So ... angetrieben durch Camos Post:
Unpopular truth: Ich hatte einen Rollenspielladen. Der Warenbestand stellte einen fünfstelligen Betrag dar. Spannenderweise haben sich die meisten "Kunden" bei mir beraten lassen, in die Sachen reingeschaut und sonstwie gestöbert, um es dann im Internet zu kaufen. Durch "Einführungsangebote" hab ich nicht wenig dazu beigetragen, dass Nachschub in die Szene kommt, das leisten Onlineshops nicht. Von daher... ja, das wäre schade.
Was "schneller und günstiger" angeht... spannend. Hamburg hatte mal mindestens 7 Läden. Inzwischen ist es glaube ich nur noch einer. Und je mehr Läden verschwinden, desto mehr Leute suchen eine Gruppe, oftmals ohne Glück... weil es eine mächtig zersplitterte Landschaft an Optionen gibt, wo man suchen kann. Ich hab damals recht gern und immer mit Erfolg geholfen, Gruppen zu finden. Und das wird noch schlimmer werden, denke ich.
Dazu kommt noch, dass jeder Laden, der "stirbt" seinem Inhaber mindestens einen vier-, eher einen fünfstelligen Berg an "Restware" beschert, die man irgendwo lagern muss, während man versucht, sie loszuwerden. Wobei dann natürlich erwartet wird, dass man das zum Spottpreis raushaut oder sogar verschenkt. Been there, seen that.
Was "unfreundliche Ladenbesitzer" angeht... das hat meist was damit zu tun, was sie erleben. Gerade das "beraten lassen und dann woanders kaufen" frustriert extrem und sorgt nicht dafür, dass die Laune gut bleibt. Wenn man dann noch immer mehr "Kunden" hat, die das alte Werbemärchen "Der Kunde ist König" glauben und sich entsprechend verhalten... nun ja. Die meisten versuchen, freundlich zu leiben, ist aber nicht ganz einfach. Zumal DAS nun wirklich Leute sind, die Vollzeit für die Szene arbeiten... und nicht selten weniger als H4 dabei rauskriegen... weil die meisten Gewinne reinvestiert werden müssen, da man ohne Neuheiten eh in der Gunst der Kunden absinkt. Nur mal zum Nachdenken, gerade auch weil "man muss davon leben können" für Verlagsangestellte als Ideal gefordert wurde.
würde mich tatsächlich einfach mal interessieren, wie das die Leute hier sehen. Sind Rollenspielläden heute überhaupt noch von Nutzen? Ist das Verschwinden eben jener Läden wirklich "schade"?
Um da jetzt möglichst objektiv ranzugehen, müssen wir natürlich erst einmal ein paar Dinge definieren. Es soll hier explizit um Ladenlokale gehen. Also keine reinen Online-Händler. Außerdem müssen wir - so schlimm es für den einzelnen vielleicht ist - die persönlichen Schicksale der Inhaber ausklammern. Natürlich ist es schlimm, wenn einem persönlich die Existenz wegbricht. Darüber muss man nicht sprechen. Das ist klar. Aber um das Thema "Rollenspielladen" wirklich diskutieren zu können, muss ich "Otto Ladenbesitzer" - so gern ich ihn vielleicht habe - außen vor lassen.
Meine persönliche Meinung ist: Ich glaube, den Rollenspielladen braucht es definitiv
nicht mehr. Und das schon seit ... vielen vielen Jahren. In meinen Anfängen des Rollenspieldaseins - das ist nun auch schon so 25 Jahre her, gab es exakt 0 Rollenspielläden in meinem direkten Umfeld. Der nächste Rollenspielladen war eine Zugstunde entfernt (und "gefunden" haben wir den auch erst Jahre nachdem wir angefangen haben). Ein Rollenspielladen hatte also mitnichten irgendetwas mit mir als "Neuling" zu schaffen. Ganz "anders" reingerutscht bin ich allerdings auch nicht. Damals stand DSA noch hier im Vedes rum. Sahen ganz interessant für mich aus. Allerdings wirklich drauf gebracht wurde ich durch andere Spieler. Erst danach habe ich mich wirklich mit den seltsamen Boxen beschäftigt, die da im Vedes standen.
