@Ainor
Danke für den Impuls. Ich muss sagen, das mir das seit einiger Zeit auch mal wieder extrem aufgefallen ist. Mhmm ... wo fang ich am besten an ...
Zuallererst sehe ich es ganz genauso, wenn es um D&D und Magie geht. Ich verfolge nämlich gerade einen deutschen YouTube-Kanal, wo regelmäßig D&D gespielt wird und ich muss sagen, dass mir diese Welt (keine Ahnung, ob das jetzt die Forgotten Realms sind oder was selbst Ausgedachtes) einfach zu "bunt" und zu überladen ist (das Rollenspiel der 5 Leute war, davon mal abgesehen, aber außerordentlich gut, auch wenn ich es zu modern von der Sprache fand ... wie gesagt ... "bunt"). Ich grenze meine Aussage an dieser Stelle aber mal ein und bezieh mich jetzt lediglich auf das Thread-Thema. In besagter Runde spielen also alle völlig unterschiedliche Charaktere, aber irgendwie können doch alle zaubern, was auch gerne und oft visuell geschildert wird. Ich weiß nicht wieso, aber ich finde das einfach too much. Wäre es eine TV-Serie, müsste man jedes Mal eine Epilepsie-Warnung vorweg einblenden. Mir ist dann auch wieder eingefallen, wieso ich diverse Fantasy-Bücher, -Serien und -Filme aus meiner Kindheit, Jugend und sogar nach der PJ-Trilogie nicht wirklich genießen konnte, ohne den Kopf schütteln zu müssen, weil es auf mich einfach kindisch und effekthascherisch wirkte. Kleines Beispiel: "Legend of the Seeker - Das Schwert der Wahrheit". Zeddicus hat glaub ich ununterbrochen mit Feuerbällen um sich geworfen und die anderen beiden Helden haben sich mit magischen Tricks und Angriffen auch nicht groß zurückgehalten. Ich hab sie aus Ermangelung an guten Fantasy-Serien trotzdem geschaut, aber eine gewisse Tiefe habe ich dort doch sehr stark vermisst. Das war allerdings NACH den HdR-Filmen. Also nicht in den 80er oder 90ern. Was man in dieser Epoche als Fantasy-Fan manchmal zu Gesicht bekam, muss ich glaub ich nicht weiter ausführen. Aber wieso hat man nicht vom Erfolg der Simplizität von Tolkiens Fantasy-Werk gelernt und sich ein wenig mit solchen Effekten zurückgehalten?
Ich finde, dass PJ die sowieso schon geniale Subtilität von Tolkiens Zauber nochmal sehr gut herausgearbeitet hat (man muss übrigens bedenken, dass Tolkien in einer Zeit lebte, in der er sich solche Effekte, wie wir sie heutzutage kennen, nicht im Traum hätte vorstellen können ... trotz dieser Einschränkung ist sein Werk aber nach wie vor DAS vorherrschende im Fantasy-Genre ... interessant oder?). Gandalf ist mE ein Wolf im Schafspelz, wohingegen andere Magier meist eher Schafe im Wolfspelz sind (viel Augenwischerei und Zaubertricks, die optisch verblüffen, aber nicht wirklich was ausrichten können, wenn's um die Tofu-Wurst geht). Man könnte es auch als "minimalistisch" bezeichnen. Statt z. B. einfach Feuerbälle auf die Wargs zu schmeißen, entzündet er ganz irdisch und aufwändig ein paar Tannenzapfen und schleudert sie auf die Bestien. Die Szene mit den drei Steintrollen ... herrlich. Andere Schreiber/Regisseure hätten wohl einen gleißenenden Sonnenstrahl, der aus dem Stab oder den Händen schießt, auf die Leinwand gezaubert. PJ dagegen entscheid sich dafür, einfach den Fels, hinter dem die Sonne bereits aufgegangen war, zu spalten. Ich weiß nicht wieso, aber bei mir hinterlassen diese einfachen Kniffe wesentlich mehr Eindruck als dieses ganze CGI-Zeugs. Kann es sein, dass man irgendwann einfach übersättigt ist und sich nach einfacheren Dingen sehnt, die mehr in die Substanz gehen und die Welt weiter ausbauen und festigen statt einfach nur mit FastFood-Effekten um sich zu schmeißen?
