Autor Thema: Systembedingte Spaßgrenzen  (Gelesen 4928 mal)

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Offline 1of3

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #25 am: 4.07.2022 | 11:35 »
OK, duderino, du fühlst dich von aktuellen Rollenspielangeboten schlecht bedient. Das kann ja durchaus interessant sein. Du schreibst:

1. Wenn sich die Breite der möglichen Optionen, durch welche ein Spieler seinen Charakter individualisieren kann, künstlich eingeschränkt wirkt.
2. Regelbereiche keine ausreichende Tiefe bei der Abbildung von Detail-Entscheidungen innerhalb einer Disziplin

Ich glaube ich habe, was du dir wünscht, noch nicht ganz verstanden. Wann ist die Möglichkeit zu individualisieren künstlich eingeschränkt? Was ist das Gegenstück dazu also eine "natürliche" (?) Einschränkung?

Bei dem zweiten Punkt frage mich, was eine Disziplin ist. Was ist dementsprechend eine Tiefe der Abbildung von Entscheidungen?

Offline Olibino

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #26 am: 4.07.2022 | 11:37 »
Mich erinnert das an eine Situation die ich einmal bei Splittermond hatte. Damals ist eine Regelerweiterung für Begleittiere herausgekommen, die einem Tierführer sehr viele zusätzliche Optionen geboten hat. Ich hatte die als Spielleiter gekauft, fand sie gut und hatte der Gruppe angeboten sie zu nutzen.

Und es gab nur Ablehnung. Letztlich hatten die Spieler zwar Lust, sich mit sehr detaillierten Regeln im Bereich Kampf und Magie auseinanderzusetzen. Das sind schließlich die Bereiche die den Kern eines jeden Abenteuers bilden. Aber deswegen jeden Nebenaspekt genau so detailliert zu regeln? Das hat eben auch Nachteile. Man muß sich in diese Regeln einarbeiten, ggf. darüber diskutieren. Und es entstehen dadurch auch mehr Wartezeiten für die Spieler, die eben kein Begleittier haben.

Letztlich denke ich gibt es Gründe, warum die meisten Regelsysteme die jeweiligen Kernbereich detailierter regeln als Randbereiche. Man kann ja im Zweifelsfall auf ein anderes Genre wechseln, dass dann wieder andere Kernbereiche hat.


Offline Grubentroll

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #27 am: 4.07.2022 | 11:50 »
Also da ist dann eher meine Frage: Was für Abenteuer würde ein hochranginger Militärstratege erleben ... außer Krieg ??
Da frage ich mich aber auch öfters, was ein Paladin, Waldläufer oder Kleriker bei einer Gruppe Murderhobos macht die andauernd nur Dungeons ausrauben gehen.

Offline Zanji123

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #28 am: 4.07.2022 | 11:54 »
Da frage ich mich aber auch öfters, was ein Paladin, Waldläufer oder Kleriker bei einer Gruppe Murderhobos macht die andauernd nur Dungeons ausrauben gehen.

naja den Kleriker kriegst du mit "wir müssen die Untoten Plage beseitigen" bis zu "wir müssen den MC Guffin vom Einfluss des bösen schützen und daher vorher da sein um diese in den Tempel in Sicherheit zu kriegen"

bei einem reinen Waldläufer.... sieht die Sache schon anders aus (gut aber auch bei nem Druiden) die halt doch sehr "lokal" begrenzt Dinge schützen
9 von 10 Stimmen in meinem Kopf sagen ich bin nicht verrückt.... die zehnte sitzt in der Ecke und summt die Pokécenter Melodie

Offline nobody@home

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #29 am: 4.07.2022 | 12:22 »
Da frage ich mich aber auch öfters, was ein Paladin, Waldläufer oder Kleriker bei einer Gruppe Murderhobos macht die andauernd nur Dungeons ausrauben gehen.

Während gleichzeitig nebenan eine reine Paladingruppe intensiv damit beschäftigt ist, sich schon wegen kleiner ideologischer Unterschiede gegenseitig zu zerlegen, meinst du? ;)

Ernsthaft, den Zusammenhalt (oder Mangel daran) einer gegebenen Gruppe von Individuen würde ich nun wirklich eher nicht ausgerechnet an Klassenklischees festmachen. Natürlich muß es Gründe geben, warum genau diese viereinhalb Leute ständig miteinander abhängen und umherziehen -- nur diese bestimmte Betrachtungsweise hilft da mMn nicht wirklich weiter.

