Autor Thema: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler  (Gelesen 1174 mal)

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Offline Seraph

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Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« am: 26.09.2023 | 11:17 »
Hallo zusammen,

der Threadtitel ist natürlich nicht ernst gemeint, ich wusste ad hoc nur nicht, wie ich die Thematik kürzer und prägnanter verpacken sollte.
Zur Erklärung - FOMO steht für "Fear of missing out" oder auch "Angst, etwas zu verpassen" (grob gesagt).

So sehr ich investigative Abenteuer in Rollenspielen liebe, so sehr verzweifele ich (manchmal) an meinen Spielern, wenn sie so ein Abenteuer spielen.
Nicht weil wir dabei keinen Spaß hätten, sondern weil mich deren kriminalistische Herangehensweise manchmal so ins Rotieren bringt, dass ich a) mordsmäßig improvisieren muss (was geht, aber auch sehr anstrengend ist und b) durch meine Improvisation bei a Kontinuitäts- oder Folgefehler auftauchen.

Ein Beispiel:
SC-Gruppe soll einen Tatort untersuchen. Die Stadtwache hat (natürlich) Fußabdrücke, Blutstropfen oder was weiß ich übersehen. Das Mordopfer sitzt mit einem Dolch im Kopf am Schreibtisch.

Geplant ist eigentlich, dass die Gruppe nur Teilhinweise findet (sehr viele Abenteuer machen das nunmal so), also z.B. sie entdecken eine Ungereimtheit, die sie zu einer anderen Location führt. Sie entdecken eine merkwürdige Fuß-/Pfoten-/Klauenspur, die sie zu einem Monsterexperten führt. Oder sie entdecken Spuren von Magie, die sie in Kontakt mit einem Spezialisten für MagieschuleXYZ bringen. Ihr seht - die Investigationskette geht weiter. Ob das ganze linear erfolgen oder es mehrere Lösungswege geben soll, sei erstmal ausgeklammert.

Jetzt habe ich aber oft die Erfahrung gemacht, dass die Spieler unglaublich kleinteilig vorgehen.
"Ah, es gibt Fußabdrücke. Kann ich die Schuhe bestimmen? Humanoide, natürlich...wie groß etwa? Hat eine der beiden Wachen vor dem Tatort diese Schuhgröße? Nein? Der andere vielleicht? Hmm okay, wo werden diese Art Schuhe denn hergestellt? Können wir eine Liste aller Personen bekommen, die mit dem Mordopfer kürzlich zu tun hatten? Oh, es ist eine öffentliche Person und sie hatte in der letzten Woche 84 Termine, aha. Ich gehe alle Namen durch, kommt mir da wer bekannt vor? Ich vergleiche die Liste der 84 Termine [DIE ICH MIR JUST IN DIESEM MOMENT AUS DEM ÄRMEL ZIEHE VERDAMMTNOCHEINS!] mit den Transaktionen auf seinem Bankkonto. Gibts da Übereinstimmungen? Gibt es die???? Und kann ich herausfinden, um wie viel Uhr der Todeszeitpunkt war? Nein? Aber mit Magie doch oder [Hex-Hex]? Aha, es war also gegen 2:15 Uhr nachts? Wer war denn um die Uhrzeit hier? Nein, ich meine von allen Angestellten des Hauses und den Stadtwachen? [AAAAAAAAAAAAAAAAHHHH...........]

Ihr übertreibe natürlich etwas und es sind z.T. ja auch völlig "logische" kriminalistische Fragen, die gestellt werden. Aber es ist eben zu 99% dazu, dass die Abenteuer, die ich kenne, da nicht ansatzweise so in die Tiefe gehen (gerade im phantastischen Bereich) und das vermutlich auch nicht wollen.
Wie geht ihr da behutsam vor, um die Spieler nicht abzuwürgen, aber ihnen auch zu signalisieren, dass sich das ganze auf einer eher oberflächlicheren Ebene abspielt? Habt ihr da Erfahrungen zu?

