Meine Meinung dazu habe ich kürzlich erst postuliert:
Schwergeburt oder Retortenbaby?
Die Schwierigkeit die richtigen Con-Charaktere zu haben
Allerorten wird im Moment wieder die Frage gestellt was auf einem Con günstiger wäre, wenn der SL Charaktere für das von ihm angedachte Abenteuer gleich mitliefert oder wenn vor Ort eine Charaktererschaffung durchgezogen wird. Es gibt hierbei noch eine dritte Möglichkeit, die auch oft in Betracht kommt, nämlich die, dass die Spieler Charaktere mitbringen. Auf unserer Suche nach der günstigsten Alternative werden wir natürlich alle drei genauer unter die Lupe nehmen.
Doch die Problematik fängt noch einen Tick früher an, zu aller erst sollte der SL sich im Klaren darüber sein, was er genau vorhat: Soll es ein kurzes, knackiges, action- und bleihaltiges Abenteuer werden? Oder legt er mehr wert auf eine vertrackte Geschichte in einem ungewöhnlichen Umfeld? Vielleicht hat er das Szenario sogar um einem bestimmte Sorte Mensch gewoben. Wie sich unschwer erkennen lässt implizieren diese drei verschiedenen Szenarioarten auch schon eine unterschiedliche Handhabung der Spielercharaktere.
Das Actionabenteuer ist dabei wohl insofern am unproblematischsten als dass man hier zwischen allen Vorhaben beinahe die völlig freie Wahl hat, da es meistens von der Art der Spielercharaktere recht unabhängig funktioniert, sicher sollten diese nicht beim ersten Schusswechsel aus der Jacke gepustet respektive von dahergelaufenen Strauchdieben windelweich geprügelt und in die Sklaverei verschachert werden, aber das kann man sicherlich günstiger regulieren als durch das Eingreifen in die Charaktere. Bei dieser Art Abenteuer wird es oft vorgezogen, dass die Spieler selbstmitgebrachte Charaktere verwenden, da sie daran schlicht den meisten Spaß haben, schließlich kennt und mag jeder einzelne Spieler seinen Charakter, aber hier sollte der Spielleiter dennoch Vorsicht wallten lassen, denn manchmal wird man mit ganz grausigen Geschöpfen konfrontiert, wie etwa einer halbelfischen-halbhexischen Rahja-Geweihten, die geschworen hat im Laufe des nächsten Jahres 100 Männer zu verführen. Für solche Grenzfälle gibt es natürlich kein Patentrezept ich für meinen Teil würde so etwas wohl schlicht nicht zulassen, doch ist dies eine ganz andere Problematik, die schon fast einen eigenen Artikel verdient hätte.
Die beiden anderen Beispiele von oben legen eigentlich nahe, dass der Spielleiter die Charaktere vorgibt wie soll er eine verschachtelte Geschichte ersinnen wenn er die Protagonisten nicht kennt oder ein charakterzentriertes Spiel aufziehen, wenn er die Charaktere nicht kennt? Sicherlich möglich auf einer Con aber sehr schwer zu realisieren.
Doch kommen wir zum Punkt: Charaktere vorgeben oder vor Ort erstellen?
Charaktere vor Ort zu erstellen hat einen dicken Nachteil: Es kostet immens viel Zeit. Zeit, die hinterher von der Spielzeit abgeht, bei Systemen wie unserem DORP – Rollenspiel oder auch bei manchen System der WoD wo die Charaktererschaffung sehr schnell von sich gehen kann ist dies sicherlich nicht weiter ein Problem, aber man stelle sich einmal vor man müsse ein Gruppe DSA4 – Charaktere auf der Con erstellen? Bisher spricht also nicht viel für diese Methode warum wird sie also oft praktiziert?
Wegen dem hohen Personifizierungsgrad mit dem eigenen Charakter. Der Spieler hat sich das Konzept komplett alleine ausgedacht, die Werte ausgewürfelt oder verteilt, das Aussehen festgelegt und ist schließlich vollkommen zufrieden. Dies ist sein Charakter mit einer ganz eigenen persönlichen Note. Nichts was einem aufdiktiert wurde. Auf einmal klingt die Charaktererschaffung vor Ort gar nicht mehr so schlecht, oder? Gerade ein Horrorabenteuer funktioniert zum Beispiel umso besser je mehr sich der Spieler mit seinem Charakter identifizieren kann, auf der anderen Seite ist aber auch gerade ein Horrorabenteuer sehr schwierig für den SL wenn er die Charaktere nicht kennt...
