Hallo Tanelornis,
hier geht es ja hoch her und das schreckt mich normalerweise eher ab, an der Diskussion teilzunehmen.
Da ich mich kürzlich jedoch auch sehr über die Qualität (oder eher den Mangel daran) einer Übersetzung regelrecht geärgert und in der Folge länger darüber nachgedacht habe, möchte ich auch meinen Senf beitragen:
1. Mir geht es wie einigen anderen hier, dass ich zwar über ein durchaus verhandlungssicheres Englisch verfüge, gerne mal Buch (auch Sachbuch) oder Film im Original lese/schaue, aber in meinem Hobby (am Ende des Tages immerhin "nur" ein Spiel) lieber mit übersetztem Material arbeite. Das war nicht immer so, aber mit zunehmendem Alter stelle ich fest, dass es mich manchmal anstrengt, komplexe Regelwerke mit massig Text auf Englisch zu lesen.
Hinzu kommt ein sicherlich nicht kleiner Teil von RSP-Fans, deren Englisch nicht sattelfest genug ist. Das ist selbstverständlich keine Wertung der betreffenden Personen, sondern schlicht ein Umstand, dem Rechnung zu tragen ist. Schließlich soll unser Hobby ja keine Geheimwissenschaft für Anglistikprofessoren sein.
Die (verständliche) Haltung in einigen Beiträgen, doch bitte alles im Original zu konsumieren, ist also kein Allheilmittel und führt in der Debatte auch nicht weiter.
2. Es bedarf also der Übersetzung. Ich bin seit Mitte der 80er (in unterschiedlicher Intensität) im Hobby unterwegs, zu Beginn naturgemäß nur mit den großen Systemen. Von ganz wenigen, bezeichnenderweise schon sprichwörtlichen Aussetzern abgesehen (I'm lookin' at u torch), war die Qualität solide bis gut. Mir ist klar, dass damals in der Regel größere Verlage Übersetzung und Vertrieb übernommen haben, weil die Szene noch nicht so fragmentiert war und sie ein gutes Geschäft witterten. Entsprechend wurden wohl Ressourcen=Manpower in Übersetzung und Lektorat investiert bzw. waren einfach vorhanden. Obwohl man offenbar auch Laien/Quereinsteiger anheuerte, wenn man sich verdeutlicht, dass die späteren DSA-Gründer die ersten BECMI-Regelwerke übersetzt haben, obwohl sie mehr oder weniger frisch von der Uni waren. Aber die Übersetzung ist einwandfrei. Es geht also.
3. Bevor man mich einer "Früher war alles besser-Haltung" zeiht, stelle ich klar, dass es auch heute noch vernünftige Übersetzungen gibt. Das sind für mich solche, wo sich mir beim Lesen nicht die Fußnägel aufrollen, weil ich als Laie des Übersetzungshandwerks sofort die englische Satzstellung oder wortwörtliche Übersetzungen ohne Sinn im Deutschen erkennen kann. Möglicherweise sind die vernünftigen Produkte sogar in der Mehrheit, aber wie ein Vorredner schrieb, bleiben die Katastrophen eher in Erinnerung. Und natürlich geht die Rechnung nicht auf, dass eine gute Übersetzung eine schlechte wettmacht. Denn...
4. wir reden hier von käuflich zu erwerbenden Produkten. In dem Fall, der mir besonders sauer aufgestossen ist, hatte ich rd. 50 € hingeblättert. Da wäre eine Pediküre billiger gewesen (Fußnägel, Ihr wißt schon = pun intended). Die Übersetzungsmängel zogen sich durch das ganze Buch und auch die anderen Bände waren kein Stück besser. Das trübt die vorhandene sonstige Qualität (Illus, Layout, Druck, Bindung) ganz erheblich, für mich persönlich sogar maßgeblich. Da tröstet mich auch nicht, dass man ja trotzdem damit arbeiten kann. Und da kann ich auch den Hinweis nicht gelten lassen, dass viel Zeit und Herzblut hineingeflossen sind, oder die Vorgaben des Verlages eben so waren. Bei einem solchen Preis erwarte ich ein einwandfreies Produkt, das bei mir kein sprachliches Schleudertrauma auslöst. Wenn der Verlag das nicht gewährleisten kann/will, muss er sich über unzufriedene Kunden nicht wundern und hätte es verdient, dass ich hier Roß und Reiter nenne.
Aber da schließt sich der Kreis und mein eh viel zu langer Post endet: Ich will die Debatte nicht noch weiter polemisieren und schließe mit dem Appell, dass die Verlage doch bitte (mehr) auf die Qualität achten und wir uns als zahlende Kunden nicht mit minderwertiger Arbeit zufrieden geben.
Gruß
Azaghal