In meinen Augen macht es die X-Card einfach deutlich leichter, destruktive Verhaltensweisen mit einer niedrigen Ausführungsschwelle an den Tisch zu bringen.
Auch und insbesondere wenn man mit Fremden spielt.
Das von einem anderen Tanelorni angeführte Beispiel aus einer Shadowrun-Runde ist für mich da sehr exemplarisch für eines der Szenarien an denen ich kein Interesse habe.
Ohne jetzt den ganzen Thread gelesen zu haben, will ich hierauf eingehen. Denn:
Das kann doch sowieso passieren!
JollyOrc hat doch klar gestellt, dass der Spieler auch bei Einsatz der X-Card schon immer benennen muss, was er genau entfernt oder übersprungen haben will. Ich meine, zu sagen: „Ich brauche die X-Card als visuellen Kanal nicht, damit Spieler sagen können, was sie entfernt haben wollen. Wir haben da andere Maßnahmen wie ‚Stop‘ sagen oder sowas“ – da kann ich mitgehen. Die X-Card ist ja auch nicht mein Lieblingssicherheitswerkzeug auf dieser Welt.
Aber dass es die Hürde für destruktives Verhalten senkt… das hast du doch sowieso, wenn ein Spieler Einwände haben kann. Wenn Absprachen wie oben getroffen werden, kann besagter Spieler ja trotzdem ‚Stop‘ sagen und den Spielfluss zum Erliegen bringen. Das kann man eigentlich nur verhindern indem man einen von zwei Aspekten ändert, nämlich entweder Verfügbarkeit oder Vorleistung.
Verfügbarkeit: Ich schränke ein, wann Spieler fragen dürfen, ob etwas entfernt wird. Etwa indem ich sage, dass nach Session Zero nur zwischen den Sessions Trigger abgesprochen werden. Oder abgestimmt wird ob was drin bleibt oder nicht.
Vorleistung: Ich verlange, dass der Spieler sich ausführlicher erklärt, warum er etwas abgeblendet oder entfernt haben will. Ich möchte, dass er mehr Informationen preisgibt, damit ich einschätzen kann, ob er nur trollen will oder es ernst meint.
Mit beidem habe ich so meine Probleme.
Im ersten Fall besteht halt das Risiko, dass ich über die Grenzen von jemandem drübergehe. Gut, zugegeben, was sagen kann ich als Spieler (oder SL eigentlich immer, wenn mir was nicht passt). Aber wenn die Absprache sagt, ich soll mich nicht mucksen, dann ist die soziale Hürde höher das auch zu tun. Egal ob ich was sagen oder auf eine Karte deuten und dann was sagen soll, die Hürde in diesen Fällen wäre gleich niedrig. Denn sagen muss ich ja trotzdem was.
Im zweiten Fall geht’s mich als Mitspieler halt einen Scheiß an, warum irgendwas ein Triggerpunkt ist oder nicht. Es muss sich niemand rechtfertigen, dass derjenige mit einem Inhalt nicht klarkommt. Und selbst wenn fragliche Person permanent auf der X-Card herumtippt, würde das doch auffallen und dann kann man den betreffenden Spieler zur Rede stellen. Erneut: JollyOrc macht das als X-Card-Befürworter ja auch klar und da gehe ich mit. Und selbst wenn der Spieler so sneaky ist, das niemand das merkt oder aus der Haut fährt, wenn mein seinen perfiden Plan durchschaut: Was ist denn das schlimmste, was passieren kann? Dass man eine miese Rollenspielerunde gespielt hat? Ich kann aus dem Stehgreif 4 Runden benennen, denen eine X-Card-Ansage zu Beginn vielleicht gut getan hätte. Aber ich bin auch nicht dran gestorben, dass Spieler:innen die torpediert haben oder unangemessenes Zeug gemacht haben. Man hat auch mal eine schlechte Rollenspielrunde.
Und das Risiko, das ein Sicherheitswerkzeug missbraucht wird, dafür aber eine Exitoption für Spieler:innen besteht, denen etwas unangenehm ist, gehe ich gerne ein. Und für die heilige Immersion opfere ich diese Möglichkeit erst recht nicht – also sorry, ist nur ein Spiel, Leute. Und „Horror“ ist ein so breites Genre, das reicht von „Blair Witch“ über „Die Frau in Schwarz“ bis zu „Martyrs“ und „Funny Games“. Sehr unterschiedliche Sensibilitäten. Mich triggert in Filmen zum Beispiel Kannibalismus oder die Degradierung von Menschen zu Tieren oder gar Vieh. Der Schluss von „Freaks“ zum Beispiel ist für mich unerträglich. Aber hätte ich das auch benennen können, bevor ich „Freaks“ dann gesehen habe? Nein.
Man mag mich gutgläubig nennen, aber ich gehe in keiner Rollenspielrunde grundsätzlich erst einmal davon aus, dass die anderen Mitspieler mich verarschen werden, wenn ich ihnen weit genug vertraue, keine Sucherheitstechniken in der Runde zum eigenen Vorteil zu nutzen.