Offline ArneBab

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #30 am: 4.07.2022 | 12:26 »
Da frage ich mich aber auch öfters, was ein Paladin, Waldläufer oder Kleriker bei einer Gruppe Murderhobos macht die andauernd nur Dungeons ausrauben gehen.
Das zu klären ist meiner Meinung nach die Aufgabe der Spielrunde. Vielleicht wurde dem Waldläufer der Wald vergiftet, dem Kleriker die Kirche abgebrannt (und er verbannt, weil angeblich schuld) und dem Paladin gesagt, er wäre nie in der Lage, eine Gruppe Murderhobos auf den Rechten Pfad zu führen („Natürlich kann ich das!“ — „Beweis es! Da sitzen drei in der Kneipe!“).
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Offline Isegrim

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #31 am: 4.07.2022 | 12:59 »
Paladin, Waldläufer etc haben nicht mehr Grund, Abenteuer abseits Krieg zu erleben, aber die Fähigkeiten, die die Regeln ihnen zuschreiben, sind dort hilfreich. Kriegskunst ist das nicht. Ein Stratege ohne Armee ist ein Krieger, nichts weiter. Oder ein erfolgloser Politiker, wenn wir übers antike Athen reden, aber... :btt:
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Offline Arldwulf

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #32 am: 4.07.2022 | 13:06 »
Und ich frage mich, ob ein System, das ohne zu viel Regelkompliziertheit und mit erwartbaren Probenresultaten einfach nur dadurch zu einem der "besten" Systeme werden könnte, wenn es
gemäß (1) eine sehr sehr große Breite möglicher Charakterprofile erlaubt
und gemäß (2) sicherstellt, dass für jedes mögliche Profil auch ausreichend viele Nuancen/Entscheidungs-Optionen in der Anwendung der Charakterkompetenzen regeltechnisch abgebildet sind.

Was denkt ihr?

Klar ist das so. Die Schwierigkeit ist es auch umzusetzen.

Um 1) zu erlangen braucht man beispielsweise ein sehr gutes Balancing, welches sicherstellt das möglichst viele Charakterideen gleichwertig spielbar sind.
Um 2) zu erlangen braucht man zum einen vielfältige Regeloptionen welche es schnell ermöglichen "übliche" Aktionen abzuwickeln, gleichzeitig aber auch freie und schnell umsetzbare Regelhilfen für den Spielleiter um nicht vom Regelwerk abgedeckte Aktionen umzusetzen und schließlich muss das ganze eine möglichst hohe Relevanz entwickeln. Sprich: Ein noch so freies Regelwerk hilft nicht viel wenn es keinen Unterschied in den Auswirkungen von Aktion A und Aktion B gibt, dies gibt Spielern keine echte Entscheidungsmöglichkeit. Hohe Relevanz beinhaltet aber wieder komplexe Regelauswirkungen die wie am Anfang gesagt möglichst flüssig und schnell umgesetzt werden müssen ohne lange nachblättern zu müssen. Die Konfliktlösungsmechanik muss sowohl schnell als auch vielseitig und natürlich nachvollziehbar bleiben, dazu möglichst auch ohne irgendwen zu bevorteilen.

Um das alles unter einen Hut zu bringen hilft nur solche Aspekte von Anfang an, vom ersten Tag des Designprozesses zu berücksichtigen und ein möglichst solides Fundament zu erschaffen von dem aus man dann die einzelnen Dinge umsetzen und von dem aus man das Regelwerk um andere Elemente erweitern kann.

Offline Grubentroll

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #33 am: 4.07.2022 | 13:39 »
Ernsthaft, den Zusammenhalt (oder Mangel daran) einer gegebenen Gruppe von Individuen würde ich nun wirklich eher nicht ausgerechnet an Klassenklischees festmachen.
Aber warum ausgerechnet denn da nicht?

Diebe, Kämpfer, Magier, ok.

