Wenn es sich um eine echte Utopie handelt, in der ALLES funktioniert und ALLE glücklich sind, dann gibt es keinen Raum für Abweichler. Aber was, wenn sich die Realität in die Utopie einschleicht und ...
- ... der Fokus auf lokale Lösungen zu Mangelwirtschaft führt? Dann könnte Fernhandel die Rettung bringen, aber das hieße ja, an der Solarpunk-Doktrin zu zweifeln.
Wenn es so trivial Mangelwirtschaft gäbe, wäre es keine Utopie... Das Idee ist ja, dass es keine Scheinlösung ist, sondern man eine tatsächlich im Allgemeinen funktionierende Lösung gefunden hat.
- ... das Dasein dröge ist und die junge Generation zumindest gelegentlich Vergnügen wie eine Urlaubsreise auf die Bahamas will?
Dann fährt er auf die Bahamas. Wo ist das Problem? Es dauert halt vielleicht etwas länger, weil er dafür nicht den 35€ Flug nehmen kann, aber Solarpunk ist nicht Agrar-Punk, wo jeder immer zuhause bleiben muss.
- ... veränderte Umweltbedingungen dazu führen, dass die Öko-Wirtschaft in eine Krise gerät?
...dann werden diese diskutiert und auf unerfreulich vernünftige Art und Weise gelöst? Es ist halt Solarpunk. Die Populisten, die in so ner Situation den Faschismus ausrufen wollen, sind da nicht die Leute, die am Ende Recht haben. Erstaunlicherweise ist das sogar realistisch, denn das sind sie schon heute nicht.
- ... identitäre Personalpolitik dazu führt, dass die falschen Personen in Machtpositionen geraten und die falschen Entscheidungen treffen?
Es erscheint mir eher so, als ob sich hier dein persönlicher Bias einschleicht und weniger, dass du eine tatsächlich gegebene Notwendigkeit von Solarpunk beschreibst... Aber natürlich sind Plots mit falsch liegenden Einzelpersonen immer denkbar, klar. So what? Das System ist gut, aber naturgemäß nicht perfekt, weil es auch Menschen selbst in so nem Setting nicht sind (wäre ja langweilig).
- ... ein Vulkan ausbricht, ein oder mehrere Jahre ohne Sommer anstehen und die Solarenergie nicht ausreichen wird, um den Bedarf zu decken? Atomstrom könnte helfen, aber das wäre gegen die Doktrin.
Es ist Solarpunk. Vermutlich gibt es dann ein halbes Dutzend besserer Alternativen als eine Rückbesinnung auf gefährliche Energieformen. Alleine um zu Solarpunk HIN zu kommen brauchte es haufenweise bessere Lösungen. Aber selbst wenn nicht: Was genau soll eine so besondere Problematik daran sein, dass in der Situation zu diskutieren? Nur weil Atomstrom im Normalfall nicht mehr benutzt wird, bedeutet nicht, dass man es in Extremsituationen nicht doch überlegen würde. Bedenke: Solarpunk bedeutet, dass die Menschen auch darüber hinaus sind, auf Prinzipien zu reiten. Sie bemühen sich statt dessen, das bestmögliche und richtige zu tun.
So leid es mir tut, irgendwelche Ausnahmesituationen und Katastrophen taugen für deinen Standpunk leider so richtig gar nix, weil in denen ja eine Diskussion auch über normalerweise nicht akzeptable Lösungen denkbar wird und damit dein ganzes "Aber man wird das doch noch sagen dürfen..." Argument den Bach runtergeht.
Freilich, wenn ihr eisern daran festhalten wollt, dass die Utopie PERFEKT ist, dann braucht es auch keine Andersdenkenden mehr. Aber für eine derart perfekte Gesellschaft fehlt mir die Phantasie. Einhörner und Drachen kann ich mir vorstellen, aber eine Ideologie, die auf ewig alle Fragen richtig beantwortet, nicht.
Von "perfekt" spricht keiner. Wie schon gesagt, Verbesserungen sind immer denkbar - aber das ist ja nicht das, was du wolltest, denn dass es eine offene Diskussionskultur gibt, gehört zu dem Setting fast schon zwangsläufig dazu. Man redet miteinander und begegnet sich mit geradezu unerfreulich viel Respekt. Dementsprechend ist das für deine Idee völlig unnütz. Was du hingegen brauchst, ist nicht, dass die Utopie perfekt ist, sondern dass es gar keine Utopie ist, weil nur so ein prinzipieller Widerspruch gegen die Situation an sich (und nicht einzelne Details davon) überhaupt Sinn ergeben kann.