Freue mich auf eure Antworten!

Seraph
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Offline Colgrevance

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #1 am: 26.09.2023 | 11:29 »
Ich kenne das Problem und sage dann ggf. auf der Metaebene, dass die gewünschte Information für den Fall nicht relevant ist, wenn es mir zu anstrengend wird.  ;D Generell bin ich auch der Ansicht, dass investigative Abenteuer stark von Vorbereitung profitieren und es schneller Probleme gibt, wenn man als SL vermehrt auf Improvisation setzt (ymmv).

Außerdem verweise ich vor Ermittlungsabenteuern gerne mal auf Genre- und Settingkonventionen: In einem Fantasysetting ist es sicher legitim, einen Hellsichtszauber einzusetzen, aber die wenigsten SCs dürften detaillierte forensische Kenntnisse mitbringen - und diese sollten für mich ggf. nicht nur aus dem Spielerwissen, sondern auch dem Charakterhintergrund begründbar sein.
« Letzte Änderung: 26.09.2023 | 11:32 von Colgrevance »

Offline Deep_Flow

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #2 am: 26.09.2023 | 11:36 »
+1

Die Spieler machen CSI Waterdeep, das Abenteuer ist aber wahrscheinliche eher wie eine Schnitzeljagd mit Hinweisen angelegt.

Offline Feuersänger

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #3 am: 26.09.2023 | 11:39 »
Popcorn, Abo.  ;D

--

Zur Sache hab ich nicht viel zu sagen -- ich erinnere mich spontan nur an ein Ermittlungsabenteuer, damals als Spieler. Eine Stadt hat uns beauftragt, irgendwas zu ermitteln. Wir wollten dafür entsprechende Befugnisse und Kompetenzen erhalten. An der Stelle wand sich der SL schon. Ist danach nicht besser geworden.
« Letzte Änderung: 26.09.2023 | 11:41 von Feuersänger »
Der :T:-Sprachführer: Rollenspieler-Jargon

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Online Skaeg

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #4 am: 26.09.2023 | 11:46 »
Ich kenne das Problem. Und leider fällt mir dazu wenig ein, außer das Ganze mit einer stark auf die Meta-Ebene ausgreifenden, speziell für Investigationsabenteuer ausgelegten, Mechanik einzuhegen. Also sowas wie: Jeder Investigationstopos verbraucht einen Punkt aus dem "Kriminalistische Intuition"-Pool des SC. Oder so etwas in der Art.

Nicht-Meta-Möglichkeit, aber dazu muss man das Szenario sehr speziell konstruieren: Zeitdruck. Umfangreiche Recherchen bei Schuhmachern, Stadtchronisten etc. brauchen Zeit,  und die haben die SC nicht. Frage ist dann halt: Warum nicht?
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Offline JollyOrc

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #5 am: 26.09.2023 | 11:49 »
Generell ist meine Antwort nach allen Listen und Aufstellungen, die mehr als drei Einträge haben: "Du hast jetzt die Liste mit X Einträgen".

Sprich, die bleibt unkonkret und eine Einzelinfo ("Die Liste der Bekannten"), bis sie mit anderen Listen oder Erkenntnissen kombiniert werden ("Diese Bekannten waren gestern Abend zu Besuch") - und auch diese Erkenntnisse bleiben ebenso unkonkret, bis nur noch drei oder weniger Einträge rauspurzeln.

Damit erspare ich mir eine Menge unnötigen Fluff zu erstellen. Das hat auch den Vorteil, dass nicht einzelne Namen herausspringen ("Ah, unter all diesen Namen ist der bekannte NSC, der muss es also sein!")
Fürs Protokoll: Ich bitte hiermit ausdrücklich darum, mich in der Zukunft auf schlechte oder gar aggressive Rhetorik meinerseits hinzuweisen. Sollte ich das dann wider Erwarten als persönlichen Angriff werten, bitte auf diesen Beitrag hier verweisen und mir meine eigenen Worte um die Ohren hauen! :)

Offline Outsider

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #6 am: 26.09.2023 | 11:54 »
Ich kenne das Problem nicht, dabei habe ich viele Abenteuer / Kampagnen geleitet welche einen Ermittlungsansatz brauchen.