Aber was wieso geht ein asketischer Mönch oder ein heroischer Paladin samt Schlachtross im Dungeon Goblins looten?

Und das am Besten noch mit einem Haufen Gaunern zusammen.

Offline nobody@home

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #34 am: 4.07.2022 | 13:48 »
Aber warum ausgerechnet denn da nicht?

Diebe, Kämpfer, Magier, ok.

Aber was wieso geht ein asketischer Mönch oder ein heroischer Paladin samt Schlachtross im Dungeon Goblins looten?

Und das am Besten noch mit einem Haufen Gaunern zusammen.

Weil die Goblins "böse" sind und sich mit dem aus ihren Fingern "befreiten" Loot statt dessen Gutes tun läßt. Zumindest das ist ja die Grundidee hinter dem "Abenteuer auf Belohnung"-Ansatz von D&D und Co. schon von Anfang an: es ist relativ piepegal, was der eigene Charakter nun eigentlich im Detail will, mit Geld was anfangen und sich gegen einen gemeinsamen Feind verbünden können sie auf jeden Fall so ziemlich alle. (Schön, in Anfangszeiten war auch das "Wir sind alle eine fest eingeschworene Gemeinschaft"-Modell noch nicht der Quasi-Standard, der es dann später werden sollte. "Wer als Spieler da ist und Lust hat, spielt halt mit" harmoniert mit einer gewissen Söldnermentalität gleich von Anfang an ein Stück besser.)

Offline Arkam

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #35 am: 5.07.2022 | 06:55 »
Hallo zusammen,

These 3: Manchmal wird der Einfluss von Regeln auf den Spielspaß als negativ wahrgenommen. Das passiert wenn:
1. Wenn sich die Breite der möglichen Optionen, durch welche ein Spieler seinen Charakter individualisieren kann, künstlich eingeschränkt wirkt.
2. Regelbereiche keine ausreichende Tiefe bei der Abbildung von Detail-Entscheidungen innerhalb einer Disziplin erlauben.
3. Die Resultate von Resolutions-Mechanismen nicht den Erwartungen entsprechen.
4. Verständlichkeit und Anwendbarkeit der Regeln den Zeitaufwand oder Gedankenaufwand während dem Spielen zu stark beeinflussen.

1. Klassen oder Archetypen bieten ja einen schnellen und einfachen Einstieg ins Spiel. Da sollte einem aber auch klar sein was man bekommt. Ob man jetzt den Weg der D&D Editionen und ähnlich aufgebauter Systeme gehen muß und immer mehrere Klassen auf den Markt schmeißen muß kann man diskutieren. Ansonsten bin ich ja durchaus jemand der verschiedene Charakteroptionen hat. Aber den Trend in jedem Buch wieder ein paar Optionen anzubieten die dann auch noch meistens effektiver sind oder andere Optionen in Zweifel ziehen nerven mich. Auch der Trend 50 verschiedene Pistolen anzubieten von denen für jeden Wunsch eine optimal ist damit man Seiten schindet und ja kein Charakter die gleiche Pistole hat geht mir auf die Nerven.
Da habe ich teilweise den Eindruck das die Regeln einem die Beschäftigung mit dem Hintergrund und das tatsächliche Spielen abnehmen sollen. - Ist ein ganz böser Blick aber manchmal überkommt mich dieses Gefühl.

2. War früher auch mein Thema, gerade bei Fahrzeugen & Fahrzeugkampf, Genmanipulation und Computer Nutzung. Inzwischen ist mir wichtiger das die Möglichkeiten möglichst gut im Regelmechanismus bedacht worden sind. Ich schreibe gerade Hausregeln für ein W6 Poolsystem mit 5 / 6 als Erfolgszahlen. Da gehe ich jetzt nicht hin und versuche die Realität des Hackings abzubilden sondern versuche die Optionen die ich sehe mit den nötigen Zahlen an Erfolgen zu versehen und mögliche Reaktionen des Hintergrunds zu beschreiben.
Da brauche ich dann eben nicht einen ganz neuen Regelmechanismus oder eine komplexe Aufteilung in einzelne Schritte. Denn häufig falleb dann solche Systeme auch weg oder werden an NPCs delegiert.

