Autor Thema: These: Ein bisserl Scripting/Railroading muss schon sein ab und zu  (Gelesen 3714 mal)

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Offline tartex

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Ich verstehe die Argumente für den "Quantum Ogre" (https://tatabletop.com/2020/06/22/quantum-ogre-theory/) sehr gut, ich habe ihn auch schon angewandt. Aber wie der General sagt - sobald die Spieler das Prinzip durchschaut haben, wird es langweilig oder auch eingeplant. Warum soll ich mich beeilen, wenn ich ohnehin immer pünktlich bin?

In meiner Vorstellung spielt das Szenario in einem gefährlichem Dschungel. Da wäre es ja nicht sehr weit hergeholt, dass es andere Gefahren gibt. Natürlich sollte man das nicht beliebig oft machen, aber wenn - so wie du es beschreibst - es die Spieler nach einem Kampf durstet, aber die ursprüngliche Gefahrenquelle ausgeschalten haben, gibt es hat nicht viel mehr Optionen als nur Railroading oder Langeweile.

Meine aktuelle Hypothese: Ich glaube man kommt vielleicht damit durch, wenn man es schafft, relevante Entscheidungen einzubauen (Spieler haben eine gewisse Kontrolle) aber diese Entscheidungen nicht dazu führen, dass man interessante Szenen und/oder Materialien verpasst. Für den Pfad zu diesen Schlüsselszenen gibt es dann eben keine Entscheidungen. Ich meine, nur wenige* Spieler werden später stolz erzählen, dass sie es geschafft haben, in Ravenloft den Fürsten Stradh komplett zu vermeiden, ihn nie gesehen haben und - danke schön - auch sehr froh sind, dass das nicht passiert ist.

Wenn die Spieler es schaffen Strahd in Ravenloft komplett zu vermeiden, sollen sie darauf stolz sein! Er kann einen guten Grund haben sie zu verfolgen oder ihnen andere Gefahren nachzuschicken. Er wird zu einem noch länger auftauchenden, epischen Gegenspieler. Unzählige Railroading-Spielleiter müssen da mit der unelegantesten Plot-Rüstung operieren, um einen wiederkehrenden Schurken aufzubauen, und wenn sich organisch die Gelegenheit dazu bietet, passt es auch nicht?

Du reduzierst da öfters zu einer binären Auswahl, wo es doch so viele interessante Abstufungen dazwischen gibt.
« Letzte Änderung: 20.12.2023 | 14:27 von tartex »
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Offline Tudor the Traveller

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Wenn die Spieler es schaffen Strahd in Ravenloft komplett zu vermeiden, sollen sie darauf stolz sein!

Das sehe ich tatsächlich anders, denn mir würde das als Schlüsselelement der gesamten Kampagne fehlen. Ich würde es aber als Spieler eben auch gar nicht ernsthaft versuchen. Das wäre für mich sozusagen am Spiel vorbei gespielt. Und da erwarte ich von meiner SL, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert.
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Offline felixs

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Ich sehe ein grundsätzliches Problem in der Idee von "Leistungen der Spieler" im Rollenspiel. Was "geleistet" werden kann, hängt wesentlich von der Welt und Situation ab, die vorgefunden wird und von deren Veränderbarkeit. Das ist am Ende fast alle vom Spielleiter festgelegt. Gewiss gibt es mehr oder weniger plausible Aktionen und Reaktionen. Ich würde aber meinen, dass der subjektive Faktor so hoch ist, dass man sich um Leistungen keine Gedanken machen muss. Wo nichts ist, kann nichts entwertet werden (überspitzt, bitte mit einer ordentlichen Schippe Salz verstehen).
Wichtig ist, dass gutes, für alle Beteiligten stimmiges Spiel entsteht. Und dabei darf gern ein Faktor sein, dass man bestimmte Aspekte der Welt simuliert (und meinetwegen darf man dabei vergessen, dass viele andere Aspekte willkürliche Setzungen der Weltbeschreibung oder spontane Entscheidungen des Spielleiters sind). Aber genauso kann man - im Gruppenkonsens - entscheiden, dass jetzt dieses oder jenes passiert, weil das für den Verlauf der Geschichte besser ist oder (ja!) besser in die Vorbereitung passt.