Grundsätzlich gibt es doch nur zwei Arten von Informationen an einem Tatort.

1. welche sofort eine Erkenntnis liefern

2. welche erst mal nur eine Information ohne Kontext sind also nicht sofort eine Erkenntnis liefern

An deinem Bespiel mal die Fußabdrücke und die Schuhe.

Fußabdrücke kann ich sofort verwerten eben was für Art Abdrücke sind es, eine oder mehrere Personen, wo kommen sie her und gehen sie hin usw.

Welche Art Schuhe er getragen hat ist außer, dass es Schuhe waren ja nur eine Information. Wenn jetzt jemand die Schuhe bestimmen will (was man möglicherweise nicht vorbereite hat; ganz sicher sogar :D ) dann bleibt man da halt vage. Gerade wenn es mittelalterliche Fantasy ist. Um aus der Information mehr Kontext rauszuholen müssten die SC sich ja auch die Suche nach vergleichbarem Schuhwerk machen. Dann sind sie beschäftigt. Das ist ja keine Frage von 2 Sekunden (also wäre es bei mir nicht). Die Frage ob jemand im Haushalt die Art Schuhe trägt ist obsolet da noch gar nicht sicher bestimmt ist welche Art Schuhe es waren und wenn es bestimmt ist kann man das in einem Nebensatz abhandeln "ja/nein/ihr habt noch nicht alle Angestellten gesehen". Das gibt ja auch Raum für Rollenspiel, wenn die SC auf einmal wollen, dass alle Angestellten ihre Truhe voll Schuhe auf links drehen und sie den SC zeigen. Könnte ja auch jemand geben der das nicht will einfach, weil er bockig ist nicht, weil er schuldig ist usw.

Was ich damit sagen will, viele Spuren führen zu viel Laufarbeit die sich bei mir kaum jemand antut. Da wird sich trotz der Fülle an Möglichkeiten automatisch auf das vielversprechendste konzentriert. Z.Bsp. der Terminkalender aus deinem Beispiel. Eine Gruppe die akribisch allem noch so unwahrscheinlichen hinterherläuft hatte ich noch nicht. Sehe ich das die Gruppe sich verrennt gibts OT einen gut gemeinten Hinweis. 
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Offline Seraph

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #7 am: 26.09.2023 | 12:01 »
+1

Die Spieler machen CSI Waterdeep, das Abenteuer ist aber wahrscheinliche eher wie eine Schnitzeljagd mit Hinweisen angelegt.

Das ist....enorm akkurat und wäre ein viel besserer Thread-Titel, danke!  :D
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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #8 am: 26.09.2023 | 12:02 »
Ich mach' mal einen kurzen Querverweis auf das Law of Conservation of Detail. :) Soll in diesem Fall heißen: auch Spielzeit ist natürlich kostbar und soll nicht mit unnötigem Pixelbitching und ähnlichem sinnlos vertrödelt werden.

Solange die Spielercharaktere einigermaßen kompetent sind (und wenn sie es nicht sind, sind sie halt von vornherein im falschen Abenteuer...und wessen Schuld ist das dann wieder, hmmm?), würde ich als SL also schon davon ausgehen, daß sie die Spreu einigermaßen sicher vom Weizen trennen können und mich primär auf die tatsächlichen Auffällig- und Merkwürdigkeiten konzentrieren, damit die Spieler sich ihrerseits darauf konzentrieren können, das sich stückweise abzeichnende Puzzle richtig zusammenzusetzen. Dazu muß ich ihnen keine falschen Teile unterjubeln und sie umgekehrt auch nicht zwingend "nur für den Fall, daß mein Charakter selbst noch nicht daran gedacht hat" stundenlang doppelt moppeln lassen.