Ich finde übrigens, dass der Vergleich von Gandalf mit D&D-Magiern extrem hinkt. Die Besonderheit von Mittelerde im Vergleich zu den meisten anderen Welten ist ja, dass es gerade mal 3 mehr oder weniger bekannte Zauberer gibt (die blauen also außen vorgelassen), die auch genau so genannt werden. Zauberer oder Magier ist also kein Beruf, den jeder dahergelaufener Bauernbursche (wie das gefühlt sehr häufig in diversen Romanen der Fall zu sein scheint) ergreifen und dann Feuerbälle werfen kann, sodass tausende Magier in XYZ-urien rumlaufen, die Gegend unsicher machen und der nächste potentielle Dunkle Herrscher sein könnten. Der Zauber Mittelerdes scheint dagegen mehr oder weniger an die Herkunft gekoppelt zu sein. Maiar sind von Natur aus magische Wesen, genau wie Elben auch. Menschen oder Hobbits dagegen sind z. B. komplett "unmagisch" (von Zauberringen und -schwertern mal abgesehen) und können das auch nicht nachträglich erlernen. Nicht umsonst hat Gandalf ja die Gefährten zur Flucht aufgerufen, als der Balrog antrabte. Auch Andúril hätte also wohl recht blass gegen Schwert und Peitsche aus Feuer ausgesehen (oder selbst wenn es das ausgehalten hätte ... sein Träger hätte es definitiv nicht). Und wenn es im D&D-Universum ein Balrog-Pendant geben sollte, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein niedrigstufiger Magier sich ihm genauso entschieden entgegenstellen und ihn abwehren könnte, wie Gandalf das anfangs getan hat.
Was die Beschreibung des Kampfes an sich anging, denke ich, dass das einfach nicht seine Stärke war oder wenn es das doch war, es eher eine Art absichtliches Stilmittel war, das so abstrakt und unscharf zu halten (wie sicherlich in allen Quellen, derer er sich bedient hat. Damals hat man vielleicht einfach nicht so sekundengenau und nachvollziehbar beschrieben, wie eine Szene abläuft). Ich kenne keinen modernen Roman, wo die Beschreibungen sowohl der Figuren als auch der Kämpfe so vage gehalten wurden wie bei Tolkien (wir wisssen nicht mal, welche Haarfarbe Legolas in HdR hat). Bei Schlachten bringt er mal etwas Taktik mit rein aber wenn er normaleweise ins Detail gehen müsste ("Aragorn duckte sich keuchend unter dem Schwerthieb des nahenden Orks, vollführte geschickt eine Drehung und stieß ihm Andúril mit voller Kraft von hinten durchs Herz.") liest man dann lediglich sowas wie "Und Aragorn erschlug viele."
Von daher ist auch der Kampf gegen den Valaraukar eher nur grob beschrieben und eben nicht so detailliert und ausschöpfend, wie wir das von modernen Autoren kennen und gewohnt sind. Aber ich finde es gar nicht mal so schlecht. Dadurch wird der Fokus mehr auf das Wesentliche gelegt. Und das ist nunmal der Zauber von Mittelerde (wobei ich mit Zauber die Welt, ihre Figuren und die Geschichte meine und nicht die Magie an sich
)
Ich komme irgendwie doch immer zum gleiche Fazit wie bereits Anfang der 90er, als ich den Herrn der Ringe dann das erste Mal gelesen hatte: Hat man erstmal Tolkien als Einstiegsdroge gelesen, ist man für den Rest seines Lebens versaut und findet kaum bis gar keinen Gefallen mehr an anderer Fantasy-Literatur.
Das war in der Tat lange mein Credo. Ich bin großer Star Wars Fan, hatte aber komischerweise nie ein Problem damit, auch andere SF-Filme anzuschauen, sogar zu genießen und auch als gut bis genial einzustufen.
Ich glaube, bei der üblichen Fantasy (Harry Potter als Urban Fantasy also ausgenommen) hat sich das minimal gewandelt, als ich 2011 am Bahnhof ganz zufällig auf "Die Herren von Winterfell" gestoßen bin. Ich bin sehr oberflächlich, wenn es um Cover geht. In dem Klappentext gab es nichts, was nicht auch auf anderen Büchern hätte stehen können (und wie gesagt immer Tolkien im Hinterkopf habend). Dafür hat mich das Cover aber rumgekriegt. Tja, was soll ich sagen ... ein paar Monate später kam dann die erste Staffel raus und der Rest ist wohl Geschichte. Ich bin also tatsächlich nicht auf den Hype-Train aufgesprungen, sondern habe Martin ganz zufällig entdeckt (wie ich fast 10 Jahre nach dem Lesen des letzten Bandes zu Westeros stehe und auch zu Martins Veröffentlichungspolitik, gehört dann aber wohl in einen anderen Thread
). Vielleicht hat mich die vollkommene Abwesenheit von Magie dazu gebracht, alle 10 Bände zu lesen. Wäre zumindest eine Erklärung. Drachenbeinthron hab ich irgendwann angefangen aber ... mhhh ... bisher hat's mich nicht gepackt. "Das Rad der Zeit" (was auch auf meiner Liste stand) brauch ich jetzt erst gar nicht mehr anfangen zu lesen. Das hat mir amazon definitiv verdorben.
Aktuell bin ich ganz mutig und versuche es mal mit deutscher Fantasy .... "Die Zwerge" als Hörbuch. Bisher gar nicht mal so schlecht. Aber im Kopf vergleiche ich halt doch immer wieder mit Mittelerde.
It's a curse!