Autor Thema: "Touristisches Rollenspiel"  (Gelesen 3350 mal)

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Offline Megavolt

  • Zwinker-Märtyrer
  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 4.760
  • Username: Megavolt
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #50 am: 5.11.2022 | 11:24 »
Darf ich mal fragen: Was ist denn genau am Spielgefühl anders, ob ich in Ingerims Schlund oder einem namenslosen Dungeon bin?

Stell dir vor du bist ein Harry Potter Fan. Jetzt spielen wir ein Abenteuer in Hogwarts, die jungen Magier sitzen in diesem eindrucksvollen großen Speisesaal, Hermine flattert über dem Tisch herum und du kannst deine Figur ein originales Butterbier trinken lassen.

Dann stell dir vor, wir spielen ein Abenteuer an einer generischen Magierakademie.

Die erste Variante hat einen "touristischen" Reiz, weil man Dinge "aus der Nähe erleben kann", von denen man bislang nur gehört hat. Die zweite Variante hat diesen Reiz nicht.
« Letzte Änderung: 5.11.2022 | 11:27 von Megavolt »

Offline ghoul

  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 5.715
  • Username: ghoul
    • Ghoultunnel
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #51 am: 5.11.2022 | 11:30 »
"Da muss ich nicht hin, das hab ich schon im Fernsehen gesehen." - Schwiegeroma
 ~;D
Tactician: 96%
PESA hilft!
PESA diskutiert.

Zensur nach Duden:
Zitat
von zuständiger, besonders staatlicher Stelle vorgenommene Kontrolle, Überprüfung von Briefen, Druckwerken, Filmen o. Ä., besonders auf politische, gesetzliche, sittliche oder religiöse Konformität.

Offline Colgrevance

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.010
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Colgrevance
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #52 am: 5.11.2022 | 11:31 »
Ich würde sagen, es geht also im Kern um das Ziel des Erlebens (auch als Gegenstück zu "gestalten") einer detailreich ausgestalteten (und gegebenenfalls dem Spieler schon teils bekannten) Spielwelt.

Ich finde, das trifft es ganz gut. Und noch etwas (Achtung, Rant-ish!): Ich habe leider den Eindruck, dass touristisches Spiel im Sinne eines eher konsumierende Erlebens im Rollenspiel hier im Tanelorn sehr häufig latent abwertend behandelt wird.

  • Detaillierte Stettings mit Metaplot, die die Gestaltungsfreiheit einschränken und sich vor allem zum Anschauen eignen? Da ist wohl der SL ein gescheiterter Schriftsteller (vgl.nobody@homes Post weiter oben im Thread als konkretes Beispiel), das ist kein richtigesTM Rollenspiel!
  • Kaufabenteuer mit Sightseeing-Kapiteln? Wer's braucht, so ein Schrott kommt mir nicht auf den Tisch!
  • Und auch wenn es vom touristischen Spiel i. e. S. wegführt, in diesem Zusammenhang sehe ich auch: Unzufrieden mit (Teil-)Regeln? Dann schaff doch einfach Hausregeln, oder bau dir am besten gleich ein eigenes System, wo ist denn das Problem?

Dass diese eher "touristische" Spielform mit wenig Eigengestaltung durch die Spieler nicht nur vielen Runden Spaß macht (solange man es nicht übertreibt, aber das trifft ja auf fast alles zu) und außerdem auch eine gehörige Portion Aufwand erfordert (nämlich sich überhaupt erstmal in das Setting, die Regeln etc. einzuarbeiten), damit man dann als Tourist alles schön genießen kann, wird so gut wie nie thematisiert. Jetzt kann (und sollte) es mir am Allerwertesten vorbeigehen, was ein paar Foristen so schreiben, aber der Kommunikationsstil sorgt ja auch für eine gewisse Atmosphäre, die als freundlich-offen oder eher ablehnend-belehrend empfunden werden kann - ich erinnere an die Gatekeeping-Diskussion, die hier vor kurzer Zeit mal aufkam. Und da würde ich mir einen etwas wertfreieren Ton wünschen. YMMV.