Ich plädiere für bewussten Illusionismus und für Entscheidungen auf der Metaebene im Zweifelsfall.

Das sehe ich tatsächlich anders, denn mir würde das als Schlüsselelement der gesamten Kampagne fehlen. Ich würde es aber als Spieler eben auch gar nicht ernsthaft versuchen. Das wäre für mich sozusagen am Spiel vorbei gespielt. Und da erwarte ich von meiner SL, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert.

Sehe ich ähnlich. Und würde ergänzen, dass ich es nicht als Aufgabe des SL sehe, das irgendwie so hinzubiegen, dass das klappen kann. Spieler haben da bitte mitzuwirken. Und den Hinweis darauf dürfen sie auf der Metaebene bekommen.

Ich plädiere dafür, dass Spieler nicht aus reiner Lust an der Bockigkeit das Spiel sabotieren. (Oder jedenfalls dafür, dass in diesem Fall eine Grundsatzdebatte darüber geführt wird, was man da eigentlich machen will). Ich plädiere dagegen, dass es als normaler Inhalt von Rollenspiel angesehen wird, dass Spieler völlig frei irgendwas machen und dass der SL dafür sorgen soll, dass daraus sowas wie eine Handlung wird.

Du reduzierst da öfters zu einer binären Auswahl, wo es doch so viele interessante Abstufungen dazwischen gibt.

Zum konkreten Fall möchte ich nichts sagen. Aber: Ja, grundsätzlich gibt es zwischen den verschiedenen Spielstilen sehr große Graufelder und in vielen Fällen kann man vermutlich eine Lösung finden, die für alle funktioniert. (Wenn das alle wollen).
« Letzte Änderung: 20.12.2023 | 16:18 von felixs »
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Offline Boba Fett

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Ich kann von zwei Situationen sprechen, wo ich Entscheidungen der Situation zu treffen hatte:

- Beim Abenteuerpfad "Fluch des scharlachroten Thrones" gibt es "irgendwann" zum Ende hin den Endboss-Fight und da meine Spieler ihre Charaktere deutlich besser vorbereitet in die Vorgeschichte, die zu diesem Finalen Konflikt führt hineingeschickt haben, war zu entscheiden, ob die Charaktere "gescriptet" genau zu dem Zeitpunkt wo XYZ passiert ankommen oder eben vorher und es damit deutlich leichter haben.
Ich entschied mich für "wenn sie sich so gut vorbereitet haben, kommen sie deutlich früher und haben es einfacher" konsequent und die Charaktere wuschen mit dem Widersacher mal eben den Boden auf.
Die Spieler waren etwas enttäuscht, weil sie sich mehr erwartet haben. Kann ich verstehen, denn das war ja das Kampagnenfinale nach 6 großen Abenteuer und ca 18 Monate wöchentlichem Spiel.

- Bei einem Shadowrun 2 Abenteuer sollten die Runner genau zu einem bestimmten Zeitpunkt ihren Run durchführen, weil der Johnson zeitgleich eine Ablenkung initiierte. Die Runner stiegen 3h zu früh ein.
Das Abenteuer schrieb eine Komplikation ("Konkurrenz"), die zu dem vorgesehenen Zeitpunkt den Runnern das Leben schwer machen sollte. Auch da war meine Entscheidung "sei konsequent, 3h vorher war die Komplikation nicht da" und das führte dazu, dass sich die Spieler einen Ast freuten. Aber es war eben auch nur ein Spielabend mit einem Run und keine Kampagne. Und es war das "wir haben dem Shadowrun-Konzept, dass es zum Ende hin noch mal böse nach hinten losgeht, zwischen die Beine getreten" Erlebnis, was jedem SR Spieler, der das kennt, ungemein freut.