Offline AlucartDante

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #9 am: 26.09.2023 | 12:16 »
Erstmal klingt es eigentlich sehr gut für mich Spieler zu haben, die sehr kreativ und motiviert sind.

Mir ging es schon andersherum, dass ich es schwierig finde zu erklären, warum die Stadtwache den Fall nicht lösen kann, die Helden schon, obwohl sie eigentlich wenig brillante Ideen haben.

Für mich steigern unwichtige Details auch die Immersion. Ich mag es nicht, wenn Spieler denken, "oh die Person heißt nicht Alrik, also muss sie wichtig sein."

"Die Spieler machen CSI Waterdeep, das Abenteuer ist aber wahrscheinliche eher wie eine Schnitzeljagd mit Hinweisen angelegt."

Da hat man ja vl auch einfach eben auf verschiedene Dinge Bock, das macht es etwas schwierig. Ähnlich wie bei einer pazifistischen Gruppe im Dungeon.

Meistens will ich die Spieler nicht ausbremsen, sondern schätze ihre Initiative. Aber wenn es wo keine Hinweise gibt, merken die meisten, dass nicht weitergeht und suchen woanders. Man kann es noch verstärken mit entsprechenden Sätzen:
"Schwer zu sagen... Dazu fehlt dir die Fachkunde... Alles scheint ganz unauffällig... Die Stadtwache / Polizei scheint hier gute Arbeit gemacht zu haben...

Oder wie eben schon genannt auf spezifischere Nachfragen allgemeiner antworten.

Was ich die schlechteste Lösung finde, ist wenn der Spielleiter sagt "Der Encounter ist vorrüber" auf alle guten Ideen und Initiativen der Spieler.

Offline sma

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #10 am: 26.09.2023 | 12:58 »
Wie Robin Laws glaube ich fest daran, dass der Spaß nicht darin besteht, die Hinweise zu finden, sondern sie zu kombinieren und Hypothesen aufzustellen und diese dann belegen zu können. Daher sollte es einfach sein, Hinweise zu finden.

Dazu sollte man sich als SL für jede Szene überlegen, welche(r) Hinweis(e) essentiell ist, d.h. gefunden werden muss, bevor die Szene endet. Welche Hinweise man vielleicht zusätzlich auf Nachfrage noch finden könnte und dann auch klar signalisieren, dass nun alles gefunden wurde und mit damit hart zu nächsten Szene überleitet. Je nach Geschmack kann man es einfach so sagen oder ein Signal vereinbaren, etwa, "ein Blick zur Sonne zeigt euch, dass es schon spät geworden ist."

Ich würde nach der Heisenberg-Methode immer nur das konkret festlegen, was auch erfragt wurde und was notwendig ist. Wenn niemand nach der Schuhgröße fragt, dann existiert diese auch nicht. Und falls gefragt wird, würde ich als SL erst mal zurück fragen, was sie mit dieser Information anfangen wollen, damit ich die richtige Antwort geben kann.

Z.B. "um später den Täter eindeutig zu identifizieren" kann man mit "du machst einen Gipsabdruck" erschlagen und "um Gnome als Täter auszuschließen" kann man mit "definitiv größer, eher wie ein Elf oder Mensch" beantworten. Mit "38cm" kann kann man im besten Fall nichts anfangen und im schlimmsten Fall unbeabsichtigt eine falsche Fährte legen.

Ausnahme wären für mich Namen von NSCs. Da mag ich's so gar nicht, wenn auf der Metaebene geschlossen wird "kein Name, keine Relevanz". Da hilft dann eine Namensliste zum Abstreichen. Oder die Spieler fragen. Und zwar für alle NSCs, auch die relevanten.

