hält sich im Hintergrund und verstärkt mit ihren Hexenkünsten das Auftreten der Stammesprinzessin, und kommt mit Spellcasting auf ein Raise, und verleiht ihr eine besondere, hochherrschaftliche Aura der Glaubwürdigkeit! Shadrack steht neben ihr wie ihr fieser Wachhund, und begnügt sich damit, widerspenstigen Spacern berechnende Blicke zuzuwerfen, und würfelt einen hohen Intimidation-Erfolg. Das Quick Encounter hat mit Bravour geklappt, nun hält fast niemand mehr die Explosivo-Crew für Reaper, Verschwörer, oder Okkultisten, egal wie schillernd und geheimniskrämerisch sie in den vergangenen Wochen hier erschienen sind. (Maiqarooba kann sich aus dem Quick Encounter raus halten, derartige Interaktionen sind auch nicht eben seine Stärke.)

Damit gehen alle Wild Cards an Bord des Schiffes, und die Antriebe werden hochgefahren. Ob diese neueste Verwicklung noch Folgen haben wird, draußen im Dunkel, oder an dem Truck Stop namens Deadrock, das werden die Orakelwürfel zu entscheiden haben … aber Folgen wird es sehr wahrscheinlich geben. Vorerst schwebt die Explosivo ungehindert aus dem Hangar der Station, und jagt dann hinaus ins weite All ...


Advances
Alle Wild Cards haben zwischenzeitlich genügend EXP zusammen bekommen für einen Advance.
Shadrack: Smarts ➜ W10
May B.: Agility ➜ W12
Zamantha: Agility ➜ W8
Fourth Wall: Electronics ➜ W6 & Shooting ➜ W8
Maiqarooba: Vigor ➜ W12
« Letzte Änderung: 15.07.2024 | 00:53 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #228 am: 23.06.2024 | 23:54 »
Soundtrack: Deep Purple, Space Truckin'
https://www.youtube.com/watch?v=hHOrpFeXUao

Reisezeiten im Weltall variieren je nach derzeitiger Konstellation. Fourth Wall macht wie immer seine Astrogation, um den Kurs zu berechnen, und laut Tabelle (Lost Colony-Regelbuch, S. 67) dauert der Raumflug von Tunnel Station in den Asteroidengürtel 1+W10 Tage. Da kommen wir auf fünf Tage, größtenteils ereignislos. Genug Zeit für Rex Shadrack, allen anderen an Bord gründlich das Pokern und das Faro-Spiel beizubringen. Da sie wie üblich mit aktiviertem Gravity Drive fliegen, gibt es unterwegs immerhin halbe Schwerkraft an Bord, das reicht gerade so, um die Karten auf dem Tisch zu halten. Über die unglaubliche Behauptung von May B. über die Herkunft der beiden Zeitreisenden betrifft, werden während dieser Zeit nur wenige Worte verloren. Die anderen scheinen jetzt erstmal ein Weilchen zu brauchen, um das alles sacken zu lassen.

Laut Encountertabelle passiert ansonsten nichts auf diesem Flug — bis zum Ankunftstag, für den ziehe ich einen Joker! Das gibt gleich zwei Encounter auf einmal, kurz vor Deadrock. Die beiden Resultate sind Freighter und Homestead.

Die Frachtschiffe, welche die Explosivo am fünften Reisetag überholt, wollen auch Zwischenstop auf Deadrock machen und dann weiter nach Banshee. Kinraide tauscht gutgelaunt über Funk eine Weile mit denen sein Spacer-Latein aus.

Haben die Fuzzis auf den Frachtern wohl auch von der Vostros gehört? Immerhin nähern wir uns den Koordinaten, wo sie geortet worden sein soll! Die Orakelwürfel bejahen das:

„… Seht mir bloß zu, dass Ihr nicht auf den Kurs geratet, dem die Vostros folgt!“, warnt der Funker auf dem Frachtschiff Kinraide.
„Wieso?“, fragt dieser munter zurück, „die ist doch harmlos! Seit sie wieder im Faraway-System ist, soll sie keine Kampfhandlungen versucht haben. Vielleicht funktionieren die Waffensysteme nicht mal mehr!“
„Aber habt Ihr Knaller nicht die Vids gesehen? Da an Bord geht der Zombie-Virus um! Alles schwer verseucht! Nichts, was an Bord der Vostros abnibbelt, bleibt tot! Es gibt mehrere Vids davon, wie‘s da an Bord aussieht, alter Schwede! Ich für meinen Teil würde nicht mal deren Flugbahn kreuzen, nicht, dass sich noch ein Wrackteil löst von dem klapperigen Kasten, und mit unserem Frachtschiff kollidiert, da ist überall die Ätze von dem Zombie-Virus dran!“
„Was soll das denn sein, ein Zombie-Virus?“, fragt May B. verdutzt aus dem Hintergrund, die Stiefel auf den Armaturen.
Kinraide schließt den Funkkanal und dreht sich zu ihr um: „Na, irgendwo müssen die Gerüchte von der Zombie-Invasion doch herkommen! So 'ne Gerüchte gibt’s hier im Dunkel genauso wie on-planet auf Banshee. Ich hab‘ eins der Vids von Bord der Vostros gesehen, total verstörend, wandelnde Leichname! Das deckt sich mit Euren Berichten! … Viele Leute glauben, das hängt mit Verunreinigungen von irgendwelchen Lebenserhaltungssystemen zusammen. Oder irgendwas, das aus HIs Geheimlabors entkommen ist! So wie in den alten Vids von Terra, klar? Sie beißen einen, und schon ist man infiziert, und wird selbst ein Zombie, bu-hu, hungrig nach Gehirnen!“
Die Hexe winkt ab, „Ach Bullshit, Untod ist nicht ansteckend. Rex hier ist bei Syracuse mal volle Möhre von einem Walkin‘ Dead gebissen worden, und dem ist überhaupt nix passiert. Außer, dass es sofort genäht werden musste! Mit zehn Stichen oder so! Die Walkin‘ Dead sind ein Phänomen von Besessenheit durch Manitous.“
„Stark“, kommentiert Fourth Wall vom Pilotensitz aus, und dreht sogar Deep Purple ein bisschen leiser dafür, „woher willst‘n das wissen? War das damals im Alten Westen Stand der Zombie-Forschung oder was?!“
„Nee, Quatsch“, ereifert sich May B., „aber ernstzunehmende Okkultisten wussten das schon, und vielleicht treue Leser des Tombstone Epitaph. Das ist nicht wie bei Werwölfen oder Nosferatu. Lykantrophie und Vampirismus, die werden über den Biss übertragen. Das, was Ihr ‚Zombies‘ nennt, kommt von dämonischer Besessenheit.“
Shadrack ist ins Cockpit gekommen, und mischt sich ein: „Überhaupt wunderlich, dass Ihr hier heutzutage den Begriff Zombie verwendet. Unserer Zeit hießen diese Erscheinungen Walkin’ Dead. Zombie sagten nur die Voodoo-Hexer bei der Bayou-Vermillion-Eisenbahn. Der Begriff muss sich nach unserer Zeit irgendwann in die Umgangssprache verirrt haben! … Schön übrigens, dass wir hier schon wieder so offen über Arkanwissen plaudern!“, und er sieht rügend auf May B. hinab.
Die winkt ab, „Komm‘ schon, Rex, die beiden hier leben in einer Zeit die von okkulten Mächten völlig unterwandert ist, und wissen nicht mal einen Scheiß! Die wissen nicht mal, was ein Walkin‘ Dead ist und vermutlich auch nicht, wie man ihn wieder abgemurkst kriegt!“
„Nur, dass das bei uns draußen im Weird West halbwegs verbreitet war, heißt ja nicht, dass wir jetzt hier Gerüchte säen müssen!“, knurrt er.
Fourth Wall versucht auch mal was zu sagen, aber kriegt keine Gelegenheit, die Hexe fährt fort: „Wir sollten denen helfen. Die wissen hier gar nicht, was sie vor 13 Jahren getroffen hat. Dass das ursprünglich mit den Reckoners zusammenhängt. Und wir? … Wenn alles klappen sollte wie erhofft, dann sind wir in wenigen Tagen wieder weg, und dann lassen wir die Menschen und Anouks hier zurück! … Die armen Schweine fangen fast wieder bei null an, Rex, mit Nachforschungen, die wir unserer Zeit bereits gemacht hatten!“

Shadrack will weiterhin Paroli bieten, aber in dem Moment gibt Fourth Wall gerade das Signal, dass er vom Gravity Drive auf reguläre Geschwindigkeit herunter schalten muss; sie erreichen nun den Belt, da ist das wahnwitzige Tempo des Gravity Drive zu gefährlich. Alle sollen sich anschnallen und losen Krempel vertäuen. Was nicht festgemacht ist, beginnt zu schweben, Shadracks Pfeife und Tabakbeutel im Küchenbereich zum Beispiel, denn in dieser Fluggeschwindigkeit gibt’s keine künstliche Schwerkraft. May B. beginnt sich langsam an das Prozedere zu gewöhnen; Rex, Zamantha, und Maiqarooba sehen allerdings aus, als sei ihnen etwas blümerant.

Dabei passiert die Explosivo einen kleineren Asteroiden, in dessen Kruste eine winzige Station eingebaut wurde, im Grunde nicht mehr als ein abgelegenes Farmhaus (das ‚Homestead‘, das die Encountertabelle angegeben hat). Die Fensteröffnungen leuchten heimelig in der Dunkelheit.

Wir würfeln auf der Reaktionstabelle aus dem SWADE-Grundbuch: Die Asteroiden-Einsiedler sind der Explosivo gegenüber Neutral eingestellt. (Die werden also nicht von sich aus funken, oder gar das Feuer eröffnen.)

„Wie viele von solchen besiedelten Felsbrocken gibt’s hier im Belt eigentlich?“, fragt May B. verwundert im Vorüberfliegen.
„Hunderte“, ruft Fourth Wall gutgelaunt über den Heavy Metal hinweg, „viele sind aktive Minen, andere sind ausgebeutete Minen, die nur noch als Wohnraum herhalten. Wie ja auch Deadrock! Ein hübsches Leben eigentlich, wenn man ordentliche Lebenserhaltungssysteme am Laufen hat, und gute Beziehungen zu Händlerschiffen!“
„Und nette Gesellschaft, und keine Angst vor Einsamkeit, so weit draußen“, vermutet May B., und versucht hinter den Fensterchen Gesichter zu erkennen.
„Ganz recht!“, bestätigt Fourth Wall, „und gute Waffensysteme gegen Raumpiraten helfen auch, und keine Angst vor Gruselgeschichten! Womit wir wohl wieder bei Eurem Thema wären …!“
Shadrack folgt Mays Blick nach draußen, und sagt nachdenklich, „Ich habe im Weird West Männer und Frauen gesehen, die mit ähnlicher Zähigkeit an einem Stückchen Land festgehalten haben. Egal, wie abgelegen, hitzeverbrannt, oder von Rothäuten heimgesucht. Hauptsache, sie konnten es das ihrige nennen! So ist der Mensch wohl.“
May B. nickt gedankenverloren, und sagt, „Aber egal wie abgelegen, in unserer Zeit konnte man immerhin zur Not in einen Planwagen steigen, und binnen ein paar Monaten in die Zivilisation zurückkehren! Die Hombres dort sind völlig abhängig von ihrer Technik — wenn die mal ausfällt, ist sofort Feierabend für immer!“
Fourth Wall winkt ab, „Och, wir heute haben mehr Urvertrauen in die Technologie. Das war wohl im Alten Westen noch nicht so …“
May B. grinst, „Ja, die vielen instabilen Dampfmaschinen und der Große Eisenbahnkrieg haben uns das damals auch schwer gemacht! … Warum sprichst Du eigentlich immer vom Alten Westen? Heißt das etwa, Fourth Wall, Du glaubst uns?“
„Keine Ahnung mehr, was ich glauben soll, Miss Ortega! Klingt ja 'n bisschen gestört, was Ihr uns neulich auf Tunnel Station erzählt habt! Aber Ihr beide, Du und Mister Shadrack, Ihr scheint es felsenfest zu glauben! Und wir helfen Euch in jedem Fall. … Schaut mal, da vorne liegt Deadrock!“



Deadrock
Abgelegener Asteroiden-Truck-Stop, bevölkert von ein paar hundert verlorenen Seelen und zwielichtigem Gesocks — Furcht-Level 3

Gut, dass Fourth Wall und Kinraide hier eine Menge Leute kennen. Laut den Gerüchten um die Vostros wird der Aufenthalt unserer Wild Cards auch nicht lange dauern, denn das Geisterschiff soll laut Berechnungen der Beobachter hier bald vorbeifliegen.

Wir machen natürlich trotzdem einen GM Move: Erneut soll laut diesem ein Zufallsereignis geschehen. Die Orakelkarten sagen, Revealing of History. Fetzig, und wahrscheinlich sehr nützlich für unsere Zeitreisenden! Es gibt noch viele Hintergrundinfos, die sie auf Tunnel Station nicht herausbekommen konnten. Oder warten hier an dieser Stelle vielleicht Offenbarungen zur speziellen Geschichte der Vostros? Das wäre doch ganz atmosphärisch! Das fragen wir mal die Orakelwürfel, aber die sagen, ‚Nein, und außerdem‘, von dem Gespensterschiff haben also die meisten der raubeinigen Spacer hier gar nichts gehört, oder bezweifeln seine Existenz. Dann würfle ich stattdessen auf der Tabelle für Themes aus Ironsworn, um zu ermitteln, um welche Art historischer Offenbarung es geht: ‚Path’ ist das Ergebnis. Das klingt nach der Geschichte des Interspace Tunnel, der war ja der prominenteste ‚Pfad‘ dieses Sonnensystems, als er in Betrieb war. Oder ist die Straße zur Hölle gemeint?

Die Weitgereisten vertreten sich die Beine auf den wimmeligen Etagen des Handelshafens von Deadrock.



Hier ist das Klientel tatsächlich deutlich unzivilisierter als auf Tunnel Station: Langhaarige, Tätowierte, schwer Bewaffnete, skandierende Apokalyptiker, Bordellkunden, Besoffene, und Streitsucher sind hier unterwegs; es gibt Scrapper, Bauchladenverkäufer, schrottige Roboter, allerlei Söldner, Punks, und Space Trucker. May B. und Zamantha werden vielerorts von den ungewaschenen Spacern geradezu mit Blicken ausgezogen. (Es gibt auch eine Frau mit ungewöhnlichem Geschmack in der Menge, die offensichtlich Maiqarooba mit Blicken auszieht.) Dabei entdeckt May B. eine neueröffnete Bar, ein Schuppen namens ‚Houston‘.
„Schaut mal, ‚Original-Südstaaten-Hausmannskost‘ steht da dran, da würde ich nicht nein sagen, und essen müssen wir sowieso. Vielleicht ein Vorgeschmack auf mein Zuhause, sollte irgendwie alles gut gehen.“
„Was ist das, Houston?“, fragt Zamantha.
„Eine Stadt in Texas, in Nordamerika“, erklärt Rex, „wo man, wie ich am Rande bemerken muss, früher alldieweil nur begrenzt für Kochkünste berühmt war …! Aber vielleicht erfreut es May B.s Südstaatler-Seele, auch wenn sie ja gar nicht aus Texas stammt.“
„Ja, ja“, gibt May B. zurück, „hey, wenn Du hier eine Bar findest, die zufällig irgendeinen lustigen Yankee-Namen hat, dann gehen wir da als nächstes rein!“

Als sie in den Schankraum treten, sehen sie die zu erwartenden nostalgischen Erinnerungsstücke an den Wänden und unter Glasvitrinen. Keine Bürgerkriegs-Paraphernalia jedoch, sondern vor allem Dinge aus der Frühgeschichte der Raumfahrt.
„… Ja, kein Wunder“, kommentiert Fourth Wall, die Nase bereits tief in der Burger-Karte, „Die Konföderation hatte in den 1960ern kurzzeitig das fortschrittlichste Weltraumprogramm aller Länder auf Terra. Erster erfolgreicher Raumflug und so. Houston, Texas, war daraufhin die größte Raumhafenstadt die's überhaupt gab. Später sind alle HI-Flüge zum Interspace Tunnel auch von da gestartet. Ich erinner‘ mich auch noch vage an Houston, kurz vor’m Abflug auf dem Kolonie-Schiff, meine Fresse, das ist jetzt aber schon lange her … das Bier dort war okay, hat mein Alter gesagt ...“
May B., Shadrack und Zamantha machen neugierig die Runde durch den leeren Schankraum und nehmen die gerahmten Fotos näher unter die Lupe.
„… Merkwürdig“, knurrt Shadrack, während er mit zusammengekniffenen Augen die Plakette unter einer der Fotografien liest.
May B. stellt sich neben ihn und schaut auch darauf, es ist ein Bild des halbfertigen Interspace Tunnel im Sonnensystem von Terra, in den 2040ern. Ein erfurchtseinflößender Ring aus Metall, fast identisch mit Tunnel Station.
„Ja klar, die Erde hat natürlich auch einen solchen. Auf der einen Seite gingen die Raumschiffe rein, und aus der anderen kamen sie raus. Die 130 000 Lichtjahre dazwischen wurden irgendwie ‚zusammengefaltet‘, so dass die Reise nur ganz kurz gedauert hat, nicht Jahrhunderte oder was“, sagt sie, „hat Fourth Wall mir auf dem Flug von Banshee erklärt. Nur eben, wie HI das technisch gemacht hatte, konnte nie einer schnallen. Wahrscheinlich dasselbe, was wir in der Top of the World Lode gesehen haben, und in der vermaledeiten Wild Dog Gorge.“
„Ja“, sagt Shadrack gedankenvoll, „nur eben nicht als wild auftretendes Phänomen, wie unserer Zeit, sondern kontrolliert von Hellstromme Industries herbeigeführt! Auf das bloße Betätigen eines Knopfes hin! Faszinierend. Der alte Drecksack hat sich sogar getraut, das im größtmöglichen Stile zu kommerzialisieren. Aber weißt Du, was ich noch merkwürdiger finde?“
„Viel merkwürdiger geht schon gar nicht mehr. Der Scheiß mit den interstellaren Reisen wirkt auf mich so wie ... wie das Erscheinen des Dampfross auf meine Cheyenne-Vorfahren gewirkt haben muss … im Grunde unfassbar.“
Shadrack tippt auf die Plakette neben dem Bilderrahmen: „Hier steht als Beisatz, dass der Tunnel HIs größte Erfindung war auf dem Gebiet der Neuen Wissenschaft. Danach kamen nur noch ein paar militärische Technologien. Sowas haben wir ja auch schon in HIs Datenbanken gelesen, neulich. Nach 2063 hat die Neue Wissenschaft keine Öffentlichkeit mehr bekommen … und wurde nur noch im Geheimen weitergeführt. … Womöglich in gänzlich veränderter Form!“
„Ja … Die Techniker in Tunnel Station waren ja allesamt Scrapper irgendeiner geheimen, neumodischen Art.“
Shadrack nickt grüblerisch, „Als hätte das, was unserer Zeit in Roswell und Fort 51 und mit unserem geschätzten Collegium der Interräumlichen Physik angefangen hatte, 2063 plötzlich sein Ziel erreicht. Aber welches Ziel?“
„Du meinst, der Interspace Tunnel war die größte aller Erfindungen? Das goldene Kalb der Eierköpfe?“
„Vielleicht. Vielleicht gab es auch noch eine andere Innovation, von der wir nichts gelesen haben. … Aber was könnte dahinter stecken? Wie kann die Neue Wissenschaft um 1863 auftauchen und 2063 schlagartig wieder verschwinden?“
May B. zuckt die Schultern, und senkt ihre Stimme noch weiter: „Sieh‘ Dir doch unsere eigenen Künste an, Rex. Die Hexenkunst: Ganz groß im Mittelalter, ausgestorben nach der Inquisition. Danach noch einmal groß im Weird West, dank Mina Devlin. Bis 2094 erneut ausgestorben. … Zumindest habe ich hier in den vielen Wochen seit es uns hierher verschlagen hat, keine Kolonistin gesehen, die eine Hexenschwester hätte sein können! Und Hoyle‘s Huckster-Techniken? Ganz groß im Weird West nach dem Reckoning. Jetzt ebenfalls wieder ausgestorben. Wäre übrigens auch schwer zu verstecken, die pokern heutzutage ja gar nicht mehr, die spielen ja nur noch so ‚Videospiele‘ und so was.“
„Du willst sagen, wir sind Relikte der Vergangenheit?“, grinst Shadrack erheitert.
„Alles, was ich sagen will, ist … wir sollten zusehen, dass wir unsere Ärsche an Bord der Vostros schwingen, und dass wir da an Bord ein Portal finden, das zurück nach Hause führt!“


Kinraide macht sich nach dem Essen daran, seine Connection zu erreichen, um die Kursdaten der Vostros zu errechnen. Ist das geschehen, muss die Explosivo sie nur noch abpassen, wenn sie an Deadrock vorbei fliegt, und May B. und Rex an Bord bringen.

Während Kinraide das tut, würfeln wir uns einen GM Move: Foreshadow Trouble!

Fourth Wall entlädt mit der Hilfe vom Kraftmeier Maiqarooba kurz darauf gerade ein paar Kisten aus dem Laderaum der Explosivo. May B. sitzt auf einem der Triebwerke und sieht ihnen von oben zu. Dabei springt ihr ein kleines Raumschiff ins Auge, das weiter hinten in der Hangar-Halle des Asteroiden an einer der Docking Bays gelandet ist. Die Leute, die aussteigen, kommen ihr flüchtig bekannt vor. Sie weiß nur nicht sofort, von wo. Sie haben einen Typen in ihrer Mitte, der einen hellgrauen Kapuzenmantel trägt, und dessen Gesicht man nicht sehen kann im trüben Licht der Halle. Die Spacer scheinen sich suchend umzusehen. May B. schiebt reflexartig ihren Stetson tiefer in die Stirn, und zieht den Kopf ein. Unten weist sie flüsternd Fourth Wall darauf hin, und der sagt, „... Ja, klar! Das sind doch ein paar von den Visagen aus Portal. Die, die Euren Abflug verzögern wollten! Sieht aus, als habe Miss Muroa doch nicht alle von denen ganz überzeugt. Ein Shuttle ist uns bis hierher gefolgt. Die wollen Euch nicht so einfach den Abgang machen lassen wie‘s aussieht!“

Dann fragen wir mal die Orakelwürfel, ob Kinraide heute die Flugroute der Vostros errechnet bekommt! Die Würfel sagen, ‚Ja, und außerdem‘:

Das Geisterschiff wird morgen bereits Deadrock passieren … und es gibt obendrein eine tollkühne Crew von Plünderern, die bereits plant, sie dort abzupassen und an Bord zu gehen! Dies sind beileibe nicht die ersten Spacer, die sich an solch einem Entermanöver versuchen, es waren schon mehrmals EXFOR-Marines und Reaver an Bord der Vostros in den letzten Monaten. Keiner von denen hat jedoch fette Beute gemacht. Aber die Enter-Crew, die sich hier auf Deadrock zusammengeschart hat, will das ändern!

May B. gelingt es im Handumdrehen, sich dort mit einzuzecken: Diese Spacer sind froh über jede weitere helfende Hand. (Das unsere Helden in Wirklichkeit gar nicht vor haben, auf dem Rückweg nach Deadrock beim Tragen zu helfen, müssen sie den Spacern ja nicht auf die Nase binden!)
« Letzte Änderung: 24.06.2024 | 00:06 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #229 am: 28.06.2024 | 14:58 »
„… Abflug gleich morgen früh, das ist plötzlicher als gedacht“, sagt Shadrack, „immerhin haben wir bis dahin noch einiges an Vorkehrungen zu treffen! Nicht zuletzt haben wir noch niemanden aufgesucht, der uns eine glaubhafte Voraussage machen konnte bezüglich dem Erscheinen von Portalen an Bord. Das ist bis jetzt nicht viel mehr als Wunschdenken von uns!“
May B. sagt aufgeregt, „Hier wimmelt‘s doch von zwielichtigen Gestalten! Hier wird es ja wohl fahrendes Volk geben, wo jemand das Zweite Gesicht hat. … Oder meinetwegen irgendeinen zurückgelassenen Syker aus dem Faraway War oder sowas.“
Shadrack klingt misstrauisch, „Und wenn es hier keine vertrauenswürdigen Okkultisten gibt, dann muss ich es mit meinen Kartenlegetechniken selbst versuchen, wie auf Tunnel Station besprochen.“
Fourth Wall sagt, „Ich kenn‘ mehrere Bars, wo wir vorsichtig mal nach irgendwelchen Hoschis aus dem okkulten Untergrund anfragen können.“
„Was ist mit denen aus dem kleinen Transportschiff …?“, fragt May B. zögerlich, „die, die uns seit Tunnel Station folgen? Vielleicht können die uns jemanden empfehlen!“
Fourth Wall verzieht das Gesicht, „Der Kerl in dem Kapuzenmantel ist wahrscheinlich das Phantom vom Chacona Mountain.“
„Wer ist das?“, verlangt Shadrack zu wissen.
Fourth Wall murrt, „Pah, der lässt dann natürlich seine Häscher wieder bei meinem Schiff aufmarschieren, sobald die uns entdeckt haben, und macht denselben Aufruhr wie auf Tunnel Station! Die sind heiß auf Sensationen, die wollen Krawall! Wäre vielleicht besser, wenn die uns gar nicht erst entdecken hier auf Deadrock.“
„Ich frage noch einmal, wer ist das?“, und aufkommende Ungeduld in Shadracks Stimme treibt seine Zuhörer wie immer zur Eile an.
„Das weiß eben keiner!“, sagt Fourth Wall hilflos, „der tritt doch immer vermummt auf! Vermutlich entstellt worden im Krieg, oder was weiß ich denn. Auf dem Chacona Mountain, auf dem Kontinent One, da gibt’s ein paar Dörfchen, wo Anouks und Kolonisten den für so eine Art Volkshelden halten. Hat eine kleine Anhängerschaft, seit ein paar der Online-Vids von dem am Kursieren sind. Selbst hier draußen im Dunkel.“
Kinraide fügt hinzu, „Seine Leute sind aber vor allem Hacker, und zwar ziemlich gefürchtete …“
„Was meinst denn mit Hacker?“, fragt May B. angriffslustig, „nach wem hacken die denn, ich bin da auch nicht schlecht, ich habe hier eine Machete, und einen Tomahawk!“
„Äh, ja nee … heutzutage sind Hacker Leute, die Computernetze auf andere Weise verwenden können als sie eigentlich gedacht sind … und gerade die EXFOR und HI haben sehr viele Netze, die streng geheim sind. Die Leute vom Phantom haben denen ein paarmal online so richtig den Arsch auf Grundeis gehen lassen.“
„Warum machen die das?“, will Shadrack wissen, „ist das nicht tollkühn? Ich dachte, die EXFOR sind diejenigen, die das bisschen Infrastruktur bewahren, das es seit der Abschottung von der Erde überhaupt noch gibt? Warum sollte man die angreifen?“
Zamantha reckt das Kinn vor, und versetzt, „Warum? General Warfield hat versucht, einen Auslöschungskrieg gegen die Ureinwohner zu führen. Und er hat bis heute immer noch nicht davon abgelassen. Es gibt viele Gegenstimmen gegen seine Tyrannei, sowohl von Anouks sowie auch von Kolonisten.“
„Touché“, nickt Shadrack, „wenn Du es so sagst, leuchtet es wohl ein.“
Kinraide fährt fort, „Von der politischen Gruppe die sich um das Phantom zusammengeschart hat, kommen jedenfalls Aufrufe zu Militär-Boykotten, zu Vandalismus, manchmal zu Ökoterror. Viele Leute werfen sie deswegen von vornherein in einen Topf mit den Reapers. Wahrscheinlich ist das aber Bullshit, weil ihre Hacking-Taktiken offensichtlich eben nicht der persönlichen Bereicherung dienen.“
Fourth Wall zerdrückt seine Bierdose, und sagt, „Na das hat uns ja noch gefehlt! Wenn das Phantom vom Chacona Mountain Euch ausgeguckt hat als seine Widersacher, dann prost Mahlzeit!“
„Und wenn der Kapuzen-Heini und seine Hacker-Compadres solche Unruhestifter sind, warum schnappen die nicht die Colonial Rangers?“, fragt May.
Zamantha antwortet, „Das wurde letztes Jahr schon versucht. Das Gesetz hat diese Leute aber bisher nie bekommen, weil die Anouks sie schützen. Und die Wildnis Banshees ist sehr weit, und voller Verstecke. … Wie auch meine eigenen Schützlinge Dir bestätigen könnten ...“
„So so? Ist dieses sogenannte Phantom so wie Sie, Miss Muroa, unter die Ureinwohner gegangen?“
„Nein, das nicht. Es heißt … er sei auf dem Chacona Mountain von den Toten auferstanden. Die vielgestaltigen Steine bei der Grabstelle, wo man ihn beigesetzt habe, hätten ihn … irgendwie vor dem Tod bewahrt. Daher auch der Name.“
Shadrack und May B. wechseln alarmiert einen Blick, und der Hexslinger sagt, „Daher weht der Wind! Der verdammte Kerl ist ein Harrowed!“
Fourth Wall macht, „Hä?“
May erklärt, „Eine besondere Art von Walkin‘ Dead! Wir hatten‘s in Gomorra schon mit so einem zu tun. Verflixt zähe Burschen, diese Harrowed. Behalten angeblich in ihrem Unleben ihre eigene Persönlichkeit aus Lebzeiten, im Gegensatz zu normalen Walkin’ Dead. Sind aber verdammt dazu, die nach und nach an den Manitou zu verlieren, der sie reanimiert! Wir hatten‘s mit einem Südstaaten-Soldaten zu tun, der am Ende gänzlich von seinem bösen Selbst übernommen worden war. Nur ein Trick hat geholfen, den loszuwerden, das ging nur, weil wir seine persönliche Schwachstelle kannten!“
Fourth Wall gestikuliert aufgeregt, „Wir können jetzt aber nicht runter zum Chacona Mountain fliegen, um mal angelegentlich die Lebensgeschichte des Phantoms zu erfragen, so von wegen persönliche Schwäche und so! Ihr beiden Dudes habt einen Flug zu erwischen — und zwar morgen!“


Da hat Fourth Wall natürlich Recht. Die Zeitreisenden sind aber zu nervös, um mit einem Harrowed im Nacken eine derart wichtige Mission zu beginnen. Ein Colonial Ranger ist in der Hangar-Halle nicht auszumachen, man kann also die Verschwörer nicht einfach vom langen Arm des Gesetzes packen lassen. Also beschließen die beiden Wild Cards, den Verfolger selber zur Rede zu stellen.

Fragen wir doch mal die Orakelwürfel: Können die beiden ihrem Verfolger in einer dunklen Ecke des Hangars entgegen treten, ohne Aufmerksamkeit zu erzeugen? Die Würfel bestätigen dies!

Abseits des Geschehens bei den Docking Bays unterredet sich also der Vermummte gerade leise mit zweien seiner Spacer. Mit klopfenden Herzen treten die Wild Cards von hinten an die Verfolger heran, um den Spieß umzudrehen. Die drei Gegner wirbeln herum, in den Augen der Spacer ist Wiedererkennen zu sehen, und unverhohlene Angst, als sie Shadracks mörderischen Blick sehen.



Das Phantom vom Chacona Mountain trägt seine hellgraue Synthetik-Kapuze, und darunter eine alte Atemmaske vor dem Gesicht, wahrscheinlich nicht wegen deren eigentlicher Funktion, sondern nur, um hier unerkannt zu bleiben.
„Vorteilhaft, dass der Bengel nicht nach verrottendem Fleisch stinkt, wie Jeff Hollins seinerzeit“, knurrt Shadrack, als er sein Gegenüber mustert.
Es stimmt, der Vermummte hat überhaupt keinen Geruch.
Eine Weile schweigen alle, die beiden Wild Cards auf der einen Seite, der Vermummte und seine Anhänger auf der anderen.
„Was wollt Ihr?“, fragt der Hexslinger schließlich in dumpfem Ton, in seiner Stimme liegt so viel Bedrohlichkeit, dass er nicht einmal die Hände auf seine Pistolengriffe zu legen braucht.

Was antwortet der Unbekannte denn alles? Wir machen an dieser Stelle mal einen GM Move: Reveal a New Detail. Da habe ich was Hübsches für unsere Wild Cards in petto, was vielleicht ein neues Licht auf ihre bevorstehende Mission wirft:

„… Allem voran wollen wir wissen, wie die Frau in den Great Wastes den Skinny verwunden konnte — noch dazu im freien, telekinetischen Flug! Wir haben einige der besten Hacker in Faraway um uns geschart, aber auch die konnten nichts über Euren Hintergrund herausbekommen. Warum gibt es zu Euren Personen online keinerlei Spuren? … Wir wollen wissen, warum Ihr so ausseht wie die historischen Gestalten May B. Wickett und Rex Shadrack! Der Mann ist sogar so gekleidet. Alles an dieser Garderobe scheint zu stimmen, bishin zum schwarzen Zylinder.“
Die Wild Cards überspielen ihre Verblüffung, May verengt die Augen zu Schlitzen. Die Stimme des Vermummten hört sich komisch an hinter der Maske, ein bisschen blechern und monoton. Er klingt ansonsten wie ein junger Mann.
Er fährt fort: „Außerdem wollen wir wissen, was Ihr auf Tunnel Station bei Hellstromme Industries gesucht habt. Und was Ihr hier auf Deadrock plant.“
„Hier kann man doch rumlaufen wie man will, hier gibt’s doch die schrillsten Aufmachungen zu begaffen!“, knurrt May B., „was soll an unserer Kleidung so Besonderes sein? Wie kommt Ihr überhaupt auf diese beiden Namen?“
„Weil Ihr für uns exakt so ausseht wie May B. Wickett und Rex Shadrack, auf der Fotografie“, antwortet der Vermummte kühl.
„Wir haben Euch auf Tunnel Station heimlich geknipst, und die Gesichter fotometrisch mit der alten Aufnahme von damals verglichen“, fügt einer der Untergebenen hinzu.
„Welcher?“, verlangt die Hexe zu wissen.
„Dem Schwarzweiß-Foto aus dem Alten Westen, das man online noch finden kann.“

(Das ist das New Detail, das durch den GM Move offen gelegt werden soll ...!)

