So, jetzt mit ein bisschen mehr Zeit, eine wahrscheinlich sehr ausführliche Antwort.
Erstmal nochmal danke. Ich finde das richtig krass gute Ideen und viele wichtige Punkte. Fange mal anti-chronologisch an, damit erledigen sich ein paar Dinge vielleicht von selbst.
Kleiner Einwurf von der Seitenlinie: Düster ist zwar gut, aber da es ja Cyberpunk werden soll und nicht Post-Apokalypse, würde ich der Menschheit in ein paar Punkten doch etwas mehr Problemlösungskompetenz zugestehen:
Gebe ich dir zu 100% Recht und das ist genau der Punkt, an dem ich momentan am meisten struggle, da eine gute Balance zu finden.
Ich will definitiv keine Postapokalypse. Deswegen: Problemlösekompetenz ist absolzt wichtig und richtig.
Ich fang mal kurz aus nem anderen Blickwinkel an, damit man besser versteht, wo ich gerade gedanklich herkomme - bin für jeden weiteren Input, Feedback und Ideen dankbar.
Die momentane Welt funktioniert wahrscheinlich deswegen so gut (und trotz aller Probleme, die wir haben, historisch betrachtet geht es uns verdammt gut!), weil wir Globalisierung haben. Aber: Man beobachtet auch gerade den Trend, dass Nationalismus stärker und stärker wird.
Ausgangspunkt aller meiner weiteren Überlegungen (ich würde sie zum jetzigen Zeitpunkt nichtmal Ideen nennen) ist der folgende:
Nehmen wir an das Klima verändert sich wirklich, wie angenommen wird.
Eine mögliche, vielleicht sogar wahrscheinliche Konsequenz daraus wird sein, dass sich die USA als momentaner Taktgeber der weltweiten Ordnung mehr und mehr auf sich selbst konzentrieren, bis zu dem Punkt an dem sie ihre Zusage für globale Sicherheit zu sorgen kassieren, weil sie sich mit den Umweltschäden im eigenen Land beschäftigt genug sein (selbst wenn es sie im relativen Vergleich mit anderen Regionen wahrscheinlich gar nicht so hart treffen wird, aber das ist eine andere Diskussion).
Wenn die USA ihre Navy aber aus den Weltmeeren weitgehend zurückziehen, und das halbwegs zeitnah, ist globaler Handel nicht mehr sicher und die Lieferketten in ferne Regionen brechen ein, was
a) Nationen, die stark vom Export leben (u.a. Deutschland und China) hart zurückwerfen wird und
b) lokale/regionale Wirtschaftsbünde stärken wird.
Deswegen sind in meiner Gedankenwelt momentan die USA mit ihren Nachbarn Kanada und Mexico weiterhin die wahrscheinlich mächtigste Nation der Welt, die Türkei, die auch @Schleicher erwähnte, wahrscheinlich ein großer Player im Süden, und in Europa... allenfalls noch Frankreich?! Keine Ahnung, da hadere ich gerade mit.
Wenn aber der globale Handel einbricht, teurer wird, schwieriger wird, werden Düngelmittel nicht nur knapp und teuer, Landwirtschaft wird in einigen Regionen schlicht nicht mehr in der Lage sein die Bevölkerung zu ernähren. China beispielsweise wird, soweit ich gehört habe (alles hörensagen, ich bin da echt kein Experte) massive Hungerprobleme haben.
Daher die Idee der lokal herstellbaren Proteinpampe. Was Geschmack angeht - da geb ich dir Recht @Waldviech, das hab ich noch nicht zuende gedacht. Das könnte auch mit Geschmack ganz gut funktionieren.
Lange Zeit hab ich überlegt, welche dieser Probleme könnte man technologisch lösen? Und auch da komme ich wieder ein bisschen ins Wanken, denn einerseits gibt es total viele interesante Technologien, die, wenn sie massentauglich werden, das Gesicht der Welt massiv verändern können. Flugautos, Nahrungsmittel aus dem Drucker oder der hauseigenen Zucht, usw.
Aber: Da kommen dann wieder die von @Schleicher erwähnten knappen Rohstoffe ins Spiel.
Wenn man davon ausgeht, dass die globalisierung einbricht - ohne komplett zum Erliegen zu kommen - dann wird technischer Fortschritt damit auch massiv ausgebremst, weil Technologieentwicklung momentan nur mutinational funktioniert. Keine Region der Welt - meines Wissens - bringt das Knowhow, die Ressourcen, die Energie an einem Platz zusammen, um technologische Innovation betreiben zu können, ohne von anderen Staaten abhängig zu sein. Stand heute.