In der Regel (außer die typischen Fantasy-Murder-Hobos verdingen sich als Amateurdetektive) verkörpern die Spieler ja Charaktere, die besser als die Spieler (wenn die nicht zufällige im echten Leben Kriminalkommissare sind) bei der Ermittungsarbeit sind und das sollte man dadurch ausdrücken, dass man ihre Handlungen nicht mutwillig gegen die Charaktere auslegt, selbst wenn die Beschreibungen der Spieler jetzt nicht optimal sind. Niemand muss wissen, wie genau man nun Spuren am Tatort sammelt, die Tatsache, dass man es will, sollte ausreichen, dass auch professionell zu tun und dabei ggf. festzustellen, dass überraschend viele, wenige oder offensichtlich gefälschte Spuren zu finden sind. Die essentiellen Spuren durch eine verpatzte Probe zu zerstören ist nicht hilfreich in so einem Spiel.

Und wie üblich gilt, am einfachsten ist, Probleme anzusprechen.  Bei "Können wir eine Liste aller Personen bekommen, die mit dem Mordopfer kürzlich zu tun hatten? Oh, es ist eine öffentliche Person und sie hatte in der letzten Woche 84 Termine, aha. Ich gehe alle Namen durch, kommt mir da wer bekannt vor? Ich vergleiche die Liste der 84 Termine…" würde ich antworten, das ist für die Geschichte nicht weiter relevant und nach 6 Stunden frustrierendem Herumtelefonieren hast dein Charaktere auch keine verwertbaren Hinweise gefunden. Was machen die anderen in dieser Zeit? Du hilft? Gut, dann dauert es nur 4 Stunden.

Auf "Und kann ich herausfinden, um wie viel Uhr der Todeszeitpunkt war?" würde ich ja "Wie?" zurückfragen und wenn da ein "na, auch als Tierarzt müsste ich das doch wissen, Körperwärme oder Steifheit des Körpers oder so" zurückkommt, könnte man dem Tierarzt vielleicht eine Probe abfordern, weil kein Gerichtsmediziner und dann einen ungefähren oder genauen Zeitpunkt nennen. Oder wenn man diese Informationen nicht herausgeben will, ohne Probe sagen, "nach deiner fachkundigen Meinung ist es zu spät dafür."  Wichtig ist dabei nur, klar zu machen, dass die Informationen nicht aufgrund von Versagen oder Unkenntnis nicht ermittelt werden kann, sondern aus der Fachkenntnis heraus nicht. (Wenn du mich als sachkundigen Informatiker fragst, ob ich keinen AES-256-verschlüsselten Text entschlüsseln kann, dann kann ich dir auch sagen, nicht in sinnvoller Zeit. Da muss ich nichts probieren, das weiß ich einfach - und ich kann das auch auf andere mir weniger gut bekannte Algorithmen extrapolieren)

Übrigens, die Fokussierung auf Spuren ist ein eher neuzeitliches Vorgehen. Für eine mittelalterliche Welt würde man eher auf Zeugen setzen und ihre Aussage nach ihrem Leumund bewerten. Wenn der untadelige adelige Sohn des Opfers der Dienstmagd die Schuld gibt, weil sie als letzte beim Vater war und sie dies auch nicht bestreitet, dann zählt das mehr, als der Abtrittsammler, der sagt, dass er durchs Fenster gesehen hat, wie der Sohn seinen Vater erstochen hat. Außer, man findet vielleicht vier Leute, die das selbe aussagen wie der Sammler. Natürlich würde es auch helfen, die Tatwaffe zu finden, aber auf ein heiliges Buch zu schwören ist ultimativ. In einer Fantasywelt hilft es natürlich ungemein, wenn es Wahrheitszauber gibt, die IMHO dann Standard bei jedem Verhör sind, und man in diesem Fall eher nachweisen müsste, dass der Sohn sich am Tag vor dem Mord extra bei dem Hexer am anderen Ende der Stadt ein Amulett der gefahrlosen Lüge besorgt hat und auch noch im Tempel für den Frefel der Falschaussage die Göttin der Wahrheit mit 1000 Goldmünzen zu besänftigen versucht hat.
« Letzte Änderung: 26.09.2023 | 13:25 von sma »

Offline Shihan

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #11 am: 26.09.2023 | 13:15 »
Abo!
Spannendes Thema, obwohl ich oft die andere Seite habe. Die Spieler stehen rätselnd vor der Leiche. Mehrfach wurde ein Stofffetzen in der Hand des Toten erwähnt, der zufälligerweise die gleiche, wenig genutzte Farbe der örtlichen Schmiedezunft hat. Auf die Idee, mal ein paar Schmiede unter die Lupe zu nehmen, kommt dann keiner.