edit: Rechtschreibung
« Letzte Änderung: 5.11.2022 | 11:58 von Colgrevance »

Offline Lichtschwerttänzer

  • enigmatischer Lensträger
  • Titan
  • *********
  • Wo bin Ich, Wer ist Ich
  • Beiträge: 14.192
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Schwerttänzer
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #53 am: 5.11.2022 | 11:32 »
Was hat denn die Nacht so gerumpelt

Die Magierakademie von Ysligorn ist angekommen

Wo können wir sie unterbringen

Nein, die Akademie ist angekommen

“Uh, hey Bob?”
“What Steve?”
“Do you feel like we’ve forgotten anything?”
Sigh. “No Steve. I have my sword and my bow, and my arrows and my cloak and this hobbit here. What could I have forgotten?”
“I don’t know, like, all of our stuff? Like the tent, the bedroll, my shovel, your pot, our cups, the food, our water, your dice, my basket, that net, our spare nails and arrowheads, Jim’s pick, my shovel, the tent-pegs…”
“Crap.”

Offline Olibino

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 354
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Olibino
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #54 am: 5.11.2022 | 11:35 »
Dann stell dir vor, wir spielen ein Abenteuer an einer generischen Magierakademie.
Wieso "generisch"? Ich habe schon mehrmals an liebevoll selbst erschaffenen Magierakademien gespielt, und fand das sehr cool. Bei Hogwarts würde ich mich vermutlich genau so fühlen oder eingeschränkt.

Aber dann habe ich es denke ich verstanden und es entspricht nicht meinem präferierten Spielstil.

Offline Megavolt

  • Zwinker-Märtyrer
  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 4.760
  • Username: Megavolt
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #55 am: 5.11.2022 | 11:38 »
Ich finde, dass trifft es ganz gut. Und noch etwas (Achtung, Rant-ish!): Ich habe leider den Eindruck, dass touristisches Spiel im Sinne eines eher konsumierende Erlebens im Rollenspiel hier im Tanelorn sehr häufig latent abwertend behandelt wird.

Ich finde, man könnte durchaus auch den Spieß umdrehen und die (möglicherweise produktive) Frage aufwerfen, wie man denn den touristischen Aspekt des Rollenspiels möglichst perfekt kalibriert.

Es ist ja scheinbar nicht so leicht. Oft wird dieser Aspekt als anstößig empfunden, da gebe ich dir voll Recht. Gleichzeitig wirkt es  doch ein bisschen wie ein blinder Fleck, wenn sich substanzielle Teile der Rollenspielerschaft an touristischem Spiel erfreuen, und man das selbst so gar nicht verarbeiten kann.

Ich finde, da gäbe es insgesamt ziemliche viele Diskussionsansätze, deren Ergbenisse noch gar nichts mal so klar abzusehen sind.

Offline Megavolt

  • Zwinker-Märtyrer
  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 4.760
  • Username: Megavolt
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #56 am: 5.11.2022 | 11:41 »
Aber dann habe ich es denke ich verstanden und es entspricht nicht meinem präferierten Spielstil.

Es ist ja alles wertfrei gemeint. Ich versuche nur das Phänomen zu beschreiben.

Ich persönlich bin hin- und hergerissen. Ich würde z.B. Star Wars NUR mit touristischen Absichten spielen, denn sonst interessiert mich da ehrlich gesagt nichts.

Andererseits war ich auch schon auf Spielwelten unterwegs wie zum Beispiel Midgard, wo sich der Spielleiter maximale Mühe gegeben hat, mir einen touristischen Höhepunkt nach dem anderen zu servieren, und ich fand das, mit Verlaub, eigentlich nur uninteressant und befremdlich.
« Letzte Änderung: 5.11.2022 | 12:22 von Megavolt »

Online Runenstahl

  • Famous Hero
  • ******
  • Beiträge: 2.043
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Runenstahl
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #57 am: 5.11.2022 | 11:47 »
  • Detailiierte Stettings mit Metaplot, die die Gestaltungsfreiheit einschränken und sich vor allem zum Anschauen eignen? Da ist wohl der SL ein gescheiterter Schriftsteller (vgl.nobody@homes Post weiter oben im Thread als konkretes Beispiel), das ist kein richtigesTM Rollenspiel!