Mir fällt es momentan verdammt schwer, den richtigen MIttelweg zu finden aus kompletter Dystopie und technologischer Utopie
:D:D
Wenn sämtliches Essen von Großkonzernen in automatisierten Farmen, Protein-Tanks o.ä. erzeugt wird, ist man als kleiner Landwirt selbst dann am Arsch, wenn die umgebende Umwelt nicht total versaut ist.
Das finde ich wiederum eine sehr gute Idee, die den MIttelgrund bespielt. Gefällt mir.
Warum sollte man die gemeinen Massen mit grauer Protein-Pampe quälen, wenn man mit künstlichen Geschmacksstoffen und bunten Packungen dafür sorgen kann, dass die Leute sich das Zeug auch noch gerne reinschaufeln?
Find ich gut.
Könnte genau der Mittelweg sein, den ich suche.
Und die Steigerung ist dann: Gib mehr Geld aus, und es sieht wirklich nach Essen aus. Gib noch mehr aus, und es IST das, was wir heute unter Nahrungsmitteln verstehen.
Das bringt mich zum zweiten Punkt, der mir durch den Kopf geht: Bislang leben wir in einer Welt, in der die subjektive Wahrnehmung ist, dass die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht, wobei man eigentlich nur betrachtet, dass - global betrachtet - Armut ziemlich effektiv bekämpft wird. Nur die "MItte der Gesellschaft" entfernt sich immer weiter von den oberen paar Prozent.
Würde die Globalisierung - sagen wir vorsichtig formuliert - an Bedeutung verlieren, würde die Schere aber nicht nur nach oben weiter aufgehen, sondern eben auch wieder nach unten.
Sprich einer meiner Gedanken momentan ist wie man eine Welt konstruieren kann, in der die Gegensätze zwischen arm und reich noch extremer sind, eben weil arm (wieder?) wirklich arm bedeutet, auch in den entwickelten Gesellschaften, und in der die Mittelebene dazwischen weiter erodiert.
wir kennen ja den Begriff Sonderwirtschaftszonen. Daraus ließe sich ja was machen
- die Antwerpen-Amsterdam SWZ als konzerner-Selbstverwaltung (notgedrungen), als Chaos, Anarchie und Spartakusaufstand die bürgerliche Leistungsgesellschaft erschreckte.
- dort verschanzt sich hinter Stacheldraht die Güter&Leistungen-Erstellungsgesellschaft (mit Drohnenunterstützung) nach unserem heutigen Vorbild: hier gibt es also die ganzen technischen CyberGear undundund
Das finde ich eine sehr gute Idee. Das löst so ein bisschen das Problem, dass ich eigentlich Staatengefüge beibehalten möchte, und sei es allein aus dem Grund, dass ich mir eine Welt ohne Staaten einfach nicht vorstellen kann, sie aber eigentlich für weite Teile der Bevölkerung keine Rolle mehr spielen.
Quasi Politikverdrossenheit und Lobbyismus auf die Spitze getrieben.
- draußen ist dann ein verfallen-verwildertes Land ohne staatliche Struktur mehr, wo direktgewählte Bürgermeisterinnen und selbsternannte Gangleader ihre Süppchen kochen (und die Konzerne Politik machen müssen - man denke an Spätantike "Föderaten" als Grenzenschützer für das zerfallende römische Reich)
Die Idee finde ich irgendwie charmant, aber andererseits geht es mir schon ein Stück zu weit, glaube ich.
Ich denke eher so in die Richtung: Der Großteil der Bevölkerung hat die Politik aufgegeben, weil sie sowieso nicht das Gefühl haben, dass es einen Unterschied macht. Sie wenden sich eher an die Konzerne und an deren Versprechen einer besseren Welt.
Die Konzerne wiederum haben aber ein Interesse daran, dass es Staaten gibt, denn
a) wer hält sonst die Massen ruhig, wenn doch mal was schief geht und
b) wer kommt für die Kosten auf, wenn ein Konzern doch mal zu sehr ins Risiko geht und droht Pleite zu gehen.
Also Staaten als Spielball der Konzerne.
Hier kommt für mich auch wieder die Idee der Realitätsflucht ins Spiel. Ob es nun über ein digitales Spiel (Ready Player One), Drogenkosnsum oder Pornografie - irgendwie wird man die breite Masse schon ruhig halten können.
