Auch für viele populäre Franchises gibt es kein offizielles Rollenspiel. Ja, es gibt dann meist inoffizielle Rollenspiele oder von den Franchises inspirierte Rollenspiele, aber nur selten etwas offizielles.
Und da fehlt mir persönlich dann halt das Verständnis. Ich meine, brauchen wir das denn? Und welche Franchises sind gemeint? Was hat ein offizielles Franchise-Rollenspiel für einen Vorteil gegenüber einem, das dasselbe macht, aber die Seriennummern abfeilt?
Ich meine, zu den meisten Franchises, die hier gemeint sein können findet man alle Informationen in ausführlichen Wikis im Netz oder sogar als Settingguides im Buchhandel. Auf der anderen Seite haben wir (und das die ganze Zeit schon) Auswüchse von Franchise-Rollenspielen, bei denen ich mir an den Kopf fasse. Ich meine, wer braucht denn wirklich ein "The Princess Bride"-Rollenspiel oder ein "Terminator-Rollenspiel" oder ein "Monty Python and the Holy Grail"-Rollenspiel? Mit wem wollt ihr das denn spielen? Und: Tragen die Film-, TV- und Videospiel-Settings überhaupt als eigenständige Settings? Das tun viele doch nicht. Ein sinnvolles Franchise-Rollenspiel basiert auf einem anderen Medienprodukt, dessen Inhalt bereits über das eigene Setting hinausweist. Schon "Cowboy Bebop" tut das eigentlich nicht: Mit dem Rollenspiel dazu kann ich vielleicht Geschichten spielen, die "Cowboy Bebop" kopieren, ja. Und die Regeln fangen den Vibe der Serie auch gut ein. Aber ist ein eigenes Rollenspiel dazu notwendig gewesen?
Ich selbst habe zwei "Franchise"-Rollenspiele im Schrank. "Der Eine Ring" ist das eine. Das funktioniert allein deshalb, weil Tolkien so ein versessener Hard-World-Builder gewesen ist, der zu jedem Stock und Stein seiner eigentlichen Geschichten irgendwo eine Notiz gemacht hat. Das andere ist "Avatar: The Last Airbender". In diesem Setting haben die Leute aber schon Geschichten rollengespielt, solange es die Serie gibt. Ich besitze das offizielle Spiel nur, weil darin die Spielwelt erweitert wurde und das massiv und sinnvoll. Für die Regeln brauche ich's nicht: Avatar kann man schon seit Ewigkeiten mit anderen Spielen bespielen.
Vielleicht bin ich da eigen, aber die meisten Rollenspiele, die ich in meinem Hobbyleben kennengelernt habe und die mich wirklich, wirklich nicht losgelassen haben, waren
keine Franchise-Rollenspiele, sondern ganz eigene Spielwelten. Manche davon waren an Franchises angelehnt, haben aber noch zusätzliche Inhalte gehabt. Ich konnte "Avatar: The Last Airbender" bereits mit "Exalted" bespielen, da war "Avatar: The Last Airbender" noch nicht mal angelaufen.
Wann wollen wir das denn alles spielen? Es gibt doch schon zu jedem beliebigen Franchise ein Rollenspiel, das es emulieren könnte (gut okay, ausgenommen vielleicht wirklich die
US-Sitcom... kann nicht mal wer ein offizielles
The Simpsons-Rollenspiel machen... das würde ich ausnahmsweise kaufen).
Es mag zwar Rollenspiele zu jedem Dreck geben, aber wieviele davon sind minimalistische Indi-Rollenspiele, deren Regeln so kurz sind, dass selbst ein so regelleichtes Rollenspiel wie Tunnels & Trolls deutlich komplexer wirkt? Es wurde schließlich nach klassischen rollenspielen gefragt. das schlließt für mich regelleichte Indi-Rollenspiele, reine Erzählrollenspiele u.ä. aus.
Das hat aber doch Gründe, warum das so ist. Abgesehen davon, dass Indie nicht unbedingt "minimalistisch" bedeutet (Zweihänder, anyone? One Roll Engine? Hillfolk?), glaube ich ist es ganz logisch, dass viele Genres gar nicht mit klassischen, dicken Regelwerken (wobei der Begriff "klassisch" auch schon wieder schwierig ist... die eigentlichen, klassischen Rollenspiele waren ja jetzt auch in vielen Fällen nicht unbedingt Regelmonster)
bespielt werden sollten. Einfach weil es diesen Genres um was anderes geht, als um die wild-west-libertäre Rags-to-Riches-Heldenreise, die z.B. ein D&D so abbildet. Das war überhaupt eine der Triebfedern der Indierollenspiele der ersten Forge-Welle damals:
"Hmmm, in 'Vampire' steht drin, ich kann damit 'Personal Horror' spielen... aber bei den Regeln geht's irgendwie nur darum, wie ich coole Powerz anschmeiße oder ob ich es schaffe ohne Crashes die Straße runter zu fahren... da stimmt doch was nicht."
Die meisten Genre-emulierenden Rollenspiele sind deshalb so schlank, weil sie halt auf den Punkt designt sind. Die wollen eben gar nicht ein klassisches D&D- oder Traveller- oder Runequest-Feeling abbilden, weil ihr Vorlagegenre dieses Feeling halt auch nicht abbildet.
Also, woran machen wir dann fest, welches Rollenspiel hier im Sinne dieses Threads als Beispiel für ein vollwertiges Genre-Rollenspiel gelten kann? An der Regelmenge? Das kann's doch nicht sein.