Aber die üblichen Zielsetzungen von Kampfdarstellungen in Filmen haben sich schon diversifiziert, richtig? Oldboy (2003) mit seiner One-Shot-Kampfszene beispielsweise war wohl etwas neues, das anscheinend einige Filmschaffende inspiriert hat. "Bourne" - danke für das Beispiel - versucht, Gewalt noch einmal anders und neu darzustellen als in ähnlichen Filmen des Agentengenres.
Von anderen Zielsetzungen würde ich da nicht sprechen.
Es sind Trends und Strömungen; da gibt es eben auch die Mode der realistischen Darstellung, aber die nur am Rande.
Die besagte Szene in Oldboy ist z.B. nicht realistisch und macht einige klassische Choreographie-Fehler - aber trotzdem funktioniert sie insgesamt. Sie ist faszinierend gefilmt, mitreißend und lässt den Zuschauer miterleben, wie scheiße das für alle Beteiligten ist. Das ist dann oberflächlich betrachtet "echter" als irgendwelche von allen Beteiligten gelangweilt runtergespulten 08/15-Kämpfe, aber realistisch ist es eben nicht.
Bei Bourne bin ich zwiegespalten. Die Kampfszenen in der Botschaft in Bourne ID funktionieren mMn wunderbar, weil Bourne da eben tatsächlich so überlegen ist, dass er seinen Kram sauber durchbringt. Das passt perfekt in die Story.
An anderer Stelle muss er deutlich mehr ackern und bekommt auch selbst auf die Nuss...so weit ok.
Aber die Bourne-Filme kranken gerade bei den Nahkämpfen an "Chaos Cinema", also dem, was Raven Nash als "zerschnitten" bezeichnete. Da wird dem Zuschauer mit ultrakurzen Schnitten jedes räumliche Gefühl für den Kampf genommen und auch die eine oder andere kämpferische Schwäche der beteiligten Schauspieler kaschiert (das ist gerade so ein Grund, warum das bei John Wick nach langer Durststrecke explizit NICHT gemacht wurde: weil die Darsteller es sauber umsetzen können. Dann darf die Kamera auch durchgehend draufhalten).
Insbesondere der Kampf mit dem Attentäter in der Pariser Wohnung in Bourne ID wird oftmals hochgelobt, ist für mich aber ein filmhandwerklicher und choreographischer Totalausfall.
Wenn diese Regel nicht angewandt wird, dann trägt es sehr dazu bei, das Publikum sich mehr um Figuren sorgt, denn niemand ist sicher. Auf mich haben Filme den tiefsten Eindruck hinterlassen, die Krieg zum Thema haben, und ihn nicht als gerechten Kampf glorifizieren (wie Braveheart zB), wie zB "Saving Privat Ryan" oder auch "Die Brücke". In den zwei genannten Filmen kann es jede Figur treffen, auch wenn sie "gutes Karma" gesammelt hat.
Ja, Kriegsfilme können es sich durch den Umstand eines großen Ensembles an Charakteren und die "Befreiung" von klassischen Actionfilm- und Fantasy-Erzählstrukturen leisten, vom "Karma-Prinzip" abzuweichen und die klassische Erwartungshaltung eben nicht zu bedienen.
Trotzdem hat sich dabei natürlich auch jemand Gedanken gemacht und letztlich ist alles geplant; nur der Zuschauer weiß eben nicht von Anfang an genau, was er bekommt.
Fallen Dir zu diesem Ansatz Beispiele ein?
Welche Gedanken hast Du zum Finalduell in "Rob Roy"?
Zuerst das Duell in "Rob Roy":
Das sehe ich wie Isegrim - gut gespielt, aber schlecht gekämpft.
Da wird einfach durchgehend nicht kompetent gefochten mit schlechter Haltung und extrem weit ausgeholten Hieben.