Shadrack und Wickett werfen sich einen gehetzten Blick zu: Es gibt ja gar keine Fotografie von ihnen beiden zusammen, sie haben zur Zeit der Schwarzweiß-Kameras nie eine anfertigen lassen. Das war teuer und aufwändig. Sie hatten in dem halben Jahr, in dem sie gemeinsam halb Nordamerika durchquert hatten, auch ganz anderes zu tun. Irgendetwas ganz Seltsames geht hier vor. May B. fühlt, wie ihre Nackenhaare sich aufstellen.
Das Phantom sagt in die Stille hinein, „Ihr habt bei HI tagelang in den Geschichtsarchiven gesucht, nach allem, was wir wissen. Vorher habt Ihr bereits daheim auf unserem Planeten Eure Spuren hinterlassen in unserem Staub. Ihr fühlt Euch … fremd an. Wir wollen wissen, was Euch hierher gebracht hat … welche Kräfte dahinter stecken …“, jetzt raunt die monotone Stimme nur noch. Obwohl sein Tonfall immer noch kalt und unbeteiligt klingt, wirkt seine Stimme äußert enervierend.
„Du bist ein Harrowed, richtig?“, setzt der Hexslinger leise dagegen, „von wegen, irgendwelches Gestein des Chacona Mountain habe Dich vor dem Tod bewahrt. Du bist ein toter Kadaver, und ein Manitou hält Dich in Bewegung! Die Frage für uns ist jetzt nur … hat die menschliche Seele gerade die Kontrolle über Dein Tun … oder stehen wir hier in Wirklichkeit dem Manitou gegenüber!“
Das Phantom antwortet dumpf, „Wir sind nicht das, was Ihr Harrowed nennt. Wir sind auch nicht mehr der, der wir zu Lebzeiten waren. Wir sind das Gestein vom Chacona Mountain.“
Perplex schweigen die beiden Wild Cards. Ein Transportwagen surrt in der Nähe vorbei, und seine Scheinwerfer fallen auf den Vermummten, für einen Sekundenbruchteil erhellt der Lichtkegel sein Gesicht unter der Kapuze. In dem Moment sieht er so aus, als wäre er tatsächlich kein normaler Mensch, aber er hat auch nicht die verrottete Visage eines Walkin‘ Dead. Eine glänzende Schicht scharfkantiger Kristalle scheint seine Züge zu bedecken.
„… Das kostet uns ein müdes Zucken mit der Arschbacke, um die lokalen Autoritäten auf Euch Unruhestifter aufmerksam zu machen, Freundchen“, sagt May B. trotzig, „dann wollen wir doch mal sehen, wer dann hier die Fragen stellt.“
„Unsere Leute haben genau die Lage gepeilt, bevor wir vorhin hier gelandet sind“, sagt das Phantom ruhig, „Hier sind derzeit keine Gesetzeshüter. Ihr könnt uns nichts anhaben. … Das scheint ein Patt zu sein.“

Machen wir mal einen GM Move, um diese Situation aufzulösen. Die Würfel entscheiden, Advance a Threat! Das passt mir ausgezeichnet in den Kram, denn dann lassen wir folgendes geschehen:

Von einer der Docking Bays dringt plötzlich entsetztes Geschrei. Arbeiter scheinen durcheinander zu rennen, so schnell sie in der halben Schwerkraft von Deadrock eben können. Shadrack und Wickett haben beide die "klassischen Helden-Nachteile" Curious und Heroic nicht, so dass sie nicht gezwungen sind, direkt auf solcherlei Gefahrenquellen zu reagieren; sie bleiben auf die unmittelbare Gefahr fokussiert, die hier in der Gasse theoretisch jederzeit losbrechen könnte zwischen ihnen und den drei Fremden. Wie sieht’s denn mit dem sogenannten Phantom und seinen beiden Untergebenen aus? Die Orakelwürfel sagen, auch die regen sich nicht. Die fünf Gegner stehen sich weiterhin gegenüber, die Hände nervös an den Waffen. Dem ängstlichen Shadrack läuft eine saukalte Schweißperle über die Stirn, während man das Schnappen glitschiger, übergroßer Kiefer hört bei einer der Docking Bays, gerade so außer Sicht ...

„… Also gehen wir allesamt wieder unserer Wege?“, bringt Shadrack zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor, „Ihr mischt Euch verdammt nochmal nicht in unsere Angelegenheiten ein, und dafür vergessen wir, dass wir Euch hier gesehen haben!“
Das Phantom ist ebenfalls unsicher geworden, der Kerl versucht, einen Seitenblick zu erhaschen auf die Quelle des Geschreis, ohne den vermummten Kopf abwenden zu müssen — was ein tödlicher Fehler sein könnte, wenn man Erdlingen wie diesen zweien gegenüber steht.
„Nein. Unsere Steine vergeben nicht. Unser Sand vergisst nicht. Ihr werdet uns sagen, wer Ihr seid, und was Ihr plant …“
In dem Moment kommt etwas zwischen den dunklen Pipelines hindurch geflogen, knallt gegen eine davon, und bleibt zu Füßen der Spacer liegen. Die hellgraue Kapuze hat plötzlich signalrote Sprenkel. Alle schauen entgeistert auf das runde Objekt am Boden: Es ist nur ein Raumhelm, der von einem Schutzanzug abgerissen worden ist. Der Kopf des Trägers steckt jedoch noch darin! Durch das aufgeklappte Visier sehen sie seine aufgerissenen Augen entsetzt starren.

Da muss wohl ein Wurf gegen Nausea gemacht werden. May B. schafft den locker, Shadrack entgeht dem Fatigue-Level nur dank seinem Reroll durch seinen Guts-Vorteil. (Er hat auch -2 für Yellow, zuzüglich -2, weil seine Leichen-Phobie getriggert wird, und -1 wegen dem Furcht-Level, der arme Hund.)

Jetzt vollständig enerviert bewegen beide Gruppen sich hastig rückwärts voneinander weg, um einen Blick auf die Docking Bay zu werfen!

Bei einem der kleinen Transportschiffe ist ein blutiges Scharmützel ausgebrochen. Vage menschenähnliche Gestalten haben sich hier unter die Spacer geworfen, mit aufklappenden Mäulern voller gebogener Reißzähne, die sie da haben, wo bei einem Menschen der Kopf sitzen sollte, und hin und her schnellenden Tentakeln! Ein paar Punks feuern Plastikgeschosse aus ihren Maschinenpistolen auf die außerirdischen Monster. Der Rest der Spacer flüchtet in heller Panik.



Es sind verdammte Strangler, dimensionsreisende Dämonen, unseren Helden bekannt aus den Minen Gomorras! Nach dem Nausea-Wurf wegen dem Enthaupteten müssen die beiden Wild Cards jetzt erneut Spirit-Würfe machen, diesmal gegen den Terror der Strangler. Erneut packen es beide. Sie ziehen ihre Sechsschüsser und machen sich bereit, die Scheusale dahin zurückzuschicken, von wo sie gekrochen kamen!

Orientieren wir uns doch mal an den leicht variierten Stranglern, wie sie in der Derelict-Ship-Zusatzbox von Shadows of Brimstone beschrieben werden (‚Dark Strangler‘). Die sind sozusagen eine Subspezies von jener Variante, wie sie im Weird West anzutreffen ist. Dementsprechend sehen die Profile dieser Weltraummonster diesmal aus.


Dark Stranglers
Vicious, headless demons with an array of squirming tentacle arms and claws, Stranglers stand just short the height of a man. Often hunched over, they use their arms as well as their legs to move, charging at their targets with demonic speed.
Attributes: Agility d6, Smarts d4, Spirit d6, Strength d6, Vigor d6
Skills: Athletics d6, Fighting d6, Intimidation d8, Notice d4, Stealth d6
Pace: 6, Parry: 5, Toughness: 5 (1)
Special Abilities:
• Alien Physiology: Stranglers get a +2 bonus to recover from being Shaken. Called Shots do no extra damage.
• Armor (1): This critter has leathery skin. The armor can by bypassed by aiming at the maw (Called Shot at –2).
• Bite: Str+d6, AP 2. Stranglers only bite after successfully Grappling prey with their tentacles.
• Claws: Str+d4.
• Eyeless Sight: These creatures get no vision penalties whatsoever (Illumination, fog, blindness, etc.).
• Fear: Stranglers cause Fear checks.
• Size −1: A strangler is a little shorter than a man.
• Space-Born: Dark Stranglers may exist in the vacuum of space and move in zero-g without negative effects.<
• Teleport Urge: Up to once in every 13 hours, Dark Stranglers can instinctively teleport from a space with pitch darkness towards another such space within 10 miles. This teleport movement may either be towards living prey, or towards the nearest dimensional portal.
• Tentacles: A strangler has two tentacle actions without Multi-Action penalty and Reach 1. It gets a +2 bonus on Grappling attempts. Bound or Entangled prey may be automatically hit with a Bite.
• Wall Walker: Dark Stranglers have additional suction cups on hands and feet, and can cling to spaceship walls. On the battle map, they may move through enemy models.
• Weakness (Gravitation): Dark Stranglers get -1 to all rolls in regular gravitation (Banshee, Earth, or higher). When targeted by powers or attacks with a Gravitation Trapping, the take +4 damage, and are at —4 to resist such powers.


Runde 1: Die Strangler beginnen die Kampfsequenz, ihre augenlose Sicht hat die beiden neuen Ziele bemerkt, die sich nähern. Drei lassen von den Spacern an der Docking Bay ab, und preschen auf Shadrack und Wickett zu. Alle drei haben je zwei Attacken mit ihren peitschenden Fangarmen. Beide werden getroffen und taumeln zurück, Shadrack kassiert eine Wunde, und braucht gleich mal zwei seiner drei Bennies um sie zu absorbieren, es bleibt nur ein fieser Schnitt quer über den einen Wangenknochen. Dann ist Rex am Zug, benutzt seinen Vorteil Fan the Hammer, um den einen Sechsschüsser auf die Angreifer zu entleeren. Er visiert sowohl ihre drei unmittelbaren Angreifer an als auch die weiter hinten im Gewühl (wobei er dann keine Einser und Zweien würfeln darf, denn sonst trifft er Innocent Bystanders). Er trifft vier Strangler, und tötet drei; derjenige der ihm gegenüber steht wird nur angeschossen und ist Shaken. May B. hebt ihren Stahl-Tomahawk, und versenkt das Axtblatt bis zum Anschlag zwischen den Schultern des Weltraummonsters, wodurch es endgültig zu Boden geht.

Runde 2: Shadrack beginnt die zweite Runde. Er wechselt kurz einen gehetzten Blick mit May B., und joggt dann weiter auf die Docking Bay zu, wo das Kampfgetümmel ausgebrochen ist. Das Phantom hat sich dort ebenfalls in den Nahkampf geworfen, und hinterlässt tiefe Schnittwunden im ölige Fleisch der Strangler mit seinen Klauenhänden (vielleicht spezielle Kampfhandschuhe …?). Der Hexslinger wechselt die Pistolen, und feuert aus der, die noch geladen ist, und eliminiert dank Rapid Fire zwei weitere Monstren. May B. läuft Rex hinterher, aber sie besinnt sich deutlicher den Sicherheitstipps was Feuergefechte an Bord von Raumstationen betrifft (immerhin ist sie mit Fourth Wall geflogen): Statt ebenfalls mit Blei rumzuballern, wirft sie als Multi-Action zuerst den Tomahawk, trifft mit Raise und einem ekelhaftem Gluckern einen der Strangler, schwarzes Blut spritzt, und die Kreatur geht zugrunde, währenddessen hat May ihre Machete aus der Gürtelhalterung gerissen, und versucht den nächsten Strangler aufzuschlitzen, vor dem sie zum Stehen kommt, aber diesen verfehlt sie.
Damit sind die Weltraumgeschöpfe an der Reihe, und krallen mit ihren längen, öligen Klauen nach den Gesichtern der Herannahenden, Shadrack entgeht jedoch dem Angriff mit einer halben Drehung, Wickett pariert mit ihrer Machete.

Runde 3: Noch vier Strangler sind um die Docking Bay versammelt beziehungsweise klettern an dem dort dockenden Shuttle. Nun lassen die Kreaturen von den letzten hilflosen Spacern ab, und richten allesamt ihre Aufmerksamkeit auf unsere Helden. Der Hexslinger erhält alldieweil einen Joker! Er verwendet erneut Rapid Fire, trifft zweimal mit Raise, und erschießt zwei der Angreifer. Die Hexe ist direkt nach ihm am Zug, und steckt die Machete weg, zieht ihren einen Colt Army, um mit Rapid Fire ihrerseits die letzten zwei Viecher wegzuschießen. Und würfelt Schlangenaugen und eine zwei, ein Patzer!

Da könnte jetzt alles mögliche passieren. Holen wir uns Inspiration vom One Page Solo Engine und würfeln auf der Tabelle für Failure Moves: Reveal an Unwelcome Truth. Beim Drübernachdenken fällt mir dazu was Passendes ein:

May B. verfehlt beide ihrer Ziele, stattdessen trifft ein Querschläger einen menschlichen Bewaffneten in der Nähe der Docking Bay … und dieser trägt den dunkelgrünen Kampfanzug der Soldaten der EXFOR! Es mag ja sein, dass keine der Autoritären auf Deadrock war, als das Phantom und seine Hacker vorhin hier gelandet sind … aber mittlerweile hat sich das geändert! Glücklicherweise ist der Schadenswurf nicht so hoch, dass May B.s Kugel die Infanterierüstung durchdringt. Aber die Aufmerksamkeit des Soldaten hat sie gewonnen!
Zwei Strangler sind also noch übrig, und hiermit schlagen sie zu, mit peitschenden Fangarmen. Beide Wild Cards kassieren zwei Angriffe, aber winden oder ducken sich rechtzeitig aus dem Weg.

Runde 4: May beginnt die Runde dank Level Headed-Vorteil, wechselt lieber wieder die Waffen, und macht mit einem weiten Schwinger mit ihrer Machete eine Wild Attack auf einen der Strangler. Außerirdische, schwarze Eingeweide klatschen auf den Hallenboden. Shadrack schießt mit zwei präzisen Revolverschüssen sein außerirdisches Gegenüber nieder.

Die Weltraumkreaturen sind allesamt ausgelöscht, nur noch ein paar der übergroßen Mäuler öffnen und schließen sich im letzten Reflex, wie als wäre ihre Blutgier auch im Tod noch nicht gestillt. Rex setzt seinen vom Kopf verlorenen Zylinder wieder auf, May B. zieht mit zusammengebissenen Zähnen und einiger Kraftanstrengung ihren Tomahawk zwischen den Schulterblättern des einen Stranglers heraus.

Fourth Wall und Zamantha kommen in diesem Moment angerannt, und zerren die beiden weg, durch die kopflose Menge hindurch. Keinen Moment zu früh, denn auf der anderen Seite des Kampfplatzes ordnen sich gerade die EXFOR-Marines!
„… Die werfen Euch schon allein deswegen in ihre Zelle, dass Ihr hier scharf geschossen habt, an Bord einer Raumstation!“, ruft Fourth Wall über das Geschrei der Menge hinweg, „ganz zu schweigen davon, dass Ihr wahrscheinlich wieder insgesamt verdächtig seid in deren Augen!“

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #230 am: 28.06.2024 | 15:24 »
Natürlich sind also mittlerweile doch Streitkräfte an Bord, und zwar Truppen der EXFOR! Deren Kommandant versucht, die Kontrolle über die Station an sich zu reißen, und lässt außerdem in kurzen Intervallen Durchsagen auf den Gängen des Handelshafens ertönen, mit dem dringenden Gesuch, die „Aufständler“ von der Docking Bay den Marines zu übergeben!



Direkt nach ihrem Kampf müssen die SCs sich in eine der alten Unterkellerungen im Asteroiden-Gestein zurückziehen, um nicht geschnappt zu werden. Die Orakelwürfel geben vor, dass das Phantom vom Chacona Mountain und dessen Spacer-Crew ebenfalls dort landet in der allgemeinen Hektik! Es gibt nicht viele Zugänge zu den Wartungsschächten, und die Trucker von Deadrock machen gerade keinen Unterschied zwischen den Wild Cards und den Verschwörern vom Phantom. Immerhin haben sie scheinbar gemeinsam gegen die Weltraumungeheuer gekämpft.

Kurz erhaschen die Zeitreisenden einen klaren Blick auf das unverhüllte Gesicht des Fremden, bevor er seine Kapuze und Atemmaske wieder richten kann. Er scheint tatsächlich kein lebendiger Mensch im eigentlichen Sinne mehr zu sein, nur die Hülle eines Mannes, aber auch ganz bestimmt kein Walkin' Dead, wie die Wild Cards sie von der Erde kennen ...




Hier unten müssen May B. und Rex wohl oder übel abwarten, dass die anderen SCs ihre Abflugvorbereitungen für sie treffen. Sie können in den nächsten Stunden jedenfalls nicht ihre Köpfe aus dem Untergrund heraus stecken, dann kriegt sofort die EXFOR ihre Ärsche.

Alle Spacer, mit denen die Wild Cards es jetzt zu tun bekommen in den Wartungstunnels, reden natürlich aufgeregt von den Spukerscheinungen in der Hangar-Halle. Einige vermuten, dass der Spuk von der Vostros gekommen ist, und ein Vorzeichen dafür war, dass sie tatsächlich in wenigen Stunden Deadrocks Position kreuzen wird. Immer mehr panische Stimmen werden laut.
„... Plötzlich haben wir nur noch Zeit für die allernötigsten Dinge, Rex“, raunt May B. ihrem Begleiter zu, „während wir hier unten warten, müssen wir ein paar der Hombres hier ins Bild setzen.“
Shadrack sieht sie bestürzt an, und flüstert zurück: „Worüber denn ins Bild setzen? Wir haben doch auch keine Erklärung für das Auftauchen dieser Kreaturen! Wir wissen nur, dass sie zu jenen Erscheinungen gehören, die jenseits der Zeit stehen, weil wir sie auch in Gomorra angetroffen haben!“
„Ich meine nicht die, Rex. Ich meine … das Reckoning. Dies ist unsere letzte Chance, die Kolonisten zu warnen. Ich hab‘ lange drüber nachgedacht … Dies hier sind Leute, die seit 13 Jahren das Übernatürliche kennen, aber nicht begreifen, was es damit auf sich hat. Sie wissen nichts von der Schlacht von Gettysburg, den Walkin’ Dead, dem Großen Beben, den Eisenbahnkriegen! Die kennen nur die Ereignisse aus ihrer eigenen Zeit! Es liegt an uns, denen zu helfen, das Puzzle weiter zusammenzusetzen! Wir müssen das tun, Rex!“
„Viel zu gefährlich.“
Wir müssen! … Vielleicht schaffen wir es ja wirklich nach 1876 zurück, Pardner, und vielleicht gelingt es uns, die Reckoners daheim zu besiegen. Dann passiert das alles hier vielleicht nie! Aber was ist … wenn es uns nicht gelingt? Wenn wir irgendwo im Universum oder der Geschichte verloren gehen, wie Du gesagt hast?“
„Du meinst, dann bleibt Faraway wie es ist, und die Kolonisten und Anouks müssen sich selbst helfen.“
Sie blinzelt eine wütende Träne weg, und schaut ihm in die Augen.


In die Wartungstunnels werden schließlich binnen der nächsten Stunden also eine Reihe von Interessierten eingeschleust. Fourth Wall, Zamantha, und Kinraide haben auf die Schnelle alle Stationsbewohner zusammengesucht, die ihnen vertrauenswürdig erschienen — oder zumindest nicht wie Leute, die womöglich für die EXFOR spionieren.

Während sie wie auf glühenden Kohlen warten, werden May B. und Rex hier unten erneut von dem Vermummten aufgesucht. Das Phantom hat mittlerweile eins und eins zusammengezählt, und vermutet, dass es nicht mögliche Reichtümer sind, welche die beiden Verdächtigen zur Vostros ziehen.
„Unsere Leute haben sich aus der Ferne Zugang zu streng geheimen Messergebnissen verschafft, die Hellstromme Industries gerade gemacht hat“, sagt die monotone Stimme, „diesen Messungen nach sind einige der Anomalien im Raum-Zeit-Gefüge an Bord der Vostros noch aktiv — oder es haben sich zumindest mittlerweile Neue aufgetan.“
Shadrack zieht scharf die Luft durch die Nasenlöcher ein, während er ihr Gegenüber mustert.
„Warum sollten wir Dir glauben?“, fragt May B. skeptisch, „nach allem, was wir über Dich und Deine Crew wissen, könnte Dein Interesse genauso gut darin liegen, uns in unser Verderben zu schicken. Wir wissen ja nicht einmal, ob Du ein Harrowed bist oder nicht.“
„Wir bedauern, dass Ihr keinen Grund habt, uns zu trauen. Unter anderen Umständen wären wir möglicherweise gar keine Widersacher gewesen.“


„Danke, dass Ihr hier seid“, beginnt May B. unsicher, „ich nehme das als eine Art Vertrauens-Vorschuss. Zumal die meisten Spacer auf Deadrock gar nicht an die Existenz der Vostros glauben. Tja, wir haben vor, ein Bergungskommando zu begleiten, das dorthin fliegen wird!“
Einer der Plünderer ruft großspurig: „Von wegen, Bergungskommando! Wir reißen da alles raus, was nicht niet- und nagelfest ist! Ihr Knochenköppe könnt an der Existenz der Vostros ja weiter rumzweifeln, während Ihr demnächst bestaunt, wie vollgestopft mit Beute die Laderäume unseres Schiffs sind! Wollen wir doch mal sehen, wer dann am lautesten lacht!“
May B. reißt das Wort wieder an sich, indem sie fortfährt, „Wenn wir an Bord der Vostros sind, können wir wahrscheinlich eine Weile Funkkontakt zu unserem eigenen Schiff halten. Und berichten, was wir dort an Bord entdecken. Vielleicht stolpern wir dabei sogar über eine Erklärung für die Existenz dieses verdammten Geisterschiffes! Das könnte Euch allen hier nützen, versteht Ihr? Denn was auch immer dahinter steckt, dass die Vostros auf ihrem rätselhaften Kurs ins Faraway-System zurückgekehrt ist, es ist Teil einer ganzen Reihe von Geschehnissen. … Wir selber gedenken aber nicht, hierher zurückzukehren! Jemand anderes muss an unserer Stelle auf Deadrock verbreiten, was wir an Bord finden. Jemand muss die Geschichte weitererzählen.“
May B.s Augen funkeln mit einer ganz merkwürdigen Intensität, als sie das sagt, wie mehrere Leute im Raum bemerken. Das letzte Geraune verstummt, und die Umsitzenden richten allesamt ihre Blicke auf die beiden Sprecher. Auf vielen der Gesichter erscheint Verwirrung. Als könnten jetzt in dieser schweren Stunde Gerüchte ihnen helfen, Geschichtenerzählen …!
Shadrack wechselt einen Blick mit Wickett, und fährt an ihrer Stelle fort: „Wir heben also nun ein Aufgebot aus, Leute. Eins, das Tod und Teufel nicht fürchtet. Eins, das sich ins Dunkel hinaus wagt, und bereit ist, auf eigene Faust für Gerechtigkeit zu sorgen. Ein Aufgebot, das für uns das Steuer übernehmen kann, hier in Faraway. Wir haben verdammt nochmal wenig Zeit dafür. Es gibt hier in diesem Raum sicher eine Menge Fragen zu klären, und wir werden nur wenige beantworten können. Wir müssen in wenigen Stunden die Vostros erreichen, dort an Bord gehen, und zu unserer eigenen Bestimmung zurückkehren. Zu unserer eigenen Aufgabe. Aber wir können das Faraway-System auf keinen Fall so zurücklassen wie es ist — kontrolliert von menschlichen Tyrannen, und bedroht von den Kräften der Reckoners! Wir werden diesen Kampf weiterführen müssen, und zwar an verschiedenen Fronten. Diese, Faraway, ist eine davon. Es braucht ein neues Aufgebot, um sich all dem anzunehmen.“
„Was soll'n das heißen, ‚Aufgebot‘?“, fragt einer der Umsitzenden, „was‘n das für‘n Retro-Begriff? Meint Ihr damit, so 'ne Art Gang, oder was?“
Shadrack erklärt, „Im Alten Westen, damals auf der Erde, gab‘s vielerorts noch keine richtigen Gesetze. Oder zumindest nicht genug Leute, die sie durchsetzen konnten. Darum mussten die Pioniere damals sich selber helfen. Wenn es Kräfte gab, die eine Siedlung bedroht haben — Outlaws oder schlimmeres — dann haben sie ein Aufgebot zusammengestellt, das losreiten konnte, um auf eigene Faust für Gerechtigkeit zu sorgen. Das ist dieselbe Lage, in der auch Ihr hier seid! Die EXFOR und HI helfen Euch nicht, und die Colonial Rangers sind zu wenige. Dabei sind Euer Problem aber verdammt nochmal nicht nur Outlaws, Ihr habt es mit den Kreaturen zu tun, die von der Vostros kommen … und noch weit mehr, in allen dunklen Ecken von Faraway. Und dieser Spuk wird wahrscheinlich immer schlimmer werden, bis Ihr ihn mit vereinten Kräften austreibt! Aber jemand muss den Anfang machen. Der Zeitpunkt dafür ist heute.“
„Ihr meint die Anouks und die Skinnies!“, ereifert sich einer der Zuhörer.
„Nein, verdammt!“, protestiert May B., „die Ureinwohner sind doch genauso davon betroffen wie die Kolonisten. Ich sehe auch mehrere Anouks hier im Raum. Wir müssen uns alle zusammenschließen, denn das, was Euch bedroht, ist viel schlimmer als alles, was im Faraway War passiert ist. Ihr habt es hier mit den Reckoners zu tun.“
„Mit den was?!“, wollen mehrere wissen, und eine bebende Stimme fragt nervös, „Sind etwa die das, die für den Tunnel-Kollaps verantwortlich sind?!“
Shadrack sagt mit beschwichtigend erhobenen Händen, „Das können wir auch nicht sagen, aber ganz sicher hängen die auch mit diesem Ereignis zusammen! Diese Kräfte wurden vor 200 Jahren auf der Erde aufgerüttelt, und haben längst ihre Fangarme hierher ausgereckt. Der Faraway War wird sie angelockt haben — wenn sie ihn nicht sogar selber entfacht haben, aus dem Verborgenen heraus, durch die Taten der Skinnies! Damals nannte man sie jedenfalls Reckoners, zumal man ihre eigentlichen Namen nicht kennt; sie waren Teil der Abrechnung des Raven. Wir wissen bis heute nicht genau, was die sind. Wir werden Euch aber alles darüber erzählen, was sie tun, seit dem Reckoning von 1863 … und wie ihr sie verbannen könnt! Asteroid für Asteroid, Siedlung für Siedlung, und Spukgeschichte für Spukgeschichte!“
May B. nickt, und fügt hinzu: „Und wenn Ihr dieses Wissen habt … dann seid Ihr am Zug.“

Angespanntes Schweigen macht sich breit. Man meint, das Knirschen zu hören, wie es langsam durch die massigen Felswände des Asteroiden wandert.
« Letzte Änderung: 28.06.2024 | 15:41 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #231 am: 5.07.2024 | 23:42 »
Advances
Shadrack: Gambling ➜ W10 & Occult ➜ W10
May B.: Shooting ➜ W12 & Stealth ➜ W12
Zamantha: Athletics ➜ W8 & Fighting ➜ W6
Fourth Wall: Piloting ➜ W10
Maiqarooba: Brave-Vorteil


In der Zwischenzeit müssen Fourth Wall, Zamantha, und Kinraide es hinkriegen, passende Raumanzüge für May B. und Rex zu beschaffen. Die aus den eigenen Beständen der Explosivo kann man dafür nicht nehmen, denn die beiden Zeitreisenden werden ja nur beim Hinweg mit dabei sein. Zumindest, wenn alles läuft wie erhofft.

Der Plan der Plünderer-Crew ist, nach einem Absprungmanöver mit Raumanzügen und schwerem Gerät eine der kleineren Luftschleusen der Vostros aufzubrechen, und einzeln dort hinein zu klettern. Die Vostros fliegt nicht im Gravity Drive, daher ist es vorstellbar, dass das klappt. Mit einem Shuttle anzudocken wäre natürlich viel sicherer und komfortabler, ein solches Manöver wird aber ohne Zugriff auf die Systeme der Vostros nicht gehen!

Ein paar der Plünderer sind auch mit dabei bei dem konspirativen Treffen im Untergrund von Deadrock. Sie scheinen eine erfahrene Truppe zu sein, und haben sich einen gewissen Namen gemacht als die ‚'Eadrock Hogs’. Die meisten von denen sind desertierte EXFOR-Soldaten, ein paar andere sind Schmuggler oder ähnlich zwielichtige Gestalten, und allesamt sind sie nur einen Schritt davon entfernt, rundheraus als Reaver durchzugehen, als Raumpiraten.

May B. und Rex werden mehrere Stunden später angesprochen von einer drahtigen, blassen Punkerin namens Yuko, die ebenfalls mitmachen wird bei der anstehenden Enter-Mission. Yuko sieht nicht eben selbstbewusst aus, eher furchtsam. Das Gespräch über das sogenannte Reckoning hat sie umso mehr aufgerüttelt, wie man merkt. Sie macht bei der Plünderer-Crew nur mit, weil sie seit Wochen wiederkehrende Albträume hat, die merklich schlimmer geworden sind, während die Vostros sich Deadrock nähert. Mittlerweile kann Yuko gar nicht mehr schlafen. Sie hofft inständig, diesen nächtlichen Terror zu verscheuchen, nachdem sie zusammen mit den 'Eadrock Hogs an Bord war.

Ein zentrales Motiv in Yukos Albträumen ist ein gepanzertes, außerirdisches Scheusal, das sie ‚Longskull‘ nennt. May B. findet im Gespräch mit Yuko heraus, dass außerdem Kreaturen in deren Träumen vorkommen, deren Beschreibungen genau auf die Void Spiders passen. Von denen kann Yuko aber eigentlich nichts wissen, denn May und Rex haben niemandem hier von diesen Lebensformen erzählt. (Ein anderer der Plünderer sagt, Yuko wäre wahrscheinlich tatsächlich ein ‚verkappter Greenie‘, also mit latenten Syker-Kräften geboren, die nicht geschult sind; Einrichtungen dafür gibt’s auch nur auf der Erde. Yuko hat zwar durchaus Kopfhaare, aber keine Augenbrauen, wie zur Bestätigung der Greenie-Vermutung ...)
Die Hexe nimmt daher an: Wenn Yukos Albträume tatsächlich hellsichtig sind, dann kann es durchaus sein, dass auch wirklich ein Koloss an Bord umgeht, wie er durch jene Traumvisionen als ‚Longskull’ geistert …



Kommen Yukos Vorahnungen von einem verborgenen Syker-Talent?


(Das ist natürlich alles Foreshadowing für die anstehende Mission!)


Mittlerweile ist längst der Moment zum Abflug mit der Explosivo und der Pasadena II gekommen. Die Gesuchten brauchen jedoch nicht davon zu träumen, jetzt die Gewölbe zu verlassen, überall in den Gängen von Deadrock schwärmen immer noch EXFOR-Marines. Jeder falsche Schritt wäre jetzt gerade ihr letzter Schritt in Freiheit!

Der Captain der 'Eadrock Hogs hat großmütig gesagt, dass das nichts macht: So schnell würde ein Schiff von der Größe der Vostros nicht wieder von den Ortungsschirmen verschwinden, man könne sie auch jetzt noch locker einholen. Die 'Eadrock Hogs fliegen nicht ohne ihre neuen Bekannten ab, dafür haben May B. und Rex einen zu starken Eindruck gemacht.

Also heißt es erstmal noch abwarten, während Fourth Wall, Kinraide, und die 'Eadrock Hogs versuchen, einen Moment abzupassen, um May B. und Rex in die Hangar-Halle zu den beiden wartenden Raumschiffen zu schmuggeln, hinter den Rücken der Marines.
May B. sitzt gerade neben Zamantha in einem der Wartungstunnels, und sie haben eine Weile leise geplaudert. Die Stammesprinzessin hat dabei bisher vermieden, sich klar auszudrücken, ob sie wirklich persönlich ins Thra'Door-Dorf zurückzukehren gedenkt, wie der Hexe nebenbei auffällt. Als wäre sie selbst nicht ganz sicher, ob sie das überhaupt will.
„… Wird es Ihnen denn eigentlich schwer fallen, Zamantha, wenn wir binnen der nächsten Stunden Abschied nehmen müssen von ihnen, ich … und Rex?“
„Es ist kein völliger, endgültiger Abschied, May-Bee.“
„Oh nein? Wir werden ab dann … unerreichbar sein. Wir sind dann in einer anderen Zeit … auf unserem eigenen Planeten.“
„Mir bleibt etwas von Rex William.“
„… Das W. steht für William?“
„Wusstest Du das nicht?“
„Pah, woher denn, er spricht ja nicht über sich. Dabei kenne ich ihn deutlich länger als Sie, Miss Muroa“, sagt May B., aber fügt dann hinzu, „Na ja, Sie haben sich wohl gründlich kennengelernt in den letzten Wochen.“
„Das will ich meinen. … Ich bin schwanger.“
May B. sieht Zamantha mit großen Augen an. Sie zögert, dann fragt sie verblüfft, „Von dem? Jetzt? Woher wollen Sie das denn wissen? Sie beide sind doch noch gar nicht so lange …“
Zamantha zuckt nonchalant die Schultern, und sagt leise, „Es gibt hier oben sehr akkurate Schwangerschaftstests.“
„Was ist denn ein Schwangerschaftstest?!“, fragt May B. konfus, sowas gab's ihrer Zeit noch nicht, dann sagt sie, „Erzählen Sie's ihm?“
„Ich muss mich selber noch an den Gedanken gewöhnen. Ich … glaube, ich erzähle gerade Dir davon, May-Bee, damit Du es ihm weitersagen kannst. … Aber nicht jetzt. Erst, wenn Ihr wieder daheim seid. Wenn eine gute Gelegenheit dafür sich bietet.“
„Och, Zamantha, das wird ihn aber ziemlich natzen … er macht sich ja sowieso Sorgen um das Gefüge von Zeit und Raum und allem.“
„Unerheblich.“
„Behalten Sie‘s?“
„Ja, warum nicht. Der mir Versprochene daheim auf Banshee wird lernen, damit zurechtzukommen.“
„Und wollen Sie … nicht vielleicht … mit uns kommen?“
„Wohin? Zur Vostros?“
„Na ja … durch die Zeitanomalie. Zurück in den Weird West. Dort könnten Sie … zusammen bleiben.“
Die beiden Frauen wechseln stumm einen Blick. May B. muss schließlich die Augen niederschlagen, sie hält Zamanthas Anblick irgendwie nicht stand.
„Ich habe ein Dorf zu beherrschen, May-Bee, eine ganze Region. Meine Loyalitäten binden mich an die Anouks. Die vielgestaltigen Steine binden mich an Banshee. Die Zukunft meiner Schutzbefohlenen ist dank dieser Reise nunmehr gesichert, und ich will sehen, wie sie weiter florieren, trotz der Herausforderungen unserer turbulenten Zeit.“
„Ja, schon gut. Ich verstehe Sie auch. Aber irgendwie kommt mir das ein wenig komisch vor, Rex nichts zu sagen. Der Macker hat doch auch Gefühle.“
„Es ist mein Körper, und es ist mein Kind“, stellt Zamantha fest, „ich entscheide, wie ich es für richtig erachte“, und ihrem ruhigen Ton ist anzuhören, dass es da auch nichts dran zu rütteln gibt. Zamantha Muroa ist genauso befehlsgewohnt, wie … nun ja, wie Shadrack.


