Hmmh, ich würde die Knackpunkte ein bisschen anders definieren, auch wenn die o.g. Liste sicherlich gut brauchbar ist.
A und O ist für mich das Bewusstsein, und hier würde ich genauer aufdröseln. Dem Spieler muss nicht nur bewusst sein, _dass_ er eine Wahl trifft, sondern auch, _welche_ Wahl das ist und welche Konsequenzen - wenigstens so ungefähr - seine Entscheidung haben kann oder wird.
Vielleicht ist das eigentlich schon bei Punkt 2 mitgemeint, aber so steht es halt nicht geschrieben.
Erinnerung und Permanenz, naja. Es muss nicht jede Entscheidung einen ewigen Rattenschwanz hinter sich herziehen. Eine Entscheidung kann auch bedeutsam sein, wenn sie nur in dieser und vllt der nächsten Sitzung spürbare Konsequenzen hat. Freilich dürften kluge Entscheidungen weniger negative Nachwirkungen haben als dumme.
Um das Ganze mal andersrum aufzudröseln:
- Wichtig ist für mich eigentlich vor allem, dass die Entscheidungen nicht von der SL entwertet werden. Indem zB eine vermeintlich bedachte Entscheidung getroffen wird, und dann die SL eine vorher absolut nicht absehbare, negative Konsequenz aus dem Hut gezaubert wird. Das ist dann halt einfach Bait and Switch.
- Dazu ist natürlich wie oben schon gesagt notwendig, dass die Spieler die Möglichkeit haben, an die relevanten Informationen zu kommen, um eine bedeutsame Entscheidung treffen zu können.
Als ein Negativbeispiel fällt mir etwa eine Unsitte aus diversen Printabenteuern ein, in denen man zwar explizit die Möglichkeit hat, mit NSCs zu verhandeln (was dann etwa über einen Diplomacy Check bewertet wird), und eine _gelungene_ Probe dazu führt, dass die NSCs hinterher Verrat begehen und den Spielern in den Rücken fallen. Solche Abenteuerautoren möchte ich mit Honig eingeschmiert auf einen Ameisenhügel fesseln.
Aha. Ich stand vorhin in der Küche, habe mir einen Kaffee gekocht, anschließend den Kaffee in einen Becher gefüllt und stand dann vor der der sehr bedeutungsvollen Entscheidung, ob der Spritzer Milch, der anschließend hinzukam, für meine Zwecke ausreichend ist oder nicht. Ich war mir der möglichen Konsequenzen voll bewusst: da ich zu faul zum Umrühren war, würde ich erst am Schreibtisch merken, ob das der Fall ist oder nicht. Eine Fehlentscheidung hätte hier also bedeutet, meinen Pöscher vom Stuhl zu erheben, in die Küche zu schlurfen und etwas mehr Milch hinzuzufügen zu müssen, um dann den Rückweg anzutreten und die Prozedur wiederholen oder mir gar einen neuen Kaffee kochen zu müssen.
Dass das Ganze hier zu einer "bedeutungsvollen Entscheidung" wird, weil ich hier eine Entscheidung getroffen habe und mir über die Konsequenzen der Entscheidung vollkommen bewusst gewesen bin, bezweifle ich.
Ein anderes Beispiel ist die Szene, in der Luke Skywalker in Episode IV zu Obi-Wan Kenobi sieht und sagt: "Ich gehe mit nach Alderaan, es hält mich nichts mehr hier. Ich will mich mit der Macht vertraut machen und ein Jedi, wie mein Vater, werden." George Lucas fand diese Entscheidung seines Protagonisten offensichtlich sehr bedeutsam, ansonsten hätte er selbst wohl nicht die ebenso bedeutsame Entscheidung getroffen, das Publikum durch diesen Monolog über diese Entscheidung Lukes zu informieren.
In dieser Szene finden sich alle vier Punkte, die nach der Definition von Brice Morrison (s. Eingangspost) eine "bedeutungsvolle Entscheidung" ausmachen , wobei sich meine erste Szene (Kaffee) von der zweiten Szene (Luke) wesentlich durch Kriterium Nr. 2 (Konsequenzen) unterscheidet. Mögliche Konsequenzen sind hier für Luke erkennbar, er kann den Tod finden, genau wie sein Onkel und seine Tante. Dennoch gewinnt die Entscheidung ganz wesentlich Bedeutung dadurch, dass Luke später Darth Vader bekehren und den Tod des Imperators und den Fall des Imperiums herbeiführen wird, d. h. gerade durch Konsequenzen, die Luke zu diesem Zeitpunkt
nicht erkennen kann.
Hieraus lässt sich lernen, dass Morrisons Punkt 4 = die Erkenntnis des handelnden Protagonisten, dass seine Entscheidung Konsequenzen hat, die er nicht rückgängig machen kann, Einfluss auf das Verständnis von Punkt 1 haben muss, denn zum Zeitpunkt seiner Entscheidung konnte er offensichtlich diese Konsequenzen, die er erst später erkannt hat, noch nicht kennen.
Jedes der 4 Kriterien muss erfüllt sein, damit man nach Morrison von einer "meaningful choice" sprechen kann. Die vier Kriterien oder Bedingungen einer bedeutungsvollen Entscheidungen sind dabei zwar zeitlich so angeordnet, dass sie dem Erleben des Protagonisten entsprechen, aber offensichtlich muss das nicht bedeuten, dass die Entscheidung sozusagen mit Punkt 4 beendet ist.
D. h. ein eigentlich sehr wichtiger Punkt, nämlich
die Dimension der Konsequenzen, wird von Morrison nicht explizit genannt, ergibt sich aber implizit daraus, dass seine Definition richtig verstanden und richtig anwendet wird.