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Offline Weltengeist

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #12 am: 26.09.2023 | 13:25 »
Für manche der vom Threadersteller genannten Informationen kann man als Spielleiter antworten: Okay, könnt ihr machen, dauert halt X Stunden (oder im Falle der kompletten Liste aller Personen, mit denen das Opfer Kontakt hatte, auch mal Tage). Und dann kann man fragen, ob sie so viel Zeit investieren wollen (meist haben sie ja keinen eigenen Mitarbeiterstab, der zu jeder Tages- und Nachtzeit springt, wenn sie "spring" sagen).

Bei Detektivabenteuern ist Zeit eine durchaus nicht unwichtige Ressource, damit kann man als Spielleiter natürlich spielen - auch um Spieler von Sackgassen abzuhalten.

Aber zugegeben: der Trick funktioniert nur für bestimmte Genres. Bei Cyberpunk oder SciFi sind Informationen natürlich oft auf Knopfdruck verfügbar. Da muss man beim Entwurf des Abenteuers daran denken, dass ein intelligenter Täter das auch weiß. Ähnliches gilt übrigens bei Fantasy für den Einsatz von Magie: Wenn ich da jemanden umbringe, dann bitte nicht so, dass man nur "Sprechen mit den Toten" wirken muss, um alle relevanten Antworten zu bekommen.
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Offline sma

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #13 am: 26.09.2023 | 13:26 »
Korinthenkacker: SHA-256 verschlüsselt nicht, sondern hasht nur  ;)
Danke für's sorgfältige Lesen meines Beitrags. Ich habe natürlich schon immer und nicht erst nach deinem Hinweis AES-256 geschrieben :)

Offline Herr Moin

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #14 am: 26.09.2023 | 13:34 »
Ich abonniere ebenfalls. Ich denke, aus den Beiträgen lässt sich sehr viel Lehrreiches aneignen.  :d

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #15 am: 26.09.2023 | 13:42 »
Ähnliches gilt übrigens bei Fantasy für den Einsatz von Magie: Wenn ich da jemanden umbringe, dann bitte nicht so, dass man nur "Sprechen mit den Toten" wirken muss, um alle relevanten Antworten zu bekommen.

Oder daß ein Zauber vom Gruppenkleriker nicht gleich das jetzt wieder lebendige Opfer als Kronzeugen aus dem Hut holt, ja. ;) Aber das Anpassen der Genrekonventionen ist eigentlich schon wieder eine etwas andere Frage.

Offline Kurna

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #16 am: 26.09.2023 | 14:58 »
Für manche der vom Threadersteller genannten Informationen kann man als Spielleiter antworten: Okay, könnt ihr machen, dauert halt X Stunden (oder im Falle der kompletten Liste aller Personen, mit denen das Opfer Kontakt hatte, auch mal Tage). Und dann kann man fragen, ob sie so viel Zeit investieren wollen (meist haben sie ja keinen eigenen Mitarbeiterstab, der zu jeder Tages- und Nachtzeit springt, wenn sie "spring" sagen).

Bei Detektivabenteuern ist Zeit eine durchaus nicht unwichtige Ressource, damit kann man als Spielleiter natürlich spielen - auch um Spieler von Sackgassen abzuhalten.

Aber zugegeben: der Trick funktioniert nur für bestimmte Genres. Bei Cyberpunk oder SciFi sind Informationen natürlich oft auf Knopfdruck verfügbar. Da muss man beim Entwurf des Abenteuers daran denken, dass ein intelligenter Täter das auch weiß. Ähnliches gilt übrigens bei Fantasy für den Einsatz von Magie: Wenn ich da jemanden umbringe, dann bitte nicht so, dass man nur "Sprechen mit den Toten" wirken muss, um alle relevanten Antworten zu bekommen.