Dann also auf ins Abenteuer! Früher oder später gibt es eine kurze, hektische Gelegenheit dafür, die Versteckten in die Hangar-Halle zu schleusen. Die Scheiß-EXFOR wird dennoch nicht leicht abzuschütteln sein, also machen wir einen Dramatic Task, um zu entscheiden, ob die Wild Cards und ihre Verbündeten die Vostros erreichen und sich Zugang verschaffen können!

Mit einem Zischen werden die Raumhelme von May B. und Shadrack versiegelt. Die Luft aus den Atemtanks der Anzüge beginnt zu strömen, und schmeckt schal, die Ausrüstung hat deutliche Gebrauchsspuren. Es war immerhin das beste, was auf die Schnelle aufzutreiben war. Zamantha und Maiqarooba haben auch welche an, aus den eigenen Beständen der Explosivo, um in der Luftschleuse den beiden anderen beim Herausklettern zu helfen.
Rex Shadrack küsst Zamantha Muroa durch die hochgeklappten Visiere ihrer Helme. Er scheint beinahe ganz froh, dass kaum Zeit für große Abschiedsworte ist, er wirkt unschlüssig, beinahe verlegen. Er hat Zamantha seinen Zylinderhut mitgegeben, für Kaenan Benu, der fand den ganz gut, und in den Raumanzug passt das Ding sowieso nicht. Auf der Erde wird er sich einfach einen Neuen kaufen, da sind ja Neuwaren in Hülle und Fülle vorhanden. May B. hat daraufhin ihren schwarzen Stetson Fourth Wall geschenkt, dieser hat bereits einen Ehrenplatz an einer der Konsolen der Explosivo bekommen. ‚Death Metal Queen‘ steht auf einem Klebeetikett daneben.

„Ein Dutzend Verfolger auf sechs Uhr“, sagt Kinraide angespannt, „das sind die Aufklärungsschiffe der Marines, jede Wette!“
„Na, dann sollen sie doch kommen!“, tönt Fourth Wall großspurig, indem er sich mit einer Hand eine Bierdose aufmacht, „wir sind so gut wie da! Wir lassen Euch direkt über der Vostros rausspringen, und dann halten wir die Noobs beschäftigt! Ihr geht so lange an Bord. Wir bleiben über Funk in Verbindung!“, und er hantiert an einer Konsole, und lacht aufgeregt, „festhalten, Leute, gleich wird der Flug etwas holperig und die Laserstrahlen fliegen womöglich tief! … Hab‘ genau den richtigen Track dafür, von Desert Mantra, aus deren Anfangszeit!“
„Au ja, die fetzen“, sagt May B., ein Draufgänger-Lächeln auf dem Gesicht, „schick‘ mir das auch mal über den Funk in meinen Helm, dann hab‘ ich auch nochmal was davon! Da, wo ich hingehe, gibt’s verfackt nochmal nur Piano-Geklimper und Square Dance!“
„Ihr rückständigen, armen Schweine!“, lacht Fourth Wall übermütig, „seid Ihr sicher, dass Ihr zurück wollt? Ihr werdet uns vermissen!“, und er dreht lauter.

Soundtrack: Desert Mantra, Leviathan
https://www.youtube.com/watch?v=dCsgwz48oec

Wir machen also einen Dramatic Task über drei Runden, und unsere Wild Cards im Spiel (May B., Rex, Fourth Wall, Zamantha, und Maiqarooba) müssen in dieser Sequenz zwanzig Task Tokens zusammen bekommen. Schaffen sie es nicht, werden May B. und Rex erneut von der EXFOR eingebuchtet werden, und die Vostros wird vorerst wieder in den Weiten des Faraway-Systems verschwinden; wenn der Dramatic Task nicht klappt, heißt es also, Vergangenheit ade!

Runde 1: Mister Shadrack beginnt, und er hat eine Joker-Karte. Das ist schick, alle erhalten dadurch einen Benny, die können sie brauchen. Der Hexslinger lässt Pokerkarten in den schweren Handschuhen seines Raumanzugs erscheinen, und verwendet Boost Trait auf sich und seine Mitstreitenderin May B., fährt mit einer 15 bei Spellcasting die ersten Task Tokens ein. Er wendet sich in dem klobigen Helm erneut Zamantha Muroa zu, und sie sehen einander durch ihre Panzerglas-Visiere in die Augen. Kurz sehen sie beide beinahe ratlos aus, als wüssten sie gar nicht genau, was sie hier treiben, als würde die Hektik der Welt sie nichts angehen. Fourth Wall ist am Zug, und bringt die Explosivo vorsichtig herab über der dahin fliegenden Vostros. Alles ruckelt wie verrückt. Auch er kommt mit Piloting auf ein Raise! Fourth Wall stabilisiert den Anflug. Nur wenige Meter bis zur schwarzen Außenhülle des Ziels. In Sichtweite voneinander halten sich die Explosivo und die Pasadena II nahe des größeren Raumschiffs. Maiqarooba, tapsig in seinem etwas zu engen Raumanzug, unterstützt die beiden anderen in der versiegelten Luftschleuse an der Luke beim Absprung, er sieht zu, dass sie nicht daneben treten und in die Leere davon trudeln, jetzt wo sie bereit sind, sich nach draußen schleudern zu lassen! Mit einem Athletics-Raise (trotz dem Abzug für seine Low Tech-Eigenschaft in der High-Tech-Umgebung!) kassiert der Anouk zwei weitere Task Tokens für das Aufgebot! Von Maiqaroobas Muskelbergen auf die Reise gebracht, wird Shadrack Richtung Ziel geschleudert, landet, und krallt sich fest. May B. allerdings hat eine Kreuz-Karte, und damit geschieht in dem Moment eine Complication: Sie lässt sich in dem Moment von Maiqarooba und Zamantha durch die halb offene Frachtluke helfen, als ein greller Laser-Warnschuss von den Militärschiffen direkt an der Explosivo vorbei zischt. Das Raumschiff schwankt umso stärker, und die Hexe trudelt statt zur Vostros hinaus in Richtung Unendlichkeit des Alls! Über Funk hört man ihren entsetzten Schrei in allen Helmen. Sie braucht all ihre Körperbeherrschung, um noch einmal Zamanthas ausgereckten Arm zu fassen zu bekommen. Diese hat sich weit aus der Luftschleuse gehängt, um die Davontrudelnde zu packen. Gemeinsam schwingen sie herum, May kommt auf eine 14 bei Athletics, (trotz Abzug für die Complication), und beide werden an die Hülle der Vostros heran gebracht, statt hinaus ins Dunkel zu driften!



Aneinander geklammert landen beide Frauen präzise zwischen den Spacern aus der Pasadena II, die bereits ihre schweren Werkzeuge an der Außenhülle der Vostros in Stellung bringen. Die Complication ist überstanden, wenn auch mit dem Nebeneffekt, dass eine Person mehr ausgestiegen ist als geplant war. Dann ist noch Zamantha selbst am Zug. In dem Moment fühlt sie, dass sie Rex nicht mehr gehen lassen kann, entgegen dem, was sie bewusst denkt, und was sie vorhin auf Deadrock so abgeklärt May B. gesagt hatte. Sie packt ihn am Arm, und lässt nicht mehr los. Gleichzeitig sammelt sie sich jedoch, und sagt über Funk durch, „Keine Panik! Ich habe es mit May-Bee runter geschafft. Zusammenbleiben! Die Kräfte, die auf Banshee wirken, begleiten uns auch bis hier. Lasst Euch davon leiten“, und ihre ruhige Stimme erfüllt ihren Zweck, sie erreicht ein Raise bei Persuasion, und damit Task Token neun und zehn. Schon die halbe Miete nach nur einer Runde …!

Runde 2: Fourth Wall bringt die Explosivo behutsam wieder weg von der Hülle des größeren Schiffs, und fliegt einen Bogen, um die EXFOR dazu zu bringen, ihm zu folgen. Wahrscheinlich haben die Marines die Handvoll Leute in Raumanzügen noch nicht gesehen! Die Würfel beim Piloting-Wurf zeigen jedoch Schlangenaugen! Damit ditscht er fast gegen die Vostros und erreicht das Gegenteil des Beabsichtigten: Die Schiffe der Marines entdecken die Astronauten, die eifrig an der Hülle des Geisterschiffs arbeiten! Wir verlieren eins der zehn verdienten Task Tokens dadurch, das ist noch nicht so wild. Rex Shadrack klammert sich mit hämmerndem Herzen an die Außenwand der Vostros und an Zamanthas Arm, und hantiert erneut mit seinen aus dem Nichts erscheinenden Karten, diesmal, um die Fähigkeiten der 'Eadrock Hogs mit ihrem schweren Gerät zu unterstützen. Ein Spellcasting-Erfolg spielt ein einzelnes neues Task Token ein, die Handgriffe der Plünderer werden merklich etwas sicherer. Maiqarooba an Bord der vom Flugmanöver durchgeschüttelten Explosivo macht sich eilig daran, die Luftschleuse zu verlassen, zurück Richtung Cockpit. Er sammelt mit einem Athletics-Erfolg mehrere der klobigen Gegenstände aus der Schwerelosigkeit ein, die sich durch die Beinahe-Kollision eben gelöst haben. Bevor sie noch Fourth Wall um die Ohren fliegen. Er erhält damit ein Task Token. May B. hält sich bereit, in die Luke zu klettern, sobald sie vollständig aufgesägt ist, und verwendet die Zeit, um nach den EXFOR-Schiffen Ausschau zu halten. Mehrmals ziehen die Abgesprungenen hastig die Köpfe ein auf Warnung der Hexe hin.
„Haltet durch, Ihr habt es gleich geschafft!“, funkt Zamantha, „die eine Seite des Schotts ist lose, und wir haben gleich keine Angreifer mehr über uns!“ Ihr Persuasion-Raise spielt zwei Task Tokens ein, jetzt sind wir bei 14.

Runde 3: In dieser letzten Runde muss unsere Raum-Crew nur noch sechs Task Tokens einspielen, um den Dramatic Task zu gewinnen, sonst heißt es, in Faraway verschollen bleiben! Zwei Aktionskarten geben diese Runde schon mal weitere Complications an! Maiqarooba hat ein Auge auf die Blinklichter auf dem Ortungsschirm, die gerade eine komplexe Formationsänderung beschreiben, und hilft Fourth Wall und Kinraide, sie alle im Blick zu behalten, ergattert dank Notice-Erfolg ein Task Token. Fourth Wall hat die erste der ausgegebenen Complication-Karten; er würfelt abermals Piloting für Flugmanöver zur Ablenkung. Die Marines scheinen genug zu haben, und eröffnen das Feuer auf sein Schiff! (Das ist die Complication!) Aber nicht mit Fourth Wall — er dreht Desert Mantra noch einen Ticken lauter und fliegt so geschickt zwischen den Militärraumschiffen hindurch, dass nach Abzug durch die Complication immer noch ein Raise bleibt! Wir sind daher jetzt bei 17 Task Tokens! May B. ist als nächste dran, und sie hat die zweite Kreuz-Karte. Das Schott wird lautlos abgesprengt, und der Weg in die Vostros steht offen, sie hört über Funk ihr Stichwort von den Plünderern, „Go, go, gooo!“, und will sofort ins Innere klettern, aber wird dabei von weiteren sich lösenden Metallteilen aus dem aufgebrochenen Schacht getroffen. Eins davon wird gegen ihr Visier geschleudert, und feine Risse ziehen sich durch ihr Sichtfeld. Sie gibt all ihre Bennies aus für ihren Athletics-Wurf, um trotz der -2 einen Erfolg zu schaffen … und der vierte Anlauf endlich beschert ihr diesen Erfolg, jetzt sogar mit Raise. Sie ist die erste der Astronauten, die gewandt im Inneren verschwindet. Rex Shadrack atmet tief durch, und klettert mit Zamantha hinterher. Er erhält einen einzelnen Erfolg, der aber das zwanzigste Task Token einbringt.

Auf die letzten Meter wurde es noch einmal knapp, aber die Crew hat den Dramatic Task hiermit geschafft. An Bord der Explosivo übernimmt Kinraide das Funken, und grüßt die EXFOR-Schiffe, erklärt in beschwichtigender Stimme, das dies alles ein Missverständnis gewesen sei, ein reiner Erkundungsflug. Von den angeblichen Astronauten unten wisse man nichts, und man habe auch gar keine gesehen.

Gleichzeitig arbeiten eben diese Astronauten sich tiefer durch den engen Schacht, bis sie eine Reihe von alten Luftschleusen erreichen. Hier gibt es schließlich normalen Druck und restliche Atemluft, nicht kontaminiert laut den Messgeräten. May B. reißt ihr rissiges Visier hoch, sie hatte bis eben ängstlich die Luft angehalten. Zamantha nimmt die Haarrisse in Augenschein, und sagt mit fester Stimme, dass die ungefährlich sind, „... die stören Dich zwar in Deinem Blickfeld, aber es kann keine Luft entweichen, das sind nur Haarrisse, das kann das Panzerglas ab. Glück gehabt.“
Auch ein paar der anderen klappen vorsichtig ihre Visiere hoch, als sie sich umsehen. Yukos Gesicht ist käseweiß, sie scheint von ihren schrecklichen Vorahnungen wie gelähmt zu sein. Das Dröhnen der Antriebe klingt wie tausend zischelnde Manitous für Rex und May B., sie haben dieses Geräusch nicht vergessen. Sie bilden sich beide für einen Moment ein, ganz leise, von weiter Ferne das hohe Sirren zu hören, das die Zeitportale beim letzten Mal erzeugt hatten, ganz fern, aus den tiefen, kalten Windungen der verfallenen Gänge des Raumschiffs Vostros
„Was machen wir jetzt mit Dir, Zamantha?“, lässt sich Shadrack vernehmen.
„Sie hat mich gerettet! Wenn sie sich nicht rausgehangelt hätte, damit ich noch ihre Hand erreiche, wäre ich jetzt auf einem einsamen Driftflug in die Unendlichkeit“, haucht die Hexe. Fourth Wall hat ihr mal beschrieben, was dann passiert, und dass es fast unmöglich ist, rechtzeitig von einem Schiff lokalisiert und geborgen zu werden. Kurz scheint der Boden unter ihren Füßen zu schwanken bei dieser Vorstellung.
„Alles ganz einfach“, wiegelt Zamantha ab, „ich gehe mit den 'Eadrock Hogs mit. Nachdem wir die Zeitanomalie gefunden haben und Ihr beiden dadurch verschwunden seid, kehren wir mit der Beute zur Pasadena II zurück.“
Alle wechseln kurze Blicke, und nicken sich dann hastig gegenseitig zu.
Explosivo!“, keucht schließlich May B. in ihr Headset, streicht sich verschwitzte, schwarze Haarsträhnen aus der Stirn, „wir sind an Bord! Wir wagen uns jetzt weiter vor!“
« Letzte Änderung: 14.07.2024 | 21:26 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #232 am: 14.07.2024 | 22:15 »
Wir spielen erneut eine Mission mit dem Material aus der Derelict-Ship-Box von Shadows of Brimstone. (Ich hätte Bock, die Mission ‚The Captain’s Log’ zu spielen, um herauszubekommen, wo im Weltraum die Vostros denn 13 Jahre lang war, bevor sie nach Faraway zurückgekehrt ist, aber diese Aufgabe ist womöglich für ein zukünftiges Aufgebot von Einheimischen.) Also wird ein selbst definiertes Missionsziel verfolgt: Das Aufgebot muss nach Exploration Tokens suchen, die ein Clue-Symbol aufgedruckt haben. Das erste solche Symbol lässt sie einen Zugangscode finden, das zweite ein Computerterminal, wo sie mit diesen Zugangsberechtigungen Hitzesignaturen an Bord messen können, um ein Dimensionstor zu erahnen, und das dritte solche Exploration Token repräsentiert die Zeitanomalie selbst.

Mögliche Encounter sind hier Void Spiders, Skeletal Walkin‘ Dead, Necronauts, BEACON-Dronen, je zufällig ausgelost, und das außerirdische Monster Longskull, dessen Erscheinen Yukos Albträume vorausgeahnt haben. Longskull wird erst als Endgegner in dem Raum erscheinen, wo die Exploration Tokens vorgeben, dass das Zeitportal sich befindet.

Die Barrieren der stofflichen Realität an Bord der Vostros sind auf unerklärliche Weise instabil, und nahe am Zusammenbrechen. Daher repräsentieren im Verlauf der Mission solche Exploration Token, die ein Portal-Symbol aufgedruckt haben, Dimensionsübergänge in noch andere Realitäten — Cynder, Hyperborea, die Ewigen Jagdgründe, oder noch absurdere Welten. Im Interesse ihres Missionsziels müssen die Wild Cards solche Portale natürlich meiden.

Ich würde das Ganze ja gerne mit vernünftigen Sci-Fi-Miniaturen spielen, immerhin tragen unsere Helden gerade Raumanzüge, aber das vorzubereiten ist für diese eine Mission vielleicht etwas aufwändig. Also nehmen wir die regulären Figuren für Rex und May, und eine Figur von Freebooters Fate für Zamantha, die Raumanzüge und Geräte muss man sich dazu denken. (Ganz und gar nicht immersiv, aber was will man machen!) Zwei NSCs aus der Plünderer-Crew schicken wir ihnen als Allies mit, die sehen immerhin passend aus (die hatte ich eigentlich für meine Fading-Suns-Kampagne vorbereitet, und sie werden für diesen Auftritt hierher ausgeliehen).

Derelict Ship
Steuerloses und heimgesuchtes Sternenschiff in den Weiten des Raums — Furchtlevel 5

Die Vostros hat so wie bei den letzten Malen künstliche Schwerkraft, obwohl sie nicht im Gravity Drive fliegt. Die 'Eadrock Hogs und die Wild Cards überprüfen ihre Messgeräte und teilen sich also auf, die einen gehen den Frachträumen entgegen, die anderen den versiegelten Bereichen, hinter denen sie den Spuk und die Zeitanomalien vermuten. Zwei Spacer aus der Plünderer-Crew schließen sich als Verstärkung unseren Helden an, ein großer Lulatsch mit Kettensäge namens Brugan und eine Punkerin mit Flammenwerfer namens Pyra. (Beide haben W6 für ihre Skills, und sind keine Wild Cards.) Fourth Wall in der Explosivo ist über Headset-Funk zugeschaltet.



Runde 1: Zamantha Muroa hat einen Suchscheinwerfer in der einen Hand und leuchtet vorsichtig umher, hier gibt es fast keine künstliche Beleuchtung mehr, und man hat den Eindruck, die Dunkelheit aus den Tiefen des Geisterschiffes würde den Plünderern entgegen kriechen. Das Dunkel rückt eine Position vor auf dem Depth Track. May B. bekommt einen Joker als Aktionskarte, das bedeutet seit ihrem Aufenthalt auf der Planetenoberfläche von Banshee, dass ihr neuer Vorteil Power Surge auslöst. Ein unerwarteter Windstoß aus synthetisch gefilterter Luft fegt heftig durch den Raumschiffgang, und ein unnatürlicher Glanz scheint kurz in den Pupillen der Hexe: Die Energien der Manitous an Bord füllen ihre psychischen Reserven schlagartig wieder auf. Sie ist selbst überrascht, aber fühlt sich energetisch, und wagt sich weiter vor. Shadrack winkt den beiden Plünderern, ihr zu folgen, seine eine Hex Gun nervös erhoben. Vor ihnen erscheint eine T-Kreuzung. Zamantha beeilt sich, um sich an seiner Seite zu halten.

Runde 2: Zamantha leuchtet präzise in beide Richtungen der T-Kreuzung, und diesmal rückt das Dunkel nicht vor auf dem Depth Track. Ihre Aktionskarte ist auch als erste dran, und sie entscheidet sich für die rechte Abzweigung, wo eine kurze Passage weiterführt. Rex hält sich bei ihr, und zielt in den dunklen Gang, aber nichts regt sich vor seinem Pistolenlauf.
„Sagt schon, was seht Ihr?“, meldet sich Fourth Wall ungeduldig über Funk.
May B. und die beiden Spacer folgen, die Hexe hält verzweifelt Ausschau nach Computerterminals, die ihnen womöglich den Weg weisen können.
„Bisher ist alles ruhig“, funkt sie zurück, „wir werden alles durchkämmen müssen ...“

Runde 3: Das Dunkel rückt auch diese Runde nicht vor, gebannt von Zamanthas Scheinwerfer. May B. hat erneut einen Joker, und der überraschende, unwirkliche Windstoß erfasst sie erneut, ihre Nackenhhare sträuben sich unter ihrem Raumanzug und sie wird zitterig vor Anspannung (aber mehr als voll können ihre Powerpunkte nicht sein). Sie erreicht eine größere Halle, und funkt: „Hier ist eins der Lade-Docks dieser Sektion“, und hier wartet das erste Exploration Token. Die Hexe würfelt erfolgreich zum Sachensuchen, und liest ein Buch vom Boden auf: Es ist eine alte Bibel. Die anderen vier treten vorsichtig an ihr vorbei, und Zamantha leuchtet im Frachtraum umher.



Das Exploration Token wird aufgedeckt, und gibt an, dass es hier gleich zwei Ereignisse gibt und ein Schott nach links weiter führt. Ein riesiges Hologramm flackert auf und füllt die gesamte Halle mit seinen blau leuchtenden Schemen: Faraways Weiten werden dreidimensional in die Halle projiziert, mit den Orbits von Banshee, Chanoukara, und anderen Planeten, dem Belt, Tunnel Station, und vielen Raumstationen und einzelnen Schiffen. Raumflugrouten blinken dazwischen wie ein feines Netz. Die Betrachter staunen mit offenen Mündern.



Gleichzeitig schließt sich selbsttätig das Schott zur Linken, mit einer der Sicherheits-Falltüren, wie das Aufgebot sie beim letzten Mal schon an Bord gesehen hat: Die altersschwachen Systeme der Vostros nehmen eine automatische Notfall-Verriegelung vor.



Runde 4: Zamantha und May B. beginnen die Runde gemeinsam mit gleich hohen Karten, sie schalten also am schnellsten, spurten zu der zischenden Falltür, und klemmen eilig Schrottmetall darunter, bevor sie sich ganz schließen kann. Ihre Strength-Würfe können sich sehen lassen, und sie haben das Schott überwunden!
„Das ist dann auch der Grund für die Abschottung“, funkt Rex Shadrack keuchend, denn hinter der zischenden, ächzenden Stahltür entdecken die Helden einen großen, kuppelförmigen Raum, „hier drin ist Heizraum der Vostros. Wie nennt Ihr das heutzutage? Ihr Gravity Drive.“ Alles hier ist in violettes Licht getaucht, und das Dröhnen der Antriebe erfüllt monoton die kalte Luft.



Das Exploration Token hier drin gibt an, dass sich ein temporäres Portal im Antriebsraum aufgetan hat, und dass außerdem ein Angriff stattfindet! Aus dem blauen Wirbel kommen gerade feucht glänzende Leiber von Void Spiders gekrabbelt, offensichtlich angelockt von den Bewegungen der Eindringlinge im Geisterschiff. Ein Terror-Wurf wird nötig angesichts der schnappenden Mäuler, mit dem heftigen Abzug durch das Furcht-Level der Vostros, und Rex, Zamantha, und Pyra schaffen es nicht. Rex verliert vor Nervosität die Übersicht und ist Distracted, die beiden Mädels erstarren vor Schrecken und sind Shaken.



Runde 5: Das Dunkel rückt vor auf dem Depth Track, gerade thematisch passend. Rex Shadrack beginnt, er tritt einen Schritt weiter in den Antriebsraum hinein, und verwendet Fan the Hammer, um trotz Distracted-Marker vier Spinnen in Stücke zu schießen. Daraufhin sind die verbleibenden Außerirdischen dran, und schwärmen auf Pyra und den Hexslinger zu. Beide weichen dem Schnappen der Mandibeln und dem Stechen der Vorderbeine aus, nur ihre Raumanzüge werden davon zerkratzt. Die Punkerin schreit angewidert, schüttelt ihre Angststarre ab, und lässt mehrere panische Feuerstöße los aus ihrem Flammenwerfer, die aber keine der grotesken Leiber am Boden und an den Wänden treffen. Ihr Kumpane Brugan ballert mit seinem Revolver, und er verfehlt nicht nur, er hat eine eins: Damit streift sein Schuss auch noch Pyra! Ich frage die Orakelwürfel nicht ohne Unbehagen, ob er zumindest die Rückentanks ihres Flammenwerfers verfehlt? Die bestätigen glücklicherweise. Die Punker-Plündererin wird am Arm gestriffen, und ist wieder Shaken. May B. schließt auf und zerschießt zwei der ekelhaften Krabbeltiere zu Rex‘ und Pyras Füßen. „Fourth Wall, hier sind wieder Void Spiders!“, schreit sie in ihr Headset, „und wo die sind …“
Zamantha erholt sich von ihrem Shaken, und funkt ihrerseits, „Pyra, behalt‘ die Nerven, geh‘ zurück, um zu zielen!“, und generiert dem NSC so einen dicken Support-Bonus.

Runde 6: Der Hexslinger zieht mit Quick Draw sein anderes Schießeisen und durchlöchert die beiden Monster zu seinen Füßen und schießt das verbleibende vor Pyra an. May B. gibt diesem Exemplar den Rest, und wagt sich mit qualmendem Colt weiter, auf das bläuliche Glühen des transdimensionalen Wirbels zu.

Runde 7: Das Dunkel rückt vor auf dem Depth Track, während der Handscheinwerfer unkoordiniert durch die Kuppelhalle tastet. Die Hexe erreicht die Öffnung, und eine World Card wird gezogen (wie nach den normalen Regeln aus Shadows of Brimstone). Statt einer anderen Realität erblickt May B. jedoch einen anderen Bereich der Vostros, scheinbar noch baufälliger als die Gänge in dieser Sektion. (Ich habe zufällig die World Card für das Derelict Ship gezogen, also ist dieses Portal nur eine Abkürzung an Bord.)
„Die Wirklichkeit beschreibt hier so eine Art Kehrtwende …“, stammelt May B. in ihr Headset, „hier geht’s nur in irgendwelche anderen Korridore …“, und sie muss unwillkürlich an Lord Grimeley‘s Manor denken, das sie und die Indianer in Gomorra eines nachts observiert hatten.
„Dann zurück zur T-Kreuzung!“, kommandiert Shadrack, „keine unnötigen Risiken!“
Er vertreibt mit großer Konzentration den Gedanken aus seinem Bewusstsein, was wäre, wenn die Messergebnisse, die das Phantom vom Chacona Mountain ihnen weitergegeben hatte, durchaus auf Portale hinweisen — aber nur auf Portale die sinnlos zwischen einzelnen Sektionen des Geisterschiffes hin und her führen, und nicht etwa zurück nach 1876?

Runde 8: Zamanthas Lichtkegel hält erfolgreich das Dunkel zurück. May B. hat durch eine erneute Jokerkarte ihren dritten Power Surge während der Mission, aber sie ist ja immer noch voll, vielleicht sollte ich mal beginnen, sie Powerpunkte verbrauchen zu lassen! Im Vorbeistürmen zerreibt sie getrocknete Kräuter zwischen den Fingern ihres schweren Raumhandschuhs, und wirkt Boost Shooting auf alle in der Gruppe (außer Zamantha, die verwendet höchstens ihre Wurfscheibe).

Runde 9: Krasse Sache, May B. erhält schon wieder einen Joker, damit sind ihre Powerpunkte wieder auf 15 und der Boost Shooting-Hexenspruch eben war tatsächlich gratis. Die Energien des Reckoning scheinen durch alle Schaltkreise der Vostros zu fließen, aus den stählernen Bodenplatten unsichtbar zu ihr zu fluten, und ihr immer wieder neue Kraft zu geben. Während sie neben den anderen her joggt, zeichnet sie heidnische Schutzzeichen über ihnen und sich selbst in die Luft, und wirkt Protection auf alle, kommt auf ein Raise.
Rex und die beiden Plünderer erreichen eine größere Halle, eine Art verlassenes Habitat. Das Exploration Token hier drin zeigt ein weiteres Portal an, ein Ereignis, und den ersten unserer drei benötigen Clues! Zu den Füßen von Plünderer Brugan luegen die skelettierten Leichen einiger Offiziere. Einer hat einen Datenspeicher um den Hals hängen, der in der geringen Schwerkraft beinahe lockend den Eingetretenen entgegen schwebt an seiner Halskette.
„Das ist der Berechtigungscode von dem!“, lässt sich Brugan vernehmen, und pflückt den Datenspeicher von der Kette ab.
Zwei Cryo-Kabinen sind in eine der Wände eingelassen, beide verkrustet mit einer weißen Schicht aus künstlichem Eis. Das Glas scheint rissig. Ob dort drunter noch jemand die Zeit lebendig überdauert hat? Von rechts wogt das durchdringende, blaue Glühen eines Portals heran.

Runde 10: Das Dunkel rückt diesmal wieder vor, es kreucht ölig schwarz aus den Ecken des baufälligen Raumschiffs. May B. erreicht zitternd das Portal, und späht mit erschreckter Faszination hindurch: „Bei allen Vorsehungen“, ächzt sie ungläubig, „das ist nicht die Vostros, aber auch nicht die Erde!“
Vor ihren Augen erstreckt sich die von Eis überzogene Einöde eines düsteren, toten Planeten. Graublaue Schneewolken ziehen tief darüber hinweg. Unter dem Eispanzer ragen gewaltige, zyklopische Ruinen einer unfassbaren Stadt-Landschaft auf. Sie sind nicht aus Stein — es waren irgendwann einmal Maschinen, von unbekannter Bauart. May B. Wickett schüttelt hilflos den Kopf, um den außerweltlichen Anblick nicht an sich heran zu lassen, gleichzeitig kann sie den Blick nicht abwenden.



Eine vergessene Welt, nicht die Erde, nicht Banshee ...


(Sie ist dem sagenumwobenen Plateau von Targa ansichtig geworden, aber hat natürlich keine Vorstellung davon, was das ist!)
„Dann schnell zurück, May B.!“, bellt Shadrack in sein Headset, "jetzt können wir nur noch durch das andere Portal, und uns innerhalb der Vostros versetzen lassen!“
Stimmt. Unsere Crew hat mit dem Weg hierher nur Zeit verschwendet, während das Dunkel gnadenlos voranrückt!

Runde 11: Unsere Helden hetzen also zurück zur Antriebshalle, hinter der das erste Portal wartet. May B. reißt sich unter Aufbringung all ihrer Willensstärke von dem fremdartigen Anblick los, und rennt als Schlusslicht hinterher.

Runde 12: Die Hexe zieht ihren vierten Joker als Aktionskarte, und die Mächte des Geisterreiches füllen ihre Reserven erneut auf! Der unerklärliche, synthetische Wind aus den Lebenserhaltungssystemen umwirbelt sie mit lautem Tosen, während sie weiterrennt. „Ich bin hinter Euch“, japst sie in ihr Funkgerät, als sie die Antriebshalle erreicht. Weitere Kräuter zerreibend und unverständlich wispernd wirkt sie erneut Boost Trait, und erhöht den Spirit-Würfel aller Crewmitglieder um eine Klasse. (Der nächste Terror-Wurf kommt bestimmt!) Alle fühlen sich auf unerklärliche Weise schlagartig determinierter, trotz der ominösen Umgebung.
Zamantha zieht Rex am Arm, und joggt dicht gefolgt von ihm durch das blaue Lichtportal. Sie finden sich, dicht gefolgt von Brugan und Pyra, in einem engen, finsteren Wartungsgang wieder. Der alternde Raumschiffstahl knarrt und ächzt, und Rostbrocken rieseln gelegentlich von der Decke. Zamantha hebt mit zitternden Händen den Scheinwerfer höher.
"Wir sind irgendwo anders innerhalb der Vostros", gibt Pyra nervös über Funk durch, "kann nicht mehr sagen, wo, meine Anzeigen spinnen gerade!"



Runde 13: Vor ihnen erscheint eine Plus-Kreuzung. Flackernde Warnlämpchen blinken am Boden vor sich hin, scheinbar schon seit sehr langer Zeit. Das Scheinwerferlicht drängt das Dunkel zurück. Pyra liest ein einzelnes Ghost-Rock-Nugget aus dem Unrat am Boden auf. May B. wirft sich ebenfalls durch das Portal, und wankt den anderen hinterher, in den korrodierten Wartungsgang.

