Wir spielen aktuell eine LAPD 4K Murder & Homicide Detective Kampagne, 1987 in Los Angeles.
Das wichtigste dabei ist für mich, dass ich als Spielleiter alle relevanten Details der Fälle kenne und im voraus für mich festlege. Dabei muss ich darauf achten, dass es nach Möglichkeit immer mehr als einen Weg gibt, von einer Spur zur nächsten zu kommen. Also physische Beweise, Zeugen, Tip-Line-Anrufer, Verdächtige die man befragen kann, CIs, etc. Das Kernelement im Rollenspiel ist es nicht Würfel zu werfen. Würfel erzeugen Chaos und Chaos erzeugt ein gewisses Maß an Spannung. Das ist gut, aber nicht der wichtigste Faktor. Entscheidungen zu treffen ist wichtiger, weil das die eine Sache ist, die Rollenspieler mit ihren Figuren aktiv tun. Welche Spuren sollen priorisiert vom SID ins Labor geschickt werden, welche Zeugen sollen vorgeladen und befragt werden, etc. Detektivarbeit dreht sich zu einem wesentlichen Teil um das Management von Ressourcen. Im Fall einer Polizeikampagne ist das vor allem Manpower, Zeit und finanzielle Mittel. Wenn man einen Streifenwagen schickt, um Zeuge A aufs Revier zu bringen, kann der gleiche Streifenwagen nicht gleichzeitig Zeuge B einsammeln. Und wenn man schlechte Entscheidungen trifft, befragt man am Ende die falschen, während ein Zeuge mit nützlicheren Informationen womöglich verschwindet, bestochen wird, ermordet wird, wichtige Details vergisst, in den Urlaub fährt, etc.
Detektivarbeit, besonders polizeiliche, dreht sich ja nicht nur darum herauszufinden, wer es getan hat. Man muss es auch beweisen können. Mitunter kann es von Anfang an klar sein, wer das Verbrechen begangen hat, aber es muss noch geklärt werden wie und idealerweise auch warum. Sonst platzt der Fall am Ende vor Gericht. Wir spielen die Prozesse nicht aus, aber es ist trotzdem ein wichtiges Hintergrundelement für die Spieler. Einfach nur zu glauben, dass man den Täter hat, reicht nicht. Das reicht ja noch nichtmal, um jemanden anhaltend festzuhalten. Für einen Arrest muss man letztlich den Untersuchungsrichter überzeugen einen Haftbefehl auszustellen und die Staatsanwaltschaft muss ein gutes Verfahren führen können. Ansonsten ist es eben auch eine relevante Konsequenz von Fehlern, dass ein Täter womöglich durch die Maschen schlüpft und wieder auf freien Fuß kommt, oder das Urteil so milde ausfällt, dass "der Gerechtigkeit nicht genüge getan wurde".
Den Fall im Verlauf des Spiels anzupassen finde ich dabei problematisch. Sicher, manchmal haben die Spieler einer Theorie, die interessanter ist als das, was ich im Voraus festgelegt habe. Aber man tanzt da auf Messers Schneide ein Opfer der eigenen Arroganz zu werden. Wenn man sowas macht und die Spieler merken es, verliert alles an emotionaler Bedeutung. Die Spieler fühlen sich nicht mehr clever, wenn sie einen Fall geknackt haben, wenn sie realisieren, dass der Fall sich als Quantenoger einfach ihren Mutmaßungen anpasst. Die Spieler, mit ihren Figuren als Avatare, können dann den Täter nicht mehr austricksen, überlisten und überführen. Sie spinnen dann einfach nur noch irgendwas zusammen, was zu den Indizien passt. Das ist übrigens auch genau das, was inkompetente Ermittler real tun. Sie denken sich was aus und finden dann einen passenden Täter dafür. Leider ist das in vielen Fällen sogar leichter, als man glauben sollte. Vor allem, wenn man keine hohen Ansprüche an die Wahl des Sündenbocks hat und man bereit ist zu tricksen und zu manipulieren.
Wenn meine Spieler bei einem Fall irgendeine großartige Idee haben, die wahnsinnig interessant wäre, aber nicht dem entspricht, was ich als Tatsachen definiert habe, schreibe ich es mir lieber auf und merke es mir für die Zukunft. Für diese Gruppe oder eine ganz andere. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass Spieler sehr positiv darauf reagieren, wenn sie falsch lagen, sofern das, was sich dann als Tatsache erweist, schlüssig ist. Und es ist zwingend notwendig, wenn die Spieler sich thematisch weiterbilden und reale Befragungs- und Ermittlungstaktiken anwenden wollen. Das können sie nicht, wenn es keine objektive Realität gibt.
Ansonsten mache ich es an sich wie die meisten Polizei-Serien und fülle alle Leerlaufzeiten mit social drama der SC und NSC. Die meisten Fälle hängen nicht ausschließlich an dem, was die SC tun. Wenn sie nicht alle Hinweise finden, die sie brauchen, damit es vorangeht, kommen ein paar weitere Dinge womöglich über die nächsten Tage raus. Die Uniformen auf der Straße finden einen neuen Zeugen, die Laborergebnisse sind endlich da, etc. Nur sollten diese Dinge möglichst nie als Deus Ex Machina den Plot lösen. Ich halte nichts davon diese Dinge zu simulieren und entscheide entsprechend der Dramaturgie, aber das bedeutet nicht, dass ich Krücken und Stützräder erfinde. Anders herum. Ich lasse die Krücken und Stützräder weg, wenn die Spieler sie aufgrund ihrer Handlungen und Erfolge nicht mehr brauchen würden. Keine Geschichte braucht den fünften Zeugen der nochmal exakt das gleiche aussagt, wie das was man bereits herausgefunden hat und schon belegen kann. Und bei einigen Schlüsselelementen gibt es auch ganz klare win/lose Konditionen. Ermittlungen müssen scheitern können. Sonst entwertet es den Triumph, wenn sie es nicht tun.
Damit sei nicht gesagt, dass man so nicht spielen kann, dass sich die Umstände den Ideen und Theorien der Spieler anpassen. Im Play-Sinn funktioniert das. Aber nicht im Game-Sinn. Und es braucht dann auch eigentlich keine Spielleitung mehr. Wenn man einfach nur gemeinsam eine Krimigeschichte ausdenken möchte, könnte man das auch gut spielleiterlos machen. Dann gibt es eine Ausgangssituation und ab da spielt man dann einfach in verschiedenen Rollen, wie das abläuft, ohne das es von Anfang an eine objektive Realität gegeben hätte. Aber das ist für mich nicht das, was ich spielen möchte.
Der Umstand, dass die Spieler in dieser Gruppe sich ein riesiges Kork-Brett zugelegt haben, wo sie mit bunten Pins, Fäden, Zetteln und Fotos ihre Ermittlungen dokumentieren können, wo sie Zeitabläufe, Verdächtige und Tatortinformationen zusammentragen und dabei begeistert über den vorhandenen Informationen brüten, zeigt mir recht deutlich, dass ich in Bezug auf diese konkrete Gruppe und diese spezifische Kampagne alles richtig gemacht habe. Und das ist auch ein sehr gutes Gefühl am Ende jeder Sitzung.