- ein militärisches Aufräumen dieser latenten Gefährdungsräume ist für die Konzerne aber kein Thema, weil halt zu teuer (und dafür wertvolle Konzernbürger opfern wollen sie auch nicht) - Söldner dürfen sich hingegen schon verheizen lassen (je nach Buget halt und deren "Einsatzdauer" limitiert sich also auch, so dass die Spieler davon kommen können)
Das wiederum finde ich, in kleinem Rahmen, eine gute Idee. Da könnte man ja schön konstruieren dass beispielsweise ein temporärer Stromausfall die Realitätsflucht für ein paar Tage (oder vielleicht auch nur Stunden) unterbricht, was zu so massiver Aggression unter der Bevölkerung sorgt, dass man dagegen vorgehen muss.
Das gefällt mir.
-Lieber hinter Stacheldraht und Mauer verschanzen, als die Kosten einer dauerhaften Polizeibesatzung zu tragen. (erklärt dann auch, warum sich hier Ruckzügsräume für die Spieler ergeben)
Auch das gefällt mir.
- Die Welt ist von einem globalen Krieg um das Wasser erschüttert. Die verschiedenen Fraktionen kämpfen um die Kontrolle über die wenigen verbliebenen Süßwasserquellen oder versuchen, neue zu erschließen.
Ich glaube, ein globaler Krieg ums Wasser ist mir zu groß.
Lokale Grabenkämpfe, absolut.
Aber ich glaube eher, es würde im Zweifel zu Massenmigration kommen. Alle zieht es eher dahin, wo es Wasser in ausreichender Menge gibt. Dann eher große, verlassene Wüsten, mehr Siedlungen entlang von Flüssen, gern auch mehr Probleme mit Überschwemmungen.
So in die Richtung...
- Boden: Die intensive Nutzung von Land für Landwirtschaft, Bergbau und Siedlung führt zu Bodendegradierung, Erosion und Versalzung. Boden ist eine wichtige Ressource für die Nahrungsmittelproduktion, die biologische Vielfalt und die Ökosystemfunktionen.
- Phosphor: Wird für Düngemittel benötigt, aber die Reserven sind begrenzt und schwer zu recyceln.
- Kobalt, Indium, Lithium: Wird für Batterien, Touchscreens, Solarzellen und Elektromobilität gebraucht, aber die Förderung ist konfliktreich, energieintensiv und umweltschädlich und das Recycling ist gering.
- Platingruppenmetalle: Wichtige Katalysatoren für die Chemie- und Autoindustrie, aber die Vorkommen sind rar und ungleich verteilt.
- Kupfer: Unverzichtbar für die Elektrifizierung und Digitalisierung, aber die Qualität der Erze sinkt und die Knappheit steigt.
- Holz: Grundstoff für viele Produkte und Energieträger, aber die Abholzung bedroht die Wälder und das Klima.
- Zink: Wird für die Korrosionsschutz von Stahl eingesetzt, aber die Reserven sind begrenzt und die Produktion ist energieintensiv.
Siehe oben, genau.
Momentan überlege ich eine globale Ressourcenknappheit wegen einbrechender Lieferketten (und generell weniger Ressourcen) als Weg zu gehen. Folge wäre dann DeGlobalisierung, stärkerer Nationalismus, kleinere EInflussbereiche.
Das macht es vielleicht auch ein bisschen kontrollierbarer...
Wer sind deine big player im Hintergrund?
- Wenn EU, China, Russland failed states sind, aber Staaten eine Rollenspielen sollen:
- Indien: Wirtschaftliche und militärische Macht mit großem Bevölkerungspotenzial und strategischer Partnerschaft mit Russland
- Brasilien: Größte Volkswirtschaft Südamerikas mit reichen natürlichen Ressourcen und wachsendem Einfluss in der Region
- Türkei: Geopolitisch wichtiger Akteur mit Zugang zu mehreren Meeren und Konfliktzonen sowie Mitglied der NATO und Partner Chinas
- Iran: Regionalmacht im Nahen Osten mit reichen Öl- und Gasvorkommen und Widerstand gegen die westliche Dominanz
- Südafrika:Größte Volkswirtschaft Afrikas und verfügt über reiche natürliche Ressourcen, eine diversifizierte Industrie und einen wachsenden Dienstleistungssektor sowie schon jetzt dank AU, BRICS und Commenwealth gut vernetzt.
Da hab ich tatsächlich wochenlang drüber gegrübelt und bin momentan auf dem Stand zu sagen: Ich weiß es noch nicht, aber ich muss es auch nicht wissen.
Die USA sind für mich gesetzt.
Das China und Russland keine (große) Rolle mehr spielen ist... nicht gesetzt, aber etwas, das für mich je nach Stimmungslage sehr wahrscheinlich, zumindest aber tendenziell wahrscheinlich ist.
Ich tendiere aber momentan ohnehin stark dazu, da nicht allzuviele Setzungen zu treffen.
USA als nationale Macht erhalten, als globale Macht runterschrauben, weil mit sich selbst beschäftigt.