Runde 14: Leichtfüßig überholt May B. die anderen, und berichtet mit zitternder Stimme Fourth Wall über Funk: „Wir sind alle wohlbehalten durch das erste Portal. Rücken vor in die fremde Sektion …“
Sie biegt auf der Plus-Kreuzung rechts ab. Vor ihr macht der Wartungsgang einen Knick nach links. Zamantha leuchtet in den Raum dahinter: Der Scheinwerfer tastet über Computerterminals. Hier ist einer der Sicherheits-Kontrollräume. Von irgendwelchen Crewmitgliedern natürlich auch hier keine Spur mehr.
Wie passend: Auf dem Segment mit den Illustrationen von Computerterminals erwartet uns das Exploration Token mit dem zweiten Clue-Symbol, hier können wir also die Hitzesignatur des richtigen Portals lokalisieren!
In diesem Moment fällt mit einem dumpfen Dröhnen die künstliche Schwerkraft aus.
« Letzte Änderung: 15.07.2024 | 00:04 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #233 am: 14.07.2024 | 23:10 »
Runde 15: Zamantha hangelt sich verbissen tiefer in den Raum hinein, auf die Computerschirme zu, gefolgt von den anderen. May B. durchsucht neugierig den Kontrollraum im Schweben, aber hier scheint nichts mehr von Wert zu sein außer ein paar Klimperdollars aus den Taschen längst skelettierter EXFOR-Marines.

Runde 16: Das Dunkel auf dem Depth Track rückt vor, und nun hören alle Crewmitglieder das unverkennbare Zischeln und Flüstern der unsichtbaren Manitous. Nicht zu fassen, May B. bekommt gleichzeitig ihren fünften Joker ausgeteilt! (Mit ihren Vorteilen Quick und Level Headed bringt sie auch pro Runde durchschnittlich vier Aktionskarten durch statt einer, von denen die höchste zählt, was ihre Chancen auf einen Joker tatsächlich erhöht, das klappt besser als gehofft.) Erneut werden ihre Powerpunkte aufs Maximum aufgefüllt! Pyra und Shadrack hangeln sich bis in Reichweite der Terminals, geben die Crew-Kennung des EXFOR-Offiziers ein, und tippen hektisch auf den Konsolen.
"Das klappt", knurrt die Punkerin, "wir kriegen Zugriff auf die Messergebnisse der Bordsysteme!"
May B. entledigt sich eines Handschuhs und des zerbrochenen Helms, und fummelt die Salbendose aus einer ihrer Außentaschen, schmiert mit der Flugsalbe ihren Hals, Nacken, und Wangen ein.

Runde 17: May B. atmet tief den Geruch ihrer Flugsalbe ein, und wirkt ihre Hexenkunst Fly. Sie erzählt ein Raise, und kann nun telekinetisch durch die Schwerelosigkeit fliegen. Vor ihr nähert sich das gelbliche Treibhauslicht eines der hydroponischen Gärten.
Shadrack funkt aufgeregt, „Es gibt hier ungewöhnliche Hitzesignaturen an Bord — die zwei von eben, aber auch noch weitere!
Pyra fügt aufgeregt hinzu, „May B., die eine Signatur ist direkt vor Dir …“
Der Weg scheint demnach zu stimmen! Die anderen hangeln sich mühsam der fliegenden Hexe nach, auf das gelblich beleuchtete Treibhaus zu.
Das Exploration Token wird aufgedeckt, und es zeigt tatsächlich das dritte Clue-Symbol. Außerdem ist auch hier die künstliche Schwerkraft ausgefallen. Das ist umso dramatischer, denn in diesem Raum lauert Longskull!

Runde 18: May B. fliegt übermütig lachend über die verwilderten Beete im hydroponischen Garten hinweg, beschreibt einen Bogen, und sieht das blaue Leuchten des Dimensionsportals genauer. Davor sieht sie jedoch den farblosen, außerirdischen Koloss mit dem überlangen, knochigen Schädel, der sich ihr gurgelnd entgegen hangelt wie ein überdimensionierter Gorilla!
„Bei allen Vorsehungen“, bringt May B. keuchend hervor, „Longskull!“


🌵Longskull
Manifested as an alien lifeform, this otherworldly behemoth actually is a creature from the Hunting Grounds, spawned by dark legends the Anouks tell among themselves.
Attributes: Agility d8, Smarts d4, Spirit d6, Strength d12+2, Vigor d12+4
Skills: Athletics d8, Fighting d10, Intimidation d10, Notice d6, Stealth d4
Pace: 8 (d8 Running Die), Parry: 7, Toughness: 17 (4)
Special Abilities:
• Alien Physiology: Longskull gets +2 to recover from being Shaken. Called Shots do no extra damage.
• Armor (4): Thick chitinous plates and leathery skin give this lifeform Armor 4.
• Bite/Claws: Str+d8, AP 2
• Bone Blade: Str+d10, Reach 1
• Eyeless Sight: This creature gets no vision penalties whatsoever (Illumination, fog, blindness, etc.).
• Fear (-1): Longskull causes Fear checks at -1.
• Rabid Frenzy: Longskull may roll three Fighting dice with any of his Bite, Claw, or Bone Blade attacks for the turn. His Wild Die may be used instead one of these Fighting Dice as usual. The extra dice may be allocated to the same or different targets. Each is resolved seperately.
• Size 3: This juggernaut has Size 3.


Sie besteht ihren Terror-Wurf mit ihrem geboosteten Spirit-Würfel. Sie zielt mit ihrer Hexengeste auf das transdimensionale Monstrum, und schickt ihm einen dunkelblauen Blitz entgegen. Dank Extra-Power für Extra-Schaden und Panzerungsdurchschlag macht der Blitzbolzen das Biest Shaken, seine feuchten Panzerplatten qualmen, der Gestank ist entsetzlich.

Schön dumm, dass gleichzeitig alle anderen Charaktere im Computerraum in der Schwerelosigkeit festhängen! Rex Shadrack hat plötzlich Spielkarten in der Hand, und zischt Pyra zu, „Wenn Du in Sicht des Scheusals bist, Feuer frei!“, und wirkt Telekinesis. Er schiebt mühelos mit unsichtbarem Griff die Punkerin durch die Schwerelosigkeit, der Hexe hinterher, positioniert sie im Treibhaus. Pyra kapiert gar nicht, wie ihr geschieht, aber sie sieht sich urplötzlich Longskull gegenüber. Trotz gesteigertem Spirit-Würfel packt sie den Terror-Wurf nicht. Sie hat aber Glück mit dem W20: Ihr Kampfreflex übernimmt sie, ohne nachzudenken hält sie auf das Alien drauf mit ihrem Flammenwerfer! Der Koloss wird von Flammen eingehüllt — und tastet sich rußüberzogen hindurch, ohne verlangsamt worden zu sein!



Die Miniatur für den Bosskampf habe ich aus einer der
Erweiterungen von Zombicide: Invader



„Was zum Grinch ist denn da los, was soll das Geschrei?!“, funkt Fourth Wall aufgeregt.
„Das ist Longskull! Das Ungeheuer aus Yukos Albträumen!“, funkt Brugan mit panischer Stimme zurück.
Shadrack, Zamantha, und Brugan versuchen hangelnd in Sicht zu kommen, um helfen zu können. Zamantha funkt verzweifelt May B. an, „May-Bee, jetzt liegt es an Dir! Wir zählen auf Dich!“, und gibt ihr einen Support-Bonus.
Longskull hangelt sich schwerfällig näher, Rußflocken lösen sich schwerelos von seinen Chitinplatten. Was auch immer für eine Wirklichkeit es ist, aus der er stammt, auch er ist nicht an die Schwerelosigkeit gewöhnt. So kommt er nicht nahe genug heran, um seine übergroße Knochenklinge an seinem Unterarm auf die Menschen nieder fahren zu lassen. Statt dessen würfelt er Intimidation: Sein heiseres Brüllen schüchtert Pyra ein, sie wird Distracted.

Runde 19: Die Hexe tut wie von Miss Muroa geheißen, und wirft dem Alien einen weiteren blauen Blitz entgegen. Der Schaden ist ordentliche 16 ... und ich brauche aber 17, um Longskull erneut überhaupt nur Shaken zu machen! Einmal pro Abenteuer darf May B. aber das Amulett des Heinghal verwenden, um einen Schadenswurf um +1W6 zu erhöhen. Diese Gelegeheit ist jetzt, es erglüht unter ihrem Raumanzug und versengt mit seiner Hitze ihr Schlüsselbein. Der Extra-W6 zeigt zweimal eine Höchstzahl, jetzt ist ihr Schadenswurf 28! Das sind zwei Wunden, die der lebende Panzerschrank beide mit einem Benny absorbiert.



Pyra hat einen Distracted-Marker, aber das ist nicht das eigentliche Problem, jetzt wo Longskull in Nahkampfreichweite kommt


Damit erreicht der Koloss die auf der Stelle schwebende Pyra, trifft sie rasend schnell mit einer Klaue und beißt sie dann mit den Kiefern entzwei. Einzelne Glieder und der Flammenwerfer drehen sich um sich selbst, verteilen rote Tropfen in der Schwerelosigkeit. May B. schreit wie am Spieß. Zamantha ist immer noch dabei, sich näher zu hangeln, und wird jetzt dem Gegner ansichtig, sie keucht tonlos, und wird Frightened für den Rest des Kampfes. Sie schleudert ihren Atax-Diskus auf das Monstrum, ritzt seine ölige Lederhaut damit, aber macht keinen Schaden.
Rex schafft dank May B.s Hexenkünsten den Terror-Wurf. Er konzentriert sich und lässt die Runen auf dem Lauf seines Hexschüssers aufleuchten, aktiviert Runenkugeln mit den Effekten Ghost Bullet und Loaded for Bear, hat also W8er als Schadenswürfel, und AP 6.
„Du hast Pyra gesnackt, ich werd‘ Dich killen!“, brüllt Brugan zornig, und ballert auf den Außerirdischen, aber trifft nicht einmal.

Runde 20: Das Dunkel auf dem Depth Track rückt vor. Entgegen jeder Wahrscheinlichkeit erhält May B. den sechsten Joker als Aktionskarte: Feine blaue Blitze umspielen ihre fliegende Gestalt, irrlichtern durch ihre schwarze Mähne, ein unerklärlicher Sturmwind umgibt sie. Das kommt wie gerufen, denn ihre Powerpunkte waren gerade verbraucht. Sie kommt mit ihrem panzerungsdurchschlagenden Blitz auf 31 Schaden, und fügt Longskull dadurch drei Wundlevel zu, mit seinem zweiten und letzten Benny negiert er eins davon. Panzerplatten werden in alle Richtungen abgesprengt, es stinkt nach verschmortem, außerirdischen Fleisch! Anmutig fliegt die Hexe einen Bogen, hinter den Rücken des Koloss, zum Portal.



Shadrack und Brugan stehen Longskull gegenüber für dessen letzten Kampf


„Schöne Grüße aus dem Alten Westen, Weltraum-Gezücht!“, knurrt Rex Shadrack durch gefletschte Zähne, und ballert zwei Baseball-große Löcher mit seiner panzerbrechenden Runenmunition durch Torso und Schädel des Riesen. Qualmend überschlägt sein Kadaver sich in der Schwerelosigkeit!

Runde 21: Loot gibt’s natürlich auch für bestandene Bosskämpfe. Aber wo sind die Wertsachen? May B. tranchiert das gefallene Ungetüm angewidert mit ihrer Machete, und findet neben schleimigem Mageninhalt den Laserblaster eines Recken, der früher irgendwann mal Longskull entgegen getreten ist, und dem es ähnlich ergangen ist wie Pyra eben.



Ein Laserblaster ist eins der wenigen Andenken an diesen Kampf


Sie setzt nach getaner Arbeit dem Kadaver den Stiefel auf den Brustkorb, um mit aller Kraft ihre Machete aus dem öligen Fleisch wieder herauszuziehen; Longskulls Überreste schweben rotierend langsam weg von der Hexe, verteilen leuchtend grüne Gedärme in der kalten Luft.
Ja, das sind unerwartet schlechte Aussichten für die Begleiter von der Pasadena II. Ich lasse die Orakelwürfel entscheiden, was der überlebende der beiden Spacer zu tun gedenkt, und die sind sehr klar: Brugan stößt sich von der Kuppelwand ab, und kommt auf May B. zu geschwebt, und auf das Portal. „Vergesst alles!“, keucht er, „Fourth Wall, sag‘ den 'Eadrock Hogs, dass Pyra tot ist, und lebwohl von mir!“
„Was hat das zu bedeuten, Brugan?!“, bringt Zamantha hervor, „Du wirst mich zurück zu Deiner Crew bringen! So war der Deal!“

Runde 22: „Sind Sie irre, Miss Muroa?! Ich gehe doch nicht allein mit Ihnen zu den Spinnen, Leichen, und wer weiß was da noch lauert! Nicht ohne Pyra!“, schreit der dicke Brugan panisch, und wirft sich ohne ein weiteres Wort durch das glosende Dimensionstor. Shadrack sieht ihm mit offenem Mund perplex nach. Dann wechselt er einen Blick mit seiner Zamantha.
„… Dann wirst Du mich zurück eskortieren müssen zur Pasadena II, Rex“, ordnet Zamantha streng an, „oder eben in Deine Heimat!“
Er mustert sie mit einem festen Blick, dann nickt er. Er schaut auf den Fächer aus Pokerkarten in seiner Hand, zieht sich mit Telekinesis auf das Portal zu, umschlingt im Vorübergleiten ihre Hüfte mit dem freien Arm, und bringt sie beide präzise durch das Portal hindurch.
„Na, wer hätte das gedacht!“, sagt May B., „damit sind wir alle raus! Ey, Fourth Wall, hörst Du mich noch? ... Lebt wohl! Danke Euch! Wir werden Euch nie vergessen!“
Und damit wendet sie sich um, und fliegt durch das blaue Portal durch Zeit und Raum.
« Letzte Änderung: 14.07.2024 | 23:12 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #234 am: 18.10.2024 | 13:09 »
„Hey, John!“, sagt Luca Byrd plötzlich, während er das Fernrohr sinken lässt, und wendet sich grinsend zu seinem Indianerfreund um, „frohes neues Jahr!“
John Bloody Knife erwidert den Blick des Bleichgesichtes, mit steinerner Mine.
„Hatte ich heute morgen ganz vergessen, zu sagen!“, erklärt Byrd, und hält das Fernrohr wieder vor das Auge, „immerhin ist heute der erste Januar!“
„Was bedeutet Dir das, dummer, weißer Mann?“
„Dass ab heute ein neues Jahr ist, Pardner! Ab heute ist ja das Jahr 1877! Und da wünscht man sich doch ein frohes Neues!“
Der Atem vor Byrds Gesicht wird zu weißem Dampf, während er spricht. Es ist lausekalt, aber die höher steigende Sonne hilft etwas. Sie wird zwar die dünne Schicht aus Schnee auf der Prärie nicht schmelzen, aber ihre Wärme tut den beiden Lauernden gut, wie sie da flach auf dem Felsen liegen, sie vertreibt etwas die Kälte aus ihren Armen und Beinen.
Unter ihrem Ausguck haben sie klare Sicht auf das gemächliche Treiben bei dem neuentstandenen Gebäude hier draußen in der Einöde. Die Arbeiten sind offensichtlich bereits so gut wie abgeschlossen …!



Das neuerrichtete Army Fort im Gomorra Valley


„Ziemlich waghalsig von den spinnerten Grauröcken, hier einfach ein verdammtes Fort in die Landschaft zu stellen!“, sagt Luca Byrd mit grimmigem Lächeln.
„Das sind aber nicht genug Graurock-Krieger, um Gomorra einzunehmen“, kommentiert John, „und ich bezweifle, dass allzu viele weitere hierher kommen werden. Sie haben ja nirgendwo genug.“
„Ja …“, plichtet Byrd gedankenverloren bei, während er durch das Fernrohr späht, „aber irgendwas sagt mir, Pardner, dass die Soldaten gar nicht vorhaben, Gomorra zu stürmen. Die haben das hier vor allem gebaut, um einen Stützpunkt für wen ganz anderen zu haben …“
„Nur für wen?“, fragt John, aber fügt dann hinzu, „So, Du meinst diese dort?“
Byrd wendet sich erneut seinem Mitstreiter zu, und nickt; zwar liegt das übliche, verschmitzte Lächeln noch auf seinem Gesicht, aber seine blauen Augen haben etwas Eisiges an sich.
Ein Trio aus Reitern erreicht tatsächlich gerade die mächtigen Tore des konföderierten Fort, und diese öffnen sich für sie. Die drei starren vor Prärieschmutz und sind schwer bewaffnet, tragen helle Hüte und Staubmäntel, an ihren Mantelaufschlägen blitzen Sterne in goldenen Kreisen in der Wintersonne. Hinter zweien von ihnen liegen Gefangene mit Kartoffelsäcken über den Köpfen quer über den Pferden, verschnürt wie Postpakte, beide reglos, vielleicht nur benommen von der unerfreulichen Transportmethode. Vielleicht haben ihre drei Fänger sie auch als tot oder lebendig Gesuchte behandelt, und ersparen sich die Mühe, sie lebendig dem Gesetz zu übergeben. Die Visagen der drei wirken freudlos, und absolut kaltschnäuzig.

Texas Rangers.


In der Zwischenzeit ist in Gomorra, Kalifornien, die Stadthalle gebaut worden, so wie Marcus Perriwinkle und Joycelyn Lancaster es Ende letzten Jahres öffentlich gefordert hatten. (Der Bau stand noch aus seit Beendigung des Halloween-Abenteuers.) Es gibt erste Gespräche darüber, auch einen Bürgermeister zu wählen — ganz demokratisch. Viele beginnen, vorsichtig daran zu glauben, dass dies ein großer Schritt in Richtung Recht und Zivilisation sein könnte für diese Stadt.

Gomorra hat die erste Hälfte eines harten Winters überstanden. Ziemlich viele Siedler sind bei dem schweren Wintereinbruch im Dezember kläglich draufgegangen in der Zeltstadt; wohl dem, der bereits ein richtiges Dach überm Kopf hat …

Der Winter hat das Tempo stark verringert, in welchem im Sommer und Herbst neue Locations gegründet worden sind. Statt einer neuen Location pro Abenteuer wie bisher (also alle paar Tage) gönnen wir der Siedlung nun auf einen Schlag drei neue. Das sind jedoch die einzigen, die während des ganzen November und Dezember gebaut worden sind. Unsere kalifornischen Wild Cards haben in diesen zwei Monaten eine wohlverdiente Pause vom Abenteurerleben bekommen. Die Whateleys, Sweetrock, die Blackjacks, und der Outlaw Austin Stoker haben sich ihrerseits zurückgehalten nach der Sache mit der Vogelscheuche. Der Wintereinbruch hat allen Fraktionen auch ordentlich zu tun gegeben. Es war weniger Weihnachtsstimmung als eine allgemeine Zurückgezogenheit, die im Dezember vorgeherrscht hat, ganz so, als habe die gesamte Siedlung vorsichtig Atem geholt …

Orphanage
Golden Mare Hotel
CSA Fort

Demenstsprechend sieht Gomorra in dieser Kampagne jetzt folgendermaßen aus:

 • Town Square
 • Baustellen
 • Zeltstädte
 • Sheriff's Office
 • Sweetrock Western Corporate Office
 • Claims Office
 • Doc Branson's Arztpraxis
 • Die Docks
 • Elephant-Hill-Friedhof
 • Lord Grimely's Manor
 • Fat Chance Saloon
 • Uhrenturm
 • Sam's General Store
 • Black Jack's Versteck
 • Old Moon Saloon
 • Indianerlager
 • LAD Saloon
 • Buffalo Chip Saloon
 • Mission de la Santa Maria
 • Das Collegium
 • Red Hill Hotel
 • Trading Post
 • Whateley-Villa
 • Alright Corral
 • Exchange Office
 • Town Hall
 • Orphanage
 • Golden Mare Hotel
 • CSA Fort



So richtig viel ist noch nicht los in der neu errichteten Stadthalle, aber das kann noch kommen!


Sheriff Coleman hat während des Winters angefangen, grimmig davon zu sprechen, dass auch ein Gerichtsgebäude gebaut werden soll. Er persönlich wolle dafür sorgen, dass es so kommt! Er kennt sogar einen Richter, der hierher kommen soll, um künftig in Gomorra Recht zu sprechen. Ganz sicher will Coleman dadurch nur die Position der Law Dogs stärken, in ihrem verbissenen Kampf um die Kontrolle über die Stadt. Derartige Reden haben Howard Findleys Leute ziemlich säuerlich werden lassen: Bezirksrichter Gabriel tue der Siedlung doch gute Dienste, finden die gut gekleideten Männer von der Sweetrock! Wozu brauche es denn einen hier ansässigen Richter, oder ein eigenes Gericht?! Das sei doch Firlefanz, und Geldverschwendung! Der Bergbau-Riese will nach wie vor kein Gesetz in dieser Stadt — abgesehen von dem Wort Howard Findleys!


An dieser Stelle wäre es vielleicht mal opportun, den bereits mehrfach erwähnten Abenteuer-Generator zu verlinken, den ich für die Stadt zusammengeschrieben habe. Habe ich in den letzten Gomorra-Abenteuern schon eingesetzt. Ist außerdem mit wenigen Veränderungen sicher auch für andere Western-Städte verwendbar. (Zu diesem Zeitpunkt sind die Spielmechaniken schon ganz gut geplaytestet; wenn sich in der Kampagne weitere Veränderungen ergeben, ändere ich das dort im Thread.)
« Letzte Änderung: 24.10.2024 | 19:38 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #235 am: 18.10.2024 | 13:43 »
Heute, am Neujahrstag 1877, ist erstmals seit Wochen wieder die Sonne rausgekommen über der frostigen Prärie. Die Siedler von Gomorra sind heute erstmals seit längerem in größerer Zahl auf den staubigen Straßen zu sehen, und recken ihre Glieder. Erste Revolverhelden sind zu sehen, die bereits wieder mit umgegurteten Schießeisen einher stolzieren. Sie werfen arrogante und streitlustige Blicke nach allen Seiten.



„… Kaum bist Du wieder in der Stadt, kündigt sich auch bereits Ärger an, Luca!“, sagt Joycelyn mit gespieltem Tadel in der Stimme, „während Du weg warst, war es eine ruhige Weihnachtszeit!“
Auf dem sonnigen Town Square sind unsere Helden zusammengekommen, um sich leise darüber auszutauschen, was John und Luca heute morgen draußen im Ödland auskundschaftet haben. Die beiden haben gerade ihre Schilderung beendet.
„… Vielleicht sollten wir’s Shouting Tom erzählen!“, witzelt Byrd, „dann weiß es bis heute Abend jedermann! Die Konföderierten haben sich ein vermaledeites Fort gebaut, das muss man sich mal vorstellen, gerade so außer Sichtweite unserer Stadt! Flattert sogar die dämliche Südstaaten-Flagge mit den ‚Stars and Bars‘ drüber. Bestimmt haben die das deswegen so weit im Abseits gemacht, weil sie das Rampenlicht scheuen, die kleinen Schweine. Wäre also doch ulkig, denen in die Suppe zu spucken, indem man‘s sofort eifrig rumerzählt, kaum dass das Fort fertig gestellt ist!“
„Alles, was die Graurock-Krieger verärgert, soll mir recht sein“, knurrt John ungnädig, „wir Sioux haben nicht vergessen, wie die uns behandelt haben, als wir letzten Sommer nach Kalifornien kamen.“
Marcus Perriwinkle hat sich einen Holzstuhl mit hierher gebracht, und es sich auf diesem bequem gemacht, und eine Zeitung aufgeschlagen. Das Holz knarrt unter dem Gewicht seiner kruden Uhrwerk-Gliedmaßen. Er kommentiert nüchtern, „Es sind ja dem Bericht von Ihnen beiden zufolge kaum Soldaten dort draußen, nicht wahr, in diesem neuen Fort. Daher würde ich schlussfolgern, Mister Byrd, dass diese Konföderierten sich durch derlei Vorgehen herzlich wenig ärgern lassen! Immerhin haben die Südstaaten derzeit sowieso nicht im geringsten die benötigte Truppenstärke, um das Great Maze zu erobern. Nicht wahr, da kann Präsident Jefferson Davis es so viel annektieren wie er will, er kann seinen großen Worten ja kaum Taten folgen lassen. Dieses neue Fort wird deswegen schlicht dazu dienen, einen kleinen Teil dazu beizutragen, hier im gesetzlosen Gomorra Valley den Frieden zu sichern. … Und sich darauf vorzubereiten, Fakten schaffen zu können, wenn sich tatsächlich weitere militärische Unternehmungen hierher wagen — irgendwann in kommenden Jahren.“
Byrd gibt leise zu bedenken, „Wenn’s nur das wäre! Vor allem haben wir da draußen mehrere Texas Rangers gesehen. Wahrscheinlich soll das vor allem eine Basis sein für deren Herumschnüffeln! Bisher waren alle Rangers, mit denen wir’s hier draußen zu tun gekriegt haben, ja immer nur auf Durchreise. Wüstenhunde. Aber der Omega-Wolfsmann, Los Diablos, und die Vo-vo … Vogelscheuche letztes Jahr haben den Jungens mit den Goldsternen ganz gewiss genügend Grund gegeben, die Stadt endlich mal genauer unter die Lupe zu nehmen! ... Ein schöner Scheiß ist das, ehrlich mal!“
Perriwinkle nickt, und fügt hinzu, „Diese Texas Rangers sind wahrscheinlich die Antwort der Konföderierten auf jene Männer, die im Dezember verdeckt im Red Hill Hotel eingezogen sind ...“
Joycelyn erbost sich, „Meinen Sie dieses halbe Dutzend Arschlöcher mit den verkniffenen Gesichtern und den Nadelstreifenanzügen, die keinem ihre Namen verraten?“, und sie versucht dabei ihre Furcht vor jenen Unbekannten zu überspielen.
„… Von denen unsere arme Miss Kentrall glaubt, dass sie Pinkerton-Agenten sind“, sagt Byrd leise, mit grimmigem Nicken.
Mallory Kentrall wagt sich tatsächlich kaum noch auf die Straße, seit sie den Verdacht hegt, dass die berüchtigten Männer in Schwarzen Dustern sich inkognito eine Präsenz in der Stadt aufgebaut haben. (Auch aus diesem Grund ist die Hucksterin jetzt nicht hier.)
Perriwinkle fährt fort: „Vielleicht zurecht! Es würde zusammenpassen: Erst die Spione der Union, jetzt die Truppen der Konföderierten. Die Anwesenheit der beiden Geheimpolizeien kann meines Erachtens nach nur bedeuten, dass der Bürgerkrieg endgültig seine Schatten voraus wirft, ganz bis hierher, nach Caine County. Die Geheimdienste wollen sehr wahrscheinlich Gomorra von okkulten Phänomenen säubern, um im Anschluss die Übernahme durch ihre entsprechende Regierung vorzubereiten. Eine sehr unschöne Aussicht fürwahr, denn das klingt, als würde es zu noch mehr Gewalt kommen in den nächsten Monaten.“
„Wenn die Grauröcke es gern wollen, wird der Rote Mann das Kriegsbeil wieder ausgraben“, grollt John Bloody Knife biestig.
Mister Perriwinkle zuckt die Schultern und blättert gedankenverloren in seiner Zeitung, und sagt, „Ich kann mir kaum vorstellen, dass die Texas Rangers erneut versuchen, sich der Sioux Union entgegen zu stellen. Mittlerweile haben Sie Ureinwohner, Mister Bloody Knife, ja längst ein befestigtes Lager, nicht wahr, und Sie sind auf eine Verteidigung mit allen Mitteln vorbereitet! Einen derartigen Kriegsschauplatz werden die Südstaatler nicht aufmachen, zumal sie dabei nichts unmittelbar zu gewinnen haben. Nein, nein. Ich befürchte viel mehr, dass jetzt die Rangers hier in der Siedlung einen Schattenkrieg mit den Pinkerton-Agenten beginnen werden. Der wäre vermutlich keinen Deut weniger brutal als der Krieg der Blackjack-Bande gegen Sweetrock, und der Krieg von Sheriff Coleman gegen selbige Blackjack-Bande!“
„Oh hauer-ha“, sagt Byrd, aber er setzt dabei schon wieder sein enthusiastisches Grinsen auf, „das sieht doch so aus, als würde unser ach-so-beschauliches Städtchen demnächst frühzeitig aus dem Winterschlaf geweckt werden! Aber ist doch gut, wenn‘s wieder richtig was zu tun gibt, Leutchen!“


Und Recht hat er. Wir erwürfeln uns mal wieder einen Zufalls-Plot und hecken dazu eine Mission aus, um unser Gomorra-Aufgebot wieder in Schwung zu bringen!

Der Plot Hook soll sein: Escort or Deliver to Safety from Guardians to gain Money or Valuables.
Random Event: Mystically Oppose the social PCs.
Scene Complication: All is not as it seems.


Geilo, ein gut bezahlter Auftrag ist genau das, was unsere Wild Cards jetzt brauchen; die vergangenen zwei Monate waren immerhin nicht billig, was Hotel- und Lebenskosten betrifft. Joycelyn hat mit ihren Auftritten gut verdient, und diese vom Old Moon Saloon mittlerweile auch auf den Fat Chance Saloon ausgeweitet. Farbenfrohe Plakate und Banderolen künden davon.
Luca allerdings musste sich den halben November mit Baustellenarbeiten über Wasser halten, und war dann die zweite Monatshälfte und den Dezember über gänzlich verschwunden. … Spurlos!
Mallory hat derweil vornehmlich von Glücksspielen und gelegentlichen Wahrsagerei-Performances gelebt, und ansonsten ihre Ersparnisse zusammengehalten. (Sie ist prompt aus dem Red Hill Hotel ins neueröffnete Golden Mare Hotel umgezogen, als der Verdacht aufkam, dass die neuesten Gäste im Red Hill in Wirklichkeit Pinkerton-Agenten sein könnten!)
Nur John und Marcus konnten mietfrei leben in den vergangenen zwei Monaten, da sie ja eigene Schlafgelegenheiten haben in der jeweiligen Basis der Fraktionen, denen sie angehören (das Indianerlager der Sioux Union und das Forschungszentrum des Collegium).

Wie dem auch sei, jemand möchte jetzt offensichtlich unsere Wild Cards beauftragen, etwas abzuliefern, ungesehen von Gegenspielern. Diese Gegenspieler sind aber nicht potenzielle Räuber, sondern laut Würfelorakel im Gegenteil Guardians, also Bewacher. Das klingt fast so, als sollten unsere Helden etwas — oder jemanden — heimlich seinen Bewachern entreißen, und anderswo in Sicherheit bringen.
Die Scene Complication sagt außerdem, dass nicht alles ist, wie es scheint. Dementsprechend wird es wohl ein abgekartetes Spiel sein, das die Auftraggeber mit unseren Wild Cards im Sinn haben!


Das Zufallsereignis soll laut Kartenorakel sein, mystically Oppose the social PCs, die Wild Cards werden also auf mystische Weise von ihren Gegnern angegangen, und zwar öffentlich in ihrem gesellschaftlichen Leben. Also dann ...!

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #236 am: 18.10.2024 | 16:15 »
Binnen der nächsten Tage verbreitet sich dementsprechend ein arges Gerücht in Gomorra:
„… Nach der schändlichen Art und Weise, wie er die leicht verführbare Bauerstochter Lorna Hermans vom rechten Pfad abgebracht hat, und sie schließlich verschwinden lassen hat, der Lump, ist nun dieser Luca Byrd zurück, um sich weitere Missetaten zu leisten! Luca Byrd und seine Helfer und Helfershelfer! Viel schlimmer noch als den Skandal um Lorna Hermans! Ich sag' Euch, Leute, da steckt verdammt nochmal Kalkül dahinter!“
Der Penner Jerry Futz mag kein erfolgreicher Ghost-Rock-Schürfer sein, aber er versteht sich darauf, an die Gutgläubigkeit der biederen Leute zu appellieren. Kaum ein Schnappszelt und kaum eine Essensausgabe, wo er seine üble Nachrede nicht lautstark verbreitet, in seiner wie üblich leiernden, nach Mitleid heischenden Stimme.



Jeroboam Futz hat der Stadt einiges zu verkünden!


Nicht nur Luca Byrd wird von dem glücklosen Schürfer als Wolf im Schafspelz und möglicher Menschenhändler hingestellt, sondern seine Kumpane auch gleich mit ihm. Allen voran Shadrack der räudige Hund, und May B. das verachtungswürdige Halbblut. Die sind weg und können sich nicht wehren gegen solche Aussagen!
Wir schicken Jerry Futz also Joycelyn und Mallory auf den Pelz, mit unseren beiden Grazien rechnet der am wenigsten. Sollen die feinen Damen ihn mal ordentlich durch die Mangel nehmen!