Will sagen: Konsequent die Spielwelt durchsimulieren kann funktionieren, muss aber nicht.
Insofern bin ich für "redet miteinder und klärt, was die Beteiligten wollen und erwarten". Und es sollten keine Entscheidungen entwertet, sondern höchstens aufgewertet werden.
Wenn die Charaktere schneller als erwartet sind, kann ich entscheiden, dass es ihnen leichter fällt, weil sie früher da sind, aber ich werde ihnen deswegen keine reinkarten und spontan Opposition aufstellen, die sie aufhält und möglicherweise noch ihr Konfliktkapazitäten reduziert, so dass sie geschwächt ins Finale stolpern, dafür aber pünktlich aufs Stichwort...
Wer den Hollywood Modus bevorzugt, dessen Figuren betreten natürlich immer rechtzeitig die Bühne der finalen Szene, aber die sollten dann auch das heroische Hollywood Ende erleben dürfen - Heldentode für die gute Sache natürlich eingeschlossen - das Gute siegt dann aber "immer"...
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Offline tartex

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Das sehe ich tatsächlich anders, denn mir würde das als Schlüsselelement der gesamten Kampagne fehlen. Ich würde es aber als Spieler eben auch gar nicht ernsthaft versuchen. Das wäre für mich sozusagen am Spiel vorbei gespielt. Und da erwarte ich von meiner SL, dafür zu sorgen, dass das nicht passiert.

Ich gehe davon aus, dass Strahd ihnen im Schloss auch ohne direkte Konfrontation genügend Probleme bereitet. Wenn die Spieler es schaffen der größten Gefahr bewusst aus dem Weg zu gehen, dann haben sie sich das auch verdient. Ich wüsste allerdings nicht wie sie das bei Strahd schaffen sollten. Respekt, wenn sie es tun!

Wenn ein Gegner im Setting als nahezu unbezwingbar dargestellt wird und man eine Aufgabe in seinem Territorium hat, die nicht zwingend das Erledigen des Gegners beinhaltet, fehlt was wichtiges? Heists sind für mich spannend. Für mich hat es sich immer wie ein toller Erfolg angefühlt, wenn mein Charakter der größten Gefahr entgehen konnte.

Ist der Spieler von Luke Skywalker sauer, dass der Spielleiter-Lucas ihn die Prinzessin aus dem Todesstern befreien lässt, ohne dass er Darth Vader gleich besiegen darf?

Ist der Spieler von Frodo sauer, dass er den einen Ring in den Vulkan pfeffern kann (verkürzt ausgedrückt) und dann von Adlern gerettet wird anstatt Sauron anständig den Arsch zu versohlen?

Im schlimmsten Fall kann man sagen: Fortsetzung folgt!
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Offline Maarzan

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Das Spieler seltsame Dinge tun können und damit den SL überraschen - geschenkt. Aber wie kann man überrascht sein, wenn die Spieler genau die Aufgabe, welche sie ganz offiziell haben - das Gewinnen des Wettrennens zu dem Depot - dann auch tatsächlich tun?!
Da überlegt man sich doch vorher, wie es weitergehen soll.

Umgekehrt: wenn ich als Spieler davon ausgehen muss, dass meine Bemühungen vor dem Bosskampf eh nix bringen (oder gar gegen mich wirken, weil der SL die dumm findet oder sich wegen der Arbeit ärgert) dann höre ich doch bis dahin quasi mit dem Denken / weiteren Agieren auf und konserviere alle Ressourcen.
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Offline tartex

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Ist der Spieler von Luke Skywalker sauer, dass der Spielleiter-Lucas ihn die Prinzessin aus dem Todesstern befreien lässt, ohne dass er Darth Vader gleich besiegen darf?

Ist der Spieler von Frodo sauer, dass er den einen Ring in den Vulkan pfeffern kann (verkürzt ausgedrückt) und dann von Adlern gerettet wird anstatt Sauron anständig den Arsch zu versohlen?