Es kommt auf die Dosierung an, aber grundsätzlich sind detaillierte Beschreibungen ja erstmal eine Bereicherung. Wenn der SL gut darin ist eine Atmosphäre zu vermitteln ist das definitiv ein Mehrwert.

Ein Metaplot ist an sich auch nichts schlechtes. Das bedeutet das die SL zumindest grobe Ziele hat wo die Reise hingehen soll. Mich persönlich würde es jedoch stören wenn das das Spielgeschehen einschränkt.

Beispiel: NPC XY muss in dieser Szene in jedem Fall entkommen weil der Später noch gebraucht wird. Selbst wenn die Charaktere ihn mit magischen Fesseln belegen muss der SL ihm halt spontan Fähigkeiten geben oder an den Würfeln drehen damit der Entkommt.

Das ist mies und entwertet Spieler/Charakterentscheidungen. Eine gute SL sollte auch in der Lage sein den Metaplot notfalls abzuändern wenn es sich im Spiel so ergibt. Frei nach dem Motto: Kein Plan überlebt den Feindkontakt, aber es ist trotzdem gut vorher einen Plan zu haben.
"Reading is for morons who can't understand pictures"
   Gareth (aus der Serie "Galavant")

Offline nobody@home

  • Steht auf der Nerd-Liste
  • Titan
  • *********
  • Beiträge: 12.952
  • Username: nobody@home
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #58 am: 5.11.2022 | 12:05 »
Ich finde, dass trifft es ganz gut. Und noch etwas (Achtung, Rant-ish!): Ich habe leider den Eindruck, dass touristisches Spiel im Sinne eines eher konsumierende Erlebens im Rollenspiel hier im Tanelorn sehr häufig latent abwertend behandelt wird.

Persönlich habe ich tatsächlich nicht unbedingt die beste Meinung von Spielern, die sich nur hinsetzen und "konsumieren" wollen (und zumindest im Rahmen zähle ich da auch "Ich will nur meinen Charakter spielen, für alles andere bin ich üüüberhaupt nicht zuständig (und das soll also gefälligst jemand anders für mich machen)!"-Spieler mit dazu), ebenso wie von Spielleitungen, die am liebsten gar nichts anderes erlauben möchten. Passiv unterhalten lassen können wir uns schließlich überall sonst schon, da würde ich also gerade im Rahmen des Formats "Rollenspiel" auch von den Spielern gerne etwas mehr kommen sehen als nur "So, Onkel/Tante SL, jetzt erzähl' mal schön".

Das beißt sich, wohlgemerkt, nicht unbedingt mit "Tourismus" im reinen Sinn des Besuchs von interessanten Kanon-Orten und Zusammentreffens mit ebensolchen NSC; das läßt sich ohne weiteres auch "aktiv" gestalten, solange man sich SL-seitig nicht von vornherein zu sehr auf eine bestimmte Form versteift, in der die Spieler diese dann am Ende hinter sich zurücklassen sollen. ;)

Offline Olibino

  • Experienced
  • ***
  • Beiträge: 354
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Olibino
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #59 am: 5.11.2022 | 12:17 »
Das ist eigentlich das, was ich mit meiner Frage "Darf ich mal fragen: Was ist denn genau am Spielgefühl anders" meinte.

Geht es nur darum, dass der SL bekannte Settingelemente verwendet?
Oder ist die Interaktion zwischen SL und Spielern eine andere? Z.B. in dem Sinne dass der SL mehr zum Erzählonkel wird und die Spieler weniger Einfluß auf die Geschichte haben?