Die Orakelwürfel bestätigen, dass die beiden Frauen Jerry Futz erwischen können, als er heute Vormittag gerade bei einem der Küchenzelte der Sweetrock-Schürfer seine Lästerei beendet hat. Die Menschentraube löst sich gerade auf.
„Mister Futzz!“, schnarrt Joycelyn, als der alte Zausel sich gerade zum Gehen wendet, und sie baut sich erhobenen Hauptes vor ihm auf.
Jerrys Augen weiten sich entzückt beim Anblick der Sängerin, dann sofort zuckt er jedoch erschrocken zusammen.
„Habe noch zu tun, Ma'am, muss schnell weiter!“, nuschelt er hastig, lüpft den Hut, und wendet sich abermals ab, um davonzueilen.
Dort stellt sich ihm Mallory Kentrall in den Weg, sie sagt nichts, sondern schaut ihn nur angewidert an, rümpft die Nase wegen seiner abgerissenen Aufmachung.
„So warten Sie doch, Muster Futz!“, säuselt Joycelyn unbeirrt, „Wir haben ein Wörtlein mit Ihnen zu reden! Uns kam zu Ohren, dass Sie einem Schwätzchen nicht abgeneigt sind, besonders in den letzten Tagen!“
„Äh, nun ja, ich bin untröstlich, die Damen! Habe mich zu sputen, sonst machen mir die Aufseher in der Mine die Hölle heiß! Und Sie wissen ja, wie die Sweetrock ist!“
„Schnickschnack, wir wissen genau, dass Sie eine eigene Mine hatten“, versetzt Joycelyn, „und dass Sie seit Monaten nicht mehr drin geschürft haben. Ihr Claim ist trocken wie es die Unterwäsche einer Saloondame ist, die sich nach einem Verehrer umschauen muss in einer Bar, die gefüllt ist mit solcherlei Gestalten wie Ihnen selbst, Jerry!“
Mallory öffnet empört den Mund, und sieht Joycelyn tadelnd an. Sowas aber auch!
„Entschuldigung“, sagt diese, „aber echt mal, ist doch wahr!“
„Nichtsdestotrotz“, versucht Jerry Futz seinen Faden wieder aufzunehmen, „ich habe dringliche …“
„Was also haben Sie nun davon, derart scheußliche Gerüchte über unseren Freund Luca Byrd zum Besten zu geben?“, verlangt Joycelyn gestreng zu wissen.
„Wer sagt Ihnen, dass es Gerüchte sind? Lorna Hermans hat er tatsächlich verschwinden lassen! Oder wollen Sie's etwa leugnen, Miss Lancaster? Der Mann ist eine Klapperschlange! Ich warne nur vor ihm! Auch Sie beiden, ich warne Sie, werte Damen. Warum sollten Sie als respektable Persönlichkeiten sich für einen Halunken und Tagedieb wie Byrd einsetzen?“
„Weil das unser Freund ist! Und weil es obendrein ja wohl auch wir sind, die Sie hier in die Pfanne zu hauen versuchen, Mister Futz!“, braust Joycelyn auf, „Sie reden doch immerhin ständig von ‚Luca Byrd und seinen Helfern und Helfershelfern‘!“
„Ja, äh, aber damit meine ich doch selbstverständlich nicht respektable, feine Damen wie Sie's sind …!“
„Und gegen wen richten sich dann Ihre Anschuldigungen?“, hakt nun Mallory Kentrall nach, in recht kalter Stimme.
„Äh! Na, gegen Luca Byrds Bande!“
Joycelyn schüttelt bockig den Kopf mit den Korkenzieherlocken, und entgegnet, „Die Siedler, die als einzige mit Luca Byrd in Verbindung gebracht werden, sind aber nun einmal wir, Jerry Futz! Meine Wenigkeit wird sogar zusammen mit ihm im Tombstone Epitaph erwähnt!“
„So? Wusste ich doch nicht!“, protestiert der Schürfer schwach, „Hab' ich nicht gelesen, für mich ist Zeitungspapier nur da zum Arm abwischen! Und überhaupt, Tombstone Epitaph, das ist doch Lügenpresse …“
„Jetzt hören Sie mir mal zu, Sie Frohnatur!“, zischt die Kentrall, „Sie packen jetzt aus, wer Sie darauf gebracht hat, so hässliche Lügen zu verbreiten! Wenn nicht, dann werden wir Sie ganz beträchtlicher Marter aussetzen, wann immer Sie künftig Fuß in diese Stadt setzen! Glauben Sie nicht, dass Miss Lancaster und ich uns scheuen, alle gesellschaftlichen Hebel umzulegen, um Sie von einem Geächteten zu einem Gejagten zu machen!“

Lassen wir Mallory mal Intimidation würfeln, unterstützt von Joycelyns Taunt. Leider knapp vorbei:

„Das würden Sie niemals tun, Miss Kentrall, Sie sind eine gottesfürchtige Dame!“, erbost sich Mister Futz, „und selbst wenn, die haben mir äußerst klare Anweisungen gegeben, und ich müsste schon ein Narr sein, wenn ich mich denen widersetzen täte!“
„Damit kommen wir ja endlich zur Sache, Jerry“, lächelt Joycelyn unbeeindruckt, „Sie sagen uns jetzt vielleicht mal besser, wer ‚die‘ sind!“

Der Kentrall reicht es jetzt, sie hantiert beiläufig mit ihren Pokerkarten, und verwendet Boost Intimidation auf sich selbst. Ihr gelingt dabei ein Raise, was auch ihren Channeling-Vorteil aktiviert. Ihr Intimidation-Würfel wird temporär ein W8.

„Wenn nicht, dann können Sie ihre Loyalitäten zu diesen Anstiftern überdenken, während Sie geteert und gefedert Gomorra im Laufschritt verlassen! Glauben Sie nicht, dass wir hier Gnade walten lassen!“, zischt sie, in einer ganz eindringlichen Stimme, irgendwie dämonisch beinahe!
Jerry Futz unterliegt bei dem Wurf, und wird blässlich, „Nun ja, ein ritterlicher Gentleman hat mir das auftragen lassen! Habe nicht selbst mit ihm geredet ... Aber er hat einen gewissen Ruf, wie Sie wissen! Sie haben doch auch schon einmal Gerüchte über ihn verbreitet, heißt es …!“
„Jebediah Whateley!“, entfährt es Joycelyn, „dann haben Sie ja den Zeitungsartikel doch gelesen, Mister Futz!“
„Lassen Sie mich schön teeren und federn so viel Sie wollen, Miss Kentrall, ganz wie's beliebt!“, leiert Futz in seinem patentierten Klageton, „die Gefahren, die von Jebediah Whateley ausgehen, sind hundertmal größer!“
„Was hat er Ihnen denn versprochen?“, zischt diese.
„Nun, er ist ein reicher Gentleman! Und ich bin ein glückloser Schürfer, bettelarm …“
Joycelyn schnaubt, „Wundern Sie sich nicht, wenn am Ende Ihr Lohn nur daraus besteht, nicht von den Whateleys zehn Peitschenhiebe weniger zu bekommen als andernfalls! Da haben Sie jedenfalls Ihre Bündnispartner schlecht gewählt!“

Ein paar Sweetrock-Schürfer kommen interessiert näher heran. Mallory wendet sich defensiv ab und tupft sich das Gesicht. Jerry Futz die Ratte nutzt die Gelegenheit, um sich aus dem Staub zu machen. Joycelyn folgt Mallory, und sieht, dass es nicht etwa Tränen sind in ihrem Gesicht, sondern eine helle, fast sirupartige Flüssigkeit, in unnatürlichem Hellblau, welche der Kentrall aus den Augen quillt! Joycelyn zuckt erschrocken zurück.

Ja, Mallory hatte ja ein Spellcasting-Raise, und ihr Channeling löst ihren Obvious-Nachteil aus! In solchen Fällen beginnt sie als Medium Ectoplasma zu produzieren, wie bei Charaktererschaffung festgelegt. Das ist hier in der Zeltstadt natürlich gefährlich! Geben wir ihr einen Benny für ihren Nachteil.

„Was ist mit Ihnen, Mallory?“, flüstert Joycelyn verwirrt.
„Nichts! Nur etwas Wimperntusche! Wir haben jetzt sowieso, was wir wissen wollten. Lassen Sie uns von diesem schmutzigen Pöbel verschwinden, ja?“, sagt diese leise, und betupft ihre Wangen damenhaft mit ihrem Spitzentaschentuch. Die schwerelose, blaue Schmiere löst sich auch bereits wieder auf.
„Wimperntusche, so so!“, sagt Joycelyn, und bugsiert das Medium vorsichtshalber noch weiter weg von dem Küchenzelt.
„Ich hätte mich wohl nicht so aufregen dürfen!“, rügt diese sich selbst, in gespielten Selbstvorwürfen.
„Sie hatten ja allen Grund. Haben Sie gehört? Ihre alten Freunde die Whateleys sind dabei, wieder aktiv zu werden!“
„Das sind mitnichten meine Freunde! Dass das nur klar ist!“
Dachten Sie aber, noch im Herbst!“, sagt Joycelyn bockig.
„Zugegeben.“
„Und jetzt will diese garstige Sippe unseren Luca Byrd öffentlich anprangern! Wahrscheinlich haben die den ganzen Winter über in ihrer verschlossenen Villa gehockt und nach einer guten Gelegenheit gegiert, wieder zum Schlag gegen uns auszuholen! Wegen der Sache zu Halloween!“
Miss Kentrall braust auf, „Mir ist doch Mister Byrds Ruf piepegal! Mein eigener Ruf ist, was auf dem Spiel steht! Wir hängen da unweigerlich mit drin!“
„Na na, regen Sie sich mal nicht auf, Darling“, sagt Joycelyn.
„Verstehen Sie doch!“, drängt Mallory, die Stimme gedämpft, „Sollten sich hier draußen in Kalifornien die Autoritäten für meine Person interessieren —  in irgendeiner Weise! — muss ich fliehen!“
„Wegen Ihren Karten, und dem, was Sie Wimperntusche nennen.“
„Ja und nein! Es heißt, die Männer in Schwarzen Dustern selbst seien in der Stadt!“, und dies bringt Mallory nur noch als Wispern über ihre Lippen.
„Wir müssen schnell wieder das Aufgebot zusammenrufen, Miss Kentrall. Wir müssen diese üble Nachrede stoppen, und zwar ohne weiteren Wirbel unsererseits zu machen! … Luca, ein Menschenhändler! Dass ich nicht lache!“
„Nun“, sagt Mallory Kentrall, jetzt wieder gefasst, und in etwas spitzem Ton, während sie ihr Taschentuch wieder wegsteckt, „Er hat uns fürwahr nicht erzählt, was mit seiner Lorna Hermans eigentlich geschehen ist …!“


Ich habe die Orakelwürfel befragt zum Zufallsereignis (mystically Oppose the social PCs): Sind die vorausgesagten Gegner die allseits beliebten Whateleys? Die Würfel haben diese Vermutung bestätigt. Was also tut der konspirative Clan? Ihr übernatürliches Arsenal ist ja umfänglich, wie unsere Helden zu Halloween bereits feststellen mussten. Das Themes-Orakel aus Ironsworn hat dazu gesprochen: Die Sippe greift diesmal auf das unspektakulärste ihrer Mittel zurück, nämlich das Streuen von Gerüchten und übler Nachrede. Das Gerücht dreht sich um Community, also darum, wie unsere Wild Cards insgesamt zur Gemeinschaft der Siedlung stehen. Der Schürfer Jerry Futz ist ihr derzeitiges Werkzeug dafür.
« Letzte Änderung: 24.10.2024 | 22:38 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #237 am: 20.10.2024 | 15:54 »
Luca Byrd's Augen strahlen glücklich, als er vorsichtig mit zwei ausgeborgten Zangen hantiert, in der Ofenklappe, vor der er gerade hockt, in der leeren Schmiede. Sein Werk ist so gut wie vollbracht!
„… Sieht wirklich ziemlich verdächtig aus, was der da treibt!“, sagt plötzlich eine Stimme vom Eingang her.
„Scheiß-verdächtig sogar, wenn Ihr mich fragt, Jungs“, knurrt eine andere.
„Howdy, Mister Byrd! Was zum Henker machen Sie da!“, sagt ein dritter Sprecher laut, und das Klicken eines Revolverhahns unterstreicht die Dringlichkeit seines Anliegens.
Luca Byrd holt mit der einen Zange etwas aus der Ofenglut, und erhebt sich fröhlich. Er wendet sich zu den Fragestellern um, und zückt einen Löffel.
„So, Essen ist serviert!“, sagt er lächelnd, die offene Dose mit Baked Beans mit der Zange festhaltend, und beginnt enthusiastisch zu löffeln.
Dürfen Sie hier drin sein? Weiß der Schmied davon?“, fragt einer der drei Männer im Eingang. Die nehmen langsam ihre Colts wieder runter, aber stecken sie nicht weg. An ihren Mantelaufschlägen glänzen Blechsterne im Halbdunkel.
„Der lässt mich manchmal hier rein, um mich ein bisschen aufzuwärmen! Joah, ist ja ganz schön lausekalt dieser Tage!“, mampft der Mann in schmuddeligem Weiß.
„Warum gehen Sie nicht zum Bohnen fressen in den nächsten Saloon?“, hakt misstrauisch einer der Deputies nach.
„Ich dachte schon, Ihr seid Texas Rangers, Jungs! Fast hättet Ihr mir einen Schrecken eingejagt! Sich so anzuschleichen und so!“, sagt Byrd, und setzt sich gemütlich auf ein Fass neben dem kleinen Ofen.
„Erinnern Sie sich an uns, Mister Byrd?“, fragt der Hilfssheriff in der Mitte.
„Klar doch, Mister Flatbush! Sie sind der lustigste Spaßvogel im Sheriff's Office, der Mann mit der Bibermütze!“
„Ich zeig' Ihnen gleich mal was Lustiges, Mann, das ist das Innere unserer Gefangenenzelle!“, sagt ein anderer der Ordnungshüter.
„Ist denn da auch geheizt?“
„Scheiß-kalt ist es da, das kann ich Ihnen flüstern!“
„Och nö, dann passe ich lieber, und bleib' hier bei dem Ofen.“
Charlie Flatbush, der mit der Pelzmütze, sagt jetzt, „Jetzt mal genug mit dem Geplauder. Byrd, wir haben da eine Angelegenheit, bei der Sie uns helfen sollen. Und kein Rausreden, und keine Widerworte.“
„Schtetsch tschu Dienschten!“, mampft dieser, mit bestätigendem Kopfnicken.



Deputy Charlie Flatbush, der bestangezogene unter den Law Dogs


„Wir wissen von der ganzen Scheiße mit dem Hermans-Mädel! Dem erbosten Vater, der angekratzten Familienehre, und dem ganzen Skandal. Wir nehmen auch ganz stark an, dass Sie und Ihre Leute hinter deren plötzlichem Verschwinden aus dem Missionshaus stecken!“
„Ach wo! Mister Flatbush, ich bitte Sie! Vater Juan wird die Gute selbst davon geschickt haben! Eine so hübsche Maid mit einem so blitzblanken Lächeln, meine Herren — die hätte doch den armen Vater Juan und seine armen Kirchendiener total in Versuchung geführt. Hätte doch bestimmt nicht viel gefehlt, und einer von denen hätte noch einen Kniefall vor unserer Lorna gemacht. Und dann hat sich's was mit katholischer Priesterschaft! Also klarer Fall, sie musste weg aus der Mission!“
„So, so!“, knurrt einer der Ordnungshüter.
Byrd fährt enthusiastisch fort, „Na, wenn ich’s doch sage! Vor allem, weil's ja am Ende vom ollen Väterchen Dermott hieß, Lorna solle dort für immer bleiben! Ein paar Wochen, schön und gut, im Namen des Herren, aber für immer, eingesperrt im Missionshaus mit einer so schönen, heiratsfähigen Frau? Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt, da muss ein frommer Kirchendiener aber jede Nacht viele Extra-Gebete zum Himmel droben schicken!“
„Versuchen Sie uns mal nicht ihre üblichen Bären aufzubinden, Sie Labersack“, knurrt Charlie Flatbush, „wir haben uns das schon alles ganz gut zusammengereimt. Und Sie wissen ja vermutlich auch, was so über Sie erzählt wird in der Zeltstadt und bei Sweetrocks Arbeiterschar!“
„Ach, das?“
„Ja, das, Sie Hampelmann.“
„Das fiese Gerücht?“
„Eben dies.“
„Dass ich Howard Findleys Schirmständer als Nachttopf verwendet hätte neulich!“, sagt Byrd mit vollen Backen und gespieltem Erschrecken, „aber das stimmt ja gar nicht! Ich war ja bis vor ein paar Tagen nicht mal in der Stadt!“
Die Hilfssherriffs gucken sich gegenseitig an.
„… Man weiß nicht, ob man lachen soll, oder ihm einfach eine Kugel verpassen!“, sagt einer der drei, beinahe ratlos.
„Wir glauben das nicht so recht, was Jeroboam Futz über Sie zu berichten hat, Mann“, fährt Charlie Flatbush ungerührt fort, „Aber eins ist für uns verdammt nochmal sicher wie das Amen in der Kirche: Sie hatten was mit Miss Hermans' rätselhaftem Verschwinden zu tun! Sagen Sie jetzt bloss nichts weiter dazu. Das wollen wir gar nicht hören.“
„… Da reden Sie sich nur um Kopf und Kragen bei uns, Byrd“, droht ein anderer Deputy.
Byrd lächelt und nickt weiter freundlich, beide Backen voller Baked Beans aus seiner blöden Dose.
„Aber Sie und Ihre Truppe, Byrd“, sagt Deputy Flatbush, „Sie scheinen ja ein Talent für sowas zu haben. Allerlei komische Geschichten von letztem Sommer und Herbst! Leuten ungesehen zur Flucht zu verhelfen! Und daraufhin sind Sie ja auch mit dem rothaarigen Waisenmädchen aufgekreuzt, das Sie ebenfalls unter ihren Schutz gestellt haben, wie es heißt. Noch so ein Einsatz als Personenschützer, wie?“
„Ja, nun. Ich bin eben ein ganz pfundiger Geselle! Und wo kommen da die Law Dogs ins Spiel, Pardners?“
„Das wollen Sie wohl gerne wissen, nicht? Ja, ja, das will ich Ihnen sagen, Byrd!“, sagt Charlie Flatbush, steckt endlich seinen Sechsschüsser weg, und grinst verschwörerisch.


Draußen vor der Schmiede läuft Byrd beinahe Joycelyn und Miss Kentrall in die Arme, die bereits nach ihm suchen. Sie wollen dem restlichen Aufgebot davon berichten, wie sie Jeroboam Futz ausgequetscht haben. Mister Byrd hat nach dem Zusammentreffen mit den drei Hilfssherriffs seinerseits brisante Neuigkeiten zu berichten. Das Aufgebot versammelt sich also schleunigst.

Die Auftraggeber sind also diesmal die Law Dogs. Sie haben sich heimlich an Byrd gewendet, denn sie brauchen ihn und sein Aufgebot als Personenschützer. Immerhin habe Byrd ja die holde Lorna Hermans in Sicherheit eskortiert. Nun gelte es, eine ganz ähnliche Eskorte-Mission durchzuführen. Die Gesetzeshüter können das nicht selber machen, weil sie damit ihre Karten offenlegen würden in dem gnadenlosen Pokerspiel um die Zukunft der Stadt — und ihr Gegner in dieser Sache ist diesmal kein geringerer als Howard Findley. Und die Stimmung zwischen den Law Dogs und der Sweetrock ist sowieso schon zum Zerreißen angespannt …
„… Und da, sagte mir unser Deputy Flatbush, da schreit es geradezu nach einem Auftritt von uns, Pardners!“, beendet Luca seine Zusammenfassung, als sie alle zusammen in der hintersten Ecke der Lobby im neuen Golden Mare Hotel sitzen. Schön außer Hörweite der vielen anderen Gäste natürlich.
„Das ist äußerst gefährlich!“, bemerkt Mallory, „Und ein derartiges Unternehmen bringt uns nicht im geringsten voran bei unseren eigenen Angelegenheiten — mit den Whateleys, und mit den Männern in Schwarzen Dustern!“
„Aber die Deputies haben mir natürlich einen Sack Pinke-Pinke in Aussicht gestellt, Miss Kentrall!“, sagt Byrd, „Und ich bin seit meiner weihnachtlichen Reiserei völlig blank!“, und er kehrt demonstrativ das Innere seiner Hosentaschen nach außen.
Joycelyn fügt hinzu, „Und ich muss für unsere arme, verlorene May B. sprechen, die wäre die erste gewesen, die zugesagt hätte, wenn's gegen den fetten Geldsack Findley geht!“
John knurrt, „Nicht mehr wichtig, was May B. gesagt hätte — ich bin sowieso dafür! Sweetrock ist nach dem Whateley-Clan die größte Schande auf Mutter Erde im Gomorra Valley! Natürlich helfen wir den dummen, verfackten Law Dogs gegen die!“
„Auch, wenn sie dumm und verfackt sind?“, fragt Byrd schelmisch nach.
„Ja. Jetzt schweig, dummer, weißer Mann!“, murrt John.
Marcus Perriwinkle fügt leise hinzu, „Ich bin ebenfalls dafür, Recht und Gesetz subtil zu unterstützen. In dieser Siedlung muss unbedingt die Mitte gestärkt werden, wenn wir langfristig auf eine Art von friedlichem Equilibrium hoffen wollen. Das sollte Grund genug sein, unsere gemeinsame Zweckallianz vom letzten Oktober zu reaktivieren.“
„Wohl gesprochen!“, nickt Byrd, „Glaube ich jedenfalls, ich hab' nicht alle Wörter verstanden.“
Perriwinkle sieht besorgt blinzelnd John an, und fügt hinzu, „Aber, Mister Bloody Knife: Es dürfen keine Axthiebe ausgeteilt werden! Niemand von der Sweetrock Mining Company darf zu Tode kommen!“
„Niemand wird hinterher von Axthieben zu berichten haben. Die Feinde von Mutter Erde werden uns sowieso nicht herbeikommen und fortgehen sehen“, entgegnet John mit einem kleinen Grinsen.
„Es geht um's Prinzip! Wir wollen eine friedliche Welt erschaffen, mit friedlichen Mitteln!“, rügt der Erfinder.
Der Indianerkrieger nickt zustimmend, aber entgegnet, „Mutter Erde wird wunderbar friedlich sein — wenn der Weiße Mann dieses Land verlassen hat, dummer verfackter Marcus Perriwinkle!“
Joycelyn sagt, „Aber Darlings, ganz ruhig, ja? Sonst werden die Sioux Union und das Collegium nicht involviert in diese Sache! Dann erledigen das nur wir anderen, die wir keinen Machtgruppen zugehörig sind. Dann teilen wir aber auch die hübsche Bezahlung nur unter uns! Und überhaupt, denkt bloss an den armen Buben!“
„Was genau muss dieser Bube eigentlich für die Sweetrock machen? Sind die jetzt schon so tief gesunken, dass sie Kinder für sich schuften lassen?“, fragt Miss Kentrall angewidert.
„Im Grunde ja“, sagt Byrd, „Charlie Flatbush zufolge gibt’s da draußen gerade einen besonders skrupellosen Trupp von Explorateuren im Dienste der Sweetrock. Eigentlich bessere Revolverhelden. Die wurden bisher von der irischen Mistsau Mick Caples eingesetzt, um die Arbeiter in den großen Sweetrock-Minen einzupeitschen. Jetzt aber erforschen sie die Seitenarme von verschiedenen Strikes, um zu sehen, ob die sich noch weiter ausbeuten lassen. Dabei wird dieser eine Bubi zum Helfen gezwungen, den sie im Waisenhaus aufgesammelt haben. Scheint ein Talent fürs Rumklettern zu haben! Der Dreikäsehoch hat durch geschicktes Rumkriechen in engen Felsspalten der Sweetrock ganze zwei neue Minen entdeckt, in den letzten drei Wochen! Charlie Flatbush will, dass wir den heimlich zurück entführen, damit der dem Waisenhaus zurückgegeben wird. Immerhin ist doch bald endlich das Schulhaus fertig gebaut, und dann hat der Bengel doch die Schulbank zu drücken, statt Kinderarbeit zu verrichten!“
„Das arme Lämmchen“, sagt Joycelyn mitleidig, „aber wer sagt, dass die Sweetrock-Arschlöcher den nicht hinterher einfach von Neuem abholen?“
Mallory Kentrall antwortet gestreng, „Oh, die Führung vom Waisenhaus hat gerade gewechselt, seit es in einem richtigen Gebäude untergebracht ist. Ich war mit denen kürzlich im Gespräch, zwecks wohltätiger Veranstaltungen. Derartige Schweinereien wird sich die Sweetrock mit denen künftig nicht mehr erlauben können.“
„Dann ist ja alles geklärt!“, lächelt Joycelyn abenteuerlustig.
„Eine Sache noch nicht!“, widerspricht Miss Kentrall, und richtet ihren Blick auf Luca, „Sie sagten, diesen kuriosen Auftrag hätten wir den Gerüchten um Ihre Lorna Hermans zu verdanken, Mister Byrd!“
„Jau.“
„Dann schießen Sie mal los! Was ist aus der geworden!“


Gute Frage! Was ist das Schicksal der holden Lorna, nachdem sie im Oktober von ihrem wütenden Herrn Vater weggesperrt worden war? Wir haben dazu natürlich die Orakelkarten befragt! Technically Oppose a physical Plot Arc, haben die angegeben. Es ist Lorna demnach gelungen, dem naheliegenden Handlungsverlauf zu trotzen, und zu vermeiden, dass sie unter den Fittichen der Eltern abtransportiert wird.

Die Bauernfamilie Hermans hat also dementsprechend die Stadt im Herbst wieder verlassen, nach dem Skandal um Lorna. Diese war ja in der Mission de la Santa Maria eingesperrt, „zu ihrem eigenen Besten“ natürlich. Immerhin hatte das Familienoberhaupt Dermott Hermans unbedingt zu verhindern, dass der Strolch Luca Byrd ihm seine heiratsfähige Tochter defloriert. Als der strenge Herr Vater aber schließlich im Missionshaus aus Lorna herausbekommen hatte, dass das ganze Aufsehen, das er veranstaltete, sinnlos gewesen war — weil sie ja längst defloriert war! — verlor Dermott Hermans endgültig die Nerven! Lorna solle lebenslang mit dem Kirchendienst verbringen, ordnete er an, sie könne gleich im Missionshaus bleiben! Aus der Familie verstoßen solle sie im Dienst von Father Juan zurückbleiben, gewissermaßen dort, wo der Pfeffer wächst, während der Abreise der Bauernsippe.

Unbekannte Strolche haben der unglücklichen Lorna Hermans im November alldieweil plötzlich dazu verholfen, aus der Mission de la Santa Maria zu flüchten. Dass dies auf Mister Byrd zurückgeht, scheint ebenso klar, wie auch, dass dies der Grund dafür war, dass er den November und Dezember über nicht gesehen wurde …

Vielleicht hat er seiner Lorna oben an der Küste ein Blockhaus gebaut, an einer verborgenen Stelle, wo seine Feinde sie nicht finden können!, so munkeln die Junggesellinnen der Stadt untereinander. Oder noch besser, ein Blockhaus auf einer der einsamen Felseninseln des Great Maze! Dort wartet die schöne Geliebte jetzt schmachtvoll auf seine Wiederkehr …! Sehr romantisch. Ein paar von Byrds Skeptikern vermuten jedoch, dass die gemeinsame Flucht der beiden sehr viel weniger ‚romantisch‘ geendet hat …

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #238 am: 24.10.2024 | 22:00 »
Der von der Sweetrock eingesetzte Junge heißt Timmy Derrick. Ich wüsste auch schon ein passendes Szenario aus der Brimstone-Grundbox, um die Story mit meinem Abenteuer-Generator durchzuspielen, aber wir fangen hier vielleicht mal ganz mellow an, nur mit den Solo Play Engines. Das Jahr 1877 ist schließlich noch ganz frisch, und wir können der Bevölkerung Gomorras etwas Zeit geben, wieder warm zu laufen!

Wir machen da draus also mal eine kleine, kompakte
Queste: Timmy Derrick von der Sweetrock zurückentführen und im Waisenhaus in Sicherheit bringen (Clue Target 0\3).

Zuallererst muss unser Aufgebot dafür herausbekommen, in welchem der zahllosen Claims der Sweetrock Mining Company er derzeit stecken könnte. Das hatte Deputy Charlie Flatbush nämlich nicht gewusst. Glücklicherweise kennt Luca Byrd jemanden im Waisenhaus der Stadt, welches ja diesen Winter fertiggestellt wurde. Von hier wurde Timmy Derrick schließlich ‚abgeworben‘ von den Sweetrock-Dreckskerlen, und hier werden sie ihn zwischenzeitlich wieder einquartieren ... Wahrscheinlich weiß das Mädchen mit den roten Zöpfen etwas über diese Sache, welches Byrd in der Weihnachtszeit mitgebracht hat. Das könnte unser erster Clue sein.



Der Neuzugang im Waisenhaus von Gomorra


Geraldine Montmorency balanciert oben auf dem Holzgatter am Rand des neuen Waisenhaus-Grundstücks. Einer von Geraldines etwas zu großen, klobigen Stiefeln schiebt immer ein stückweit die Schneeschicht beiseite, dann setzt sie den anderen nach. Es ist ziemlich hoch, und die kleineren Kinder sehen gebannt zu ihr auf.
„Das darfst Du aber nicht, Geraldine!“, wagt schließlich eins der blässlichen Gesichter zu sagen, „Mister Findley würd's bestimmt verbieten!“
„Ach, da hört sich jetzt aber alles auf, Little Jack! Mister Findley ist ja gar nicht hier! Und dieser höchst würdevolle Herr würde doch auch nicht seine kostbare Zeit damit vertun, irgendwelchen kleinen Waisenkindern zu verbieten, sich etwas körperlich zu ertüchtigen! Und sei's auf einem Holzgatter! Findley hier, Findley da …!“, und gutgelaunt verkündet sie, „Euch Kinderchen, scheint mir's, hat man es reichlich doll eingehämmert, dass dieser Mister Findley der größte Denker und Macher in dieser Stadt sei!“
Die kleinen Kinder sehen sie schweigend an und wissen nicht so recht etwas dagegen zu setzen.
„… Ich sag's der Frau Amme, dass Du wieder ungezogen bist. Und die sagt's Mister Findley!“, droht Steven schließlich, trotzig.
„Dann bist Du aber das, was wir daheim in Kanada, mit Verlaub, eine verschissene kleine Petze nennen! Das würde ich mir lieber nochmal überlegen, Steven!“, versetzt Geraldine streng, und konzentriert sich gleichzeitig aufs Weiterbalancieren.
Einige der Waisenkinder sehen Steven an. Eine verschissene, kleine Petze sein will natürlich niemand unter ihnen. Aber die Frau Amme droht regelmäßig mit Mister Findley, wann immer jemand sich unartig verhält. … Dementsprechend müsste natürlich sein erboster Schatten schon längst auf die Neue im Waisenhaus gefallen sein, Geraldine Montmorency. Sie scheint gar nicht anders zu können als ungehorsam zu sein, und zwar trotz ihrer immer neuen, guten Vorsätze!

Wir machen einen GM Move, um zu sehen, was beim Eintreffen unseres Aufgebots passiert, und die Karten sagen, Command PCs. Unsere Wild Cards werden also gestreng herumkommandiert, und ich weiß auch gleich, von wem.

Man hört in diesem Moment hinten an der anderen Grundstücks-Grenze lautstarke Stimmen: Irgendwas von wegen, Bewaffnete hätten sich künftig vom Gelände fern zu halten, dies sei ein Waisenhaus, keine der verdammten Trinkhallen dieser Stadt!
„Das ist die Frau Amme!“, entfährt es Steven.
„Und sie ist sauer!“, ergänzt Little Jack furchtsam.
Die am Gatter versammelten Kinder drehen sich erstaunt um, und machen sich sofort bereit, zu flüchten (das ist ihre natürliche Reaktion, wann immer sich Gezeter erhebt). Geraldine wendet sich neugierig ebenfalls nach den Stimmen um.
„Ach, Ihr kleinen Hosenschisser, das ist doch die Stimme von Luca!“, sagt Geraldine, ganz und gar Herrin der Lage — aber sie hätte sich mal nicht so schwungvoll umdrehen sollen, hoch oben auf ihrem Gatter. Sie rudert mit den Armen, als sie das Gleichgewicht verliert, und stürzt ab, mitten durch die niedrig aufgehängten Wäscheleinen mit den frisch gewaschenen Kleidern, und landet mitsamt der Wäsche unsanft im kalten Matsch!

In dem Moment biegen Mister Byrd und seine Freunde um die Ecke des Waisenhauses, diese ganzen komischen Erwachsenen. Die Frau Amme marschiert immer noch erbost neben ihnen her, scheinbar hat sie sich von Luca überzeugen lassen, dass sie nichts Übles im Schilde führen. Der Blick der Amme wird umso grimmiger, als sie sieht, was diese Geraldine zwischenzeitlich schon wieder angerichtet hat! Diese macht große Augen, und sammelt sich schnell aus dem Matsch auf, pflanzt sich ihren Strohhut wieder auf den Kopf, und beginnt eilig, Kleidungsstücke aus dem Matsch aufzulesen!
„Ach Du mein Schreck, Geraldine!“, schilt die Frau Amme (ein Satz, der ihr in letzter Zeit oft entfährt).
„Ich bring' alles wieder in Ordnung! Es war nur ein kleines Missgeschick, und ich habe mir ja auch überhaupt nichts dabei getan! Höchstens ein paar ganz wenige blaue Flecken! Das haben wir im Handumdrehen wieder, ich wasche flugs alles wieder aus!“, und im selben Atemzug sagt sie zu den Neuankömmlingen, „Wie schön, dass Du mal zu Besuch kommst, Luca! Wärst Du nur mal fünf Minuten früher eingetroffen, das hätte das kleine Malheur erspart!“
„Kleines Malheur?!“, ruft die Amme, „Den halben Tag haben wir gestern gewaschen! Alles dahin! Wenn das unser guter Mister Howard Findley wüsste! Wie in aller Welt hast Du das überhaupt gemacht, Geraldine Montmorency!“
Luca eilt dem hektisch Kleider auflesenden Mädchen zur Hilfe, und sagt dabei zu der Amme, „Na na, wer wird denn gleich! Ist doch alles nur ein wenig schlammig!“
„Das Ihnen das egal ist, das glaube ich gerne, so wie Sie herumlaufen!“, poltert die Amme.
Joycelyn kann sich ein kleines Lachen nicht verkneifen, während der Revolverheld und das dünne Waisenmädchen hastig Wäsche aus dem Schlamm auflesen.
Miss Kentrall versucht, die wütende Amme abzulenken: „Sie muss natürlich die Schweinerei wieder beseitigen. Aber sie hat ja bereits versprochen, alles neu zu waschen.“
Die Amme grummelt, „Pah, da braucht dieser Wildfang aber auch wieder Beaufsichtigung! Man kann sie keine zehn Minuten aus den Augen lassen! Ein Missgeschick jagt doch das nächste!“
Byrd registriert mit einem Seitenblick, dass die Schneeschicht oben auf dem Gatter fehlt, als ob jemand sie mit Stiefelsohlen weggeschoben hätte.
„Hast Du immerhin Deinen Rekord verbessert?“, raunt er Geraldine zu, und zwinkert.
„Um 10 Zentimeter!“, flüstert die zurück.
Beide kichern.