Will nur anmerken, dass es bei den Beispielen natürlich nicht darum geht, per Railroading die Konfrontation auf später zu verschieben, sondern, dass Spannung oft auch gegeben ist, wenn die Charaktere nicht die größte Konfrontation suchen.
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Offline Sphinx

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Ach ich hab schon die Zeit gedehnt bis zum zerreißen. In Raum wird ein super Mächtiger Dämon beschworen, hab grob in 5 Min. (Ingame Zeit) festgesetzt bis es passiert. Damit sie die Beschwörung verhindern können. Die hab ich dann weil die Spieler getrödelt haben schon auf 10 gestreckt, dann auf 15. Irgendwo war dann aber der Punkt wo ich mir sagen musste "Tja sie werden diesen coolen Story Punkt nicht verhindern". Also ist es passiert und die Spieler die es hätten verhindern können, haben gemerkt ups das ist nicht gut. Wir ziehen uns zurück weil das über unserer Preisklasse ist. Sie haben nach ihrem Rückzug nur von den Konsequenzen erfahren, das die Fraktion die den Dämon beschwören hat ihre Ziele erreicht hat,...
Es war ihnen in sofern eine Lehre das sie nicht mehr so zögerlich sind wenn sie wissen das die Zeit knapp ist.

Und trotzdem hab ich mit Zeit immer so meine Probleme wo ich mir denke. Sie könnten sich etwas Zeit lassen oder sie könnten schneller sein. Zu fixe Zeitpläne sind irgendwie Käse, deshalb vermeide ich es wann immer möglich und baue ausreichend Spielraum ein um ein Event vor oder zurück zu schieben.
Im Endeffekt ist doch das Ziel das alle Spaß haben. Und dafür muss man manchmal auch mit Illusionismus klar kommen, das Dinge eben dann passieren wenn die Charakter anwesend sind. Ist halt Göttlich gelenktes Schicksal. Die Helden sind ja "meistens" nun mal toller als Normalsterbliche. Muss ja einen Grund haben.

Offline tartex

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Im Endeffekt ist doch das Ziel das alle Spaß haben. Und dafür muss man manchmal auch mit Illusionismus klar kommen, das Dinge eben dann passieren wenn die Charakter anwesend sind. Ist halt Göttlich gelenktes Schicksal. Die Helden sind ja "meistens" nun mal toller als Normalsterbliche. Muss ja einen Grund haben.

Ich habe mal die ganze Welt von einem Virus verwüsten lassen, weil die SCs bei ihrer Mission gescheitert sind, und einmal mussten alle neue Charaktere machen, weil die Hälfte der Gruppe durch falsche Bedienung einer Zeitmaschine 800 Jahre in die Vergangenheit versetzt wurde. (Wir haben dann beide Zeitebenen jeweils unabhängig weitergespielt.)

Das war episches Zeug. Und das musste nicht durch Railroading erzwungen werden, sondern hat sich einfach so ergeben, weil wir die Handlungsentwicklung so angenommen haben, wie er sich ergeben hat. Kein Illusionismus notwendig, sondern einfach nur die Bereitschaft die Pläne über Bord zu werfen.
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Offline Tudor the Traveller

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Wenn die Spieler es schaffen der größten Gefahr bewusst aus dem Weg zu gehen, dann haben sie sich das auch verdient.

Wie gesagt: hängt davon ab, was die Gruppe genau für ein Spiel spielen will. Was du schreibst ist ja der Combat as War Gedanke.: Gefahr möglichst vermeiden. Wenn man aber Combat as Sport spielen will, muss man halt auch gegeneinander antreten. Und da hilft es nicht, wenn man dem Gegner ausweicht.

Ich frage mich auch, wie viel "so geht richtiges Rollenspiel" Sozialisierung da unbewusst mitspielt. Vermutlich eine Menge. Da tut man dann schlicht Dinge, ohne sie zu hinterfragen, weil "macht man ja so".
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Wie gesagt: hängt davon ab, was die Gruppe genau für ein Spiel spielen will. Was du schreibst ist ja der Combat as War Gedanke.: Gefahr möglichst vermeiden. Wenn man aber Combat as Sport spielen will, muss man halt auch gegeneinander antreten. Und da hilft es nicht, wenn man dem Gegner ausweicht.