Offline Megavolt

  • Zwinker-Märtyrer
  • Legend
  • *******
  • Beiträge: 4.760
  • Username: Megavolt
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #60 am: 5.11.2022 | 12:25 »
Geht es nur darum, dass der SL bekannte Settingelemente verwendet?
Oder ist die Interaktion zwischen SL und Spielern eine andere? Z.B. in dem Sinne dass der SL mehr zum Erzählonkel wird und die Spieler weniger Einfluß auf die Geschichte haben?

Erstmal ist es nur um das Vorführen bzw. Erlebbarmachen von Settingelementen.

Ein Porzellanladen-Gefühl und Railroading können damit Hand in Hand gehen, müssen aber nicht.

Offline Colgrevance

  • Hero
  • *****
  • Beiträge: 1.010
  • Geschlecht: Männlich
  • Username: Colgrevance
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #61 am: 5.11.2022 | 12:44 »
Persönlich habe ich tatsächlich nicht unbedingt die beste Meinung von Spielern, die sich nur hinsetzen und "konsumieren" wollen (und zumindest im Rahmen zähle ich da auch "Ich will nur meinen Charakter spielen, für alles andere bin ich üüüberhaupt nicht zuständig (und das soll also gefälligst jemand anders für mich machen)!"-Spieler mit dazu), ebenso wie von Spielleitungen, die am liebsten gar nichts anderes erlauben möchten. Passiv unterhalten lassen können wir uns schließlich überall sonst schon, da würde ich also gerade im Rahmen des Formats "Rollenspiel" auch von den Spielern gerne etwas mehr kommen sehen als nur "So, Onkel/Tante SL, jetzt erzähl' mal schön".
(Hervorhebung durch mich)

Ich sehe das sogar ähnlich, aber in einer Diskussion direkt auf die Extremwerte abzustellen, finde ich wenig hilfreich. Ich habe meinen Spaß an Sightseeing-Episoden und Metaplot, der harte Grenzen für die Gestaltungsfreiheit der Spieler setzt, aber dass eine komplette Runde sich "nur" berieseln lässt, ist mir in meiner Rollenspiellaufbahn doch eher selten untergekommen. Und dass Spieler jederzeit alles beeinflussen können, finde ich persönlich genauso problematisch wie du die Erzählonkelrunden.

Ich habe aber den Eindruck, dass hier tatsächlich das "Erlebbarmachen von Settingelementen" und "Porzellanladen-Gefühl und Railroading" in der Diskussion zu stark vermischt werden (zumindest kann ich das von mir definitiv so sagen  :)); wahrscheinlich, weil da in der Spielpraxis eine hohe Korrelation besteht. Für mich wäre dann die spannende Frage: Wie kann man das entkoppeln, ohne dass das Spielgefühl darunter leidet?
« Letzte Änderung: 5.11.2022 | 12:48 von Colgrevance »

Offline Blechpirat

  • Administrator
  • Titan
  • *****
  • Beiträge: 13.706
  • Username: Karsten
    • Richtig Spielleiten!
Re: "Touristisches Rollenspiel"
« Antwort #62 am: 5.11.2022 | 17:15 »
Ich möchte noch mal was positives dazu sagen. Meine Spieler wollen ja Dresden Files, Dresden Files und vielleicht noch Dresden Files. Und jeder kennt das Setting hervorragend, die Dissonanz zwischen "Was sagen die Regeln" und "Was ist in dem Setting machbar und passend" gibt es bei uns nicht. Weil jeder die Romane kennt, liebt und mehrfach gelesen hat. Wir spielen nun zwar in Deutschland - auch mit der Zielsetzung, eben nicht nur der titelgebenden Figur beim Weltretten zusehen zu wollen, aber die internationalen Akteure kommen natürlich auch vor. Und war werden sie mit Begeisterung bespielt.

In keinem anderen Spiel muss der SL so wenig Umfeldvermittlung leisten, wie in dieser Gruppe. Das ist fein.