Spielersuche war damals auch so eine Sache. Bei uns hieß das: Freunde überzeugen, das Ganze mal auszuprobieren. Einige von diesen Freunden sind recht schnell wieder abgesprungen, weil das Ganze nix für sie war. Andere sind brennende Hobby-Fans geworden. Dadurch hatten wir irgendwann einen recht großen Spieler-Pool. Ein Rollenspielladen hätte uns hier überhaupt gar nicht helfen können.
Produkte haben wir Anfangs im Vedes bekommen. Einige Jahre später kamen dann die Online-Händler dazu und spätestens danach waren wir völlig losgelöst von irgendwelchen Läden.
So, jetzt sehe ich natürlich ein, dass solche Rollenspielläden sicher damals eine gewisse Funktion hatten. Sie boten vor dem Internet die Möglichkeit an Spiele zu kommen, die man gar nicht anders kennenlernen konnte. Aber heute? Ich kriege alles, was ich brauche. Alles. Kein Rollenspielladeninhaber konnte mir jemals eine Beratung geben, die sonderlich besser gewesen wäre, als eine heutige "Google-Suche" zutage bringt - wenn es nicht gerade um die ganz großen Player im Business ging.
Jetzt könnte man natürlich darüber diskutieren, dass jemand natürlich erst einmal von Rollenspielen erfahren muss, um im Netz nach Rollenspielen zu suchen. Das ist bis zu einem gewissen Punkt sicherlich nicht unwahr ... allerdings sind Rollenspiele durch Film- und Fernsehen inzwischen schon so bekannt, dass die meisten Leute, die ich kenne zumindest schonmal von D&D gehört haben (sei es durch Big Bang Theory oder Stranger Things - oder weil sie ohnehin Brettspieler sind und Rollenspiele zum Beispiel auf der SPIEL gesehen haben).
Dadurch dass das Leben vieler Jugendlicher inzwischen größtenteils im Netz stattfindet, halte ich eine Spielersuche über "Aushänge" oder "abendliche Veranstaltungen" im Rollenspielladen ebenfalls für vernachlässigbar - auch wenn ich hierzu natürlich keine genauen Zahlen habe. Aber eine Spielersuche via Social Media halte ich für sehr viel schneller zielführend. Das ist aber - wie gesagt - nur mein persönlicher Eindruck. Auch gerade deshalb, weil Online via VTT zu spielen gefühlt auch immer beliebter wird. Was die potentiellen Mitspieler gleich verzichfacht.
Dann zum Schluss noch der Punkt der unfreundlichen Mitarbeiter und Besitzer. Da lasse ich den Punkt "die sind nur verbittert, weil sich alle bei ihnen informieren und dann woanders kaufen" nur bedingt gelten. Ja, es mag diese Leute geben ... aber ich wurde teilweise EXTREM unfreundlich behandelt, bereits NACHDEM ich eine Kaufabsicht für verschiedene Produkte klargestellt habe. Das ging soweit, dass mich am Telefon mal einer regelrecht angebrüllt hat, wie ich es denn wagen könnte zu fragen, ob ein bestimmtes Buch 2 mal auf Lager wäre (weil ich eben 2 Exemplare brauchte) und eine Fahrt zum Laden eben eine Stunde mit dem Zug bedeutete. Da fragt man gerne mal vorher an.
So und wenn ich nun die Bilanz ziehe bleibt in meinen Augen ehrlich gesagt nicht mehr viel übrig, was für einen Rollenspielladen spricht. Und versteht mich nicht falsch. Ich war auch immer mal gerne in so einem Laden. Ich mochte die Atmosphäre. Die vielen Bücher. Aber wenn das der einzige Grund ist ... ich weiß ja nicht. Ein Tabletop-Laden bietet mir eventuell Spielfläche. Das ist durchaus ein Argument für einen Tabletop-Laden. Aber "Spielfläche" fürs Rollenspiel? Brauchts nicht wirklich. Und wenn es doch Bedarf für sowas gibt, glaube ich erneut, dass das wirklich eine verschwindend geringe Zahl an Kunden ist, die sowas brauchen. Da bleibt am Ende im Grunde nur als Argument "Nette Atmosphäre". Und das reicht für mich ehrlich gesagt nicht um auf die vielen Vorteile zu verzichten, die mir der Internethandel bietet.