Ich weiß ja nicht wie viel oder wenig Splittermond du gespielt hast. Aber wenn man etwas an Zeit in das System steckt und keine Charaktere spielt, die auf dem Niveau vorgefertigter Charaktere sind, fällt das an allen Punkten auf. [...]
Komme leider erst jetzt dazu hier nochmal etwas ausführlicher bzw. konkreter aus unserer etwa 6-jährigen Splittermond-Spielpraxis zu antworten (die folgende Nummerierung bezieht sich auf deine):
1. Das Nutzen der Tick-Leiste hat bei uns noch keiner als zäh empfunden, im Gegenteil laufen die Kämpfe (gerade dadurch) flüssig und übersichtlich. Dass Kämpfe recht lange dauern, stimmt hingegen – das dürfte aber weder mit der Tick-Leiste noch den 5 Lebensleisten zu tun haben, sondern ein Effekt der Kleinteiligkeit der (Kampf-)Regeln als solcher sein. Jedenfalls ist nach meiner Erfahrung auch bei allen Rundensystemen (insbesondere mit großer Optionsvielfalt) mit kleinteiliger Zeitmessung jeder Kampf ein Zeitfresser. Und bei uns das galt selbst für solche Systeme wie Fate und One Roll Engine …
2. Welche Waffe mehr bringt, ist sehr kontextabhängig. Ich hatte schon eine Runde (ganz zu Beginn meiner Splittermond-Erfahrung), in der mein Zwergenkämpfer seinen ersten und einzigen und dann auch noch verfehlten Angriff mit Schwerer Waffe gerade "ausgetrudelt" hatte, als die "Schnellkämpfer" den Kampf auch schon entschieden hatten ...
3. Auch das Balancing der verschiedenen Optionen erschien uns bisher sehr gut gelungen, alle gewählten Konzepte der Spieler fühlten sich rund an und jeder kann sich gleichwertig einbringen. Auch haben wir noch keinen "Hartholzharnisch" oder sonstigen No-Brainer entdeckt oder irgendetwas, dass das System "bricht".
Es stimmt allerdings, dass die Kaufabenteuer vom Schwierigkeitsgrad der Kampfbegegnungen häufig "zu leicht" sind. Denn auch unsere Gruppe hat einen relativ hohen Optimierungsgrad hinsichtlich ihrer Kampftauglichkeit.
4. Der Aspekt mit den extrem gut geschützten Kämpfern vs. weniger gut geschützten Fernkämpfern/Magiern macht das Problem unter 3. aber dann doch wieder spannend, denn jetzt muss sich die Gruppe eben etwas einfallen lassen, wie erstere letztere schützen. Und ist damit eben keine System-Problemstelle für uns.
5. Dass eine sehr große Gegneranzahl Kämpfe unübersichtlich macht, stimmt sicherlich ab einer gewissen Menge. Hier habe ich als SL aber mit Hilfe der Schwarmregeln einen guten Ansatz gefunden, um darzustellen, dass viele schwache Gegner einen gut gerüsteten Helden ohnehin nur mit gegenseitigem Unterstützen gefährlich werden können (was letztlich ja auch in nur einem Wirkangriff des Gegnertrupps/Schwarms resultiert, dafür mit erhöhtem Angriffswert).
6. Eine Lachnummer durch "Debuffs" wie Furchtzauber o.ä. hatten wir noch nicht; aber ja, auch vermeintlich starke Endbosse können so deutlich in ihrer Gefährlichkeit reduziert werden – wobei die Gruppe dann meist froh ist, die Gefahr auf diese Weise gebannt zu haben und ein Lachen eher Ausdruck der Erleichterung ist … Abgesehen davon haben Endbosse bei uns im Normalfall ein entsprechendes Gefolge oder anderen Schutz. Und außerdem gilt das "Debuff-Problem" natürlich auch andersherum …
7. Ok, den Punkt mit dem Verwaltungsaufwand für NSC speziell im Kampf habe ich als SL auch. Weswegen ich mir hier im Vorfeld die wesentlichen Dinge aufschreibe und eine konkrete Kampftaktik vorbereite. Da könnten die Kaufabenteuer noch deutlich anwenderfreundlicher werden … Wobei das halt auch ein Grundproblem von Systemen mit feingranularen NSC ist.
Hinsichtlich der Problematik insbesondere der potentiell hohen Verteidigungswerte und Schadensreduktion stehe ich auf folgendem Standpunkt:
Ja, die Kaufabenteuer sind offenbar nicht für optimierte Kämpfer, sondern eher für "Cederion"-Kämpfer gedacht. Das muss ich als SL also berücksichtigen.
Wobei einfache Gegner trotzdem einfach bleiben – die sind dann halt so gut wie gar keine Gefahr und einen solchen Kampf spielen wir dann auch nicht großartig aus. Und die Spieler können sich "heldenhafter" fühlen ...
Das alles bedeutet aber nicht, dass das Spielsystem nicht durchdacht wäre - im Gegenteil finde ich es sehr gut durchdacht -, sondern "nur" dass die SL es auch selbst meistern muss, wenn die Spieler dies tun. Und dafür fehlt Splittermond durchaus so ein bisschen eine Art "Taktik-Ratgeber" sowie Optimierungs- und Verwaltungswerkzeuge für SL, um auch bei optimierten Gruppen "mithalten" zu können.