Ich frage mich auch, wie viel "so geht richtiges Rollenspiel" Sozialisierung da unbewusst mitspielt. Vermutlich eine Menge. Da tut man dann schlicht Dinge, ohne sie zu hinterfragen, weil "macht man ja so".

In dem von tartex postulierten Szenario geht's nun aber gerade darum, daß die Gruppe der Gefahr bewußt aus dem Weg gehen will (und sich darin vermutlich auch einig ist). Da sähe ich einen Interessenkonflikt eigentlich nur noch, wenn dann die SL querschießt, weil sie doch einen so schönen Endkampf vorbereitet hat und den nicht verschwendet sehen will. Denn wenn die Spieler das Aus-dem-Weg-Gehen hinkriegen und ihr Missionsziel trotzdem erreichen können, geht ja ansonsten nichts von Wert verloren -- dadurch, daß sie der Gefahr diesmal ausgewichen sind, bleibt diese schließlich für die Zukunft und den Rest der Spielwelt weiterhin erhalten...

Schön, persönlich bin ich vermutlich selbst wenigstens ein Stück weit Combat-as-War-sozialisiert. Soll heißen, wenn ich beispielsweise in einer Star-Wars-Runde mitspielen würde, dann würde ich mich als frischgebackener Rebellenschnösel auch nicht spontan Darth Vader bloß deshalb entgegenstellen, weil der in dem Abenteuer halt vorkommt ist und also gefälligst als von unserem Anfängertrupp schlagbar definiert zu sein hat. So weit reicht selbst meine Selbstherrlichkeit ganz einfach nicht. ;)

Offline Isegrim

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Schön, persönlich bin ich vermutlich selbst wenigstens ein Stück weit Combat-as-War-sozialisiert. Soll heißen, wenn ich beispielsweise in einer Star-Wars-Runde mitspielen würde, dann würde ich mich als frischgebackener Rebellenschnösel auch nicht spontan Darth Vader bloß deshalb entgegenstellen, weil der in dem Abenteuer halt vorkommt ist und also gefälligst als von unserem Anfängertrupp schlagbar definiert zu sein hat. So weit reicht selbst meine Selbstherrlichkeit ganz einfach nicht. ;)

Combat as sport heißt doch nicht, dass jeder Gegner jederzeit überwindbar ist. Für ne entsprechende Star Wars-Runde reichen da die handelsüblichen Stormtrooper als Kanonenfutter völlig aus.
"Klug hat der Mann gehandelt, der die Menschen lehrte, den Worten auch der Anderen Gehör zu schenken."  Euripides

Offline Tudor the Traveller

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Mit meiner Erwartung an das Spiel (ich nenne es mal qualitatives Buttkicking) würde ich mich als Spieler halt eben nicht bewusst dazu entscheiden, der Konfrontation aus dem Weg zu gehen, sondern das Gegenteil, die Konfrontation provozieren. Klar hängt das von den Zielen ab, aber ich würde halt auch vermeiden, solche Kampf-Ausweichen Ziele übergaupt zu haben. Da definiert sozusagen mein Spielziel auf der Metaebene (Buttkicken) die möglichen ingame Ziele (Charakterziele sollten Buttkicken beinhalten). Dafür betreibe ich wohl eine Art Spieler-Illusionismus. Charakter und Verhalten werden halt so hingebogen, dass es passt. Auch wenn das manchmal kein "realistisches" Charakterverhalten ergibt.
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Offline Radulf St. Germain

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Ich finde das Strahd-Thema sehr spannend und glaube ähnlich wie Tudor, aber mit leichter Abwandlung, das ist eine Spiel vs Storytelling Sache.

Betont man den Aspekt des Spiels, dann "gewinnt" man, wenn man den Oberbösewicht komplett vermeidet. Betont man den Aspekt der "Geschichte", dann will man ihn in der Regel treffen und töten oder vor ihm fliehen oder wahnsinnig werden oder was immer die Art von Geschichte ist, die das System verspricht. Beides kann viel Spaß machen, beides kann sich doof anfühlen.