Folge: Deglobalisierung.
China wahrscheinlich kurz vor dem Komplettzusammenbruch oder schon komplett zusammengebrochen, weil
a) echt hart vom Klima gebeutelt
b) als größter globaler Importeuer von so ziemlich allem ohne Globalisierung auf einmal in einer ganz anderen Situation
c) demografieproblem
Europa... ja, da überlege ich noch.
Das Spiel soll, zumindest für den Anfang, ja Deutschland/Europazentriert sein.
Momentan sind Deutschland und Frankreich die großen Taktgeber in der EU. Aber ich überlege, ob ich die EU nur noch als Hülle behalte, oder ganz gescheitert sein lasse. Tendiere zur beduetungslosen Hülle, die sich selbst zerlegt hat.
Deutschland mit massiven Problemen aufgrund von Überalterung und Energieversorgung.
Frankreich damit wahrscheinlich mit einer Führungsrolle bei was auch immer dann das neue Konstrukt ist. Aber da bin ich wie gesagt noch sehr unsicher und unentschlossen.
Ansonsten:
- NGOs & Ideologische Vereinigungen: Nicht-Regierungsorganisationen, die sich für verschiedene Themen wie Umweltschutz, Menschenrechte oder Entwicklungspolitik einsetzen. Das kann verschiedene Formen annehmen siehe Letzte Generation, QAnon, Oxfam,Transparenx International, Black Lives Matter. Könnten Auftraggeber oder Gegner sein. Selbst "gute" Ziele kann "schlechte" Methoden bedeuten
Guter Punkt, da hab ich noch gar nicht drüber nachgedacht...
Muss ich mal auf mich wirken lassen. Aber als großer globaler Player im Hintergrund sehe ich sie eigentlich glaube ich - erstes Bauchgefühl - eher nicht.
- Multinationale Konzerne sollten klar sein in Cyberpunk.
genau. Die und die dahinterstehenden Einzelpersonen/Familien werden die wichtigsten Player im Hintergrund sein. Wichtiger noch als die Staaten.
- Religiöse Bewegungen: Wann immer es den Leuten schlechter geht wird Religion wichtiger. Extremismus ist klar, aber auch schon konservative Religionsinterpretationen sind interessant.
Das ist auch noch so ein Mienenfeld. Inhaltlich gebe ich dir Recht, das sollte eine wichtige Rolle spielen und wäre sehr interessant, böte sprengstoff. Leider halt auch in der echten Welt. Da tänzel ich bisher bewusst drum herum...
- Superreiche: Schon heute können einzelne Oligarchen oder Billionäre quasi die Weltordnung verändern. Musk, Gates etc. Eine einzelne Person kann also durchaus auch global Player sein und Nationen, Firmen und Bewegungen für sich als Werkzeug nutzen.
Genau, hinter den Konzernen stehende Einzelpersonen. Das wird aus meiner Sicht der Anfangs- und Endpunkt des ganzen sein. Da werde ich auch einige festlegen wollen, die dann das Spiel ganz weit im Hintergrund "lenken"
KI als Herrscher:
- Digitaler Urlaub: Der digitaler VR Raum wird im Rahmen vorgestreckter Regeln der Herstellerfirma über eine KI verwaltet. Diese wertet Stichprobenartig so ziemlich alles aus was passiert und ändert so alles ab von Besitzverhältnissen und Regeln bis hin zur Darstellung und Naturgesetzen. Die KI könnte sich dabei durch Fehlinterpretationen, Hacks oder andere unvorhergesehene Situationen auch durchaus mal über die vorgestreckten Rahmenbedingungen hinweg setzen.
- Reale Welt: Nicht nur wäre hier der Einfluss der KI auch trotz IoT eingeschränkt, es würde das angestrebte Setting deutlich verändern. Es könnte sein, dass so zu viele Elemente nebeneinander existieren.
Im digitalen Raum ist das glaube ich gesetzt. Zumindest in einigen Bereichen.
In der realen Welt würde ich das gern als Gedankenexperiment irgendwo ganz lokal und in eng umgrenztem Raum machen, weil es so viel Spaß macht und so viele coole Möglichkeiten eröffnet - aber definitiv nicht in großem Stil. Quasi ein Computer, der irgendwo im ländlichen Raum den Bürgermeister ersetzt hat oder so.
Aber ich gebe dir Recht, da muss man den Einfluss deutlich begrenzen.
Ja, soviel erstmal meine aktuellen Gedanken.
Ich merke, Worldbuilding fällt mir doch schwerer als ich gedacht hätte
Deswegen nochmal: Danke für jeglichen Input!