Kurz darauf steht Geraldine Montmorency mit Byrd, Joycelyn und Marcus in der kleinen, eiskalten Waschküche im Keller des Waisenhauses. Das erstaunliche an Geraldine ist, dass sie trotz dem Umstand, dass sie ständig in Schwierigkeiten hinein stolpert, äußerst geschickt und tüchtig ist mit allen möglichen Hausarbeiten, wie auch jetzt beim Herauswaschen der Matschflecken. Sie hat dabei schon wieder alles im Griff, Luca muss ihr im Grunde nur zur Hand gehen.
Dabei redet sie unaufhörlich: „… Was für eine Peinlichkeit“, sagt sie gerade, „Und das ausgerechnet heute, wo Du vorbeikommst, um mir Deine erlauchten Mitstreiter vorzustellen!“
„Wie beliebt? 'Erlaucht'?“, wundert sich Marcus amüsiert.
Geraldines Blick heftet sich wieder an dessen spektakulären Maschinen-Arm, „Aber gewiss doch, Mister Perriwinkle! Was glauben denn Sie, was Mister Byrd alles über Sie alle zu berichten wusste! Und jetzt, wo Sie Ihre vortrefflich feierliche Aufwartung machen, finden Sie mich so vor, besudelt mit kalter Matschepampe wie ein kleines Ferkel! Das, mir …! Ich hatte mir das doch alles schon so gründlich ausgemalt, aber doch nicht so …! Au weiha. Ich weiß schon genau, ich werde mir wünschen, im Boden versinken zu können, sobald Sie davon gegangen sind!“
Geraldine rückt ihren Strohhut zurecht, dessen Krempe immer noch schlammig ist.
„Wir können die offizielle Bekanntmachung mit allem drum und dran ja nochmal nachholen“, begütigt Mister Byrd, „beim zweiten Anlauf gelingt oft alles viel besser! Hat auch der olle Jefferson Davis gesagt, als er die Yankees in Washington angegriffen hat! Und der hat’s immerhin zum Präsidenten gebracht!“
„Och, dieser olle Ziegenbock! … Hm, Sie sind ja auch gar nicht vollzählig!“, bemerkt Geraldine schrubbend, „Der noble, wilde Mister Bloody Knife fehlt ja! Und wo ist ihre graziöse Miss Kentrall hin?“
Joycelyn sagt, „Die hat sich abgesetzt, um weiter auf Deine Anstaltsleiterin einzuwirken! Bestimmt hecken die gemeinsam gerade irgendwas Wohltätiges aus!“
„Sie ist so anmutig!“, sagt Geraldine verträumt, „Wie ein Engel auf Erden!“
„Da musst Du heute erstmal mit Joycelyns Anmut Vorlieb nehmen!“, grinst Luca.
„Miss Lancaster ist ja noch reizender, Luca! Mit was für hochkarätigen Persönlichkeiten Du umgeben bist …!“
Joycelyn mustert Geraldine mit einem ganz warmen Blick, wie Byrd bemerkt, das Herz der Sängerin hat das Waisenkind offensichtlich in dem Moment bereits erobert!
„Wir brauchen heute jedenfalls mal Deine Hilfe, Geraldine!“, schmunzelt Byrd.
„Geht’s etwa um ein Abenteuer?“, fragt diese aufgeregt.
„Joah, schon. Aber Du musst dicht halten darüber! Könnte einem gewissen Howard Findley gar nicht gefallen, was hier vorgeht …!“
„Oh, Luca! Natürlich helfe ich Dir, und dem Aufgebot — auch wenn der tyrannische Mister Findley mich auf glühenden Kohlen rösten und vierteilen sollte! Über meine Lippen käme höchstens noch ein, ‚Freiheit für die kleinen Leute in Kalifornien' als letzter irdischer Gruß! Lässt Du mich mitkommen, ja?“
„Mitkommen? Aber das ist leider ausgeschlossen, junge Dame!“, sagt Mister Perriwinkle, „Was wolltest Du auf einer derart gefahrvollen Exkursion?“
„Ich liebe Exkursionen, Mister Perriwinkle! Ich habe ja auch Mister Byrd nach Kräften unterstützt auf seinem Rückweg von Kanada hierher!“
Byrd sagt, „Erstmal brauchen wir einen Tipp von Dir bezüglich Timmy Derrick, Geraldine!“
„Ach, daher weht der Wind! Der arme, dusselige Timmy!“
„Der gerade in den Fängen der Sweetrock ist …!“, sagt Joycelyn besorgt.
„Och, der plustert sich deswegen doch auf wie ein kleiner Gockelhahn!“, winkt Geraldine ab, „Wenn Sie wüssten, was für Reden der schwingt, wenn er zufällig mal wieder zwischendurch hier ist!“
Byrd fragt, „Nanu, hat der Bubi etwa Spaß dran, durch klaustro-klobige Felsspalten zu klettern?“
Klaustrophobisch heißt's richtig, Luca!“, ermahnt das Mädchen, „Ja ja, Timmy Derrick nimmt das doch mit Freuden in Kauf, der Prügelknabe von dieser Sweetrock-Truppe zu sein. Wenn die ihn bloss nur weiterhin mitnehmen dahin, wo was los ist! Hier in diesem Waisenhaus ist es doch zum Mäuse melken! Verstehst Du nun meine ernstliche und aller-enthusiastischste Bereitschaft, mit auf Exkursion zu gehen?“
„Wir dachten eigentlich, der arme Junge steht Todesängste aus mit diesen Explorateuren“, sagt Joycelyn.
„Och, der kassiert schon dann und wann mal eine Backpfeife von denen! Aber Timmy Derrick hat’s doch selber faustdick hinter den Ohren! Sein Weg ist gepflastert mit den leblosen Leibern von dahingerafften Hühnern, Kröten, und Krähen, die der mit seiner Zwille auf dem Gewissen hat! Shouting Tom hätte er um ein Haar damit ein Auge rausgefetzt kurz vor Sylvester!“
„Wie arg!“, meint Marcus, „Sieht so aus, als bräuchte Timmy Derrick schleunigst eine kleine Maßnahme zur Resozialisierung — mit anderen Worten das Gegenteil von dem, was die Häscher der Sweetrock ihm gerade angedeihen lassen!“
„Absolut! Die einzigen, die ihn zur Ordnung rufen können sind die Frau Amme — und ich natürlich“, bestätigt Geraldine gönnerhaft.
„Wir wollen schon sein Lausejungen-Ärschchen wieder hierher zurück schleifen“, sagt Luca, „Aber dafür müssten wir vorerst mal wissen, wo sich diese Kerls von der Sweetrock gerade mit ihm herumtreiben!“
„Nichts leichter als das“, erwidert Geraldine, und schnippst sich einen ihrer roten Zöpfe von der Schulter, „Aber ich bin gezwungen, mich hierüber auszuschweigen.“
„Wie das? Hat die Scheiß-Sweetrock etwa auch Drohungen Dir gegenüber ausgesprochen?“, fragt Joycelyn alarmiert.
„Das nicht, Ma'am. Und ich weiß schon, wo man Timmy Derrick derzeit schuften lässt. Hat der ja neulich mit angegeben, als er hier war! Aber ich kann Ihnen die Lokalität nicht benennen. Alldieweil ich beklagenswerter Weise den Namen nicht kenne! … Ich kann Sie nur hinführen!“
Luca und das Waisenkind wechseln einen Blick. Sie sieht forsch aus.
„… Das ist ein Trick von Dir, damit wir Dich mitnehmen!“, sagt Byrd lächelnd.
„Aber Luca! Ich, eine dreckige, kleine Trickserin?“
„Na ja …“
„Und überhaupt, denke nur mal daran, wie schön ich Dir geholfen habe auf dem Weg von Kanada hierher! Den Colt in der einen Hand, die Pferdezügel in der anderen!“
Joycelyn sieht Luca an, „Wirklich?!“
„Aber es waren ja überhaupt keine Patronen drin!“, wiegelt Byrd ab, „Das alte Ding war doch nur da, um damit drohen zu können!“
„Wie dem auch sei“, sagt Geraldine hochnäsig, „Ihr braucht mich, um besagte Mine zu finden!“
„Einen Tipp brauchen wir von Dir, junges Fräulein“, sagt Marcus Perriwinkle beschwichtigend, „Denk' einmal an die Sicherheit Deines Spielkameraden. Dies ist eine ernsthafte Angelegenheit!“
„Ja, Sie haben ja Recht, Mister Perriwinkle. Aber Luca und Sie sind ja da, um mich ritterlich zu beschützen! Da sind Sie und Ihr Ruf als Lichtgestalten des Gomorra Valley ja nun einmal über jeden Zweifel erhaben!“
„Nein, nein“, lässt der Erfinder sich nicht erweichen, „da würden wir uns ja mit den Kerlen von Sweetrock auf eine Stufe stellen, wenn wir ein Kind mit uns nehmen würden bei solch einer gefährlichen Sache! … Aber ich bin gern bereit, einen anderen Handel einzugehen, um der Tristesse dieser Einrichtung Abhilfe zu schaffen. Wohlan, in der Bibliothek des Forschungszentrums muss einmal jemand Gelehriges die vielen Bücher neu sortieren! Nächste Woche kannst Du anfangen, auszuhelfen, wenn Du möchtest!“
Geraldine macht große Augen bei Nennung des Forschungszentrums. Sie wechselt einen Blick mit Luca, dann willigt sie etwas zögerlich ein. Der bekannte Water's Edge Strike ist der Ort, wo die Explorateure Timmy gerade nach weiteren Seitenarmen suchen lassen.

Ist das unser erster Clue für die Queste? Ja, sagt die entsprechende Tabelle in FlexTale! Dies ist der erste von dreien.

Im Rausgehen sagt Mister Byrd leise zu Mister Perriwinkle: „Glauben Sie wirklich, sich damit einen Gefallen getan zu haben, Marcus? So fleißig Geraldinchen auch ist, so temperamentvoll ist sie auch! Könnte sein, dass das den ollen Büchern nicht so gut tut!“
Marcus rückt sein Monokel zurecht, und entgegnet ebenso leise, „Mein Kollege Oswald Hardinger hat gerade einen automatischen Diener gebaut, der die Neusortierung der Buchbestände derzeit übernimmt, und zwar vollautomatisch! …“
„Sapperlot, und da wollen Sie obendrein eine Helferin aus Fleisch und Blut?“
„Unbedingt! Ich sage es mal so …: Mehr Schriftstücke in Brand stecken als dieser experimentelle Prototyp kann Ihre kleine Geraldine auch nicht, Mister Byrd!“
„Na dann! Ein Hoch auf den modernen Fortschritt!“, freut sich dieser.
« Letzte Änderung: 24.10.2024 | 22:05 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #239 am: 24.10.2024 | 22:24 »
In der Stadt treffen wir schnell weitere Vorbereitungen, rüber zum Water's Edge Strike ist es aber nur ein Katzensprung. Das ist keine der bekannten, aufwändigen Exkursionen, sondern fast nur ein Spaziergang. Wir sammeln dennoch John Bloody Knife am Indianerlager auf, damit das Aufgebot vollzählig ist, man weiß nie, was noch passiert.

„Weißt Du, Luca …“, sagt Joycelyn unterwegs nachdenklich, „Das ist schon eine komische Geschichte mit Deiner Reise nach Kanada.“
„Ja, war echt saukomisch! Was haben wir gelacht unterwegs! Wärest Du mal mitgekommen, dann wäre Dir der ganze Spaß nicht entgangen!“
„Ich meine doch, dass die Geschichte merkwürdig ist! Das hat schon was von einem Familiendrama. Als wärest Du … mit Deiner Geliebten verschwunden … um mit Deinem Töchterchen zurückzukommen!“, sagt sie kopfschüttelnd.
Byrd sieht die Sängerin verdutzt an, „Nanu? Ich höre immer Töchterchen! Aber sie hat ja gar nicht meine Haarfarbe! Außerdem ist das Kind ja schon 11! Ich habe gehört, ganz so fix geht das alles nicht!“
„Ich meine das ja auch nicht buchstäblich! Nur bildlich. Ihr beiden seit wie Vater und Tochter! Oder zumindest habt Ihr … etwas äußerst Komplizenhaftes an Euch.“
„Komplizen sind eben immer gut!“
„Und die Kleine kommt aus dem kanadischen Kaff, wohin Du Lorna Hermans in Sicherheit gebracht hast?“
Luca nickt, „Joah, Lorna hat da noch ein paar Verwandte. Siedler auf Prince Edward Island! Das war die einzige Adresse, die der Armen geblieben war, nachdem die Sippe von Dermott Hermans sie sitzen lassen hat!“
„Bestimmt hat die schöne Lorna sich die Augen nach Dir ausgeheult, als Du wieder davon geritten bist.“
„Ehrlich gesagt, eigentlich nicht.“
„Oh nein?“
„Nein. Ich hatte meiner Lorna ja unterwegs klar machen müssen, dass ich nicht mit ihr in Avonlea bleiben könne, bei ihren kanadischen Verwandten. Zumindest würde es etwas dauern bis ich zurückkehren würde dorthin. — Na, ich musste ja viel zu dringlich zurück hierher, nach Gomorra! Hier geht ja der Trubel gerade erst so richtig los!“
„Und Du hattest erst letztes Jahr Los Diablos auf dem Hals, und einen Südstaatler-Kameraden, der aus dem Grab auferstanden war!“
„Genau! Was, wenn im beschaulichen Kanada was ähnliches passiert wäre? Na ja. Als mein Lorna-Täubchen das begriffen hat, hat sie sich umgehend neu verliebt, und zwar offensichtlich bis über beide Ohren! In einen gutaussehenden und wohlhabenden Farmer unterwegs, noch bevor wir Avonlea überhaupt ganz erreicht hatten! Ganz ein strammer Bursche!“
„Die kleine Schlange, was?“, grinst Joycelyn.
„War zugegebenermaßen ordentlich bedröppelt!“, gesteht der Gunslinger, „Wird aber das Beste so gewesen sein! Sie muss ja auch gucken, wo sie bleibt!“
„Und dann hast Du Lorna Hermans gegen Geraldine das Waisenkind eingetauscht. Dein neues Ersatz-Töchterlein.“
„Das hat sich so ergeben! Irgendwo musste das arme Kind ja hin, und egal, wie sehr ich auch beteuert habe, dass das Great Maze und Gomorra nix für Waisenkinder sind, wollte sie nicht locker lassen!“
„Na, herzlichen Glückwunsch! Wann adoptierst Du sie offiziell?“
„Hm, ich bin eigentlich ein ziemlich unstetes Gemüt …“
„Was Du nicht sagst!“
„Doch, doch! Ein Präriegras im Wind! Wie auch meine süße Lorna gemerkt hat ...“
Kurz sieht er wehmütig aus.
„Wenn Du sesshaft werden willst: Es gibt immer noch jede Menge Grundstücke zu verkaufen innerhalb von Gomorras Stadtgrenzen!“, grinst Joycelyn.
„Jawohl!“, nickt Luca, „Vielleicht schlage ich irgendwann zu! Erstmal etwas mehr Geld scheffeln! Und das machen wir ja gerade, was?“

Statt die schicken Reisetabellen aus meinem Abenteuer-Generator zu verwenden, ziehe ich einfach die klassische Encounter-Karte wie im Deadlands-Grundbuch beschrieben. Die Tabelle sagt, das Aufgebot läuft unterwegs drei Faminites über den Weg!

Die fünf suchen ihren Weg zwischen hohen Felsbrocken hindurch, kurz vor der Küste. Die geschäftigen Geräusche vom Water's Edge Strike dringen ihnen bereits entgegen. John hebt argwöhnisch den Kopf, und Mallory Kentrall fährt zusammen, gepackt von einer hellsichtigen Ahnung: Zwischen den Felsbrocken regt sich etwas, geduckte Gestalten, schnaufend und röchelnd, wie vor Anstrengung. Sie versuchen sich anzuschleichen!
„Waffen ziehen! Das sind keine Schürfer …!“, bringt Miss Kentrall noch hervor.

Von den Felsen springen verwahrloste Gestalten herab, auf ersten Blick könnte man sie für Walkin' Dead halten, aber sie leben. Ihre Leiber sind nur aufs Groteskeste ausgezehrt von Hunger! Offensichtlich wollen sie versuchen, due Wild Cards roh zu fressen!



Alle Wild Cards schaffen einen Furcht-Wurf, nur John wirft eine Doppeleins. Ihn erwischt dieser Anblick unerwartet, und er wirbelt herum und flieht in purem Affekt!

Die drei Faminites haben einen Joker. Wer von ihnen gebissen wird, wird mit ihrem bestialischen Hunger angesteckt! Erstmal stürzen sich alle drei auf den Monster Magnet, Mister Byrd. Kratzende Krallenhände und ein gieriger Biss von hinten in die Schulter kosten ihn fast alle seiner vielen Bennies, am Ende ist er immerhin Shaken. Er muss aufgrund der Treffer dreimal Vigor würfeln, um nicht infiziert zu werden, und besteht mit seinem W10 alle drei Checks. John ist dran, er sammelt sich wieder, fährt herum, und schleudert einen seiner knöchernen Wurfspieße nach der Gruppe aus dürren Gestalten, die Byrd umzingelt hat. Der Spieß durchschlägt mit Wucht die eine Klauenhand des Ungeheuers, und pinnt diese an den eigenen dürren Torso. Die Kreatur bricht blutüberströmt im Staub zusammen.
Marcus versucht mit der Roboterhand eine der ausgezehrten Gestalten in die Felswand einzuarbeiten, aber verfehlt, kerbt nur den Felsen ein. Luca Byrd erholt sich von Shaken, zieht die Judge-Pistole, und zerlöchert in Sekundenschnelle dem einen Angreifer den Brustkorb, dem anderen den Schädel. Dann ist auch schon Ruhe!

„Ich wusste ja, dass die Schürfer bei Sweetrock schlecht ernährt werden“, sagt Byrd, „aber das ist ein neuer Meilenstein!“
„Faminites“, kommentiert Miss Kentrall, die nervös immer noch mit ihren Spielkarten hantiert, während sie die drei erlegten Kreaturen begutachtet, „Vom Übernatürlichen besessene Hungernde! Mister Perriwinkle, Byrd ist gebissen worden! Sie müssen sofort seine Verwundungen reinigen!“ (Sie hat einen dicken Erfolg bei Occult erzielt.)
„Schon dabei … Könnte ein bisschen brennen …!“, murmelt der Chirurg, und bringt den medizinischen Alkohol aus seiner Arzttasche zum Einsatz.
„Würde mich schon interessieren, woher Sie all diese Sachen wissen, Miss Kentrall!“, sagt Joycelyn, als sie näher kommt. Sie sieht mitleidig aus, als wolle sie Byrd am liebsten die Wange tätscheln.
Mallory hält sie mit ausgestrecktem Arm streng davon ab, näher ran zu gehen: „Sie warten bitte einmal ab, bis Byrd desinfiziert ist! Wenn er sich verwandeln sollte, ist es eine Sache von Sekunden, bis der Hunger auch auf ihn übergeht. Dann stehen Sie besser nicht neben ihm, Miss Lancaster!“
Joycelyn wird blass um die Nase.
„Ja, ja! Ich merk's schon fast, ich könnt' glatt einen Gaul verspeisen!“, sagt Luca, sein Gesicht hat auch eine ungewöhnliche Färbung, etwas grünlich.
„Machen Sie sich bereit, ihn in Schach zu halten, Mister Perriwinkle!“, zischt Mallory, „Wie gut, dass unser Mediziner gleichzeitig eine halbe Dampfmaschine ist …!“
„Er zeigt keine Anzeichen einer Infektion“, sagt Marcus, „Würde mich auch interessieren, Miss Kentrall, woher sie die Expertise über derlei bizarre Dinge haben!“
„Das weiß man doch“, schnaubt die Kentrall, „das Great Maze ist voll von diesen Faminites! Da muss man sich nur mal die Erzählungen der Seefahrer an den Docks anhören!“
John ist wieder herangekommen, und zieht seinen Wurfspeer aus seinem Ziel, während er diesem gleichzeitig mit dem mächtigen Hacken die Fratze zertritt, „Wie fühlst Du Dich, Luca Byrd?“
„Na ja, hungrig!“, sagt dieser, „… Aber ich hätte lieber ein paar Schweinsrippchen als einen Bissen von einem von Euch! Nicht, dass die Damen nicht zum Anbeißen aussähen“, und er lüpft den Hut clownshaft vor Joycelyn. Mallory schüttelt vorwurfsvoll den Kopf.
„Ich werde mir eine Entgiftungskur für Sie ausdenken, mein Lieber! Sicher ist sicher …“, bemerkt Marcus, während er seine Utensilien verstaut.

Das ist glimpflich ausgegangen! Aber haben die Sweetrock-Mistkäfer hinten beim Mineneingang die Pistolenschüsse gehört? ‚Ja, und außerdem‘, sagen zwei Höchstzahlen bei den Orakelwürfeln mit großer Deutlichkeit!

„Hände über die Köpfe, Ihr beschissenen Claim Jumper!“, erschallt in dem Moment die hämische Stimme eines Wachpostens von einem der Felsblocks! Er bringt eine Schrotflinte in Anschlag. Eine Handvoll anderer Kerle erscheint hinter ihm.

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #240 am: 25.10.2024 | 12:30 »
„Aber, aber, meine Herren!“, ereifert sich Joycelyn, „Wir sind doch keine Claim Jumper! Vielmehr haben wir soeben geholfen, Ihren Strike frei von besessenen Wahnsinnigen zu halten! Zumindest mich sollten Sie etwas besser kennen, Gentlemen, als solche Anschuldigungen vorzubringen!“
„Das — das is' Joycelyn Lancaster!“, sagt einer der Wachposten erstaunt.
Unsere Prominente hat eine 14 als Persuasion-Ergebnis zu bieten. Die Sweetrock-Brutalos nehmen schnell ihre Schießprügel runter.
„Was zur Hölle …!“, sagt ein anderer Wächter, „Seht mal, wir haben es mit diesen verhungerten Drecksviechern zu tun!“
„Nicht mehr!“, trumpft Joycelyn auf, und wechselt einen Blick mit Luca, „und wir sind hier, um zu sehen, ob alles in Ordnung ist bei Euch Sweetrock-Blödianen. Vielleicht sind da noch mehr Faminites, die hier rumschleichen!“
Der Typ mit der Schrote sagt skeptisch, „Ihr? Ich dachte, Ihr habt Euch letztes Jahr gegen die Sweetrock gestellt! Wenn das Mick Caples und Jim MacNeil wüssten, dass Ihr Euch hier rumtreibt!“
„Wenn Mistviecher wie die hier aus dem Gebüsch gekrochen kommen, müssen alle zusammenhalten!“, versetzt Joycelyn hochmütig, „Hey, bringt uns mal zu Eurem Vorarbeiter!“
Sie wechselt einen schnellen Blick mit Byrd, der zwar noch etwas wackelig auf den Beinen ist, aber ihr schnell zunickt. Sie hat recht: Wenn unsere beiden Charmebolzen die Aufmerksamkeit der Sweetrock-Malocher auf sich ziehen, können sich die drei anderen womöglich heimlich umsehen! Mit Miss Lancasters Persuasion-Wurf von gerade eben fressen die Kerls ihr vorläufig aus der Hand.



Der Water's Edge Strike


Können die drei anderen sich also unbemerkt in dem Trubel absetzen, fragen wir die Orakelwürfel. Diese bestätigen ganz knapp.

Nur wie finden die Timmy Derrick? John Bloody Knife versucht, eine Fußspur zu finden, abseits der üblichen Trampelpfade um den Water's Edge Strike herum, und siehe da, der Indianerkrieger erzielt ein Raise.
„Hier!“, raunt er, „eine Handvoll Männer, und begleitet von einem Jungen! Nicht lange her …“

Ist das bereits unser nächster Clue? Dies ist ein Relevantes Gebäude nach der FlexTale-Logik, und der W20-Wurf entscheidet, ja!

Die Fährte führt jedoch nicht ins Innere der großen Minen-Anlage, sondern zwischen den Felsbrocken hinauf, immer höher.

Da mache ich mal einen GM Move, um zu sehen, was uns hier erwartet. Ein Zufallsereignis! Mystically Oppose Future Plans, sagen die Karten. Oho? Laut den Orakelwürfeln geht es um die Zukunftspläne einer der Fraktionen. Ich würfle mir dementsprechend eine Zufallsfraktion aus, und bekomme (passend zur mystischen Vorgehensweise) die Whateleys! Stecken die etwa hinter dem Auftauchen der Faminites eben? Wollen die sich vielleicht den Water's Edge Strike holen? Die Orakelwürfel entscheiden, ersteres. Also sind Agenten der Whateleys hier, nicht, um ihre eigenen Kassen zu füllen, sondern, um die Sweetrock-Explorateure in Angst und Schrecken zu versetzen.

Mallory Kentrall würfelt Notice, und erneut ist sie diejenige, die das Nahen der Schreckgestalten vorausahnt:
„Köpfe runter! Hier sind noch mehr Faminites!“, zischt sie, und die drei Schleicher gehen zwischen den Felsen in Deckung.
Mallory mischt ihre Karten, und vernimmt leises Gewisper aus dem Jenseits, sie wirkt weggetreten. Sie verwendet Detect Arcana, und mit einem Erfolg tragen die Stimmen ihr zu, dass die Quelle dieser Aktivitäten ganz in der Nähe ist, schwarze Magie treibt die Faminites voran, wie unsichtbare Marionetten-Fäden.
„Das ist alles kein Zufall …“, murmelt die Hucksterin, „wir sind nicht die einzigen, die diese Erkundungsmission stören wollen …“
„Die Spur führt weiter aufwärts!“, raunt John, der im Kies letzte, vereinzelte Fußabdrücke ausmachen kann.
„Wenn ich die Quelle des Bannes ausmachen kann, kann ich die Kontrolle des Übeltäters über die Faminites beenden!“, wispert Mallory, hektisch ihr Kartendeck mischend.
„Aber dadurch gehen Monster nicht weg …“, knurrt John angewidert.
„Nein“, gibt Mallory zu, „ab dann hat unser Gegner nur keine Kontrolle mehr über sie.“
„Dies erscheint mir alles sehr riskant!“, flüstert Marcus, „Ich vermag auch nicht zu sagen, ob ich derartige … Phänomene gut heißen kann, Miss Kentrall! Vor allem darf dies hier nicht im Desaster enden, mit noch mehr Blutvergießen!“

Ich würfle Notice für unsere lauschenden Wild Cards, und alle drei liefern stattliche Resultate um die zehn ab. Ihre verborgene Widersacherin jedoch kommt mit ihrem Stealth-Ergebnis auf 28! Wer immer das ist, sie weiß sich versteckt zu halten, während sie ihren Zauberbann aufrecht erhält! Gleichzeitig erspäht sie von ihrer erhöhten Position jedoch die drei Schleicher!

Das' schlecht! Daraufhin mache ich einen Failure Move, und bekomme Advance a Threat! In diesem Fall liegt es auf der Hand, was passiert — einige der Faminites ändern ihr Ziel, und stellen nicht mehr den Sweetrock-Explorateuren nach, sondern nun den Wild Cards! Die Orakelwürfel entscheiden, dass das klar zu vernehmen ist, denn die ausgezehrten Monster kraxeln lautstark röchelnd und schmatzend auf die Position der Helden zu, einige zeigen sich sogar offen in ihrer Fressgier!

Das ist eine klasse Gelegenheit, um einen Dramatic Task zu machen! Die Wild Cards müssen den Sweetrock-Trupp mit Timmy Derrick finden, bevor die herannahenden Faminites sie erreichen! Ich brauche 12 Task Tokens in drei Runden.

Runde 1: Miss Kentrall hat einen Joker. Sie beschwört aus glühend blauem Ectoplasma wieder ihre geisterhafte Säbelklinge herauf, wie letzten Herbst, lässt sich zurückfallen zum Schlusslicht der Gruppe, und würfelt diese Runde Fighting; alle Faminites, die allzu nah heran kommen, werden von der Energieklinge durchbohrt! Sie kommt auf eine 10 und verdient uns zwei Task Tokens.
John eilt vornweg, und verfolgt weiter die Spuren im Kies, und steuert mit Survival ein weiteres Task Token bei. Marcus lässt mehrmals taktisch geschickt heißen Dampf aus dem Boiler in seiner Schulter ab, und verbirgt dadurch die drei Fliehenden vor den Augen der Faminites. Sein Weird Science-Erfolg bringt das vierte Task Token.

Runde 2: Mallory wischt sich die von blauem Plasma verschmierten Strähnen aus den Augen, und versucht im Rennen zwischen ihren wütenden Säbelstreichen einen Überblick über die Situation zu bekommen. Vielleicht endlich ein Zeichen von dem versteckten Schwarzmagier? Ihr Notice-Erfolg bringt das fünfte Task Token ein. Marcus ist nicht ganz schlecht als Geologe, er versucht eine Einschätzung der richtigen Richtung zu bekommen, anhand des Aussehens der Felsen. Mit Science ergattert er zwei Task Tokens, und dirigiert seine Freunde dorthin, wo es am wahrscheinlichsten Erzeinlagerungen geben könnte. Hier sind auch die Fußabdrücke im Kies wieder zu entdecken! John lässt seine Knochenspieße sprechen, und wirft ein paar der Faminites damit ab, wenn sie zu nahe kommen. Ein Erfolg holt Task Token Nummer acht.

Runde 3: Noch vier Tokens müssen eingespielt werden in dieser finalen Runde, sonst gibt’s einen offenen Kampf gegen die ausgemergelte Meute! John beginnt, er lässt sich nun ebenfalls von der Spitze zurückfallen ans Ende, hebt sein riesiges Kriegsbeil, und beginnt Schulter an Schulter mit Mallory Faminites zu fällen. Mit einer zwölf als Fighting-Resultat hackt er ein knappes Dutzend der Monster in Stücke, und gewinnt drei Task Tokens für uns! Jetzt hängt es nur noch an Mallory, denn sie hat diese Runde eine Kreuz-Karte bekommen, und dadurch eine Complication! Wenn ihr Wurf wegen dem -2-Abzug scheitert, so scheitert auch der Dramatic Task! Von gierigen Krallenhänden zurückgedrängt verliert sie das Gleichgewicht und rutscht die Geröllhalde ein Stück hinunter … auf eine der größeren Meuten aus Faminites zu, die ihr wütend entgegen heulen! Wenn sie umzingelt wird, bleibt den anderen beiden nichts anderes übrig, als ihr hinterher zu eilen, und dann werden die Faminites sofort den Ring um sie schließen, dann ist ein offener Kampf unausweichlich! Ich muss zwei Bennies in Mallorys Fighting-Wurf buttern, um diesen Ausgang zu vermeiden. Der dritte Anlauf klappt! Sie enthauptet mit gefletschten Zähnen eine Kreatur mit ihrer glühenden Klinge, bevor sie umstellt wird, kraxelt auf allen Vieren panisch den Abhang wieder hinauf. Ein besonders flinker Verfolger bekommt einen Rückwärts-Säbelstoß in den Brustkorb verpasst (man denke an ‚Fluch der Karibik 2‘)! Das ist dann auch das letzte Task Token, teuer erkauft. Marcus winkt mit dem Maschinenarm die beiden Nahkämpfer in eine schmale Felsspalte hinein, hier drinnen muss der gesuchte Trupp verschwunden sein.

Die Orakelwürfel entscheiden, dass die Sweetrock-Kerle hier drin ordentlich verängstigt sind, man hört sie atmen, und gelegentlich miteinander raunen. Sie haben vorhin Timmy Derrick in diese Höhle gebracht, damit die kleine Kröte zwischen den Felsspalten nach Ghost-Rock-Adern sucht. Auch hier sind mittlerweile Faminites gewesen, zwei ihrer ausgezehrten Kadaver liegen im Eingang, die Sweetrock-Schergen haben sie zersiebt. Aber sie wissen, dass da draußen noch viel mehr sind.

Ist Timmy Derrick ein Stück abseits zu finden? Die Orakelwürfel sagen, überdeutlich ‚ja, und außerdem‘! Die Schweine haben ihn nahe des Höhleneingangs zurückgelassen, gefesselt und geknebelt, um ihn den Faminites vorzuwerfen wie ein Spanferkel, sollte die Meute hier hinein finden! Nur, um sich selbst ein paar wertvolle Sekunden zum Gewehre anlegen zu verschaffen!

Da wir hier in einem Relevanten Schauplatz sind, würfele ich auf der Clue-Tabelle, dies ist unser dritter Hinweis zum Erfüllen der
Queste: Timmy Derrick von der Sweetrock zurückentführen und im Waisenhaus in Sicherheit bringen (Clue Target 3\3).

Jetzt müssen wir die kleine Rotznase nur noch still und heimlich aufsammeln! Das ist ein Job für John Bloody Knife. Lautlos pirscht er sich vor, und schultert den Gefesselten. Der quiekt natürlich panisch, für ihn ist der unbekannte Sioux-Krieger das zweitschlimmste nach den Faminites draußen! John knurrt angewidert, er findet Bleichgesichter-Kinder fast genauso scheiße wie erwachsene Bleichgesichter. Die verängstigten Explorateure drinnen in der Höhle spannen die Hähne ihrer Knarren, sie hören nur die gedämpften Stimmen, und vermuten, ihr letztes Gefecht würde vielleicht jetzt beginnen.

Ich mache einen GM Move, und bekomme, Advance a Plot.

„Hört Ihr? Das war’s für uns! Das sind die verdammten Whateleys!“, hört man einen der Kundschafter raunen, „Von wegen Kaufinteressen! Die wollen uns einfach nur den Garaus machen!“
„Das is' diese eine von denen, die, die nachts allein auf'm Elephant Hill zu seh'n is'!“, zischt ein anderer zur Bestätigung, „Hab' die vorhin genau gesehen, oben zwischen den Felsen! Hab' Euch gewarnt!“

Soso, nachts allein auf dem Friedhof …?