Das mit der Zeit ist ein wichtiger Punkt. Ich mische bei meiner Abenteuer 1880-Gruppe auch immer mal wieder Detektivabenteuer ein und bei der Zeit muss man gut aufpassen. Es passiert mir nämlich manchmal, dass die Gruppe gut in Schwung ist und ich ihnen zu viele Aktionen in kurzer Zeit durchgehen lasse. Das ist dann vor allem problematisch, wenn es nicht nur um ein Verbrechen geht, sondern eine ganze Serie. Die Idee ist dann meist, dass die Hinweise über diese Serie hinweg anwachsen und dann erst zur Überführung reichen. Wenn man dann, wie ich in dem Fall, den Leuten zu viel ermöglicht hat, gibt es plötzlich einen Stopp, weil die nächsten Hinweise nicht rechtzeitig da sind.
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Offline Feuersänger

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #17 am: 26.09.2023 | 16:05 »
Right, ich erinnere mich: das war an dem vorgenannten Ermittlungsdings auch so ultra nervtötend. Es gab ein zwei Hinweise, denen sind wir nachgegangen, die waren dann erschöpft. Und dann laufen wir also nur noch gegen Wände, weil im AB eben steht, dass der nächste Hinweis erst in 3 Tagen kommt. Und das Muster hat sich dann mehrfach wiederholt: eine Stunde Hinweisen nachgehen, 3 Tage Nix. Wie gesagt, war sehr unbefriedigend.
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Zitat von: ErikErikson
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Offline tartex

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #18 am: 26.09.2023 | 16:30 »
Hatte auch sehr lustige Erfahrung mit einer Kult-Divinity-Lost-Gruppe, in der ich einer der Spieler war.

Ich war für den Splatterpunk gekommen, aber der Rest der Mitspieler anscheinend um jeden Kleinstbetriebbetreiber im Dorf für 30 Minuten (Echtzeit ausgespielt) zu befragen. Je alltäglicher und nichtssagender deren Schilderungen waren, desto verdächtiger wirkten sie und desto länger wurden sie gegrillt mit lauwarmen Wasser besprenkelt.

Ich vermute mal, so spielt man in Deutschland Cthulhu: Bäcker, Bauer, Bibliothekar & Puffmutter ausführlichst befragen, aber besser nicht zum mysteriösen Tatort, denn dort könnte sich ja ein Charakter einen Fingernagel abbrechen...
« Letzte Änderung: 26.09.2023 | 16:32 von tartex »
Die Zwillingsseen: Der Tanelorn Hexcrawl
Im Youtube-Kanal: Meine PnP-Let's-Plays
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Offline unicum

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #19 am: 26.09.2023 | 16:34 »
Nicht-Meta-Möglichkeit, aber dazu muss man das Szenario sehr speziell konstruieren: Zeitdruck. Umfangreiche Recherchen bei Schuhmachern, Stadtchronisten etc. brauchen Zeit,  und die haben die SC nicht. Frage ist dann halt: Warum nicht?

In drei Tagen ist eine Sternenkonstellation die nur alle 300 Jahre vorhanden ist,...

Nach dem Sonntag ist der Karnevall vorbei und tausende von Besuchern werden die Stadt wieder verlassen, darunter vieleicht auch der wahnsinnige Massenmörder.

Die Wahl des neuen Kurfürsten ist am 13. wenn ihr danach nichts herausgefunden habt könnte es sein das der neue Kurfürst, der einer der nutznieser der Morde ist, eure Ermittlungen einstellen lässt,...

Offline unicum

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #20 am: 26.09.2023 | 16:38 »
Ich vermute mal, so spielt man in Deutschland Cthulhu: Bäcker, Bauer, Bibliothekar & Puffmutter ausführlichst befragen, aber besser nicht zum mysteriösen Tatort, denn dort könnte sich ja ein Charakter einen Fingernagel abbrechen...