Die Vorteile und Nachteile von vorgefertigten Charakteren stehen denen der Con-Charaktererschaffung direkt gegenüber: Mann kann sofort mit dem spielen anfangen, der SL kann seinen Plot auf die Charaktere zuschneidern, aber die Personifizierung mit dem Charakter seitens der Spieler ist wesentlich geringer als bei der bereits genannten Alternative. Es kann im schlimmsten Fall sogar passieren, dass ein Spieler auf einem Charakter sitzen bleibt, mit dem er absolut nichts anfangen kann.
Es stellt sich also die Frage: Für welche der beiden Varianten entscheide ich mich? Es erscheint ein wenig, als könne man eigentlich nur falsch entscheiden und Murphy sorgt dafür, dass dem ganz sicher so sein wird...
Eigentlich sollte die Frage also lauten: Gibt es nur diese Beiden Extreme oder kann ich nicht versuchen einen Mittelweg zu gehen? Und die Antwort lautet: Man kann.
Einen habe ich weiter oben schon erwähnt: Die Spieler verwenden mitgebrachte Charaktere. Positiv ist, dass man direkt loslegen kann und die Identifikation mit dem jeweiligen Charakter sehr hoch ist, es bleibt jedoch der Nachteil bestehen, dass man als SL nur sehr generische Abenteuer entwerfen kann. Es kommen jedoch noch zwei neue Nachteile hinzu: Zum einen weiß man wie bereits erwähnt nie, welche Biester einem die Spieler unterjubeln wollen, wer schlägt nicht bei dem Satz „Mein SL hat den so erlaubt“ die Hände über dem Kopf zusammen und, was in meinen Augen noch viel wichtiger ist, Neulinge haben so keine Chance in ein System hineinzuschnuppern...
Einen anderen möglichen Mittelweg beschreite ich seit einiger Zeit: Ein Konzept, dass ich gerne als „Instant-Charakter“ bezeichne. Just add water and you have a character. Man geht dabei wie folgt vor: Der SL generiert Charaktere, die er in seinem Abenteuer brauchen kann und verknüpft diese auch bereits miteinander, indem er jedem eine kurze Hintergrundgeschichte schreibt, die darüber Aufschluss gibt mit welchem der übrigen Charaktere er bekannt ist und inwiefern. Soweit klingt das noch als würde man einfach Charaktere vorgeben, aber ein paar entscheidende Details sind anders: Man lässt, das Wesen sowie das Aussehen und den Namen, vielleicht sogar das Geschlecht der Charaktere offen. Diese werden auf der Con von den Spielern festgelegt, so haben auch die Spieler eine Möglichkeit noch stark Einfluss auf ihren Charakter zu nehmen, sie fügen praktisch das Wasser hinzu. Bei System wie der WoD kann man sogar überlegen die freien Zusatzpunkte ebenfalls von den Spielern verteilen zu lassen.
Die Vorteile dieses Systems liegen auf der Hand: Der SL hat Charaktere, die er gebrauchen kann und die über eine ausgefeilteres Beziehungsgeflecht verfügen als eine auf dem Con zusammengewürfelte Truppe. Die Spieler haben noch großen Einfluss auf ihre Charaktere und so einen recht hohen Identifikationsgrad mit der ihm. Da ferner der Großteil des organisatorischen Teils der Charaktererschaffung, zum Beispiel das Verteilen respektive Auswürfeln von Attributen und Fertigkeiten, bereits durch SL zu hause erfolgte braucht man dafür auch nicht wirklich lange und meist kann man nach ca. 15 Minuten auch mit dem eigentlichen Spiel loslegen.
In meinen Augen der sinnvollste Kompromiss zwischen dem vorgefertigten Retortenbaby und der vor-Ort-Schwergeburt. Es handelt sich hierbei sicher nicht um eine riesige Innovation, sondern eher um eine Vorschlag zu Detailverbersserung, aber ich habe bisher durchweg positive Erfahrungen gemacht und würde mich freuen, wenn ihr es auch einmal ausprobieren würdet.