3. Rechnen oder rechnen lassen sollte doch jeder hinbekommen. Man sollte aber auch bedenken ob das System Mechanismen hat um Probleme aus der Welt zu schaffen. Die Spiele von Free League etwa bieten ja alle an eventuell mehr Erfolge für einen Nachteil oder eine Option für den Spielleiter einzutauschen.

4. Dann verwendet man aus meiner Sicht das falsche System oder nutzt nicht die passenden Hausregeln für die eigenen Vorlieben. Oder man hat in seiner Runde Spielende mit sehr verschiedenen Vorlieben. Teilweise kann da auch die Tagesform der Betroffenen hinein spielen.
Pathfinder spiele ich derzeit in einer fertigen Kampagne. Da sind die Regeloptionen, in meiner Sicht, ziemlich star und man denkt gerne in Regekn und nicht im Charakter. Das ist nicht meine Art zu spielen aberganz viele andere Spieler haben ja Spaß daran.

Gruß Jochen
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Offline Max Sinister 2

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #36 am: 20.10.2022 | 01:54 »
Ich habe ja auch viel über Regeln nachgedacht... aber bin nie auf die Idee gekommen, mit Regeln Spaß erzwingen zu wollen. Ist das nicht unabhängig voneinander?

Camo

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #37 am: 20.10.2022 | 02:36 »
Ich bin ein klein wenig verwirrt, muss ich zugeben.
Zuerst kam diese Aussage:

Schön, schreibe doch einen eigenen Thread dazu, weil das alles Dinge zum allgemeinen Spielspaß sind, die nichts mit Systembedingtheit zu tun haben, oder?

Dann, ein wenig später, kam diese Aussage:

Verstehe ich dich richtig, dass du folgendem nicht zustimmen würdest?

(A) Es gibt sehr viele Rollenspieler, die Spaß daran haben, sich gemeinsam zu treffen und einen Abend lang "freie" Rollenspielszenen in einem Setting ihrer Wahl zu spielen. Dabei nehmen wir an, dass sie sich zwar auf ein System geeinigt haben, aber sich sicher sein können, dass es aus "magischen" Gründen keiner Regelanwendung bedarf. Und auch kein Handgewedel auftritt. Der Spielabend ergibt sich einfach so, dass Regeln nicht zur Geltung kommen.

Das beißt sich ein wenig, oder? Entweder geht es hier um den durch die Regeln generierten Spaß und allgemeiner Spielspaß ist ausgeklammert oder These A ist hier von Bedeutung, die sich explizit mit dem Spaß abseits der Regeln befasst.

Andererseits... "Spaß" ist immer ein individuelles Empfinden. Es gibt Leute, die ziehen Spaß aus ultra-detaillierten Regeln und andere Leute, die darin keinerlei Spaß sehen. Eine Verallgemeinerung ist nicht möglich, denn wenn man 100 Leute befragt, wie man "Spaß" definiert, bekommt man mindestens 101 Antworten. Weswegen es ja diese breite Palette an verschiedenen Regelsystemen gibt, die oftmals komplett andere Wege gehen. Eine einzige Linie wird man da niemals finden, das versucht dieser Thread aber irgendwie. Wird nicht funktionieren, fürchte ich, ist halt alles individuelles Empfinden.

Offline aikar

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Re: Systembedingte Spaßgrenzen
« Antwort #38 am: 20.10.2022 | 08:20 »
Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich verstehe, nach was duderino hier sucht. Eine Bestätigung für eine allgemeingültige These? Oder ein System, das deinen Vorstellungen entspricht?
Auch nach dem Lesen der Antworten bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich verstanden habe, worum es geht und ob hier alle über das selbe reden. Daher bitte um Entschuldigung, wenn ich irgendwelche Aussagen falsch interpretiere.

These 1: Rollenspiel macht grundsätzlich Spaß.