Aber kommen wir unbehelligt runter von dem Felsenhang? Unwahrscheinlich, denn die Verfolger-Horde weiß zwar nicht mehr, wo genau die Wild Cards sind, aber sie sind immer noch ein Dutzend oder so, und suchen wie wild! Die Orakelwürfel werden mit geringstmöglicher Wahrscheinlichkeit gerollt … und sagen, dass die Wild Cards tatsächlich freie Bahn haben!


Joycelyn hat ordentlich aufgetrumpft mit einzelnen Erlebnissen, die sie zu berichten hatte beim Haupteingang des eigentlichen Water's Edge Strike. Als ihr nichts mehr eingefallen war, hat sie den sehnlichen Wunsch einiger der Vorarbeiter erfüllt, und ein paar ihrer berühmten Cowboy-Lieder gesungen. Byrd hat rumgestanden und fröhlich geguckt, und nebenher drauf geachtet, dass niemand der ungewaschenen Schürfer allzu frech der holden Dame gegenüber wird. Eine zitterige Miss Kentrall kommt sie schließlich einsammeln, die Haare zerwühlt, und getrocknete Reste einer bläulichen Substanz um die Augen verteilt, die ihr Erscheinungsbild noch alarmierender macht. Joycelyn wirft noch ein paar Kusshände, und wird von ihren Verehrern schmachtvoll verabschiedet.



Timmy Derrick der kleine Stinkstiefel, wenn er einen besseren Tag hat als beispielsweise heute!


„Du bist also dieser abenteuerlustige, ungehobelte Timmy Derrick, nicht wahr?“, fragt Mister Perriwinkle, als er außer Sicht des Mineneingangs den Knebel löst.
„Sie verdammten Arschpickel!“, schimpft Timmy sofort los, „Lassen Sie mich frei!“
„Ja, ja“, sagt Byrd, „aber nicht gleich hier, damit Du kleines Wiesel sofort zur Sweetrock zurück wieselst! So machen Wiesel wie Du das doch am liebsten, immerzu hurtig wieseln!“
„Nee, danke! Boah, Sie Scheißer! Und Scheißer sind die auch, zu denen geh' ich doch nicht zurück, die wollten mich dem Butzemann vorwerfen!“
„Er hat wirklich ein kleines Schandmaul, dieser Knabe“, sagt Marcus, und rückt pikiert seinen Fez-Hut zurecht.
„Da wird man Dich alsbald eines besseren zu belehren wissen, wenn das Schulhaus fertig gebaut ist!“, rügt Miss Kentrall, „Deine Umgangsformen lassen arg zu wünschen übrig.“
„Schule?! Pfui Deibel!“, quengelt Timmy.
„Ich glaube, ich muss Geraldine bitten, ein besonderes Auge auf den Kleinen hier zu haben in nächster Zeit!“, sinniert Byrd.
Timmy schaut zu ihm auf, jetzt erkennt er den Gunslinger endlich: „Ach Sie sind das! Der Hundsfott, der die Montmonty-Göre bei uns angeschleppt hat!“
Byrd hebt verschmitzt den Zeigefinger, und belehrt, „Ah-ah-ah, nenn' Sie besser nicht Montmonty, das ist falsch, und Du willst doch nicht von einem Mädchen Deine kleine Schnauze poliert bekommen, Timmy! Geraldine ist sehr wahrscheinlich stärker als Du!“
Joycelyn geht dazwischen, „Jetzt ist aber mal gut! Der arme Junge ist ganz verstört. Er muss unbedingt auf den rechten Pfad zurückgeführt werden. Komm' Timmy, wir bringen Dich jetzt in Sicherheit! Und keine Kraftausdrücke mehr, okay?“, und sie nimmt den Jungen bei der Hand.
„Wo ist meine verschissene Zwille überhaupt? Ich will meine gottverdammte Zwille wiederhaben!“, nörgelt der, er scheint nicht richtig zugehört zu haben.
Er lässt sich aber trotzdem brav mitnehmen.
« Letzte Änderung: 25.10.2024 | 12:34 von Schalter »

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #241 am: 25.10.2024 | 18:01 »
Advances
Nach dieser Session gibt es neue Advances für die beteiligten Wild Cards.
Byrd: Smarts ➜ W8
Joycelyn: Smarts ➜ W8
John: Agility ➜ W8
Marcus: Shooting ➜ W6 & Stealth ➜ W6
Mallory: Intimidation ➜ W4, Notice ➜ W6


Dann bleibt noch eine Angelegenheit: Der Haken bei diesem Auftrag war ja ursprünglich, dass nicht alles ist, wie es scheint …

Als die Wild Cards beim abendlichen Waisenhaus eintreffen, treten ihnen im Schlendergang eine Gruppe von Bewaffneten entgegen. Der Mann in ihrer Mitte trägt einen eleganten Spazierstock, und einen perfekt sitzenden Anzug, und dazu seine charakteristische Pelzmütze. Hinter Flatbush sind unter anderem Corky Hendricks und der fette John Templeton zu sehen.
„Howdy, Mister Byrd! Was schleichen Sie denn hier so herum zu später Stunde!“
Byrd tippt sich an den Hut, und deutet schulterzuckend auf Timmy Derrick, „Wir müssen einen kleinen Ausreißer zurück nach Hause bringen!“
Warum fragt Deputy Flatbush so blöd? Noch dazu auf offener Straße; die Law Dogs riskieren doch ihre eigene Deckung, die wollten doch mit der Sache bloß nicht in Verbindung gebracht werden!
„Schon klar. Kann ja jeder sagen!“, lacht Flatbush, und die Deputies hinter ihm ziehen ihre Pistolen!
„Wie beliebt? Na, was sollen denn die Bleispucker, sagen Sie schnell!“, sagt Byrd.
„Sie sind festgenommen, Luca Byrd. Wegen Kindsentführung und so weiter! Ist ja nicht das erste Mal, dass sie wen heimlich wegschaffen wollen, wie? Wenn man den Gerüchten glauben will!“
„Kapiere ich nicht ganz, Deputy!“, sagt Byrd, lüpft seine Hutkrempe und kratzt sich am Hinterkopf, „Sie haben doch …“
„Einen Scheißdreck haben wir, Sie Komiker! Sie haben sich den vermissten Timmy Derrick geschnappt! Wir haben Sie auf frischer Tat ertappt. Dafür wandern Sie jetzt erstmal in unser Kittchen. Und der Junge kommt ins Waisenhaus zurück!“
„Aber da wollten wir ihn doch gerade …“
„Schnauze!“, raunzt John Templeton, „Machen Sie’s nicht noch schlimmer für sich, Byrd! Ist Ihnen nicht klar, wie das hier aussieht?!“
Joycelyn braust auf, „Wie das hier aussieht? Als seien wir die Helden des Tages, danach sieht das aus! Ein unschuldiges Kind haben wir den Fängen der Sweetrock entrissen!“
„Ihr seid alles total verschissene Arschlöcher!“, quakt Timmy Derrick in dem Moment.
„Wir haben ja außerdem Zeugen!“, legt Joycelyn nach.
„Ach ja, Zeugen?“, fragt Charlie Flatbush gut gelaunt.
„Ja, äh … na ja!“, stammelt sie, als ihr klar wird, dass die Sweetrock-Arbeiterschar von vorhin gar nichts gesehen hat, und daher auch nichts bezeugen kann — und der Trupp von Explorateuren in der Höhle entweder mittlerweile von den Faminites verputzt worden ist, oder tausend bessere Sachen vorhätte als ihrem Aufgebot zu helfen!
„Fresse halten jetzt, und Abmarsch!“, blafft der dicke Templeton, „Sie können sich morgen früh weiter unterhalten, da ist Besuchszeit in unserer Zelle im Sheriff’s Office!“
„Heiliger Windbeutel, Leute!“, sagt Byrd, und hebt die Hände, aber dabei muss er schon wieder grinsen, „Ihr Law Dogs seid ja abgewichster als man sich gedacht hätte!“
Die Deputies legen ihm Handschellen an, schön die Hände auf den Rücken, damit er nicht noch renitent wird. Im Waisenhaus gehen indessen die Lichter hinter mehreren Fenstern an, und Kinder drücken sich bestürzt die Nasen platt an den Scheiben beim Anblick der Festnahme.
„Luca!“, schreit die aufgeregte Stimme von Geraldine, und sie kommt in ihren übergroßen Stiefeln aufgescheucht aus dem Gebäude gerannt.
Mallory und Marcus fangen sie geistesgegenwärtig ab, bevor sie sich heroisch zwischen die Hilfssherriffs und den Gefangenen werfen kann. Sie sieht ganz danach aus, als hätte sie genau das vor!
„Na na, das klärt sich alles auf!“, sagt Miss Kentrall.
„Lasst mich los! Lasst mich durch!“, jammert Geraldine dramatisch.
„Keine Sorge, die behalten mich nicht lange! Und kannst mich ja morgen besuchen!“, ruft Byrd lächelnd dem Waisenkind zu, und die Deputies fragt er, „Was, Freunde? Wann sagtet Ihr, beginnen Eure Besuchszeiten im Office?“
„Abmarsch jetzt“, wiederholt Templeton, nachdem Corky Hendricks Byrds Waffengurte einkassiert hat, und er spannt drohend den Hahn seines Colt.
„Ja ja, die Gerechtigkeit obsiegt mal wieder!“, freut sich Charlie Flatbush mit feistem Grinsen, „Einen schönen Abend noch allerseits! Und Ihr lasst Euch das eine Lehre sein, Kinderchen, dass Ihr mir nicht auf die schiefe Bahn geratet!“



Joycelyn und Marcus stehen noch lange draußen auf dem hölzernen Bürgersteig vor dem geschlossenen Sherriff's Office, und reden aufgebracht auf die Deputies ein. Die rücken aber keinen Zoll ab von ihrer absurden Behauptung, Byrd sei auf frischer Tat ertappt worden, und wiederholen immer wieder, dass sie eben ihre Befehle hätten.

Drinnen ist Luca in eine der kleinen Zellen geschubst worden.
„Gottseidank, ich dachte schon, Ihr werft mich noch in dieses Zelt mit dem Erdloch und dem Holzgitter drüber! Da hätt' ich aber Rabatz gemacht!“, sagt er, als er es sich auf der Pritsche bequem macht, so gut es mit den gefesselten Händen geht.
„Das benutzen wir den Winter über nicht mehr!“, knurrt Templeton, „Ist uns zwischen den Jahren einer drin erfroren! Aber bald ist auch unser richtiges Gefängnis fertig gebaut, Byrd, keine Sorge.“
„Au ja! Aber bis dahin bin ich doch wohl hier wieder raus, was?“
„… Wie haben Sie mich genannt, Byrd? Das ist Beamtenbeleidigung!“, grollt Templeton, „Ich soll Ihnen wohl was auf die Schnauze hauen!“
„Wieso, wie hab' ich Sie denn genannt, Mister Templeton? … Wo ist eigentlich Sheriff Coleman? Weiß der, was hier so vor sich geht?“
Charlie Flatbush im Hintergrund gießt sich Kaffee in eine Blechtasse, und grinst, „Coleman ist draußen auf den Trails, der hat eine frische Spur von der Blackjack-Bande! Sie müssen heute mit uns Vorlieb nehmen!“
„Auch schön! Was gibt’s eigentlich zum Abendessen?“
„Oh Mann, Templeton, er hat es schon wieder gesagt! Das ist wirklich Beamtenbeleidigung!“, sagt Flatbush, und pustet in seine Blechtasse.
Templeton schließt also wutschnaubend die Zelle wieder auf, und haut Mister Byrd was auf die Schnauze!
„Das gibt aber ein blaues Auge, Jungs! Das steht mir nicht so gut zu Gesicht!“, flachst der munter weiter, jetzt aber in weniger provokativem Ton.
„Vielleicht hilft das, Dein Mütchen zu kühlen, Du Mistkerl!“, grummelt Templeton, und wirft die Zellentür wieder zu, dass es scheppert.
„Ja, ja! Und eine Nacht hinter der Metall-Gardine hat auch schon so manch einem das Mütchen gekühlt!“, schmunzelt Flatbush, „Schlafen Sie mal gut, Mister Byrd! Morgen reden wir weiter!“

Ja, das stand noch aus: Das Orakel hatte zu Beginn des Abenteuers angegeben, dass die Auftraggeber eine Art ‚Double-Cross‘ vorbereitet hätten, sie wollten das Aufgebot zusammen mit Sweetrock in die Pfanne hauen!

Am nächsten Morgen sind sie alle im Sheriff’s Office versammelt: Joycelyn, Marcus, die hibbelige, blasse Geraldine, Luca, in seiner blöden Zelle natürlich, jetzt tatsächlich mit einem schönen Veilchenauge, und Mallory Kentrall, die sich im Hintergrund hält und ihre biedere Rüschenhaube tief ins Gesicht gezogen hat, aus Angst vor zu viel Aufmerksamkeit. Nur John hält sich fern, er verabscheut die Bürokratie der Bleichgesichter zu sehr. Und jede Menge Hilfssherriffs. Es wird seit fünf Minuten ärgerlich durcheinander geredet.
„Ruhe! Coleman ist da!“, sagt plötzlich in eindringlicher Stimme Deputy Hendricks, die durch die staubblinden Scheiben nach draußen gespäht hat. Dort sind tatsächlich Pferdewiehern und Stiefelsporen zu hören!
Coleman tritt ein, ganz die Ruhe selbst, sein wettergegerbtes Gesicht grimmig aber reserviert, wie meistens. Einige Deputies salutieren, oder tippen sich an die Hüte. Joycelyn legt unwillkürlich die Hände auf Geraldines Schultern, und zieht sie etwas näher an sich.
„Howdy allerseits“, sagt J. P. Coleman, „Nett, dass man Sie allesamt mal wieder in der Stadt sieht! Fehlen nur noch Bloody Knife, Shadrack, und Miss Wickett.“
„May B. und Rex haben das Land verlassen“, sagt Joycelyn heiser, und denkt, dass das keine Lüge ist, sie haben ja auch den Planeten Erde verlassen.
„Schade, mit denen wollte ich auch noch reden“, sagt Coleman. Dann sieht er sich unter seinen Männern und Frauen um, und knurrt, „Los, kommt schon, Leute, geht da draußen mal wieder an die Arbeit! Hier drin steht man sich ja gegenseitig auf den Füßen!“
Zögerlich gehorchen die meisten der Deputies, nehmen ihre Schießeisen, und trotten nach draußen. Coleman kneift sich in die Nasenwurzel, er ist voller Präriestaub, wahrscheinlich hat er die Nacht durchgemacht auf der Jagd nach den Blackjacks, oder den Walkin' Dead.
„Sheriff Coleman!“, erhebt Marcus seine leise, aber eindringliche Stimme, „Als Repräsentant des Collegiums für Interräumliche Physik möchte ich meine Empörung ausdrücken über diese gestrige Inhaftnahme! Derart doppeltes Spiel sieht dem Sheriff Department gar nicht ähnlich!“
Coleman winkt ab, „Da sprechen die Berichte meiner Leute leider eine ganz andere Sprache, Mister Perriwinkle! Irgendwann mussten Sie ja den Bogen überspannen. Haben Sie denn gar keine Neujahrsvorsätze gemacht? Sie machen ja genau so weiter wie letztes Jahr!“
„Was soll das denn bedeuten?“, entfährt es Joycelyn, „Wir sind verdammt noch mal die Helden dieser Stadt! Sie wissen genau, was zu Halloween passiert ist, sie haben den Kadaver des Dings selbst gesehen, und die Mistforken!“
Coleman schaut zweifelnd, „Und gesehen habe ich auch einen Bericht über einen ungeklärten Einbruch im Sweetrock-Firmengebäude, mit zwei ermordeten Nachtwächtern! Über heimliches Einschleichen in unser Gefangenenzelt im Sommer. Über kurze aber heftige Kampagnen der Volksverhetzung gegen die Sweetrock Mining Company, und die Familie Whateley! Geschichten von einer Allianz mit einem kriegerischen Indianerlager! Und jüngst einer Frau, die dem Kirchendienst entrissen wird, um ihr zur Flucht zu verhelfen.“
„Schon alles irgendwie toll, das zusammengefasst aus Ihrem Munde zu hören, Sheriff“, strahlt Byrd in seiner Zelle, „Haben Sie davon noch ein paar mehr auf der Pfanne?“
Geraldine dreht sich zu ihm um, und muss plötzlich lachen.
„Ich gehe stark davon aus, Sie und Mister Flatbush wollen hier ein Exempel statuieren, Sheriff!“, sagt Perriwinkle beherrscht, „Ich verstehe nur nicht, aus welchem Grunde. Wir sind alle auf derselben Seite!“
Coleman setzt sich auf den Stuhl an seinem schrabbeligen Holzschreibtisch und legt die Füße auf die Platte, „Ja, ist das so? Das wüsste ich gerne genauer, Mister Perriwinkle! Dafür hätte ich gerne einen stichhaltigen Beweis, ehrlich gesagt! Byrd hier und Shadrack wurde eine Nähe zu den Eisenbahngesellschaften nachgesagt. Über Wickett wurde getratscht, sie sei mit Victor Navarro gesehen worden, von dem es heißt, dass er verdeckt für die Blackjacks agiert! Ihr Aufgebot hat mit allen möglichen Interessenvertretern dieser Region zusammengearbeitet, als freischaffende Explorateure, und als Revolverhelden!“
„Na, aber das ist doch überhaupt nicht ungewöhnlich!“, protestiert Byrd, „Was spricht denn dagegen, ein paar Silberdollars als Sold zu nehmen vom Höchstbietenden?“
„Im Großen Eisenbahnkrieg mag das ja Gang und Gebe sein“, sagt Coleman und kratzt sich am Arsch, „Aber Sie sind ja keine richtigen Söldner. Sie … sind irgendwie anders motiviert. Vielleicht sind Sie Fortschrittsfeinde, wie die Indianer? Aber was macht dann Mister Perriwinkle in Ihrem Aufgebot ...? Was sollte Lancasters aufrührerische Kampfrede in der Zeltstadt, zu Halloween? ... Shadrack hat was Bestimmtes in Gomorra gesucht, und Sie übrigen Galgenvögel betrifft das auch!“
„Recht und Ordnung haben stets profitiert von unseren Taten!“, versetzt Joycelyn erhobenen Hauptes.
„Und jetzt soll ich mich einfach darauf verlassen, dass das schon so weitergehen wird?“, fragt Coleman sie prompt, „Hören Sie. Ich habe seit Neuestem die beiden Regierungen hier in meiner Stadt. Man hat das noch nicht genau mitgekriegt, aber das wird sich bald ändern. Die werden hier ganz gewaltig Druck machen! Ich habe hier Howard Findley als den absoluten Blockierer, und Black Jack Jackson als den vollendeten Störenfried! Das Gomorra Valley ist nur einen Schritt weit davon entfernt ein einziges Kriegsgebiet zu sein! Ich werde hier für Recht und Gesetz sorgen. Koste es, was es wolle.“
„Und was können wir dabei für Sie tun, Sheriff?“, fragt Byrd.
„Von Ihnen verlange ich gar nicht so viel! Auf Sie … will ich mich einfach künftig verlassen können.“
Eine Weile ist es still im Raum.
Coleman fährt schließlich fort, „Deputy Flatbush wird Ihnen gleich Ihre Bezahlung geben für den Eskorteauftrag. Keiner außerhalb dieses Raumes wird je wieder davon sprechen. Gegen Byrd lassen wir alle Anschuldigungen von gestern wieder fallen.“
„Hört, hört!“, freut sich dieser.
„Ja. Und dann gehen Sie mir aus den Augen …“, sagt Coleman, und steht aus seinem Stuhl auf, „Aber wenn ich einen von Ihnen irgendwann wieder Scheiße bauen sehe wie bisher — und ich rieche Scheiße fünf Meilen gegen den Wind! — dann kommt sofort wieder alles auf den Tisch! Ist das von allen hier verstanden worden?“

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #242 am: 9.11.2024 | 17:39 »
Immerhin hält Sheriff J.P. Coleman Wort, und händigt den Wild Cards ihren vereinbarten Sold aus. Dennoch, unsere Helden sollten sich genauer überlegen, ob sie in nächster Zeit weiter für die Fraktionen arbeiten! Allem voran wegen Colemans Drohung: Er hat mit seinem doppelten Spiel mehr als deutlich gemacht, dass die Gesetzeshüter sich verdammt nochmal nicht auf der Nase herumtanzen lassen werden. … Insgesamt sieht das mächtig danach aus, dass der Kampf um die Kontrolle über die Stadt demnächst noch viel erbitterter werden wird!


Für das zurückliegende Erlebnis gibt’s wie immer ein neues Gebäude, jetzt wo der Januar etwas milder ist, und die ersten Sonnenstrahlen des neuen Jahres die Bautrupps wieder hervor locken. Ich wollte schon lange Ignacio's Exotics bauen lassen, das wäre dann der richtige Laden für dieses Mal. Wir werden im Folgenden mal da vorbei schauen, um das bizarre Warenangebot zu bestaunen!


Das Aufgebot hat außerdem einen weiteren Ansatzpunkt bekommen während des zurückliegenden Abenteuers: Jemand von den Whateleys, so hieß es ja, treibe sich alleine nachts auf dem Elephant-Hill-Friedhof herum!
„… Aber ich dachte, die Whateleys kommen nie raus aus ihrer Scheiß-Butze da!“, sagt Luca Byrd dazu, „bisher hat man doch höchstens den ollen Jebediah gesehen!“
Joycelyn hebt die Schultern, „Na ja, der Friedhof ist für diese Sippe doch ein naheliegendes Ausflugsziel! Immerhin liegt der Elephant Hill genau neben der Whateley-Villa!“
„Was heißt denn hier naheliegend?“, ereifert sich Mallory, „Der Friedhof als Ausflugsziel?!“
Byrd kichert, „Und das von jener Madame, die die Stimmen der Toten befragt!“
Mallory wiegelt ab, „Sie verstehen einen feuchten Kehricht von meiner Kunst, Mister Byrd! Dies ist ein äußerst würdevoller Prozess. Und er wird vorzugsweise in wohl temperierten Räumen bei geschmackvoller Beleuchtung durchgeführt. Sich Nachts auf einen Friedhof zu stehlen dagegen geziemt sich wohl kaum, weil es äußerst vulgär ist, unchristlich, und noch dazu gefährlich. Vergessen Sie ja nicht, dass das Umland der Stadt in pestulenter Weise von Walkin' Dead heimgesucht wird, und ganz sicher ist auch der Elephant-Hill-Friedhof nicht vor ihnen gefeit!“
„Toll!“, freut sich Luca, „Dann haben wir ja auch flugs eine Rechtfertigung gefunden, warum wir selbst dort demnächst heimlich nach dem Rechten sehen! Wir müssen das verlorene Schaf einsammeln, nicht wahr, zu seinem eigenen Besten! Jaja, bevor es noch von Untoten angekaut wird, wenn es sich bei Nacht dort herumtreibt!“
Joycelyn gibt zu bedenken, „Aber die letzten Whateleys, mit denen wir's zu tun hatten, die haben alle diese Teufelskunst beherrscht, mit der man andere lenkt wie Marionetten! Was machen wir, wenn dieser neue Whateley-Spross das auch kann?“
„Dem brennen wir eins auf den Pelz!“, frohlockt Luca.
„Noch besser“, ergänzt Miss Kentrall, „Ich habe kurz nach Halloween eine Hoyle'sche Kartentechnik entschlüsselt, die mich derartiges Teufelswerk verhüten lässt. Mein unliebsamer Besuch in der Whateley-Villa hat mich darauf gebracht“, und sie erschaudert unwillkürlich beim Gedanken daran, „Ich hätte diese Kartentechnik auch neulich versucht im Kampf gegen die Faminites. Alldieweil muss ich den Übeltäter sehen können, um sie anzuwenden.“
„Endlich reden Sie mal Tacheles über Ihre Kartentricks, Miss Kentrall“, lobt Joycelyn.
Das Medium entgegnet streng, „Ich vertraue fest darauf, dass mein Geheimnis bei Ihnen sicher ist! Mehr als mein tadelloser Ruf ist hier in Gefahr! Wir haben die Männer in Schwarzen Dustern in der Stadt; die Einsätze bei diesem Spiel sind demnach explosionsartig angestiegen!“

Schön und gut! Aber ist das vielleicht obendrein ein Unlinked Clue für eine künftige Queste, wie bei FlexTale beschrieben? Die Orakelwürfel bestätigen das prompt. Ich setze das Erscheinen des Whateley-Spross auf dem nächtlichen Friedhof also auf meine Liste mit Unlinked Clues.


Damit wäre auch schon alles bereit für ein neues Abenteuer nach der Art vom Abenteuer-Generator (‚Shadows of Gomorra‘)!

Das Abenteuer beginnt mit allgemeinem Herumtreiben, wie immer. Marcus bleibt im Forschungszentrum um seinen Studien nachzugehen, der Rest rückt zum Elephant-Hill-Friedhof aus. Alle bekommen Karten für die Zugreihenfolge, und diese gelten gleichzeitig als Karten für die Tabelle Ereignisse in der Stadt. Drittens sind die verteilten Karten mehrheitlich schwarz, was bedeutet, dass eine Gegnerfraktion gerade Druck auf die Stadt ausübt. Dies ist laut Wurfergebnis die Sweetrock Mining Company. Das bedeutet, dass sie derzeit alle Locations kontrollieren, an denen Charaktere sind, die diese Runde schwarze Karten haben, also den Friedhof (das Forschungszentrum würden sie sich natürlich auch gerne einverleiben, um die Wissenschaftler in ihre Tasche zu bekommen, aber dies geht nicht, aufgrund der Sonderregel des Collegium).

Marcus Perriwinkle bekommt Probleme ganz anderer Art, denn für ihn ergibt die Tabelle ein Besonderes Ereignis, und dies ist das Erscheinen einer geringen Monstrosität! Er muss ein Zufallsmonster in einem regulären Kampf besiegen. Leider ist er ja ohne die Unterstützung der anderen Wild Cards allein in seinem Laboratorium! Während er also gerade einen seiner Aufziehmechanismen wartet, hört er etwas poltern bei einem der Öfen. Erstaunt rückt er sein Monokel zurecht: Er ist doch der Einzige hier in seiner Arbeitsstätte?!
„Hallo, wer da?“, fragt er gedämpft, und als der Pazifist der er ist, greift er nicht nach seinem Gewehr, sondern nähert sich unbewaffnet.
Der Januarwind fegt eiskalt ins Zimmer, scheinbar ist das Fenster geöffnet worden! Und dabei löst sich auch eine massige Gestalt aus den Schatten: Ein Night Terror! Er muss sich aus der Prärie zur Stadt verirrt haben, und über die Gebäudefassade hinein geklettert sein, wo noch letzte Baugerüste stehen! Marcus besteht seinen Terror-Wurf gerade so, als das zottige Monstrum einen Schritt auf ihn zu macht.



Night Terror
The Night Terror is a hideous demon with sunken glowing eyes, a grotesquely wide mouth, lined with razor sharp teeth, and covered in dark blue fur and rocky skin.
Attributes: Agility d6, Smarts d4, Spirit d6, Strength d12, Vigor d12
Skills: Athletics d6, Fighting d4, Intimidation d8+2, Notice d6, Stealth d6
Pace: 5, Parry: 4, Toughness: 12 (2)
Special Abilities:
• Armor (2): This critter has thick fur and rock-like skin.
• Bite/Claws: Str+d6.
• Fear (-2): Night terrors cause Fear checks at -2.
• Insane Aura: A human character starting his turn within 4'' of a night terror is automatically Distracted if he has a red suit Action Card, or made Vulnerable if he has a black suit Action Card. (Ignore this ability if he has a Joker.)
• Low Light Vision: Night terrors get no penalties for Dim and Dark Illumination.
• Menacing: Due to their madness induction, night terrors get +2 to their Intimidation results.
• Size 2: Night terrors are hulking brutes.
• Weakness (Fire): Night terrors take +4 to damage from attacks and powers with a Fire Trapping, and get –4 to rolls to resist powers with Fire Trappings.

(Die Night Terrors aus Shadows of Brimstone sind im Übrigen natürlich nicht zu verwechseln mit den identisch benannten Viechern aus dem Deadlads-Grundbuch!)

Runde 1: Ein ungeschickter Krallenhieb des Biestes fegt Bücher und Apparate von einem Wandregal! Marcus taumelt benommen, er wird Vulnerable durch die Insane Aura der Kreatur, aber öffnet geistesgegenwärtig die Ventilationsklappe an seinem Maschinenarm, um im Wasserdampf zu verschwinden. Ein Weird Science-Erfolg löst die Deflection-Kraft für ihn aus.

Runde 2: Der Night Terror hat einen Joker, seine kleinen Augen leuchten im dicken Dunst, und sein zweiter Hieb trifft den zurückweichenden Erfinder. Perriwinkles eleganter Gehrock wird aufgeschlitzt, aber er haut seinen einzigen Benny raus, und absorbiert die Wunde, er trägt nur einen blutigen Kratzer davon. Die Insane Aura macht ihn weiterhin Vulnerable; er justiert mit zitternden Fingern das neue Gerät an seiner Maschinenhand, welches laut zu summen beginnt, und durch das Ballen der Eisen-Faust wird das massige, blaue Etwas mit einer betäubenden Schallwelle getroffen. Papiere und splitternde Reagenzgläser fliegen hin und her. Der Night Terror mit seinem Vigor-Würfel von W12 bemerkt den Stun jedoch überhaupt nicht!

Runde 3: Die Aura des Irrsinns lässt Marcus' Augen tränen, macht ihn diesmal Distracted. Seine Tricks scheinen nicht recht zu funktionieren, er schlägt also hektisch mit der Uhrwerk-Faust zu, aber nur weitere Glaswaren gehen zu Bruch. Das Vieh krallt und schnappt, aber kann gerade nichts sehen, in der Wolke aus Wasserdampf die der Schulter-Boiler weiterhin ausstößt.

Runde 4: Marcus trifft den Night Terror, so dass dessen schwere Knochen nur so knacken, und macht ihn Shaken. Dieser sammelt sich jedoch sofort wieder, und kratzt dem Erfinder über die Schulter, fügt ihm eine tiefe Wunde zu.

Runde 5: Und direkt darauf eine zweite, mit einem Biss! Das sieht schlecht aus!

Runde 6: Marcus bekommt diese Runde einen Joker. Damit macht er eine verzweifelte Wild Attack gegen das Scheusal, seine Maschinenfaust trifft es in die Körpermitte. Der Schadenswurf macht es abermals nur Shaken, das wird nicht reichen, wie wir eben sehen mussten! Ich setze also Marcus' sauer verdienten Conviction-Punkt ein, um den Wurf um 1W6 zu erhöhen. Auf den Punkt kommt beim Schadenswurf nun das benötige Wundlevel zustande: Rippen brechen, und der übergroße Bolzenarm verwandelt einige der außerirdischen Innenorgane darunter zu Muss! Der Night Terror grollt und krächzt, und bricht dann mit lautem Scheppern auf einem Regal zusammen!

Die Erfinderkollegen Susan Franklin und Fineas von Landingham haben den Krach gehört, kommen in Marcus' Laboratorium gestürmt, und werden blass, als sie den riesigen Kadaver sehen, und den blutüberströmten Scrapper, der seinen Fez vom Kopf verloren hat und nun ebenfalls in sich zusammen gesunken ist.
„Er muss schleunigst zu Doc Branson!“, bringt Susan Franklin hervor, „Stützen Sie ihn, Fineas!“
Der große Belgier zögert: „Wees voorzichtig! … Vielleicht ist diese Bestie noch am Leben …?“

Marcus Perriwinkles eigentlicher Zug besteht dann schlicht darin, sich zu Doc Branson's Arztpraxis zu bewegen, und seine Biss- und Kratzwunden behandeln zu lassen! Dem misstrauischen Branson ist der Scrapper reichlich suspekt, und auch dessen merkwürdige Verwundungen. Er sieht aus, als hätte er mit einem Bären gekämpft! Er bekommt die zwei Wundlevel zumindest wieder auf eins gesenkt.

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #243 am: 9.11.2024 | 17:52 »
Beim nächtlichen Elephant-Hill-Friedhof derweil hocken Luca, John, Joycelyn, und Mallory eine Weile im trockenen Buschwerk, und bibbern in der Januarkälte. Einige Kojoten heulen in der Ferne ihr Lied, und gelegentlich krächzt irgendein Nachtkauz, ansonsten ist alles still.
„… Sollte es stimmen, dass jemand von denen hier aufkreuzt — wer übernimmt dann eigentlich das Reden?“, wispert irgendwann Byrd, „Miss Kentrall, machen Sie das wieder?“
Die Hucksterin zögert kleinlaut, und flüstert dann zurück, „Ich bin nicht sicher, ob das so gut wäre! Am liebsten würde ich mich einfach auf Beobachterposition halten!“
„Nanu, aber zu Halloween waren Sie doch ganz eifrig dabei, sich als Sprachrohr zur Whateley-Familie anzubieten!“
„Ja, aber ich bin mir immer noch unklar darüber, ob diese Herrschaften mich da nicht durchschaut hatten … oder ob sie dabei vielleicht von vornherein nur mit mir gespielt haben! Die sind nicht zu unterschätzen!“
… Außerdem kennen die den Namen ihrer Großmutter Eleanor, fügt Mallory in Gedanken hinzu, und sehr wahrscheinlich nicht allein deshalb, weil die ein berühmtes Medium war, ihrerzeit. Womöglich hat das irgendwas mit der Wesenheit Aurath zu tun!

Ein Blick auf die Ereigniskarten diese Runde zeigt: Über Joycelyn wurden fiese Gerüchte verbreitet, als Teil von Sweetrocks Plänen des Ergreifens der Kontrolle. Seit Halloween hat sie bei den Anzugträgern einen Ruf als politische Aufhetzerin. Auch jetzt gerade wieder lassen die Bonzen ihre Gerüchteküche brodeln. (Glücklicherweise ist das für dieses Zwischenspiel aber unerheblich.)