Ja, die Ausnahmen, die tartex anbringt, sind legitim und einleuchtend. Ich spreche hier vielleicht auch nur für mich, aber wenn ich DnD spiele, die Vampire Hunter Prestige Class gewählt habe, das Schwert des Lichts im verlorenen Tempel des Sonnengottes neu geschmiedet habe und dafür meinen Erstgeborenen im Kampf gegen Werwolfsklaven geopfert habe wie einen Bauern auf dem Schachfeld, dann soll verdammt noch mal der Vampirlord auftauchen!  ;D

(Und ich würde ihn evtl. auch explizit nicht suchen, das wäre vielleicht nicht der Wunsch meines Charakters, der lieber fliehen will. Ich erwarte, dass der auftaucht, wir alle so tun als wären wir überrascht und dann rein mit dem Pfahl.)

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Offline felixs

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(Und ich würde ihn evtl. auch explizit nicht suchen, das wäre vielleicht nicht der Wunsch meines Charakters, der lieber fliehen will. Ich erwarte, dass der auftaucht, wir alle so tun als wären wir überrascht und dann rein mit dem Pfahl.)

Ist das auch etwas, was Du dem SL so sagen würdest, oder ist das etwas, wovon Du erwarten würdest, dass das selbstverständlich so funktioniert?
Würdest Du auch Deinen Wunsch, dass etwas unerwartet-erwartetes passiert und dass dann alle so tun, als wären sie überrascht, offen kommunizieren?
(Ich bin dafür, dass genau diese Dinge am Spieltisch gesagt werden und man dann danach handelt. Bin aber nicht sicher, ob das Konsens ist).
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Offline tartex

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Betont man den Aspekt des Spiels, dann "gewinnt" man, wenn man den Oberbösewicht komplett vermeidet. Betont man den Aspekt der "Geschichte", dann will man ihn in der Regel treffen und töten oder vor ihm fliehen oder wahnsinnig werden oder was immer die Art von Geschichte ist, die das System verspricht. Beides kann viel Spaß machen, beides kann sich doof anfühlen.

Lustigerweise sehe ich das genau andersrum. Ich bin ja Story-Gamer und Rollenspiel fasziniert mich, weil die verschiedenen Faktoren (Zufalls plus viele Köche) regelmäßig Geschichten generieren, die mich viel mehr überraschen, begeistern und wegblasen als es 95% der Genreliteratur oder des Genrefilms tun.

Reingehen, den Hauptgegner finden und überwinden, ist für mich als Actionstory einfach zu öd. Da will ich stattdessen unerwartete Wendungen, wahnwitzige Überraschungen und gebrochene goldene Storytelling-Regeln. Das sind die Momente, die mir Gänsehaut verschaffen.

Wenn es ums gewinnen ginge, dann würde ich den Endgegner natürlich wegbolzen wollen und 100% Success Rate aus dem Abenteuerschauplatz rauszuzeln.
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Letzten Endes stellt sich mir persönlich nicht nur, aber gerade auch bei Kämpfen so gut wie immer einfach ein Stück weit die Frage nach dem Warum. Da ist der Gegner XY -- was motiviert mich (und ggf. meinen Charakter), gegen ihn anzutreten? "Reiner Blutdurst" mag ja für einige von uns schon völlig ausreichen, aaaber... ;)

Im Fall von beispielsweise Strahd habe ich es ja nicht nur mit einem x-beliebigen Vampir zu tun, der laut Klischee gefälligst gepfählt gehört (und selbst das läßt sich ja schon hinterfragen), sondern mit einem ungewöhnlich mächtigen Blutsauger, der obendrein der offizielle etablierte Herrscher der ganzen Region ist. Da kann die erste Frage leicht auf "Trauen wir uns das überhaupt zu, oder sollten wir nicht lieber nach einer Rückzugsmöglichkeit suchen und später wiederkommen?" hinauslaufen -- zumal bei D&D als System, wo ja "später" praktisch automatisch auch "mit deutlich mehr Macht, als wir jetzt gerade haben" bedeutet.