These 2: Regeln tragen dazu bei, innerhalb des Spaß-Bereichs des Rollenspiels zu bleiben.
Beispiel 1: Naturwissenschaftliche Diskussionen über die Biegsamkeit von Stahl vermeiden
Beispiel 2: Nicht frustriert davon sein, dass der andere Spieler so viel mehr Dinge tun kann, als man selbst.
Zu These 1: Wenn Rollenspiel einem grundsätzlich liegt, wovon ich bei den Anwesenden hier ausgehe, ja.
Zu These 2: Jein. Manche Regeln sind aktiv fördernd (das sind aber meiner Meinung nach genau die, die einschränken, siehe weiter unten) andere bilden einfach nur eine Basis.
Regeln können abstrahieren (Beispiel 1), aber wenn die Regeln naturwissenschaftlichem Wissen (das bei jemandem am Tisch vorhanden ist) widersprechen, werden sie erst recht zu Diskussion führen.
Und Regeln können Balancing erzeugen (Beispiel 2), was ich persönlich sehr schätze, aber wenn man sich z.B. die OSR-Szene anschaut gibt es genügend Spieler:innen, die das nicht brauchen oder sogar aktiv ablehnen.

These 3: Manchmal wird der Einfluss von Regeln auf den Spielspaß als negativ wahrgenommen. Das passiert wenn:
1. Wenn sich die Breite der möglichen Optionen, durch welche ein Spieler seinen Charakter individualisieren kann, künstlich eingeschränkt wirkt.
2. Regelbereiche keine ausreichende Tiefe bei der Abbildung von Detail-Entscheidungen innerhalb einer Disziplin erlauben.
3. Die Resultate von Resolutions-Mechanismen nicht den Erwartungen entsprechen.
4. Verständlichkeit und Anwendbarkeit der Regeln den Zeitaufwand oder Gedankenaufwand während dem Spielen zu stark beeinflussen.

sein
Während (3) und (4) weithin bekannt sind, scheinen mir (1) und (2) auf dem aktuellen Rollenspielmarkt wenig verbreitete Designziele zu sein.
Ja zu 3 und 4, nein zu 1, jein zu 2.
1. Passende Einschränkung kann spielspaßfördernd sein. Das ist ja genau der Weg, den PbtA (und eigentlich jedes Klassenbasierte System) geht. Die wählbaren Rollen entsprechen dem, was am ehesten das Gefühl des gewünschten Genres entspricht und fördern damit das Spielerlebnis.
Dazu kommt, dass Individualisierung durch Regeloptionen abgebildet werden kann, aber nicht zwangsweise werden muss. FATE liefert eine deutlich größere Bandbreite an möglichen Charakterkonzepten als selbst DSA, genau genommen ist mir noch nichts untergekommen, was ich damit nicht abbilden hätte können. Und für die einen ist genau das Individualisierungsfreiheit. Aber es gibt auch Spieler:innen, die mangelnde Individualisierungsmöglichkeit bei FATE beklagen, weil sie darunter vor allem regeltechnische Individualisierung verstehen und ihnen dafür Aspekte und ein paar Stunts nicht ausreichen.
2. Was eine "ausreichende" Tiefe ist, ist subjektiv.

Ich glaube das Problem hier ist, Rollenspiel als etwas einheitliches zu sehen.
(oder die Analyse muss abstrakter werden bezgl. Rollenspielregeln als Kommunikation/Anleitung statt an spezifischen Inhalten/Spielzielen orientiert.

Rollenspiel, welches deine geschmacklich individuellen Vorlieben gekonnt unterstützt macht Spaß.
Ein Spiel, welches dies handwerklich top umsetzt, aber für einen Spielstil, der dir* so gar nicht liegt, macht DIR dann keinen Spaß, einem anderen mit entsprechendem Geschmack dann schon. 

*abstraktes du/dir
Das. 100%ige Zustimmung.

Es wäre irrsinn, sämtliche Diskussionen über Qualitäten von Dingen nur noch auf Subjektivismus zu reduzieren, sobald es eine vehemente Gegenmeinung gibt.
Manche Qualitäten sind objektiv bewertbar. Gerade Spaß an einer Sache ist aber inhärent subjektiv.

Und das muss auch nicht alles immer mega tief verregelt sein. Es muss eben nur dafür sorgen, dass ein Spieler, der sich aufs Barde-Sein spezialisiert, etwas interessantes damit tun kann, das über triviale Probe-Würfe hinausgeht.
Jein. Das Regelsystem sollte unterstützen, dass die Spieler Spaß haben, Zustimmung. Für manche Spieler sind aber triviale Probe-Würfe genau das Maximum an Regeln, das sie haben wollen und alles mehr ist eine Spaßbremse. Und für manche Spieler muss alles mega tief verregelt sein und alles darunter ist eine Spaßbremse.