John und Luca haben beide eine Neun als Ereigniskarte, das liefert den narrativen Grund für Sweetrocks Übergriffigkeiten in der heutigen Nacht: Eine der kleineren Verbrecherbanden der Gegend hat wohl eine Rechnung offen mit der Sweetrock, und gedenkt sich ausgerechnet heute Nacht in einem schnellen Überfall zu rächen! Plötzlich sind Schüsse zu hören, und das Glas von Ladenfronten klirrt laut! Und da gleich zwei Neuner-Karten gezogen wurden, passiert dasselbe nochmal — die Bande nämlich wird von einem Aufgebot aus besonders skrupellosen Kopfgeldjägern verfolgt, ähnlich schlimmer Abschaum des Ödlands, welche wiederum diese Gelegenheit günstig finden, sie hochzunehmen! Beiden Gruppen ist Kollateralschaden völlig scheißegal! Die Sweetrock-Wachmänner haben ja schon Aufstellung in den Straßen bezogen, und versuchen brutal durchzugreifen. Die Schießerei am Stadtrand dehnt sich auch zur Grenze des Friedhofs aus, wo unsere Helden sich aufhalten. Sie müssen zwei Quick Encounter in Folge durchstehen!
„… Aber doch nicht jetzt, Leutchen, Ihr verscheucht ja unsere Beute!“, knurrt Byrd, aber dennoch mit einem abenteuerlustigen Grinsen im Gesicht. Schon hat er seine Peacemaker gezogen.
Die Wild Cards nehmen kauernd Deckung hinter größeren Grabsteinen, während einzelne Schüsse und Querschläger über sie hinweg peitschen! Mallory Kentrall legt zusammengekauert die Karten, und verstärkt heimlich dadurch die Schießkünste ihrer Verbündeten. Byrd und Joycelyn ballern aus der Deckung heraus auf die Desperados, und John schleudert gezielt seine knöchernen Wurfspieße. Gerade so kommen die benötigten vier Erfolge zustande. Die randalierende Outlaws können also von der Friedhofsgrenze fern gehalten werden.
Dabei geht die Straßenschlacht so richtig los, als vom Südosten her nun die Kopfgeldjäger zu Pferde in die staubigen Straßen hinein preschen, und die Banditen ihrerseits unter Feuer nehmen!
„Was für ein Chaos!“, keucht Joycelyn ungläubig.
Im zweiten Quick Encounter verlässt John seine Deckung, mit wildem Kampfschrei, und wütet mit seinem übergroßen Beil, er holt allein schon drei der benötigten vier Erfolge. Komischerweise fallen neben den Krawallbrüdern von außerhalb auch einige der Sweetrock-Gewehrschützen seinem Wüten zum Opfer! Byrd gibt dem rasenden Krieger Feuerschutz, entwaffnet präzise mehrere Gangster und Kopfgeldjäger, und erzielt weitere vier Erfolge bei Shooting. Da braucht Mallory gar nicht weiterhin Powerpunkte zu verbrauchen, und Joycelyn kann auch ihren kleinen Derringer in Ruhe nachladen, das zweite Quick Encounter ist bereits locker gewonnen. Schon rennen die ersten Law Dogs herbei. Pulverdampf und aufgewirbelter Straßenstaub mischen sich über den nächtlichen Pfaden. Die meisten Banditen und Kopfgeldjäger ziehen sich hastig zurück.

Miss Kentrall hat die letzte Aktionskarte in diesem Zwischenspiel, und ihr Ereignis ist Anpöbelei: Als alle sich aus der Deckung hinter den Grabsteinen aufsammeln, stehen plötzlich mehrere der Gangster neben der feinen Dame!
„Du da! Du hast mit auf der Seite der Scheiß-Sweetrock gekämpft! Du bist uns in den Rücken gefallen, Du elende Schlampe!“, zischt einer der abgerissenen Outlaws.
„Haben wir genau gesehen!“, knurrt ein anderer.
Ein drittes Quick Encounter ist laut Ereignistabelle vermeidbar durch einen Persuasion-Erfolg von Mallory. Sie erhebt angewidert ihre Stupsnase, und deutet an sich herab: „Sind Sie blind, meine Herren? Wie Sie sehen, bin ich ja unbewaffnet! Wie hätte ich Ihre Bande da aufs Korn nehmen sollen?“
(Augenscheinlich stimmt das: Sie hat eine Derringer-Pistole so wie Joycelyn, aber die ist versteckt in der Tasche ihres Wintermantels. Und ihr ectoplasmischer Säbel erscheint ja sowieso nur, wenn sie ihn heraufbeschwört!)
Mallory würfelt Persuasion — aber es fällt eine Doppeleins! Sie wird also leider blass und stottert, als sie das sagt. Die Outlaws ziehen haßerfüllt ihre Schießeisen! Zwar haben sie den Straßenkampf verloren, aber sie scheinen determiniert, hier nochmal Dampf abzulassen, indem sie sich zumindest an der feinen Dame rächen, die ihrer Gang in den Rücken gefallen ist.
Also machen wir ein drittes Quick Encounter. Die anderen drei Wild Cards rennen herbei, um zu helfen. Diesmal ist Joycelyns Derringer äußerst effektiv, sie trifft einen der vier Outlaws von hinten in den Ellenbogen des Waffenarms! Byrd entwaffnet zwei weitere Kerle mit Zielschüssen. Mallory lässt ihre Maske fallen, erzeugt ihre glühende Ectoplasma-Klinge, und macht einen Ausfallschritt gegen den Abschaum. Dank einem von Luca gestifteten Benny gelingen ihr dabei drei Erfolge: Der gespenstische Säbel durchbohrt den Gesetzlosen mit erschreckender Genauigkeit, und bringt dabei kurz seinen Brustkorb von innen her zum Aufleuchten! Auch dieses Quick Encounter haben die Wild Cards heil überstanden, und kassieren je einen dritten Benny. Was für eine Nacht, na ja, die Siedler sagen ja nicht ohne Grund ‚Doomtown‘ zu dieser Stadt …!

Dann haben die Wild Cards auf dem Friedhof alle noch ihren eigentlichen Zug nach Abwicklung der Ereignisse. Umso unwahrscheinlicher ist es, dass sie den gesuchten Whateley-Spross heute Nacht noch hier antreffen nach dem Krawall, also würfle ich die Orakelwürfel mit geringster Wahrscheinlichkeit. Dennoch sagen diese (mit einer doppelten Höchstzahl!) ‚ja, und außerdem‘!

Die fröstelnden Viere kehren also in ihr ursprüngliches Versteck im Buschwerk zurück. Hier können sie beobachten, wie zuerst die Wachen der Sweetrock am Rand des Friedhofs herumsuchen, dann die Law Dogs, dann Doc Branson und seine Gehilfen, und schließlich der klapperige alte Totengräber Silas Peacock mit seinem Schergen. Erst als es wieder ganz ruhig über der winterlichen Prärie ist, ist eine andere Gestalt zu bemerken, die scheinbar andächtig zwischen den düsteren Grabsteinen hindurch wandelt. Die vier Lauernden halten den Atem an, als sie sie vorübergehen sehen. Sie trägt ein weißes Kleid, und hat wilde, kohlrabenschwarze Haare.
„Das muss sie sein!“, wispert Mallory Kentrall aufgeregt.
Die junge Miss Whateley sieht so aus, als würde sie sich in ihrer nächtlichen Andacht so gar nicht davon stören lassen, dass hier vor einer Stunde die Totenruhe von gewalttätigen Ausschreitungen gestört wurde! Sie verschwindet weiter oben auf dem finsteren Elephant Hill außer Sicht.
„Hinterher!“, raunt John Bloody Knife.
Zwar ist der Indianer mittlerweile der beste Schleicher im Aufgebot, aber gerade hier treten seine großen Quadratlatschen auf trockene Zweige und verstreut liegende Knöchelchen. Sicherlich hat die blassgesichtige Miss ihn gehört!
Oben auf dem Hügel kommt sie wieder in Sicht — nicht etwa betend, wie man hätte erwarten können. Sie tanzt zwischen den Grabsteinen im fahlen Licht des Sichelmondes, wie ein ausgelassenes Kind!
„Das … das ist doch Blasphemie!“, flüstert Mallory fassungslos.
Die Wild Cards ducken sich zwischen die Grabsteine und beobachten ungläubig.
„… Kommt schon raus, ich habe Euch längst gesehen!“, vernehmen sie kurz darauf die die Fremde, ihre Stimme klingt auch wie die eines Kindes, in einem hohen Singsang.
„Byrd! Joycelyn! Sie gehen vor!“, zischt Mallory ängstlich.
Eigentlich hat sie Recht, die beiden sind die Redekünstler des Aufgebots.
Byrd nickt, klopft sich Staub vom Mantel, und rückt sich den alten Hut zurecht, als habe er einen Anstandsbesuch vor. Joycelyn hält sich zitternd hinter ihm.
„Ja, howdy, Miss! Entschuldigen Sie das Herumgeschleiche! Na ja, hier war vorhin ja so richtig die Hölle los, mit dem großen Krawall und so, da wollten wir mal nach dem Rechten sehen!“
„Und so laut hat es gekracht! Und die vielen, vielen Schreie!“, nickt die Schwarzhaarige, sie hat es offensichtlich von der nahen Villa aus auch gehört.
„Ja, schauderlich! Und was ist mit der Totenruhe, da denkt natürlich mal wieder keiner dran!“
„Die haben sich dran gefreut! Und sie bekommen bald viele neue Freunde, das freut sie auch!“, sagt die Miss halblaut.
„Wer?!“, fragt Joycelyn perplex, jetzt doch neugierig, obgleich sie sich immer noch hinter Luca Byrd verbirgt.
„Na, die Gevatter hier! Was für ein Spaß das wird, wenn die Neuen zu ihnen kommen! Und wie dann das allgemeine Geschnatter und Geschachere wieder losgehen wird! Eine helle Freude wird das sein, und so viel Aufsehen!“, und sie macht eine kleine Drehung um sich selbst.
Der Whateley-Spross, dem die beiden sich hier gegenüber sehen, scheint Mitte Zwanzig zu sein, und sie wäre sehr schön, wäre sie nicht so blass, mit schwarz geränderten Augen. Ihre Haare sind zerwühlt und stehen wild in alle Richtungen ab, ihr weißes Rüschenkleid unter ihrem Mantel ist völlig zerschlissen und von Mottenfraß durchlöchert.



„Ja, das ist ja nett, dass Sie sich so kümmern, Miss Whateley, um die, äh, Instandhaltung des Friedhofsgeländes“, sagt Byrd versuchsweise, „Schön, dass Ihre Sippe den armen Mister Peacock da so unterstützt! Der ist ja auch nicht mehr der Jüngste!“
„Der Silas, der ist nur ein Büttel!“, sagt Miss Whateley vage.
„Ja, gewiss. Äh, und Ihre Familie ist ja insgesamt am Wohl der Stadt interessiert, hört man! Was machen Sie denn als nächstes, um unsere brave Gemeinde nach vorne zu bringen?“

Da soll er mal Persuasion würfeln, ob er der Fremden Hinweise entlocken kann. Dank seinem Attractive-Bonus kommt er auf sieben, fast ein Raise.

Was entgegnet die Miss denn? Wir befragen die Orakelkarten, und die sagen, Protection of Community. Die Stadt zu beschützen scheint so gar nicht das zu sein, woran den Damen und Herren Whateley gelegen ist. Also ist nicht die Gemeinschaft der Siedler gemeint, sondern die eigene Gemeinschaft des Clans:

„Erst einmal muss Großmütterchen dafür sorgen, dass die liebe Verwandtschaft in Sicherheit bleibt! Alle schön drinnen bleiben, und abwarten bis die pfui-Spinne-häßlichen Gerüchte aufgehört haben!“
„Ja, pfui Spinne“, pflichtet Byrd bei, „Also, was für Gerüchte denn genau?“
„Die Gerüchte, welche die da in die Welt gesetzt hat! In der Zeitung, letztes Jahr!“, sagt Miss Whateley unverwandt, und zeigt über Lucas Schulter hinweg auf Joycelyn. Plötzlich ist das blasse Gesicht nicht mehr ausgelassen, sondern schlagartig todernst. Joycelyn weicht vor dem Fingerzeig zurück, als sei es eine Ohrfeige gewesen.
„Ich muss mich heimlich rausschleichen, wegen der da! Großmütterchen gibt Acht auf uns wie ein Schießhund! Aber ich muss doch die Freunde hier besuchen, und die dürren Gevatter unten am Ufer!“
„Ach so, das, haha, das war bestimmt nur ein Missverständnis!“, wiegelt Byrd ab, „Das hat das gute alte Großmütterchen bestimmt schon im Griff! Wie hieß sie noch gleich, die Gute. … Ich könnte schwören, ihr Name beginnt mit W.!“

Aber jetzt würfelt die Fremde, und hat einen dicken Erfolg:

„Und Du, Du bist nämlich in Wirklichkeit Luca Byrd! Du hast zu Samhain die Vogelscheuche kaputt gemacht, entgegen dem, was Großmütterchen Dich geheißen hat! Und beim Water's Edge Strike neulich habe ich Euch auch herumschleichen sehen!“
„Na ja, diese Vo-Vo-Vo …“, versucht Byrd, aber die Stottermacke, die er sich damals eingefangen hat, zeigt sich erneut.
„Was wolltet Ihr mit der Vogelscheuche?“, verlangt Joycelyn aufgeregt zu wissen.

Die Orakelwürfel werden gefragt, ob Miss Whateley dies beantwortet. Eine Doppeleins sagt, ‚nein, und außerdem‘!

Sie murmelt in eisiger Stimme, „Wir haben jetzt genug miteinander geplaudert! Ich bin hier, um mit den Freunden zu tanzen, nicht wegen Eurer dummen, dummen Fragen! Die Freunde sind jetzt verstimmt wegen Euch. Sie kommen. Ihr habt die unruhig gemacht. Schämen solltet Ihr Euch! Es kratzt schon überall. Kratz, kratz, kratz, unter unseren Füßen …!“

Damit würfelt sie ihren Spellcasting-W12, erzielt ein Raise, und das Kratzen und Scharren ist tatsächlich zu hören! Mit ihrer Kraft Zombie kann die Schwarzmagierin locker eine ganze Horde auf unsere Wild Cards hetzen! Grabkreuze wackeln, und der gefrorene Grund beginnt zu beben, erste bleiche Knochenhände tasten nach den Fußknöcheln von Luca und Joycelyn! Die schaffen beide ihren Terror-Wurf nicht, erschrecken bis ins Mark, Byrd hält seinen Hut auf den Kopf gedrückt, während er herumwirbelt und flüchtet, und die Sängerin rennt ihm schreiend hinterher! Einzelne, abgetrennte Arme robben schlangengleich durch den Dreck, den beiden Flüchtenden nach. Um die ausgelassen tanzende Miss Whateley herum wühlen sich skelettierte Leichname aus dem gefrorenen Friedhofsdreck. Mallory springt in kaltem Grausen aus der Deckung auf und rennt den anderen nach. Der einzige, der unverwüstlich bleibt, ist diesmal John, er umfasst kauernd sein Kriegsbeil mit festem Griff, und knurrt auf Algonkin, „Wäre ich mit Sioux-Kriegern hier, würde dies hier anders ausgehen, Bleichgesichter-Hexe!“
Trotz seinem gesteigerten Bock, die Horde aus Walkin' Dead zu dezimieren, schleicht er weg, und joggt den drei Fliehenden nach.

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Re: [Deadlands] Savage West Solo Play
« Antwort #244 am: 11.11.2024 | 16:44 »
Was ist denn unser Auftraggeber für einer? Adherent who wants to enrich himself, sagt das Kartenorakel. Ein feuriger Unterstützer einer Sache, der es aber ausnahmsweise mal einfach auf Zaster abgesehen hat. Das lob' ich mir, Bock auf Zaster hat unser Aufgebot nämlich auch! Und ich glaube ja, dieser eingangs zufällig auftauchende Night Terror war ein Indikator dafür, dass diese Gattung von Monster noch nicht genug hat …!

Ich entscheide mich also dafür, die Mission ‚Terror in the Night‘ zu spielen, ein Szenario aus dem Brimstone-Grundspiel (City of the Ancients).


Schon am nächsten Tag steht im Collegium ein etwas zwielichtig aussehender Geschäftsmann in staubigem Anzug vor dem Eingangsportal. Er hat von dem Erscheinen ‚des abartigen Schneemenschen’ letzte Nacht hier gehört, und von Marcus Perriwinkles Kampf um Leben und Tod! Professor Erik Zarkov bringt den ominösen Besucher und seinen Erfinderkollegen im blauen Salon des Gebäudes zusammen, wo auch Joycelyn Lancaster zugegen ist. Die Sängerin hatte heute Mister Perriwinkle besucht, ursprünglich, um von ihrem nächtlichen Erlebnis auf dem Friedhof zu berichten, und sie ist immer noch erschüttert über dessen Verwundungen, und die Verwüstung in seinem Laboratorium.
„… Meraviglioso, welche Freude, auch Sie hier anzutreffen, Signorina Lancaster! Man hat sich ja schon eine kleine Ewigkeit nichte mehr gesehen, non è vero?“
Endlich erkennt Joycelyn den Besucher wieder: Es ist der Händler, der ebenfalls Gefangener der Blackjack-Bande war, bevor sie erstmals die Stadt erreicht hatten! (Und zwar hier!) Das letzte halbe Jahr in Gomorra hat ihn sichtlich verändert, seine Mine wirkt noch viel verschwörerischer, aber dafür auch sehr viel selbstsicherer als damals.
„Ja, ich erinnere mich! Mister …“
„Ignacio Materazzo, werte Signorina! Welch eine Freude, dass wir diesmal unter weniger barbarischen Umständen zusammenkommen, no? Aber ja, ma certamente! Und noch dazu in solch wohlsituiertem Umfeld! Was ist denn mit dem Kaffee? Und wo ist diesmal mein werter Landsmann, Signor Byrd?“, sagt das Dickerchen, während er gierig den automatischen Getränkebereiter bestaunt, der in der Ecke vor sich hin klappert und bereits Caffée-Aroma verströmt.
„Gewiss doch!“, sagt Joycelyn höflich, „Aber Mister Byrd, ein Landsmann von Ihnen? — Wohl kaum, der ist doch Südstaatler!“
„Sie müssen ihn natürlich mit dazu holen. Iche 'abe ein Geschäft zu unterbreiten, Signor Perriwinkle, und liebe Signorina Lancaster! Sì, zur Eröffnung meines Ladens! Nun ja, wenn es an zwei Dingen nicht mangelt in Kalifornien, dann sinde das schlimme Scherereien, und gute Geschäftsgelegenheiten!“
„Hübsche Alliteration“, sagt Marcus Perriwinkle, und hustet dann sogleich, und hält sich eine der frisch verbundenen Stellen, mit seiner menschlichen Hand.
Joycelyn wirft ihm einen mitleidvollen Blick zu.
„Das Monstro, das dies angerichtet hat, Mister Perriwinkle … könnten wir einmal darüber sprechen? Dies soll ja hier im Gebäude passiert sein! … Könnten dessen Überreste womöglich einmal besichtigt werden?“
Marcus rückt sein Monokel zurecht, und sagt leise, „Kaum, Mister Materazzo! Ich weiß ja nicht, ob Sie neben Ihrem Beruf als Ladeninhaber vielleicht nebenher noch für den Tombstone Epitaph arbeiten, oder für eine andere Skandalzeitung! Außerdem heißt es, Pinkerton-Dedektive seien in der Stadt! Auch deren Einmischung steht zur Befürchtung.“
Bene! Umso mehr öffentliches Interesse besteht doch wohl! Das Übernatürliche, das ist echt, wie ich Ihnen daselbst bezeugen kann! Dies sind keine bloßen Behauptungen, Signor Perriwinkle!“
„Umso mehr täte ein Gentleman gut daran, nicht allzu viel Aufsehen zu erregen in Gomorra. Derzeit können wir niemandem gänzlich vertrauen, wie ich befürchte. Denken Sie etwa, irgendjemand der unabhängigen Forscher in diesem Gebäude hätte irgendein Interesse daran, dass die sogenannten Männer in Schwarzen Dustern hier aufmarschieren, um alles haarklein zu durchsuchen?“
Offensichtlich graust es Marcus schon allein bei dieser Vorstellung.
No no no, wo denken Sie hin, Signor Perriwinkle! Aber interessiert Sie denne nicht, was es eigentlich mit diesen abartigen Schneemenschen auf sich hat?“
Joycelyn fragt misstrauisch, „Und Sie, Mister Materazzo, kennen sich mit diesen Ungetümen aus? Verstehe ich das richtig?“
Bene, ich gedenke, mein Ladenlokal mit einem echten, wie sagt man, einem ‚Hingucker‘ auszustatten, junge Signorina! Äh, dafür braucht es ein angemessenes Präparat! Wie zum Beispiel den Kopf des Biestes, das gestern Nacht in dieses Gebäude eingedrungen ist, an einem schön polierten Zwölfender aus Nussholz!“
„Nun. Ich bedaure, Mister Materazzo … meine Kollegen Professor Zarkov und Fineas von Landingham haben letzte Nacht den Kadaver mit einem unserer Flammenwerfer eingeäschert. Daran, diese Abscheulichkeit auszustopfen, haben wir nicht gedacht.“
„Warum denn nicht? Es hätte sich auch vortrefflich in Ihrer Empfangshalle gemacht!“
„Ich war ehrlich gesagt besorgt um mögliche psychotrope Stoffe, die es absondert. Sein Erscheinen hatte einen höchst beunruhigenden psychologischen Effekt auf mich!“
„Na, dann ist es ja vortrefflich“, sagt der dicke Ignacio Materazzo unbeirrt, „dass ich einen Ort kenne, wo mindestens noch ein Exemplar umgeht! Möglicherweise wurde die Kreatur, die Sie gestern erlegt haben, Signor Perriwinkle, von dort aufgescheucht!“


Joycelyn befragt noch am selben Tag Mallory dazu, im Golden Mare Hotel.
„… Das, was Mister Perriwinkle letzte Nacht angefallen hat“, stellt Mallory in kühler Stimme fest, „war Ihrer Beschreibung nach ein Night Terror. Manta Blake hat seinerzeit gescherzt, die seien das fehlende Bindeglied zwischen tierischem Leben und Gestein! … Gott hab' ihn selig.“
„Haben Sie die mit der Manta-Blake-Truppe erforscht?“, fragt Joycelyn befremdet.
„Nein, aber wir haben mehrfach welche gesehen. Die Sweetrock hatte uns letztes Jahr mehrmals Minen auskundschaften lassen, wo welche von denen drin umgegangen sind. Ähnlich unliebsame Kreaturen wie Tommyknockers, aber noch gefährlicher. Ihr Ursprung, ebenfalls unbekannt. Vielleicht haben sie gemeinsame Wurzeln mit dem kanadischen Wendigo, oder tatsächlich mit dem Schneemenschen des Himalaya.“
„Sollten wir also Mister Materazzos Angebot lieber ausschlagen?“
„Keinesfalls. Haben Sie sich das Bargeld bereits zeigen lassen?“


Marcus und Joycelyn rufen also das ganze Aufgebot zusammen. Ignacio Materazzo hat im letzten halben Jahr gut verdient, während er ein kleines Verkaufszelt in der Zeltstadt betrieben hat. Gerade ist endlich auch sein Ladengebäude fertig geworden, in das er seine Geschäfte jüngst verlegt hat.
Joycelyn führt souverän die Verhandlungen und erzielt mühelos ein Raise, und entlockt dem Auftraggeber zusätzliche $13 pro Person als Vorauszahlung.

Wir spielen den Schritt für Vorbereitungen durch:
John will sich nach weiteren Gerüchten über Sichtungen von Night Terrors umhören draußen auf den Trails, und begibt sich hierfür zum Trading Post außerhalb der Stadt. Er braucht (aufgrund der Kartenfarbe seiner Aktionskarte) die ganze Runde, um dorthin zu wandern, es ist schlechtes Wetter.

Luca und Mallory lassen sich nicht entgehen, einen Blick in den neuen Laden ihres Herrn Auftraggebers zu werfen. Ignacio Materazzo begrüßt sie überschwänglich, mit Luca redet er italienisch. Wider Erwartung ist Ignacio's Exotics überhaupt kein Laden für Kunstschätze — sondern ein düsteres Kuriositätengeschäft, vollgestopft mit den abstrusesten Fundstücken, Antiquitäten, Reliquien, und Präparaten!



Ignacio Materazzo in seinem neueröffneten Kuriositätengeschäft


Byrd findet das ganze einigermaßen spaßig, während er mit Ignacio plaudert. Mallory zieht ihre Rüschenhaube tiefer ins Gesicht, und befasst sich genauer mit den zusammengetragenen Folianten und Trophäen in den Regalen. Viel davon ist für ihr geschultes Auge nur abergläubischer Plunder, aber vieles ist auch echt! Da es Byrd gelingt, mit seinem Geplauder die Location zu beeinflussen, hat das Aufgebot derzeit genügend Ignacios Vertrauen, so dass Mallory sich ein paar der wertvolleren Stücke zeigen lassen kann. Für nur $200 kann sie heute ein Deck von Lucky Cards kaufen, das ist ein ziemlich guter Kampagnen-Gegenstand! Leider nicht Miss Kentralls derzeitige Preisklasse. Aber die beiden haben noch die erbeutete Trophäe aus Shadracks längst aufgekündigtem Hotelzimmer. Das ist der abgesäbelte Kopf der grausigen Cactus Queen aus der Top of the World Lode! (Hier hat es sich zugetragen.) Shadrack hatte den blühenden Kaktus mit dem menschenähnlichen Rachen letztes Jahr so gut konserviert wie er konnte. $23 ist das Ding Ignacio Materazzo wert, und er steckt es sofort in eins seiner übergroßen Einmachgläser und legt es in Alkohol ein! Ein garstiges Andenken, fürwahr!
„… Genau die Art von Drink, die man Mister Shadrack gut hätte anbieten können“, sagt Byrd, während er dabei zusieht; er wirkt verschmitzt, aber auch etwas wehmütig, als er von seinem damaligen Freund spricht.

Joycelyn macht derweil die Provianteinkäufe in Sam's General Store. Wenn wir endlich wieder in die Prärie hinaus ziehen, brauchen wir die üblichen Goodies, in Form von Bohnen, Speck, Kaffee, und Whiskey!

Marcus organisiert währenddessen eine schnelle, außerordentliche Konferenz mit seinen Wissenschafts-Kollegen im Forscherzentrum. Er berichtet ihnen von dem gestrigen Überfall und erklärt seine Absicht, heute dem Spuk auf den Grund zu gehen. Ich spekuliere darauf, dass er dadurch die Location kontrollieren kann, denn er kann gut noch einen Benny gebrauchen (der gestrige Kampf war Benny-technisch kostspielig!). Leider gelingt sein Persuasion-Wurf dafür nicht, er hat ja seinen Outsider-Abzug, weil er ein Scrapper ist. Die Erfinder und Gelehrten beginnen sogleich — wie so oft — durcheinander zu quasseln und erregt zu debattieren, was die Implikationen des gestrigen Überfalles auf Perriwinkles Laboratorium sein könnten! Alles versinkt schon wieder im Chaos! Mehrere Exzentriker plustern sich ganz gehörig auf, und hauen auf die polierte Tischplatte. Der fette Direktor Oswald Hardinger bekommt einen hochroten Glatzkopf, als er lautstark Ruhe fordert, und dabei umso vehementer von den Stimmen der anderen überschrien wird, und an eine gemeinsame Planung ist nicht einmal zu denken! Kopfschüttelnd entzieht sich Marcus dem Konferenzraum.

Eine zweite Zwischenspiel-Runde machen wir auch noch.

John erreicht endlich den abgelegenen Trading Post, und hört sich um. Gleichzeitig kann er ja mal allen Feinden des Roten Mannes mit finsterem Blick das Fürchten lehren, wo er schon mal dort ist. Mit einem Intimidation-Erfolg beeinflusst er die Location.

Aber hat man im Handelsposten etwas gehört über sogenannte Night Terrors? Die Orakelwürfel sagen mit zweifacher Höchstzahl ‚ja, und außerdem‘! Stark:

Ein schwarzer Trapper sagt eingeschüchtert zu John, „Da sin' Sie auf keine gute Idee gekomm'n, John Bloody Knife! Stimmt, eins von den Biestern soll am nördlichen Stadtrand gewes'n sein, letzte Nacht. Aber da sin' noch mehr, viel mehr, bei der oll'n Bat's Breath Mine! Geh'nse da nich' hin, Mister Bloody Knife! Zu gefährlich. Gut, wenn die Night Terrors da im Dunkeln bleib'n. Meistens kommense nich' raus, die vertrag'n doch das Licht nich'! Nich' ma' Mondlicht!“
„Ja, genau“, grummelt ein anderer Trapper, „Lassen Sie besser diese Biester das Problem der armen Schweine sein, die in die Bat's Breath Mine rein müssen zum Schürfen!“

Unsere kultiviertesten Wild Cards, Mallory Kentrall und Marcus Perriwinkle, haben immer noch wenig Bennies, und gehen daher noch schnell auf eine Runde scharfe Getränke in den Fat Chance Saloon. Sie spitzen nebenher die Ohren nach Gerüchten über die Whateleys, Ignacio Materazzo, oder die Männer in Schwarzen Dustern. Ehrlich gesagt wollen sie sich vor allem ein wenig Mut ansaufen, Marcus ist ja recht lädiert, und Mallory hat nach der gestrigen Nacht auf dem Friedhof die Paranoia. Sie nehmen ein paar Getränke mehr als geplant, aber verdienen sich durch ordentliche Vigor-Würfe jeweils noch einen Benny.
„Na, wo geht’s hin, werte Gäste?“, schnarrt Charlie Landers Stimme, als er erneut nachschenkt.
„Pardon, pardon?“, fragt Marcus, „Woher wollen Sie denn wissen, dass wir irgendwo hin wollen?“
Charlie lacht fies, „Na, bei Euch Flitzpiepen kann man sich das ja denken! Ihr habt drein geguckt wie sieben gottverschissene Tage Scheiße-Regen, als Ihr hier zum Tresen gekommen seid!“
„Wir werden heute tätig für Gomorras neuesten Unternehmer, und zwar Ignacio Materazzo!“, sagt Marcus, und rückt seinen Fez zurecht.
„Diese Knalltüte. Was gibt’s denn für den da draußen im Ödland auszubuddeln, vielleicht einen Dinosaurius?“
„Dinosaurier heißt's richtig“, verbessert Miss Kentrall.
„Kleine Klugscheißerin“, muffelt der Liliputaner, während er Gläser zu polieren beginnt.
„Wie bitte?!“, fragt die Dame empört.
„Feine Clue-Wisserin hab' ich gesagt, Ma'am“, keckert Landers vergnügt, „Sie scheinen ja schon wieder um alle möglichen Hinweise zu wissen, will ich damit sagen.“
„Vor dem aktuellen Hintergrund einer möglichen Präsenz von Pinkerton-Agenten in dieser Stadt bleiben unsere Lippen besser versiegelt“, sagt Marcus nachdenklich, und leert sein Brandyglas.
„Glauben Sie etwa, ich quatsche mit den angeblichen Regierungsschnüfflern über Ihre Angelegenheiten?!“, fragt Landers empört, „Sie wissen doch, dass der Fat Chance Saloon neutraler Boden ist!“
Mallory versetzt, „Aber Informationen sind eine Währung in einer Stadt wie dieser, Mister Landers! Und Sie, Mister, Sie sind der Bankier für diese spezielle Währung. — Als solcher wissen Sie natürlich bereits davon, dass Sheriff J.P. Coleman neulich Unmut geäußert hat über unsere Söldnertätigkeiten für wechselnden Auftraggeber.“
„Und Coleman darf man sich nicht zum Feind machen, den verdammten Jagdhund. Der wird immer skrupelloser“, bestätigt Landers.

Währenddessen gehen Byrd und Joycelyn rüber zum Alright Corral, denn mein W20-Wurf auf der Tabelle Reisemethode hat ergeben, dass Ignacio kein Beförderungsmittel organisieren kann. Und unser Aufgebot besitzt immer noch nur die zwei Pferde. Also würde es schon wieder heißen, stundenlang zu Fuß zu latschen, raus in die kalte Prärie! Joycelyn macht also ihren Einfluss geltend bei dem Reiterhof, und Byrd mietet daraufhin drei Hottis. Dann sind die Wild Cards bereit, aufzubrechen.



Ignacio Materazzo hat den Wild Cards eine kleine Poststation der Wells Fargo beschrieben, wo vorletzte Nacht ebenfalls die zottigen Monster beobachtet worden sind von den entsetzten Fuhrleuten. Bestimmt kann John Bloody Knife die Fährten der krallenbewehrten Füße noch in der Prärie finden!
Rüber zu der Station ist es nicht weit mit den von Luca gemieteten Pferden. Es ist ein kalter, düsterer Januartag, „Genau das Wetter, das einen abscheulichen Schneemenschen aus seiner Höhle locken würde!“, meint Mister Byrd tatendurstig.

Als die Wild Cards jedoch bei dem Umschlagpunkt ankommen, finden sie die Leute vom Fuhrunternehmen Wells Fargo nicht vor. Die Türen des Bretterverschlags sind in tausend Stücke geschlagen worden, und blutige Schleifspuren sind auf dem hölzernen Bürgersteig davor zu sehen.
„Einige lebten noch, als sie weggeschleift wurden“, vermutet Bloody Knife grimmig.
„Ach Du eiliges Kanonenrohr!“, sagt Byrd, „Sieht ja ganz so aus, als wäre diese Großwildjagd plötzlich zu einem Rettungskommando geworden!“
„Vielleicht ist wirklich noch jemand zu retten!“, haucht Joycelyn, „John, können Sie die Spuren lesen, damit wir denen folgen können?“
„Ich glaube, ich weiß jetzt schon, wo Spuren hinführen …“, knurrt der Krieger.
„Ach ja?“, fragt Mallory.
„Ja. Bat's Breath Mine.“