Äh,... nö - also jedenfalls hier nicht.

Offline Blizzard

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #21 am: 26.09.2023 | 16:41 »
Ich vermute mal, so spielt man in Deutschland Cthulhu: Bäcker, Bauer, Bibliothekar & Puffmutter ausführlichst befragen, aber besser nicht zum mysteriösen Tatort, denn dort könnte sich ja ein Charakter einen Fingernagel abbrechen...
?
Spielt man in Österreich anders  :ctlu:?
Und: Wieso bricht sich ein Charakter den Fingernagel ab, wenn er jemanden zum mysteriösen Tatort ( :ctlu:) befragt ?
"Wir leben nach den Regeln, wir sterben nach den Regeln!"

"Wer nicht den Mut hat zu werfen, der wird beim Würfeln niemals eine Sechs erzielen."

Offline unicum

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #22 am: 26.09.2023 | 16:47 »
Es gibt das Problem den Spielern auch mal ein hartes Nein hinzuklatschen. Das machen manche SL (mich eingeschlossen) eigentlich nicht gerne aber in Investigativabenteuern mache ich das dann schon noch,...

Also "Nein - du findest da keine Spuren,..."

mit etwas weniger "Nein"

"Deine Untersuchungen bezüglich der Orte welche das Opfer in den lezten 3 Tagen getätigt hat verlaufen im Sande,..."
"Du findest den lezten Freier der Hure die aufgeschlizt im Hafenbecken trieb,... er ist im Tempel und betet für sein und deren Seelenheil und er hat Angst das er der nächste ist der vom Ripper auggeschlizt wird,..."

Oder darf es vieleicht mal ein "Nein - aber" sein?

"Du klapperst einen ganzen Tag die Leute ab welche das dritte Opfer in den Tagen vor ihrem Tod besucht hast und findest nur einmal etwas das merkwürdig erscheint: Das erste und das dritte Opfer waren beim gleichen Friseur. Aber das zweite Opfer wohnt in einem anderen Stadtteil und der Friseur kennt das Opfer garnicht. Der Friseur hat aber ein handfestes alibi, er meinte aber das beide Opfer sehr ähnliches Haar hatten."  (Blondinen bevorzugt)

Es ist die Sache das so gut wie alles was man den Spielern an Infos hinwirft eben aufgenommen wird. Insofern sollte man schon irgendwie wissen was man sagt.

Offline unicum

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #23 am: 26.09.2023 | 16:53 »
Eines der Probleme die man gegebenenfalls auch mal hat ist Zauberei,...

Für jene die Midgard kennen, ich hatte da mal ein "Forenspiel"

https://www.midgard-forum.de/forum/topic/34122-csi-%E2%80%93-was-w%C3%BCrden-eure-%E2%80%93-in-einem-mordfall-ermittelnden-nicht-spielfiguren-tun/#comment-2849617

Dabei ging es mir eigentlich darum nachzuvollziehen ob ich irgendwelche wirkungen und wechselwirkungen von Magie übersehen hatte. So gibt es etwa mit "Reise in die Zeit" einen Zauber der einem da durchaus mal Probleme bereiten könnte.

Auf der anderen Seite ist meine herangehensweise an Zauber wie diese: Wenn ein Spieler da viele Punkte reinsteckte (und der zauber ist wirklich nicht billig) dann soll er da auch eine Information dafür bekommen.

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Re: Detektivabenteuer und Fomo-Spieler
« Antwort #24 am: 26.09.2023 | 17:06 »
Richtig katastrophale Ergebnisse produziert FOMO übrigens, wenn es schlicht nichts zu finden gibt, weil erst beim dritten Opfer relevante Hinweise auf den Serienmörder zu finden sind. Weil der Abenteuerautor eben einen Serienmörderplot bauen will, und 1 ist nunmal keine Serie.