Andererseits - abseits von dem mMn schon hinreichend erörterten Gedanken von der schauspielerischen Leistung, die den viel größeren Anteil an der Gesamtwirkung hat - gibt es bei der Darstellung irgendeiner gearteten Kampfkompetenz auch wieder Probleme.
Nicht nur, dass das wie schon angeklungen zu perfekt sein kann, sondern auch in der Art, dass der Zuschauer entweder gar nicht versteht, was er da sieht oder eine völlig andere Erwartungshaltung hat.
Das kann auch glatt laufen wie z.B. bei der berühmten Bankschießerei von "Heat": an einem "normalen" Zuschauer mag vorbei gehen, dass die Bankräuber da ein perfekt eingespieltes Ausweichschießen praktizieren. Trotzdem hat der genug Geballer, über das er sich freuen kann...so kommt eine große Bandbreite an Zuschauern auf ihre Kosten.
Würde man dagegen ein klassisches Fechtduell in einer einzigen Einstellung aus der Distanz von zwei Fechtern auf olympischem Niveau darstellen lassen, käme nur ein winziger Bruchteil der Zuschauer mit, was da überhaupt passiert. Da kann die Darstellung nahezu perfekt sein, sie funktioniert für das breite Publikum nicht nur trotzdem, sondern sogar deswegen (!) nicht.
Was Beispiele für eine ausgeprägte Vorkampfphase und sehr kurze eigentliche Kämpfe angeht, schaut man wohl am Besten ins asiatische Kino oder zu den alten Italowestern.
Samurai Fiction, Zatoichi (2003), die Dollar-Trilogie, Django (1966)...
Wenn man sich auf Nahkampf beschränken will, finden sich eher einzelne Szenen als Filme, die das von vorne bis hinten durchziehen.
Und das dann wiederum in Filmen, in denen Nahkämpfe eben nicht der zentrale Inhalt sind; damit sind historische Stoffe fast schon komplett raus und es sind eher Sachen in Richtung Bourne, Jack Reacher u.Ä.
Das sind dann aber auch meistens Szenen, die (mit einem zugekniffenen Auge hinsichtlich übertriebener Trefferwirkung) eher nebenbei halbwegs realistisch sind und vor Allem zeigen sollen, wie überlegen der Protagonist zumindest in der konkreten Situation ist. Damit schießt man sich natürlich leicht wieder aus der Wertung, wie es z.B. die Equalizer-Filme tun. Da wäre weniger mehr gewesen.
Kurz gesagt: realistische Kämpfe und gute erzählerische Darstellung sind nicht so einfach in Deckung zu bringen.
Ich mache es mir einfach und sage: gute Filme sind ja auch grundsätzlich selten
Positivbeispiele gibt es ja genug, daher will ich mal zur Auflockerung eine Lanze für die "normal guten" Exemplare brechen.
Oftmals sind es nämlich Kleinigkeiten, die eine Darstellung aus dem "ist in Ordnung"-Bereich in den "Booahh"-Sektor befördern.
Wo solche Details ausbleiben, rutschen auch grundsätzlich ordentliche Darstellungen unter dem Radar durch.
Da wären z.B. Platoon oder Stalingrad (1993) im Vergleich mit Black Hawk Down oder Heat oder in Sachen Nahkampf Conan (1982) oder Der 13te Krieger vs. Alatriste.
Erstere sind jeweils "technisch" ok bis gut und gut bis hervorragend, was das "restliche" Filmhandwerk angeht, aber es fehlt eben das letzte bisschen an liebevoll dargestellten Details.
Filmkämpfe (naja, manche...) sind sehenswert, weil sie nicht realistisch sind.
Sie sind sehenswert, weil sie interessant und unterhaltsam aufgezogen sind.
Das kann es je nach Film sogar
notwendig machen, dass sie realistisch sind; oder es kann egal sein, oder sie
müssen unrealistisch sein.
Kommt immer auf den Einzelfall an.