(Natürlich wäre es umgekehrt schön, Barovia (oder wie immer die Gegend heute in 5e-Zeiten heißen mag) einigermaßen schnell und sauber in einem Durchgang von Strahds Tyrannei befreien zu können, aber das ist in Anbetracht der Umstände schon ein ziemlich ambitioniertes Ziel, und die Sorte setze ich mir nicht ganz so selbstverständlich.)

Und mit der Ausgangssituation "Wettrennen um das Waffendepot" sieht's ähnlich aus: selbst wenn es uns darum geht, das Depot vor eventueller Konkurrenz zu plündern, hängt für mich die Antwort auf die Frage, ob wir mit dieser Konkurrenz dann auch unbedingt am Depot selbst kämpfen sollten, stark davon ab, wer die eigentlich sind. Etablierte Feinde, mit denen wir eh auf Kollisionskurs sind? Irgendeine dritte Partei, die das Depot auch gerne ausnehmen würde, mit der wir aber ansonsten zumindest aktuell gar nicht aktiv im Clinch liegen? Und wenn wir tatsächlich einen hinreichenden Zeitvorteil herausschinden, um schon alles abgeräumt zu haben, bevor die andere Seite auch nur eintrifft...wissen wir dann offiziell überhaupt, daß die ihrerseits unterwegs sind (dann kann sich's lohnen, einen Hinterhalt zu legen und zu warten), oder haben wir nominell keine Ahnung und also auch gar keinen Grund, da weiter Zeit zu verschwenden?

Alles Entscheidungen, die ich als Spieler wahrscheinlich erst mehr oder weniger spontan mitten im Spiel treffe, wenn eine wie auch immer vorgegebene Abenteuerstruktur schon lange steht und mittendrin möglicherweise nur noch mit Schwierigkeiten angepaßt werden kann...
« Letzte Änderung: 21.12.2023 | 12:40 von nobody@home »

Offline Boba Fett

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Letzten Endes stellt sich mir persönlich nicht nur, aber gerade auch bei Kämpfen so gut wie immer einfach ein Stück weit die Frage nach dem Warum.
Da ist der Gegner XY -- was motiviert mich (und ggf. meinen Charakter), gegen ihn anzutreten?

Möglicherweise, die Tatsache, dass der Charakter nicht in einem so friedlichen Umfeld aufgewachsen ist wie wir und deswegen andere Moralvorstellungen besitzt.

Dazu zählt, dass man den Wert des Lebens (auch des eigenen) gering betrachtet und Gewalt als Mittel zum Zweck akzeptabel bewertet.
Und das ist nicht so weit weg von unserer mitteleuropäischen Kultur.

Oder man ist fest davon überzeugt, dass es ein Leben nach dem Tode gibt und dass dieses, sofern man sich hier richtig anstrengt, das "richtige" zu machen, dass dann im Afterlife ein wesentlich besseres Leben auf einen wartet. Und mit "richtig" meine ich nicht "gut" sondern eher "im Sinne der Entität", die einem das 2. Leben ermöglicht oder entscheidet, wohin es geht.





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Offline Radulf St. Germain

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Lustigerweise sehe ich das genau andersrum. Ich bin ja Story-Gamer und Rollenspiel fasziniert mich, weil die verschiedenen Faktoren (Zufalls plus viele Köche) regelmäßig Geschichten generieren, die mich viel mehr überraschen, begeistern und wegblasen als es 95% der Genreliteratur oder des Genrefilms tun.

Reingehen, den Hauptgegner finden und überwinden, ist für mich als Actionstory einfach zu öd. Da will ich stattdessen unerwartete Wendungen, wahnwitzige Überraschungen und gebrochene goldene Storytelling-Regeln. Das sind die Momente, die mir Gänsehaut verschaffen.

Das verstehe ich und das ist auch eine Sache, die ich am Rollenspiel mag - die Story kann in unerwartete Richtungen gehen und eigentlich hat man am Ende immer etwas erlebt, dass am Tisch dynamisch entstanden ist.

Offline Maarzan

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Wieso sollte eine Geschichte, wo man ohne Kampf der Konkurrenz ein Schnippchen schlägt in so einem Rennen dann eine schlechte sein?
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