Du sagst ja selber
Das Problem mit dem richtigen Maß an Kleinteiligkeit stellt sich natürlich. Und natürlich wirds mal wem zu viel oder zu wenig sein. Bei mir ist das manchmal sogar tagesform-abhängig. Wenn ich müde bin, will ich DSA nicht mit Zonenregeln spielen.


Aber im großen und ganzen kann man ja doch sagen, dass es "gelungenere Granulierungen" und "weniger gelungene" gibt.
Klar gibt es Rollenspiele, die handwerklich gut gemacht und durchdacht sind um das zu tun, was sie sollen und solche, die das nicht sind.
Aber ob das Ergebnis "gelungen" im Sinne von "macht Spaß" ist, lässt sich nicht verallgemeinern. Ich kenne persönlich Spieler, für die ist DSA4.1 die perfekte Krone der Rollenspielsysteme, ich würde es nicht mal mehr mit der Zange angreifen. Und für andere ist es FATE und es gibt genug Spieler:innen, die damit gar nicht können. Ich kenne sogar einen Spieler, für den hat selbst Turbo FATE noch zu viele Regeln und er versucht es weiter zu vereinfachen.

Und ich frage mich, ob ein System, das ohne zu viel Regelkompliziertheit und mit erwartbaren Probenresultaten einfach nur dadurch zu einem der "besten" Systeme werden könnte, wenn es
gemäß (1) eine sehr sehr große Breite möglicher Charakterprofile erlaubt
und gemäß (2) sicherstellt, dass für jedes mögliche Profil auch ausreichend viele Nuancen/Entscheidungs-Optionen in der Anwendung der Charakterkompetenzen regeltechnisch abgebildet sind.

Was denkt ihr?
Klar ist das so. Die Schwierigkeit ist es auch umzusetzen.

Um 1) zu erlangen braucht man beispielsweise ein sehr gutes Balancing, welches sicherstellt das möglichst viele Charakterideen gleichwertig spielbar sind.
Um 2) zu erlangen braucht man zum einen vielfältige Regeloptionen welche es schnell ermöglichen "übliche" Aktionen abzuwickeln, gleichzeitig aber auch freie und schnell umsetzbare Regelhilfen für den Spielleiter um nicht vom Regelwerk abgedeckte Aktionen umzusetzen und schließlich muss das ganze eine möglichst hohe Relevanz entwickeln. Sprich: Ein noch so freies Regelwerk hilft nicht viel wenn es keinen Unterschied in den Auswirkungen von Aktion A und Aktion B gibt, dies gibt Spielern keine echte Entscheidungsmöglichkeit. Hohe Relevanz beinhaltet aber wieder komplexe Regelauswirkungen die wie am Anfang gesagt möglichst flüssig und schnell umgesetzt werden müssen ohne lange nachblättern zu müssen. Die Konfliktlösungsmechanik muss sowohl schnell als auch vielseitig und natürlich nachvollziehbar bleiben, dazu möglichst auch ohne irgendwen zu bevorteilen.

Um das alles unter einen Hut zu bringen hilft nur solche Aspekte von Anfang an, vom ersten Tag des Designprozesses zu berücksichtigen und ein möglichst solides Fundament zu erschaffen von dem aus man dann die einzelnen Dinge umsetzen und von dem aus man das Regelwerk um andere Elemente erweitern kann.
Damit sind wir wieder bei der Suche nach dem "perfekten" System. Letztendlich kann ich aber bestenfalls die perfekte Lösung für meinen gewünschten Stil und Grad und Granularität finden/entwickeln. Denn was "ausreichend" viele Nuancen/Entscheidungs-Optionen in der Anwendung der Charakterkompetenzen bleibt einfach subjektiv. Was für die einen wünschenswert ist, ist für andere erschlagend oder zu oberflächlich.
« Letzte Änderung: 20.10.2022 | 08:34 von aikar »
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